Beschluss vom Verwaltungsgericht München - M 4 E 21.5730

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.

II. Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Dachau verwiesen.

III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht Dachau mit Beschluss vom 3. November 2021.

Der am ... geborene Antragsteller ist pakistanischer Staatsangehöriger, bis zur Vorlage eines Nationalpasses im Juli 2021 gab er an, afghanischer Staatsangehöriger zu sein. Er reiste nach eigenen Angaben am … … 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … … 2016 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 11. Januar 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag ab. Rechtskraft trat am 16. März 2019 ein.

Am ... 2019 - nach Vortrag der Prozessbevollmächtigten am ... 2019 - beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG.

Mit Bescheid vom 21. September 2021 lehnte der Antragsgegner den Antrag vom … … 2019 ab. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2021 Klage, die noch anhängig ist (M 10 K …).

Mit Beschluss vom 3. November 2021 ordnete das Amtsgericht Dachau - Abteilung für Betreuungssachen - auf Antrag des Antragsgegners vom ... 2021 die Ingewahrsamnahme des Antragstellers für zehn Tage zur Sicherung der Abschiebung und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an.

Mit Schriftsatz vom 3. November 2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag, beantragte der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte,

im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO den Antragsgegner zu verpflichten, beim Amtsgericht Dachau die Aufhebung der Haftanordnung vom 3. November 2021 zu beantragen.

Der Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Begründung für die Beantragung des Haftbeschlusses, der Antragsgegner habe sich seit März 2019 der Abschiebung entzogen, nicht ausreichend sei. Der Antragsteller habe bis zum Abschluss seines Verfahrens abwarten wollen. Der Antragsgegner habe den Antragsteller außerdem nicht zur freiwilligen Ausreise aufgefordert, sondern vielmehr Unterlagen für den Antrag nach § 25a AufenthG aufgefordert. Außerdem sei angegeben worden, der Aufenthaltsort des Antragstellers sei unbekannt. Dies stimme nicht, da der Antragsteller unter der Adresse in Karlsfeld durchgehend gemeldet und wohnhaft gewesen sei.

Mit Schriftsatz vom 3. November 2021 legte der Antragsteller beim Amtsgericht Dachau Beschwerde gegen den Beschluss vom 3. November 2021 ein.

Das Gericht hörte die Beteiligten am … … 2021 telefonisch und per Telefax zur beabsichtigten Verweisung an das Amtsgericht an.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegte Behördensowie die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.

Der Rechtsstreit ist gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO nach Anhörung der Beteiligten an das gemäß § 1 ZPO i.V.m. §§ 13, 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 6, 71 Abs. 1 GVG i.V.m. § 416 FamFG zuständige Amtsgericht Dachau zu verweisen, da der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht eröffnet ist.

1. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist auch im einstweiligen Rechtsschutz durch das Gericht zu prüfen. Die §§ 17 ff. GVG sind auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren analog anwendbar (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2002 - 20 A 02.40066 und 20 A 02.40068 - juris Rn. 9). Denn die Bejahung des Rechtswegs und der Zuständigkeit bildet eine derart allgemeine Voraussetzung für jede gerichtliche Entscheidung, dass eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Verfahrensarten keinen Sinn macht. Wird ein Eilantrag bei einem unzuständigen Gericht gestellt, bringt es für die Beschleunigung nichts, wenn der Antrag nicht an das zuständige Gericht verwiesen, sondern als unzulässig abgelehnt wird mit der Folge, dass er beim zuständigen Gericht neu gestellt werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2002 - 20 A 02.40066 und 20 A 02.40068 - juris Rn. 9).

2. Die Streitigkeit ist vorliegend aufgrund der abdrängenden Sonderzuweisung des § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 6 GVG i.V.m. §§ 415 ff. FamFG i.V.m. § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen. Sachlich und örtlich zuständig ist das Amtsgericht Dachau.

2.1. § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 6 GVG bestimmt, dass für Verfahren in Freiheitsentziehungssachen nach §§ 415 ff. FamFG die Amtsgerichte zuständig sind. Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG richtet sich das Verfahren bei Freiheitsentziehungen nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Der Haftantrag der Ausländerbehörde, seine Rücknahme und die Beantragung der Aufhebung der Freiheitsentziehung sind als Bestandteile eines einheitlichen Freiheitsentziehungsverfahrens den Amtsgerichten zugewiesen. Der Verwaltungsrechtsweg ist lediglich dann zu beschreiten, wenn streitig ist, ob die Ausländerbehörde die durch Haft zu sichernde Abschiebung zu Recht betreibt, wenn also die materiellen Voraussetzungen etwa der Ausreisepflicht oder der Abschiebung in Rede stehen (vgl. OVG Saarl, B.v. 6.7.2009 - 2 B 365/09 - juris; OVG Lüneburg, B.v. 25.3.2009 - 7 LA 142/07 - juris; OVG NW, B.v. 28.6.2006 - 18 B 1088/06 - juris; Keidel/Göbel, 20. Aufl 2020, FamFG § 422 Rn. 11).

2.2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Verwaltungsrechtsweg vorliegend nicht eröffnet, da der Antragsteller die Aufhebung der Abschiebungshaft beantragt. Damit wendet er sich in der Sache nicht gegen seine Ausreisepflicht, sondern gegen das Fortbestehen der Abschiebungshaft. Die Entscheidung über das Fortbestehen der Gründe für die Abschiebungshaft an sich obliegt jedoch dem zuständigen Amtsgericht.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Über die durch Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Kosten entscheidet gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG das zur Entscheidung berufene Gericht.

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