I.
Die Antragstellerin betreibt ein ca. 113 qm großes Studio, in dem sie Elektronische-Muskelstimulations-Trainings (EMS-Trainings) in Form von Personal Trainings anbiettet. Sie wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die Schließung ihres Studios im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Mit Erlass der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16. April 2020 (GVBl. 2020 S. 214 ff.), die am 20. April 2020 in Kraft und mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft trat, wurde ebenso wie mit der Dritten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (3. BayIfSMV) vom 1. Mai 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 239), die am 4. Mai 2020 in Kraft und am 10 Mai außer Kraft trat, der Betrieb sämtlicher, nicht notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens, sondern der Freizeitgestaltungen dienenden Einrichtungen, untersagt, zu denen ausdrücklich auch Fitnessstudios zählen.
Die Vierte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (4. BayIfSMV) vom 5. Mai 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 240), geändert durch Verordnung zur Änderung der Dritten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung und der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 7. Mai 2020 (BayMBl 2020 Nr. 247), die am 11. Mai 2020 in Kraft trat, untersagt unter Nennung von Regelbeispielen - darunter Fitnessstudios - den Betrieb von Freizeiteinrichtungen (§ 11) sowie grundsätzlich auch den Betrieb von Sporteinrichtungen (§ 9 Abs. 1 Satz 1).
Im Rahmen des E-Mail-Verkehrs in einem vergleichbaren Fall eines anderen EMS-Studios zwischen den Bevollmächtigten der Antragstellerin und dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) vertrat dieses die Auffassung, dass der Betrieb eines solchen Studios nicht erlaubt sei.
Mit Schriftsatz vom 30. April 2020 wandte sich die Antragstellerin an das Bayerische Verwaltungsgericht München; sie beantragt,
„1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu genehmigen, ihr EMS-Mikrostudio zu öffnen und Personaltrainings entsprechend den Vorgaben der zweiten bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16. April 2020 durchzuführen:
hilfsweise:
2. festzustellen, dass das EMS-Mikrostudio mit der Durchführung von 1:1 Personaltrainings (und 1:2 Personaltrainings mit Personen desselben Hausstandes) nicht unter den Begriff „insbesondere […] Fitnessstudios“ im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 2 der zweiten bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16. April 2020 (nachfolgend „Verordnung“) genannt fällt.
3. festzustellen, dass es sich bei dem EMS-Studio mit der Durchführung von 1:1 Personaltrainings (und 1:2 Personaltrainings mit Personen desselben Hausstandes) um eine Dienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 7 der Verordnung handelt, welche die Antragstellerin unter Einhaltung der Mindestabstandsregelungen und Hygieneanforderungen durchführen darf.
4. festzustellen, dass es sich bei dem Besuch eines Einzeltrainings in dem EMS-Studio des Antragstellers um einen triftigen Grund im Sinne von § 5 Abs. 2 und Abs. 3 der streitgegenständlichen Verordnung handelt.
5. festzustellen, dass die Antragstellerin nicht verpflichtet ist, der in der Verordnung enthaltenen Schließungsverfügung Folge zu leisten.“
Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dass das EMS-Training in Form von Einzeltrainings mit maximal zwei gleichzeitig trainierenden Personen ohne die Nutzung von Trainingsgeräten und mit einer Dauer von 20 Minuten angeboten würde und es sich bei dieser Trainingsform um ein Gesundheitstraining handle. Bei dem Studio handle es sich um keine nach § 2 Abs. 1 2. BayIfSMV zu untersagende Einrichtung, da es an einer Vergleichbarkeit mit Fitnessstudios fehle, insbesondere mangels Publikumsverkehrs aufgrund vorheriger telefonischer Terminvereinbarung. Hilfsmittel in Form von Hanteln oder Gewichten würden nicht verwendet. Eine Untersagung von Einzeltrainings sei im Hinblick auf das in der Verordnung ausdrücklich erlaubte Sporttreiben unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Dies gelte umso mehr, als inzwischen auch der Einkauf in Ladengeschäften sowie mit Erlass der 3. BayIfSMV auch der Friseurbesuch zulässig seien. Darüber hinaus sei die Untersagung des von der Antragstellerin geführten Betriebs, auch mit Blick auf die Berufsfreiheit, unzulässig und unverhältnismäßig. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der mit der Betriebsuntersagung einhergehenden wirtschaftlichen Existenzgefährdung.
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 7. Mai 2020,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses, eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses sowie einer Antragsbefugnis bereits unzulässig. Im Übrigen sei er auch unbegründet, weil das Studio der Antragstellerin eine aufgrund des § 11 Satz 1 4. BayIfSMV untersagte Freizeiteinrichtung sei.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO auf einstweiligen Rechtsschutz hat Erfolg.
1. Nach Auslegung des Antrags anhand des Rechtsschutzbegehrens und Vorbringens der Antragstellerin (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) begehrt sie die vorläufige Feststellung, dass sie berechtigt ist, ihr Studio auch unter Geltung der einschlägigen Vorschriften der jeweils anzuwendenden Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (derzeit § 9 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 11 Satz 1 4. BayIfSMV) zu betreiben. Die Antragstellerin hat in ihrer Antragsschrift - für den Antragsgegner erkennbar - unmissverständlich klargestellt, dass sich ihr Antrag auf die jeweils geltende Maßnahmenverordnung bezieht.
2. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist mit anderen Worten, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft macht.
a) Der Antrag ist zulässig.
§ 47 Abs. 6 VwGO, der gegenüber einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO bzw. einem Antrag nach § 123 VwGO lex specialis ist (Sodan/Ziekow, § 123 VwGO Rn. 40 f; Beck OK VwGO, § 123 Rn. 16; Fehling/Kastner/Stürmer, § 123 VwGO Rn. 22), ist hier nicht einschlägig, da der vorliegende Antrag sich nicht auf die Unwirksamkeitserklärung bzw. die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Rechtsnorm bezieht, sondern die Wirksamkeit der streitentscheidenden Norm, über deren Auslegung Streit besteht, gerade nicht in Frage stellt.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für den auf (vorläufige) Feststellung gerichteten Antrag mittels einstweiliger Anordnung ist gegeben, da sich die Frage der Zulässigkeit des Betriebs des streitgegenständlichen Studios unmittelbar nach der 4. BayIfSMV beurteilt, ohne dass - wie auch der Antragsgegner ausführt - eine behördliche Zulassungsentscheidung vorgesehen wäre. Die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 11 Satz 1 4. BayIfSMV ist zwischen den Beteiligten auch streitig. Denn die Bevollmächtigten der Antragstellerin hatten sich im Vorfeld in einem vergleichbaren Fall bereits in mehreren E-Mails an das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gewandt, welches im Ergebnis erklärt hatte, dass Studios, die ausschließlich Elektromuskelstimulationstrainings in Form von Personal Trainings anbieten, unter Geltung der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung nicht öffnen dürfen. Es hätte daher bei einer Ex-ante-Betrachtung keinen Erfolg versprochen, wenn sich auch die Antragstellerin nochmals an den Antragsgegner gewandt hätte. Unerheblich ist des Weiteren, dass sich die Bevollmächtigte der Antragstellerin noch unter Geltung der 2. BayIfSMV an den Antragsgegner gewandt und diesbezüglich nicht die zuständige Kreisverwaltungsbehörde, sondern das sachlich zuständige Ministerium als übergeordnete oberste Landesbehörde adressiert hatte. Denn das ressortverantwortliche Ministerium des Antragsgegners geht auch in seiner Antragserwiderung weiterhin davon aus, dass auch die Regelungen der 4. BayIfSMV dem Betrieb des Studios der Antragstellerin entgegenstehen. Nach alldem besteht ein Bedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung.
Der Antragstellerin ist es - auch mit Blick auf die Bußgeldbewehrung in § 21 Nr. 9 und Nr. 10 4. BayIfSMV - im Übrigen nicht zuzumuten, auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung ihr Studio zu betreiben und erst gegen eine etwaige künftige polizeiliche Maßnahme oder gegen einen Bußgeldbescheid Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. VG Sigmaringen, B.v. 21.4.2020 - 14 K 1360/20 - juris Rn. 12).
b) Der Antrag ist auch begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, dass das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig feststellt, dass die Regelungen in § 9 Abs. 1 und § 11 der 4. BayIfSMV dem Betrieb ihres Studios zur Durchführung von EMS-Trainings in der Form von Einzeltrainings oder Trainings mit 2 Personen, die demselben Hausstand angehören, unter Einhaltung der geltenden Auflagen zum Infektionsschutz nicht entgegenstehen.
aa) Der Anordnungsgrund im Sinn der Eilbedürftigkeit der Feststellung ist glaubhaft gemacht. Er folgt daraus, dass die Auslegung der genannten Regelungen der 4. BayIfSMV durch den Antragsgegner in die Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie in das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG eingreift und Rechtsschutz in der Hauptsache dagegen angesichts des Außerkrafttretens der Verordnung am 17. Mai 2020 zu spät kommen würde. Der Antragstellerin entsteht durch die Schließung ihres Studios ein täglich wachsender wirtschaftlicher Schaden.
bb) Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie hat glaubhaft gemacht, dass § 9 Abs. 1 und § 11 Satz 1 der 4. BayIfSMV dem Betrieb ihres Studios zur Durchführung von EMS-Trainings in Form von Einzeltrainings oder Trainings mit 2 Personen, die demselben Hausstand angehören, aller Voraussicht nach nicht entgegenstehen.
Gemäß § 11 Satz 1 4. BayIfSMV sind Vereinsräume, Tagungs- und Veranstaltungsräume, Clubs, Diskotheken, Badeanstalten, Thermen, Wellnesszentren, Saunas, Jugendhäuser, Freizeitparks, Stadtführungen, Fitnessstudios, Tanzschulen, Vergnügungsstätten, Bordellbetriebe und vergleichbare Freizeiteinrichtungen geschlossen. § 9 Abs. 1 untersagt grundsätzlich den Betrieb von Sporthallen, Sportplätzen, Sportanlagen und Sporteinrichtungen und deren Nutzung, erlaubt jedoch unter näher definierten Maßgaben den Trainingsbetrieb von Individualsportarten im Breiten- und Freizeitbereich (§ 9 Abs. 1 Satz 2).
Nach der verfassungskonformen Auslegung des erkennenden Gerichts stehen diese Regelungen der vorliegend begehrten Öffnung eines „reinen EMS-Studios“, das Einzeltrainings bzw. Trainings mit 2 Personen aus demselben Hausstand durchführt und die geltenden Auflagen der 4. BayIfSMV, insbesondere zum Mindestabstand, einhält, nicht entgegen. Bereits eine Auslegung nach dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck sowie der Systematik der genannten Regelungen lassen nicht darauf schließen, dass der Betrieb des Studios in der dargelegten Form unter die genannten Verbote fällt.
Während § 2 Abs. 1 2. BayIfSMV und § 4 Abs. 1 3. BayIfSMV ohne Ausnahme den Betrieb von nicht notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens, sondern der Freizeitgestaltung dienenden Einrichtungen untersagten, verfügt § 11 Satz 1 4. BayIfSMV im Freizeitbereich die Schließung von „Vereinsräumen, Tagungs- und Veranstaltungsräumen, Clubs, Diskotheken, Badeanstalten, Thermen, Wellnesszentren, Saunas, Jugendhäusern, Freizeitparks, Stadtführungen, Fitnessstudios, Tanzschulen, Vergnügungsstätten, Bordellbetrieben und vergleichbarer Freizeiteinrichtungen“. Die Frage, was unter einer vergleichbaren Freizeiteinrichtung in diesem Sinne zu verstehen ist, ist unter Heranziehung der genannten Regelbeispiele sowie dem Sinn und Zweck der Regelung, i. E. dem Schutz vor einer ungehinderten Ausbreitung von Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus, zu beantworten. Allen explizit in § 11 Satz 1 4. BayIfSMV genannten Einrichtungen ist gemein, dass sie der Freizeitgestaltung einer Mehrzahl von Personen dienen, die sich gemeinsam bzw. gleichzeitig dort aufhalten. Dieser gleichzeitige oder nicht vollständig kontrollierbare Aufenthalt einer größeren Zahl von Personen zum Zwecke der Freizeitgestaltung soll im Interesse des auch mit der 4. BayIfSMV weiterhin verfolgten Gebots der Kontaktreduzierung vermieden werden. Eine vergleichbare Interessenlage besteht jedoch bei Studios wie dem der Antragstellerin, in denen gemäß dem Antrag ausschließlich Einzeltrainings oder Trainings mit Personen stattfinden, die demselben Hausstand angehören, erkennbar nicht. Insbesondere kann das Studio in dieser Form nicht unter den Begriff des Fitnessstudios subsumiert werden, da in einem Fitnessstudio herkömmlicherweise Geräte bereitgestellt werden, an denen mehrere Kunden ohne Voranmeldung in einem größeren Raum gleichzeitig trainieren, oder in Gruppenkursen Trainingsstunden abgehalten werden. Die Infektionsgefahren sind angesichts der in einem Fitnessstudio gegebenen Kontakte mit anderen Menschen sowie mit gemeinsam genutzten Geräten und Trainingsutensilien erkennbar höher.
§ 9 Abs. 1 4. BayIfSMV begründet ebenfalls dem Wortlaut und Sinn und Zweck nach kein zwingendes Verbot des Betriebs des Studios der Antragstellerin. Die Bestimmung erfasst Studios wie das der Antragstellerin dem Wortlaut nach nicht; § 9 Abs. 1 Satz 2 4. BayIfSMV erlaubt allerdings zugleich nunmehr unter näher definierten Voraussetzungen explizit den Trainingsbetrieb von Individualsportarten im Freizeitbereich auf Freiluftsportanlagen und in Reithallen allein oder in kleinen Gruppen von bis zu fünf Personen. Schließlich dürfte das Studio der Antragstellerin unter den Begriff der Dienstleistungseinrichtung gemäß § 12 Abs. 2 4. BayIfSMV subsumiert werden können, da das Personal Training und damit die Dienstleistung eines Trainers von wesentlicher Bedeutung für das Angebot ist.
Bei Betrachtung des Normensystems der 4. BayIfSMV ergibt sich ebenfalls nicht, dass die Durchführung von Einzeltrainings oder Trainings mit zwei Personen aus demselben Hausstand in einem Studio mit überschaubarer Fläche untersagt sein muss. Die 4. BayIfSMV verfolgt ihrer Konzeption nach zum Zwecke der Eindämmung der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus ein Gebot der Kontaktreduzierung unter gleichzeitiger Zulassung vorsichtiger Lockerungen, deren Umfang sich nach den mit der jeweiligen Tätigkeit verbundenen infektionsschutzrechtlichen Gefährdungen richtet. Mit dem Übergang von den vormaligen Ausgangsbeschränkungen, die das Verlassen der Wohnung nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes erlaubten, hin zu einem Kontaktreduzierungsgebot, der begrenzten Öffnung von Sport- und Freizeiteinrichtungen wie beispielsweise Sport- und Spielplätzen sowie der branchenunabhängigen Öffnung des gesamten Einzelhandels hat sich der Verordnungsgeber zudem davon verabschiedet, die Zulässigkeit von Betätigungen anhand der Dringlichkeit oder Wichtigkeit des hierfür bestehenden Bedürfnisses zu beurteilen. Entscheidend für die Zulässigkeit bestimmter Betätigungen sollen mithin erkennbar primär die Gefahren sein, die hiermit für eine Förderung der Ausbreitung von Infektionen mit dem Virus einhergehen, wobei dem Verordnungsgeber bei der Beurteilung angesichts der Neuartigkeit des Virus selbstverständlich ein Beurteilungsspielraum zukommt. Vor dem Hintergrund dieser Zielrichtung hat sich der Verordnungsgeber nunmehr dafür entschieden, anders als in den Vorgängerverordnungen nicht mehr sämtliche, nicht unmittelbar der Befriedigung eines dringenden Bedarfs dienende Einrichtungen zu schließen, sondern nur noch jene, bei denen er wegen größeren oder unkontrollierten Publikumsverkehrs größere Infektionsgefahren sieht. So werden Spielplätze (§ 10), Dienstleistungsbetriebe wie Friseure oder Kosmetikstudios (§ 12 Abs. 2) und in begrenztem Umfang auch Einrichtungen für den Individualsport wieder geöffnet (§ 9 Abs. 1 Satz 2). In dieses Konzept des § 9 Abs. 1 Satz 2 4. BayIfSMV fügt sich vor dem Hintergrund, dass das Verbot das § 11 Satz 1 4. BayIfSMV dem Wortlaut und Sinn und Zweck nach nicht greift, auch das Studio der Antragstellerin ein, wenn es in der in der Antragsschrift dargelegten Form betrieben wird. Die betreffenden Kunden treiben unter Zuhilfenahme der „verstärkenden „Elektro-Muskelstimulation Sport mit lediglich einer weiteren Person (dem Trainer) und gegebenenfalls einer weiteren Person aus demselben Hausstand (vgl. hierzu § 3 Satz 1 4. BayIfSMV).
Eine andere Auffassung wäre jedenfalls mit dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, B. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, juris Rn. 40; BVerfG, B. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 - juris Rn. 119 m.w.N.). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG, B. v. 11.10.1988 - 1 BvR 777/85- juris; BVerfG, B. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 - juris; BVerfG, B. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 76). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, B. v. 7.7.2009 - 1 BvR 1164/07 - juris; BVerfG, B.v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfG, B. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, juris Rn. 30; BVerfG, B. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, juris Rn. 65; BVerfG, B. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 - juris Rn. 79).
Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, U. v. 6.3.2002 - 2 BvL 17/99 - juris; BVerfG, B. v. 4.12.2002 - 2 BvR 400/98 - juris; BVerfG, B. 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - juris; BVerfG, B.v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77).
Unter Anwendung dieses Maßstabs stellt die vom Antragsgegner vorgenommene Auslegung der in Rede stehenden Vorschriften der Verordnung eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Antragstellerin als Inhaberin eines Studios, in dem lediglich Einzel- bzw. Zweiertrainings mit Personen desselben Hausstands angeboten werden, im Vergleich zu Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben mit Kundenverkehr wie Friseursalons, Einrichtungen des Individualsports wie zum Beispiel Reithallen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 4. BayIfSMV) sowie Geschäften des Einzelhandels aller Art, die sämtlich öffnen dürfen, dar. Dem Gericht ist durchaus bewusst, dass Pauschalierungen zur Erreichung eines legitimen Zwecks, hier also der Vermeidung einer Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus, unter bestimmten Voraussetzungen nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zulässig sind. Gerade vor dem Hintergrund, dass die vollständige Schließung eines Studios wie dem der Antragstellerin einen massiven Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG darstellt und für den Betreiber existenzbedrohend sein wird, bedarf allerdings eine Ungleichbehandlung im Sinne eines „Alles oder Nichts“ jedenfalls einer besonderen Rechtfertigung, die sich aus dem mit der 4. BayIfSMV verfolgten Zweck und ihrer Systematik nicht ergibt. Die Auslegung des Antragsgegners, wonach das Studio der Antragstellerin unter den Begriff der „vergleichbaren Freizeiteinrichtung“ i.S.v. § 11 4. BayIfSMV fällt und der Betrieb daher untersagt ist, ist bei der mit der 4. BayIfSMV nunmehr vorgenommenen Wiederzulassung von Freizeit- und Kontaktmöglichkeiten aber weder geeignet noch erforderlich noch verhältnismäßig, um das mit der 4. BayIfSMV verfolgte Ziel, eine Ansteckung und Ausbreitung der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus zu verhindern bzw. einzudämmen, zu erreichen. Mit der Zulassung der Öffnung auch großflächiger Einzelhandelsbetriebe aller Art lässt der Verordnungsgeber unter infektionsschutzrechtlichen Auflagen wechselnden Publikumsverkehr in geschlossenen Räumen zu und knüpft dies nicht mehr an ein besonderes Bedürfnis der Bevölkerung zur Befriedigung eines zwingenden oder wichtigen Bedarfs. Auch Sport z.B. in Reithallen oder auf Sportplätzen wird unter Auflagen - auch in Kleingruppen von bis zu fünf Personen - zugelassen, ebenso wie Dienstleistungseinrichtungen. Wenn der Verordnungsgeber ein „Anfahren“ der wirtschaftlichen Betätigung für vertretbar hält, dann muss er vergleichbare Sachverhalte auch vergleichbar regeln.
Es liegt auf der Hand, dass die für zugelassene Sporteinrichtungen, Einzelhandelsgeschäfte und Dienstleistungs- bzw. Handwerksbetriebe geltenden spezifischen Vorgaben auch in einem kleinen Studio wie dem der Antragstellerin, in dem lediglich Einzeltrainings angeboten werden, umsetzbar sind. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, warum die Umsetzung besonderer Hygieneund Zugangsmaßnahmen in einem kleinen Studio, in dem nur Einzel- bzw. unter besonderen Voraussetzungen Zweiertrainings angeboten werden, nicht mindestens ebenso zu gewährleisten ist wie in Kaufhäusern, Friseursalons oder Kosmetikstudios. Die Antragstellerin hat dargelegt, dass sie die im Beschlusstenor angeordneten Auflagen erfüllen kann. Die Notwendigkeit der Einhaltung eines Mindestabstands von zwei Metern ergibt sich nach Auffassung des Gerichts aus der mit dem Training einhergehenden erhöhten Transpiration und Atemfrequenz. Hingewiesen wird zudem darauf, dass die Trainings grundsätzlich kontaktfrei durchzuführen sind und dass die Hygienemaßnahmen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BayIfSMV insbesondere eine vollständige Flächendesinfektion, Desinfektion des Trainingsgeräts sowie der Elektroden und eine vollständige Reinigung des EMS-Anzugs umfassen. Sofern situationsbedingt ausnahmsweise ein Kontakt zwischen Trainer und Kunden erforderlich ist (möglicherweise beim Anlegen der Elektroden), hat der Trainer Einweghandschuhe zu verwenden, die nach jedem Kontakt zu wechseln sind. Die Einhaltung der notwendigen Schutzmaßnahmen ist Sache der Antragstellerin und es ist Sache der örtlichen Kreisverwaltungsbehörde des Antragsgegners, sich auf Verlangen ein entsprechendes Hygiene- und Schutzkonzept vorlegen zu lassen und dessen Einhaltung zu überwachen. Auch die Möglichkeit der Rückverfolgung von Kontakten hält das Gericht angesichts der ohnehin erforderlichen vorherigen Terminvereinbarung für gegeben.
Damit kann das der Konzeption der 4. BayIfSMV zugrundeliegende Ziel, eine Ansteckung und Ausbreitung der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus unter gleichzeitiger Wiederzulassung von Freizeit- und Kontaktmöglichkeiten zu verhindern, im vorliegenden Fall auch durch andere gleichheitskonforme Maßnahmen erreicht werden.
cc) Die mit der einstweiligen Anordnung einhergehende partielle Vorwegnahme der Hauptsache ist mit Blick auf die dargelegte Grundrechtsbetroffenheit einerseits und auf die - bei etwaig sich verschärfender Sach- und Rechtslage - jederzeit gegebene Reversibilität der Regelung andererseits gerechtfertigt.
Dem Antragsgegner ist es zum einen unbenommen, beim Gericht zu beantragen, dass der Antragstellerin eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage gesetzt wird (§ 123 VwGO i.V.m. § 926 Abs. 1 ZPO). Zum anderen hat er jederzeit die Möglichkeit, bei einer Änderung der Sachoder Rechtslage einen Antrag auf Aufhebung oder Abänderung der einstweiligen Anordnung zu stellen.
dd) Nach den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 938 Abs. 1 ZPO bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind. Das Gericht ist somit an den von der Antragsgegnerin gestellten Antrag nicht gebunden. Es hat daher zur Verdeutlichung der Tragweite der Anordnung den Tenor eigenständig und in Abweichung vom Antrag der Antragstellerin formuliert.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1,52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit den Nrn. 1.5 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in sinngemäßer Anwendung.