Beschluss vom Verwaltungsgericht München - M 9 S 19.443

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen einen zweckentfremdungsrechtlichen Bescheid.

Bescheidobjekt ist eine im Eigentum des Antragstellers stehende 3,5-Zimmerwohnung im B.weg 26/EG rechts, die dieser nicht selbst bewohnt (Bl. 15 und 16 d. Behördenakts - i. F.: BA -).

Die Antragsgegnerin untersagte dem Antragsteller mit streitgegenständlichem Bescheid vom 7. Mai 2018, Gz. S-III-W/BS 116-Med, die Wohneinheit für Zwecke der Fremdenbeherbergung zu nutzen (Ziff. 1) und forderte ihn auf, diese wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. 2). Widrigenfalls wurden unter Setzen von Erfüllungsfristen von drei bzw. vier Monaten Zwangsgelder in Höhe von jeweils 5.000,- EUR angedroht (Ziff. 3 und 4). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.

Der Bescheid wurde an den Bevollmächtigten des Antragstellers, Hr. Rechtsanwalt M. D., am 12. Mai 2018 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt - Eintrag im Adressfeld und Anredeformel - (Bl. 49 ff. und 52 d. BA). Dieser hatte sich auf die unter dem 22. August 2017 (Bl. 21 d. BA), unter dem 16. Februar 2018 (Bl. 30 d. BA) und unter dem 27. März 2018 (Bl. 33 d. BA) an den Antragsteller persönlich gerichteten Anhörungs- bzw. Aufklärungsschreiben mit Schriftsatz vom 5. April 2018 gegenüber der Antragsgegnerin unter Versicherung ordnungsgemäßer Vollmacht als Bevollmächtigter bestellt und Akteneinsicht verlangt (Bl. 34 f. d. BA). Mit Schriftsatz vom 20. April 2018 (Bl. 39 ff. d. BA) nahm der Bevollmächtigte ausführlich Stellung. Auf Anforderung vom 7. Mai 2018 (Bl. 44 d. BA) übersandte der Bevollmächtigte am selben Tag weiter eine vom Antragsteller unterzeichnete Vollmacht vom 5. April 2018 (Bl. 47 ff. d. BA).

In der Folge ergingen unter dem 29. Oktober 2018 und unter dem 14. Dezember 2018 noch zwei zweckentfremdungsrechtliche Folgebescheide.

Der Antragsteller persönlich hat zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unter dem 31. Januar 2019 Klage u. a. gegen den Bescheid erhoben. Er beantragt (insgesamt),

  • 1.die Bescheide der Antragsgegnerin vom 7. Mai 2018, vom 29. Oktober 2018 und vom 14. Dezember 2018 aufzuheben,

  • 2.festzustellen, dass die festgesetzten Zwangsgelder nicht zur Zahlung fällig geworden sind,

  • 3.die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen und

  • 4.der Antragsgegnerin die Kosten aufzuerlegen;

weiter, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Dem Rechtsbehelf als Anlage beigegeben war eine Bescheidkopie, die einen Eingangsstempel des Bevollmächtigten vom 12. April 2018 trägt (Bl. 4 d. Gerichtsakts). Zur Begründung wird vorgetragen: Der Antragsteller persönlich habe erst am Freitag, 18. Januar 2019, über seinen bisherigen Rechtsanwalt M. D. Kenntnis von den Bescheiden erhalten. Dieser habe die Bescheide zwar an die E-Mail-Adresse der Ehefrau des Antragstellers gesendet und auch telefonischen Kontakt mit dieser gehabt, wonach die Ehefrau zugesichert habe, die Bescheide an den Antragsteller weiterzuleiten und diesen zu informieren. Die Ehefrau des Antragstellers aber habe dies wegen persönlichen Differenzen bzw. Streits unterlassen. Zudem könne der Antragsteller nicht nachvollziehen, wieso der Rechtsanwalt keine Abdrucke der Bescheide per Post an ihn weitergeleitet habe. Auf den Vortrag im Übrigen wird Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Eilantrag abzulehnen.

Die Klage sei bereits unzulässig, da verfristet. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, da das Verschulden des Bevollmächtigten Verschulden des Beteiligten gleichstehe, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO. Der damalige Bevollmächtigte habe der Antragsgegnerin erst mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 mitgeteilt, den Antragsteller nicht weiter zu vertreten. Hilfsweise werde vorgetragen, dass der Bescheid rechtmäßig und die Klage (und der Eilantrag) damit auch unbegründet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten in allen Verfahren (M 9 K 19.442, M 9 S 19.443, M 9 K 19.452, M 9 S 19.453, M 9 K 19.454 und M 9 S 19.455) sowie der vorgelegten Behördenakte.

II.

Der Antrag bleibt erfolglos.

Er ist bereits unzulässig.

1. Zwar existiert keine Antragsfrist, der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO aber ist jedenfalls abhängig von einem nicht offensichtlich unzulässigen Hauptsacherechtsbehelf, da nur so eine Hauptsache existiert, deren Erfolgsaussichten offengehalten werden könnten (statt aller Wysk, VwGO, Stand: 2. Aufl. 2016, § 80 Rn. 7). Daran fehlt es vorliegend, der angegriffene Bescheid ist bereits bestandskräftig. Die Anfechtungsklage ist unzulässig, da verfristet, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO: Die Monatsfrist lief vorliegend am 12. Juni 2018 ab. Die Anfechtungsklage wurde erst am 31. Januar 2019 und damit verspätet erhoben.

2. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO kommt nicht in Betracht. Der Antragsteller war nicht ohne Verschulden verhindert, die Klagefrist einzuhalten.

a) Es ist kein Fall des sog. Drittverschuldens gegeben - unter den Begriff des Dritten fiele auch die Ehefrau des Antragstellers (Sodan/Ziekow, VwGO, Stand: 5. Auflage 2018, § 60 Rn. 69) -, bei dem sich der Antragsteller eventuell exkulpieren könnte, v. a. dann, wenn er nachweisen könnte, den Dritten sorgfältig ausgewählt zu haben o. Ä. (vgl. zu einem derartigen Fall OVG NW, U.v. 29.3.1995 - 13 A 3442/93 - NJW 1995, 2508): Der Bescheid wurde nach Art. 8 VwZVG, Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG an den damaligen Bevollmächtigten zugestellt; eine Ersatzzustellung an die Ehefrau, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VwZVG i. V. m. § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, ist gerade nicht erfolgt.

b) Vielmehr fand eine Zustellung an den damals bestellten Bevollmächtigten statt. Ein Widerruf der Vollmacht nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG, der zur Beendigung der Stellung als Bevollmächtigter führte, war weder erklärt noch zugegangen. Der Bevollmächtigte nahm auch nach Bescheiderlass wiederholt für den Antragsteller Stellung (vgl. bspw. Bl. 59 ff. d. BA). Erst unter dem 19. Dezember 2018 erklärte er der Antragsgegnerin gegenüber, den Antragsteller nicht länger zu vertreten (Bl. 84 d. BA).

Eröffnet Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG lediglich eine dahingehende Zustelloption, sieht Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG, der von Art. 14 und Art. 41 BayVwVfG unberührt bleibt (vgl. Art. 14 Abs. 3 Satz 4, Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG), diese Zustellungsweise nach - wie hier - Vorlage einer schriftlichen Vollmacht, § 167 BGB, verpflichtend vor.

Diese Zustellung erfolgte unter dem 12. Mai 2018, wie die im Verwaltungsvorgang befindliche Postzustellungsurkunde nachweist - diese Chronologie passt auch zum Erlassdatum des Bescheids. Demnach ist davon auszugehen, dass der Eingangsstempel des Bevollmächtigten hinsichtlich der Monatsangabe schlicht falsch eingestellt war (April statt Mai). Damit wurde die Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt.

Ob der Umstand, dass der Bevollmächtigte intern die Bescheide nur an die Ehefrau weitergegeben haben soll - dies wird zugunsten des Antragstellers unterstellt -, eine Pflichtverletzung des Geschäftsbesorgungsvertrags, § 675 BGB, darstellt, kann offenbleiben. Als eigentlich relevante Pflichtverletzung kommt vorliegend das Versäumen der Klagefrist in Betracht. Ein diesbezügliches Verschulden des Bevollmächtigten, wollte man es aus der alleinigen Weitergabe an die Ehefrau (mittelbar) konstruieren, steht dem Verschulden des Beteiligten selbst gleich, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO. Eine Exkulpation des Beteiligten ist hier nicht möglich (Musielak/Voit, ZPO, Stand: 16. Aufl. 2019, § 85 Rn. 7). § 85 Abs. 2 ZPO ist auch auf die sog. Verfahrenseinleitung durch (rechtzeitige) Klageerhebung - als Prozesshandlung im Sinne von § 85 Abs. 1 ZPO - anzuwenden (vgl. BAG, U.v. 11.12.2008 - 2 AZR 472/08 - NJW 2009, 2841, 2844 f.). Wie die interne Kommunikation des Rechtsanwalts mit dem Beteiligten aussah, kann letztlich damit dahinstehen.

Es wird aber darauf hingewiesen, dass der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin bspw. unter dem 19. September 2018 mitteilte (Bl. 65 f. d. BA), mit seinem Mandanten - männliche Form! - Rücksprache gehalten zu haben. Nicht nur angesichts dessen erscheint der jetzige Vortrag des Antragstellers, er habe erst im Januar 2019 über die Vorgänge erfahren, unglaubhaft. Dies umso mehr, als er dem Gericht gegenüber mehrmals dezidiert angab, erst am Freitag, den 18. Januar 2019, von den Bescheiden erfahren zu haben. Im Verwaltungsvorgang aber befindet sich ein Gesprächsvermerk vom 17. Januar 2019 über ein Telefonat des (vertretenden) Sachbearbeiters mit dem Antragsteller, in dem Letzterer u. a. über Vermietungsbemühungen informierte (Bl. 85 d. BA). Dabei wurde die jetzt geltend gemachte Problematik nach der Gesprächsnotiz mit keinem Wort erwähnt. Somit nannte der Antragsteller nicht nur ein falsches Datum, sondern es bleibt auch offen, wieso er den Amtswalter nicht bereits zu diesem Zeitpunkt über die angeblich fehlende Weiterleitung informierte. Weiter bleibt auch wenig nachvollziehbar, warum sich der Antragsteller generell nach diversen noch an ihn persönlich gerichteten Anschreiben (von August 2017 bis März 2018) bis Januar 2019 nicht mehr um die Sache gekümmert haben will.

Die Kostenentscheidung, Ziff. II des Beschlusses, beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung, Ziff. III des Beschlusses, auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.

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