Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 7 K 477/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin betreibt die Kläranlage N. „B. M. “ zur Reinigung von häuslichem und vergleichbarem gewerblichem Abwasser. Durch Bescheid vom 17. November 2010 erlaubte der Beklagte der Klägerin, bis zum 30. November 2012 bis zu 880 m³ Abwasser pro halbe Stunde in den M. einzuleiten. Unter dem 27. August 2012 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten eine Verlängerung dieser Erlaubnis bis zum 30. November 2017 mit einer Festsetzung der Überwachungswerte gemäß dem Anhang 1 zur Abwasserverordnung (AbwV). Durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 23. Januar 2013 erteilte der Beklagte der Klägerin die beantragte Erlaubnis, jedoch befristet bis zum 30. November 2015 und mit der Festsetzung folgender – im Verhältnis zum Anhang 1 zur AbwV verschärfter – Überwachungswerte: für CSB (chemischer Sauerstoffbedarf) 60 mg/l, für BSB5 (biochemischer Sauerstoffbedarf in 5 Tagen) 15 mg/l und für NH4-N (Ammoniumstickstoff) 4 mg/l. Gegenüber der Erlaubnis vom 17. November 2010 stellt diese Festsetzung eine weitere Verschärfung des Überwachungswertes für NH4N um 1 mg/l dar. Zur Begründung der strengeren Überwachungswerte verwies der Beklagte auf das Ziel des Erhaltens bzw. Erreichens eines guten ökologischen und chemischen Zustands des Gewässers. Dieses Ziel sei hinsichtlich der X. , in die der M. 125 Meter nach der Kläranlageneinleitung einmünde, noch nicht erreicht. Der ökologische Zustand des Gewässers X. Unterlauf sei beim Monitoring nach der Wasserrahmenrichtlinie im Zeitraum von 2005 bis 2008 und von 2009 bis 2011 als „unbefriedigend“ bewertet worden. Nach Untersuchungen im Rahmen des Intensivmessprogramms durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) der Jahre 2011 und 2012 habe die Kläranlage B. M. einen deutlichen Einfluss auf die Parameter Nitrat- und Ammoniumstickstoff, Gesamtphosphat- und Orthophosphat-Phosphor sowie TOC (gesamter organisch gebundener Kohlenstoff) im M. . Der Wert für Ammoniumstickstoff überschreite mit 0,7 mg/l den Orientierungswert der Rahmenkonzeption der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) zum Monitoring (Teil B Bewertungsgrundlagen und Methodenbeschreibungen) von 0,3 mg/l deutlich. Ferner führte der Beklagte zur Begründung der Verschärfung der Überwachungswerte das jeweilige Maßnahmenprogramm nach § 82 WHG und den Bewirtschaftungsplan nach § 83 WHG an. Der Klägerin sei die Einhaltung der verschärften Überwachungswerte zumutbar, wie die bisherigen Erkenntnisse der amtlichen Überwachung und der Selbstüberwachung sowie die bisherigen abwasserabgabenrechtlichen Heraberklärungen der Klägerin zeigten. Die im Verhältnis zum klägerischen Antrag kürzere Befristung begründete der Beklagte mit der Erwartung, dass bis zum Ablauf der gesetzten Frist die „Handlungsanleitung“ zur Umsetzung der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) vorliege. Ferner habe der Beklagte sich an der Befristung der Erlaubnis für die Hauptkläranlage N. orientiert.
3Mit der am 07. Februar 2013 erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor:
4Die Mindestanforderungen des § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG i.V.m. Anhang 1 AbwV seien wegen Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG „abweichungsfest“. Der Beklagte habe von dem in § 57 Abs. 1 WHG vorgesehenen Ermessen keinen Gebrauch gemacht und das ihm durch § 12 Abs. 2 WHG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Er setze sich nicht hinreichend mit dem Kausalbeitrag der klägerischen Einleitung für den Zustand des M1. und der X. auseinander. Die diesbezüglichen Messungen des Beklagten seien nicht repräsentativ, weil sie nur in den Wintermonaten stattgefunden hätten. In dieser Zeit sei der Einfluss der Landwirtschaft auf die Gewässerqualität nicht so ausgeprägt feststellbar wie im Spätfrühling und Sommer. Die Leistungsfähigkeit der Kläranlage sei im Winterhalbjahr schlechter, weil die Stickstoffelimination bei kaltem Abwasser schwieriger sei. Der vom Beklagten angeführte Parameter TOC könne nicht als Begründung für die Verschärfung anderer Parameter herangezogen werden. Die Regelung des § 6 Abs. 3 AbwV stelle lediglich eine Fiktion zu Gunsten des Einleiters dar, falls aus Kostengründen an Stelle des CSB der TOC bestimmt worden sein sollte. Die LAWA-Rahmenkonzeption sei ein außerrechtlicher Maßstab, der keine rechtliche Relevanz habe und deshalb nicht zur Rechtfertigung der Verschärfung der Überwachungswerte herangezogen werden könne. Der – im Verhältnis zum vorherigen Bescheid noch einmal um 1 mg/l verschärfte – Überwachungswert für NH4-N sei mit der in der Kläranlage B. M. vorhandenen Anlagentechnik und –dimensionierung nicht erreichbar. Zudem bedürften die dafür erforderlichen baulichen und betrieblichen Maßnahmen nach § 58 Abs. 2 LWG einer vorherigen Genehmigung durch den Beklagten. Hierzu werde auf das beigefügte Gutachten „Reduzierung des Behandlungsvolumens der mechanischen Vorreinigung der Kläranlage B. M. “ des Ingenieurbüros Tuttahs & Meyer aus Januar 2013 verwiesen, aus dem sich ein Umbaubedarf zur Einhaltung einer solchen Forderung ergebe. Jedenfalls benötige die Klägerin einen Sicherheitspuffer zwischen den ordnungsrechtlichen Überwachungswerten und dem in der Kläranlage erzielten Reinigungsergebnis, dem Betriebswert, um beispielsweise abwasserabgabenrechtliche Risiken bei Zulaufschwankungen und Prozessstörungen zu minimieren. Die streitgegenständliche Befristung beeinträchtige die Klägerin in ihrer Planungssicherheit. Die Klägerin müsse wissen, ob im Einzugsbereich der Kläranlage neue Baugebiete ausgewiesen werden könnten, ob und welche abwasserproduzierenden Betriebe an die Kläranlage angeschlossen werden könnten oder ob die Kläranlage aufgegeben und durch einen Neubau an anderer Stelle ersetzt werden müsse. Der Hinweis des Beklagten auf die erwartete „Handlungsanleitung“ zur Umsetzung der OGewV gehe fehl, da eine Verwaltungsvorschrift einer Landesbehörde zu einer von der Bundesregierung gemäß § 23 WHG unter Beteiligung der Länder erlassenen Rechtsverordnung schwerlich zusätzliche materielle Anforderungen an bundesrechtlich abweichungsfest geregelte Abwassereinleitungen stellen könne.
5Die Klägerin beantragt,
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1. den Abwassereinleitungserlaubnisbescheid der Bezirksregierung N. vom 23. Januar 2013 dahingehend abzuändern, dass an Stelle der bislang festgesetzten Überwachungswerte die vom Anhang 1 zur Abwasserverordnung für Kläranlagen der Größenklasse der Kläranlage „B. M. “ vorgesehenen Überwachungswerte festgesetzt werden,
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2. den Beklagten zu verpflichten, die begehrte Erlaubnis für fünf Jahre auszustellen.
Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Er trägt im Wesentlichen vor:
12Das wasserwirtschaftliche Ermessen des Beklagten sei nicht durch § 57 Abs. 1 WHG begrenzt. Diese Vorschrift verlange keine eigenständige Ermessensentscheidung der Behörde, sondern stelle Mindestanforderungen an die Einleitung auf. Das demnach durch § 12 Abs. 2 WHG eröffnete Bewirtschaftungsermessen habe der Beklagte fehlerfrei ausgeübt. Es bestehe ein konkretes wasserwirtschaftliches Bedürfnis für die Beibehaltung der gegenüber Anhang 1 AbwV verschärften Überwachungswerte. Die Kläranlage der Klägerin habe bereits jetzt, d.h. bei Einhaltung der verschärften Überwachungswerte, einen nachteiligen Einfluss auf die Gewässereigenschaften, der sich bei Zulassung weiterer Frachten noch verstärken und das Erreichen des Ziels eines guten ökologischen Zustands erschweren werde. Der ökologische Zustand der X. , zu deren Einzugsbereich der M. gehöre, sei im Rahmen der ersten Bewirtschaftungsplanung für den Zeitraum 2010 bis 2015, die auf dem ersten Gewässermonitoring aus dem Zeitraum 2005 bis 2008 beruhe, als „schlecht“ bewertet worden. Im zweiten und dritten Monitoring von 2009 bis 2011 bzw. von 2012 bis 2014 sei er als „unbefriedigend“ eingestuft worden. Für die Einstufung seien die biologischen und allgemeinen chemisch-physikalischen Qualitätskomponenten der Anlage 3 zur OGewV relevant. Eine wesentliche Bedeutung komme der in Anlage 3 Nr. 1 genannten Komponente „benthische wirbellose Fauna“ zu. Dabei handele es sich um das Makrozoobenthos (mit bloßem Auge erkennbare Tiere im und auf dem Gewässerbett), das nach dem PERLODES-Verfahren u.a. als PERLODES-Saprobie untersucht und bewertet werde. Die Saprobie sei oberhalb der Einleitungsstelle der streitgegenständlichen Kläranlage „gut“, unterhalb der Einleitungsstelle dagegen „unbefriedigend“. Die Kläranlage stelle im Bereich der beiden Messstellen die einzige Punktquelle dar. Die unterhalb der Einleitungsstelle im Intensivmessprogramm bestimmten allgemeinen chemisch-physikalischen Qualitätskomponenten verfehlten bezüglich der Parameter NH4N und des mit CSB nach § 6 Abs. 3 AbwV korrelierenden TOC die entsprechenden Orientierungswerte der LAWA für den guten ökologischen Zustand deutlich. Die Konkretisierung der OGewV durch die Orientierungswerte der LAWA sei fachlich anerkannt. Der Wert für BSB5 sei aufgrund seines notwendigen Zusammenhangs mit CSB und TOC im Verhältnis zu diesen festzusetzen. Der Beklagte habe seine Entscheidung für die Festsetzung der verschärften Überwachungswerte an den Bewirtschaftungsplänen und Maßnahmenprogrammen für die X. , insbesondere an der dort vorgesehenen Maßnahme der Optimierung der Betriebsweise von Kläranlagen, ausgerichtet. Das Maßnahmenprogramm nehme auch die Landwirtschaft als Verursacher in den Blick. Die Klägerin erleide durch die Festsetzung der verschärften Überwachungswerte keine relevanten Nachteile. Die Werte aus der Selbstüberwachung und der amtlichen Überwachung sowie die nach § 4 Abs. 5 AbwAG erfolgten Heraberklärungen der Klägerin belegten, dass diese die festgesetzten Werte sicher einhalten könne. Für die Einhaltung der streitgegenständlichen Überwachungswerte bedürfe es keines Umbaus der Kläranlage. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gutachten des Ingenieurbüros Tuttahs & Meyer aus Januar 2013. Dieses komme zu keinem eindeutigen Ergebnis. Feststehe jedenfalls, dass nicht die verschärften Überwachungswerte, sondern die geplante Änderung des Anlagenbetriebes den technischen Anpassungsbedarf auslöse. Auch die angefochtene Befristung sei nicht ermessensfehlerhaft. Sie finde ihren Grund darin, dass der Beklagte die Überwachungswerte entsprechend der Ergebnisse des durch den streitgegenständlichen Bescheid aufgegebenen Messprogramms anpassen wolle. Weitere Maßnahmen für das intensiv überwachte Gewässer würden erarbeitet, weitere Vorgaben zur Umsetzung der OGewV erwartet. Die Befristung orientiere sich ferner an derjenigen für die Hauptkläranlage N. , um ein einheitliches Vorgehen auch erlaubnisseitig umsetzen zu können. Die Klägerin habe bislang nicht dargelegt, warum sie weitere Planungssicherheit benötige. Im Hinblick auf den vorgetragenen beabsichtigten Anschluss weiterer Baugebiete und Betriebe könne die Befristung die Klägerin nicht belasten, weil hierfür wegen der Änderung des Zwecks der Erlaubnis (§ 10 WHG) ohnehin deren Änderung erforderlich sei.
13Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Die zulässige Klage ist unbegründet.
16Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten, den Erlaubnisbescheid der Bezirksregierung N. vom 23. Januar 2013 dahingehend abzuändern, dass die sich aus dem Anhang 1 zur AbwV ergebenden Überwachungswerte festgesetzt werden, denn die Festsetzung der Überwachungswerte in diesem Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 VwGO).
17Die Festsetzung der Überwachungswerte ist in Übereinstimmung mit § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1, § 12, § 57 WHG erfolgt.
18Nach § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG bedarf das Einbringen oder Einleiten von Stoffen in Gewässer als Benutzung eines Gewässers der Erlaubnis oder der Bewilligung, soweit nicht durch das WHG oder durch auf Grund des WHG erlassene Vorschriften etwas anderes bestimmt ist. Eine solche Ausnahmevorschrift ist hier nicht anwendbar. Gemäß § 10 Abs. 1 WHG gewährt die Erlaubnis die Befugnis, ein Gewässer zu einem bestimmten Zweck in einer nach Art und Maß bestimmten Weise zu benutzen.
19Da Versagungsgründe im Sinne des § 12 Abs. 1 WHG weder vom Beklagten festgestellt noch ersichtlich sind, steht die Erteilung der streitgegenständlichen Einleitungserlaubnis gemäß § 12 Abs. 2 WHG im pflichtgemäßen Bewirtschaftungsermessen der zuständigen Behörde.
20Die Anwendbarkeit des § 12 WHG wird nicht durch § 57 WHG ausgeschlossen. § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG, der die Erlaubniserteilung davon abhängig macht, dass die Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist, enthält lediglich Mindestanforderungen, die im Rahmen der Ausübung des Bewirtschaftungsermessens nach § 12 Abs. 2 WHG verschärft werden können. Dies ergibt sich sowohl aus der Abwasserverordnung, die nach § 57 Abs. 2 S. 1 WHG den für § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG maßgeblichen Stand der Technik normativ festlegt und deren § 1 Abs. 1 den Begriff der Mindestanforderungen verwendet, als auch aus § 57 Abs. 1 Nr. 2 WHG, der die Erlaubniserteilung zusätzlich zur Erfüllung der Anforderungen des Standes der Technik von der Vereinbarkeit der Einleitung mit sonstigen rechtlichen Anforderungen abhängig macht. Letzteres bestätigt § 1 Abs. 3 AbwV, wonach weitergehende Anforderungen nach anderen Rechtsvorschriften unberührt bleiben.
21OVG Lüneburg, Urteil vom 20. November 2014 – 13 LC 140/13 –, juris Rn. 34; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2015 – 20 A 2660/12 –; Czychowski/Reinhardt, WHG, 10. Auflage 2010, § 57 Rn. 13 f.
22Der Ermessensausübung nach § 12 Abs. 2 WHG steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die stoff- und anlagenbezogenen Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes „abweichungsfest“ (Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG) sind. Denn in Rede steht hier nicht der Erlass „abweichender“ landesrechtlicher Regelungen, sondern die Ausübung von Ermessen im Einzelfall.
23OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2015 – 20 A 2660/12 –.
24Im Rahmen der Ermessensausübung kommen über § 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG hinausgehende Anforderungen dann in Betracht, wenn sie aus konkreten Bewirtschaftungsgründen, d.h. zum Schutz bestimmter nutzungsorientierter oder ökologischer Belange, für das benutzte Gewässer erforderlich sind. Voraussetzung ist, dass die Kausalzusammenhänge zwischen der Einleitung und der Gewässerbelastung ermittelt werden (dazu unter 1.) und die verschärften Überwachungswerte an konkrete Vorgaben für die Bewirtschaftung des betroffenen Gewässers anknüpfen (dazu unter 2.).
25OVG Lüneburg, Urteil vom 20. November 2014 – 13 LC 140/13 –, juris Rn. 37 ff.; vgl. auch Czychowski/Reinhardt, WHG, 10. Auflage 2010, § 57 Rn. 13 f.
26Hieran gemessen hat die zuständige Bezirksregierung N. das ihr durch § 12 Abs. 2 WHG eingeräumte Bewirtschaftungsermessen bei der Festsetzung der verschärften Überwachungswerte erkannt und fehlerfrei ausgeübt.
271.
28Sie hat ihrer Entscheidung Messerergebnisse zugrundegelegt, aus denen die Ursächlichkeit der Abwassereinleitung aus der Kläranlage „B. M. “ für die Belastung des M1. bzw. des Gewässers X. Unterlauf, zu dessen Einzugsbereich der M. gehört, hervorgeht.
29Ziel der Bewirtschaftung oberirdischer Gewässer ist nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WHG u.a. die Erhaltung oder Herstellung eines guten ökologischen Zustands. Dessen Einstufung in die Klassen sehr gut, gut, mäßig, unbefriedigend oder schlecht richtet sich gemäß § 5 Abs. 1 OGewV nach den in Anlage 3 aufgeführten Qualitätskomponenten. Maßgebend für die Einstufung des ökologischen Zustands oder des ökologischen Potenzials ist gemäß § 5 Abs. 4 S. 1 OGewV die jeweils schlechteste Bewertung einer der biologischen Qualitätskomponenten nach Anlage 3 Nr. 1 in Verbindung mit Anlage 4. Bei der Bewertung der biologischen Qualitätskomponenten sind u.a. die allgemeinen physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten nach Anlage 3 Nr. 3.2 in Verbindung mit Anlage 6 zur Einstufung unterstützend heranzuziehen (§ 5 Abs. 4 S. 3 OGewV). Eine der in Anlage 3 Nr. 1 genannten biologischen Qualitätskomponenten ist die benthische wirbellose Fauna, das sog. Makrozoobenthos. Dieses wurde vorliegend in der biologischen Untersuchung des Büros ECORing nach dem PERLODES-Verfahren u.a. als „PERLODES-Saprobie“ untersucht und bewertet (Beiakte, Heft 3, Anlage B 4). Eine Messung oberhalb der Einleitungsstelle der Kläranlage „B. M. “ ergab für die Saprobie den Wert „gut“, während die Saprobie unterhalb der Einleitungsstelle mit „unbefriedigend“ bewertet wurde. Wegen des Zusammenhangs des Makrozoobenthos mit den Parametern CSB, BSB5 und NH4N hat die streitgegenständliche Erlaubnis zutreffend die Werte für diese Parameter verschärft. Dieser Zusammenhang ergibt sich aus § 5 Abs. 4 S. 3 OGewV in Verbindung mit Anlage 3 Nr. 3.2. Nach diesen Vorschriften gehören zu den allgemeinen chemisch-physikalischen Qualitätskomponenten, die bei der Bewertung der biologischen Qualitätskomponenten unterstützend heranzuziehen sind, der Sauerstoffhaushalt und die Nährstoffverhältnisse, zu deren Parametern BSB bzw. NH4-N zählen. Der Parameter CSB wird in Anlage 3 Nr. 3.2 nicht erwähnt, korreliert aber mit dem dort genannten TOC. Das zeigt § 6 Abs. 3 AbwV, wonach ein nach der Verordnung einzuhaltender oder in der wasserrechtlichen Zulassung festgesetzter Wert für CSB unter Beachtung von Absatz 1 auch als eingehalten gilt, wenn der vierfache Wert von TOC, bestimmt in Milligramm je Liter, diesen Wert nicht überschreitet.
30Die Kausalität zwischen Einleitung und Gewässerbelastung hat der Beklagte zusätzlich in nachvollziehbarer Weise anhand der Befunde eines weiteren Messprogramms, des Intensivmessprogramms für die Kläranlage „B. M. “ im Zeitraum von September 2011 bis August 2013 (Bl. 369, 420 der Gerichtsakte), ermittelt. Hierbei handelt es sich ausweislich der Mitteilung des Beklagten im Erörterungsterim vom 05. August 2015 um ein Messprogramm, das spezifisch im Rahmen der Ermittlung der Grundlagen für die Erlaubniserteilung eingesetzt wird. Hiernach beträgt der Mittelwert für den Parameter NH4-N an der Messstelle oberhalb der Kläranlage 0,16 mg/l und an der Messstelle unterhalb der Klägeranlage 0,57 mg/l. Der unterhalb der Kläranlage gemessene Wert für NH4-N überschreitet damit den im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aktuellsten Orientierungswert der LAWA-Rahmenkonzeption mit Stand von Januar 2015 für Fließgewässer des Typs 14, zu denen der M. seit seiner Typänderung im August 2013 gehört, von 0,2 mg/l um 0,37 mg/l. Auch der Mittelwert für den Parameter TOC ist an der Messstelle unterhalb der Kläranlage mit 7,7 mg/l höher als der oberhalb der Kläranlage gemessene Wert (6,1 mg/l) und höher als der entsprechende Orientierungswert der LAWA-Rahmenkonzeption (7 mg/l). Die Orientierungswerte der LAWA kennzeichnen den Übergang vom „guten“ zum „mäßigen“ ökologischen Zustand. Ihre Heranziehung als Vergleichswerte ist ermessensfehlerfrei. Sie können zur Konkretisierung der OGewV dort herangezogen werden, wo letztere noch keine Regelung enthält. Dies rechtfertigt die in der LAWA konzentrierte fachliche Kompetenz,
31OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2015 – 20 A 2660/12 –.
32In der Anlage 6 zur OGewV sind nur die Anforderungen an einen „sehr guten“ ökologischen Zustand und das „höchste“ ökologische Potential geregelt. Anforderungen an einen „guten“ ökologischen Zustand fehlen und können daher unter Heranziehung der LAWA-Orientierungswerte konkretisiert werden.
33Die Messungen im Rahmen des Intensivmessprogramms haben entgegen dem klägerischen Vortrag – zumindest im Jahr 2013 – auch in den Sommermonaten (Juli und August) stattgefunden (Bl. 369, 420 der Gerichtsakte). Unabhängig davon verlieren sie nicht deshalb ihre Aussagekraft für die Kausalität zwischen Einleitung und Gewässerbelastung, weil sie überwiegend in den Wintermonaten vorgenommen wurden. Denn dies ändert nichts daran, dass sich aus einem Vergleich der ober- und unterhalb der Kläranlage gemessenen Werte die Auswirkungen der klägerischen Einleitung auf das Gewässer ablesen lassen. In den Wintermonaten dürfte dies vor dem Hintergrund der weniger stark ausgeprägten Einleitungen aus der Landwirtschaft sogar besser möglich sein.
34Im Zuge der Ermittlung der Kausalität hat der Beklagte ferner ermessensfehlerfrei in seine Erwägungen einbezogen, dass die Kläranlage im Zeitpunkt der Messungen bereits unter Einhaltung der im Verhältnis zum Anhang 1 zur AbwV verschärften Werte betrieben wurde. Vor dem Hintergrund, dass dennoch eine Erhöhung des Wertes für NH4-N unterhalb der Kläranlage feststellbar ist, der zu einer Überschreitung des LAWA-Orientierungswertes führt, ist auch die weitere Verschärfung des Überwachungswertes für diesen Parameter um 1 mg/l nicht ermessensfehlerhaft.
352.
36Die verschärften Überwachungswerte knüpfen an die für den M. als Teil des Gewässers X. Unterlauf geltenden Bewirtschaftungs- und Maßnahmenpläne (§§ 82 f. WHG) für die Jahre 2010 bis 2015 an. Aus dem diese Pläne zusammenfassenden und auf dem Gewässermonitoring von 2005 bis 2008 (sog. 1. Zyklus) basierenden Steckbrief der Planungseinheiten (Beiakte, Heft 3, Anlage B 1) geht ein schlechter ökologischer Zustand hervor (Ziffer 3.1.1 des Steckbriefes). Als zugehörige Maßnahme sieht der Steckbrief u.a. die Optimierung der Betriebsweise von Kläranlagen vor (Ziffer 3.2.1 des Steckbriefes). Der auf dem Gewässermonitoring von 2009 bis 2011 (sog. 2. Zyklus) basierende Entwurf des Steckbriefs der Planungseinheiten mit Stand von Dezember 2014 (Bl. 371 ff. der Gerichtsakte) weist den ökologischen Zustand des Gewässers X. Unterlauf als unbefriedigend aus (Ziffer 4.3.2 des Entwurfs) und sieht als zugehörige Maßnahme den Ausbau kommunaler Kläranlagen zur Reduzierung sonstiger Stoffeinträge vor (Ziffer 9.3 des Entwurfs). Auch im Gewässermonitoring von 2012 bis 2014 (sog. 3. Zyklus) wurde ein unbefriedigender ökologischer Zustand ermittelt (Bl. 386 ff. der Gerichtsakte).
37Angesichts der von den Steckbriefen ebenfalls vorgesehenen Maßnahmen zur Reduzierung der auswaschungsbedingten Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft und zur Reduzierung der Nährstoff- und Feinmaterialeinträge durch Erosion und Abschwemmung aus der Landwirtschaft (Ziffer 3.2.1 des Steckbriefes, Ziffer 9.3 des Entwurfs) geht auch der Einwand der Klägerin fehl, sie werde einseitig belastet und andere für die Gewässerbelastung ursächlichen Faktoren würden außer Acht gelassen.
38Die Einhaltung der im Verhältnis zum Anhang 1 zur AbwV verschärften Überwachungswerte ist der Klägerin nicht unmöglich oder unzumutbar. Die jahrelangen Messungen im Rahmen der amtlichen Überwachung und Selbstüberwachung sowie die abwasserabgabenrechtlichen Heraberklärungen der Klägerin belegen, dass die Kläranlage „B. M. “ die festgesetzten Werte einhalten kann (Beiakte, Heft 3, Anlagen B 7 – B 9). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten „Reduzierung des Behandlungsvolumens der mechanischen Vorreinigung der Kläranlage B. M. “ des Ingenieurbüros Tuttahs & Meyer aus Januar 2013 (Beiakte, Heft 1). Dieses befasst sich mit der Frage, ob die Kläranlage auch einstraßig – anstatt wie bisher zweistraßig – betrieben werden kann. Nur in diesem Rahmen und zudem uneindeutig stellt es fest, dass die geforderten Überwachungswerte bei einem Wert von 5 mg/l für NH4-N betrieblich eingehalten werden können und nicht nachgewiesen werden kann, inwieweit Spitzenbelastungen bei einer Verschärfung des Wertes für NH4-N auf 4 mg/l aufgefangen werden (S. 35 des Gutachtens). Aus welchen Stellen des Gutachtens sich der geltend gemachte Umbaubedarf zur Einhaltung der festgesetzten Werte ergibt, hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt.
39Auch hinsichtlich der Befristung ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis mit einer Befristung von fünf Jahren, denn die vorliegende Befristung bis zum 30. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 VwGO).
40Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch nicht aus den allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden §§ 12 Abs. 2 WHG, 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW herleiten. Nach diesen Vorschriften darf die Behörde die Erlaubnis im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens unter eine Befristung setzen,
41vgl. Schmid, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 1. Auflage 2011, § 13 Rn. 30.
42Der Beklagte hat auch hier sein Ermessen erkannt und entsprechend dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage fehlerfrei ausgeübt. Dem vom Wasserhaushaltsgesetz verfolgten Ziel des Gewässerschutzes entspricht es, den Zustand des aufnehmenden Gewässers, hier des M1. bzw. der X. , intensiv zu überwachen und durch – auch kurze – Befristungen von Einleitungserlaubnissen deren Anpassung an Veränderungen zu ermöglichen. Die im Verhältnis zum Antrag um (etwa) zwei Jahre kürzere Befristung belastet die Klägerin nicht unverhältnismäßig. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, welcher rechtliche Vorteil der Klägerin aus einer Verlängerung der Befristung erwachsen könnte.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
44B e s c h l u s s:
45Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
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