Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 5 K 254/18
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des A. für M. vom 00.00.0000 und des Widerspruchsbescheids des C. für das Q. der C1. vom 00.00.0000 verurteilt, dem Kläger einen Betrag von insgesamt 7.183,86 Euro (brutto) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von
3.380,64 Euro ab dem 19. Januar 2018
3.591,93 Euro ab dem 1. Februar 2018
3.803,22 Euro ab dem 1. März 2018
4.914,51 Euro ab dem 1. April 2018
4.225,80 Euro ab dem 1. Mai 2018
4.437,09 Euro ab dem 1. Juni 2018
4.648,38 Euro ab dem 1. Juli 2018
4.859,67 Euro ab dem 1. August 2018
5.070,96 Euro ab dem 1. September 2018
5.282,25 Euro ab dem 1. Oktober 2018
5.493,54 Euro ab dem 1. November 2018
5.704,83 Euro ab dem 1. Dezember 2018
5.916,12 Euro ab dem 1. Januar 2019
6.127,41 Euro ab dem 1. Februar 2019
6.338,70 Euro ab dem 1. März 2019
6.549,99 Euro ab dem 1. April 2019
6.761,28 Euro ab dem 1. Mai 2019
6.972,57 Euro ab dem 1. Juni 2019
7.183,86 Euro ab dem 1. Juli 2019 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
2I. Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter anstelle der Kammer (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
3II. Die zulässige Klage hat Erfolg. Der Kläger hat für die Zeit seit Oktober 2016 bis zum heutigen Tag Anspruch auf Gewährung der Zulage für Beamte und Soldaten im militärischen Flugsicherungsbetriebsdienst, Einsatzführungsdienst und Geoinformationsdienst der C1. gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG i. V. m. Vorbemerkungen Nr. 5a Abs. 1 Nr. 6 Var. 3 der Anlage I zu § 20 Abs. 2 Satz 1 BBesG. Der dem entgegenstehende Bescheid des A. für M. vom 00.00.0000 und der Widerspruchsbescheid des C. für das Q. der C1. vom 00.00.0000 unterliegen demgemäß der Aufhebung.
4Nach der genannten zulageberechtigenden Norm können für herausgehobene Funktionen Stellenzulagen vorgesehen werden. Danach erhalten u. a. Beamte, die im Geoinformationsdienst der C1. im Flugwetterberatungsdienst in den zentralen Geoinformationsberatungsstellen verwendet werden, eine Stellenzulage nach Anlage IX zum BBesG. Der Kläger wird entsprechend verwendet. Nach Nr. 42.3.2 Satz 1 VwVzBBesG ist Verwendung die selbstständige und eigenverantwortliche Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben (in der Regel des Dienstpostens). Nach Nr. 42.3.3 VwVzBBesG wird die Stellenzulage nur gewährt, wenn die zulageberechtigenden Aufgaben mindestens 70 Prozent der Gesamttätigkeit des Besoldungsempfängers (zeitlicher Umfang) umfassen.
51. Der Kläger ist in dem o. g. Zeitraum auf einem ihm zur selbstständigen Wahrnehmung übertragenen Dienstposten im Geoinformationsdienst der C1. in einer zentralen Geoinformationsberatungsstelle eingesetzt, nämlich im H. der M1. – Geo II 1 – (Flugwetterberatungszentrale), wovon auch die Beklagte ausgeht (vgl. Aktenvermerk des I. G. vom 21. Juli 2017) und durch Nr. 502 5.2.3 d) ZDv A-1454/1 bestätigt wird.
62. Der Kläger wird im o. g. Zeitraum im Flugwetterberatungsdienst verwendet. Auf den Inhalt der vom Kläger im Schriftsatz vom 3. Januar 2019 zitierten Tätigkeitsbeschreibung, welche die Beklagte unter Verweis auf die dem Gericht mit Schriftsatz vom 21. Februar 2019 vorgelegte Fassung ausdrücklich bestätigt hat (vgl. Schriftsatz vom 17. April 2019), wird verwiesen. Auch im Schriftsatz vom 17. April 2019 bestätigt die Beklagte die Verwendung des Klägers im Flugwetterberatungsdienst. Dies steht zudem in Übereinstimmung mit den Ausführungen in Nr. 101, 102, 103, 108 der Bereichsrichtlinie C2-1230/0-0-13. Der Vermerk von Oberst Dr. Großklaus vom 19. Juli 2017 bestätigt, dass der Kläger in bedeutender Weise dem Flugwetterberatungsdienst zuarbeitet. Die Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung haben dieses Bild stimmig abgerundet.
73. Der Umfang seiner Tätigkeit in dieser Verwendung umfasst in zeitlicher Hinsicht mindestens 70 % seiner Gesamttätigkeit. Auf die Aufstellung auf S. 6 des Schriftsatzes der Beklagten vom 17. April 2019 wird Bezug genommen. Dem Erfordernis der hinreichenden Quantität der Aufgabenwahrnehmung ist damit Rechnung getragen.
8Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1998 – 2 C 25.97 -, juris, Rn. 14 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2011 – 1 A 2526/09 -, juris, Rn. 28.
94. Ein weiteres Merkmal sieht Vorbemerkungen Nr. 5a Abs. 1 Nr. 6 Var. 3 der Anlage I zu § 20 Abs. 2 Satz 1 BBesG für die Gewährung der Zulage nicht vor. Insbesondere ist weder auf eine Beratung „im Flugbetrieb“, im „aktiven Flugbetrieb“ oder im „Flugsicherungsbetriebsdienst“ oder auf eine besondere psychische Belastung abzustellen, die über die Verwendung auf dem Dienstposten hinausgeht, wie dies von der Beklagten sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren, insbesondere nochmals in der mündlichen Verhandlung, thematisiert worden ist. Auch die Wendung in der Nr. 503 ZDv A-1454/1, wonach Personal des Geoinformationsdienstes der C1. die Voraussetzungen für die Gewährung der Stellenzulage nur erfülle, solange es die entsprechende Verwendung im Flugbetrieb der C1. wahrnehme, ist mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen.
10Die Entscheidung für die gesonderte Abgeltung einer herausgehobenen Funktion hat der Gesetzgeber abstrakt-generell durch die Beschreibung der zulagenberechtigenden Verwendungen in der Norm vorweggenommen. Er ist damit dem in § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG formulierten Auftrag nachgekommen, herausgehobene Funktionen besonders zu entlohnen. Eine vom Wortlaut der Norm und von der Intention des Gesetzgebers abweichende Anwendung der besoldungsrechtlichen Bestimmungen durch die Beklagte verlässt die Grenzen der zulässigen Normauslegung.
11a) Zunächst gibt die Wortlautauslegung für das von der Beklagten favorisierte Verständnis nichts her. Die Norm spricht lediglich von Verwendung im Flugwetterberatungsdienst. Ansatzpunkte für eine restriktive Auslegung im Sinne einer psychisch belastenden Verwendung im Flugbetrieb finden sich im Wortlaut der Norm nicht und lassen sich auch in den Begriff der Verwendung nicht hineinlesen.
12b) Aus der Gesetzessystematik ergibt sich ebenfalls nichts, was für die Ansicht der Beklagten spricht. Vielmehr hat der Gesetzgeber abstrakt-generell entschieden (vgl. z. B. Nr. 6 oder Nr. 6a der Anlage I zu § 20 Abs. 2 Satz 1 BBesG), welche Tätigkeiten „herausgehoben“ sind, weil sie z. B. besondere Belastungen oder besondere Gefahren auslösen, sodass eine Zulagengewährung gerechtfertigt erscheint, um diesen besonderen Einsatz abzugelten. Andere Regelungen gelten zusätzlich zur Besoldung die Ausübung sonstiger herausgehobener Funktionen ab.
13Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. September 2005 – 2 B 43.05 -, juris, Rn. 9, Urteil vom 16. Juli 1998 – 2 C 25.97 -, juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2011 – 1 A 2526/09 -, juris, Rn. 26.
14c) Auch aus der Gesetzhistorie lässt sich für die Ansicht der Beklagten nichts ableiten. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 30. September 2005 – 2 B 43.05 -, juris, Rn. 10 - zur Entstehung der Flugsicherungszulage ausgeführt:
15„Die Entstehungsgeschichte der Vorbemerkungen 5a Abs. 1 Buchst. c Ziff. 5 und 6 bestätigt die Auslegung, die von Sinn und Zweck der Regelung geboten ist. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung besoldungs- und wehrsoldrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 1990 (BGBl I S. 1451) wurde - durch Umwandlung bisheriger Erschwerniszulagen in Stellenzulagen - eine Flugsicherungszulage sowohl für den zivilen als auch den militärischen Bereich eingeführt. In der Gesetzesbegründung heißt es u.a., dass in den Genuss der Verbesserung gelange "das Personal der militärischen Flugsicherung und des Radarführungsdienstes" und dass "Abs. 1 … den zulageberechtigten Personenkreis ab(grenzt), der innerhalb des Gesamtbereichs der militärischen Flugsicherung und des Radarführungsdienstes besondere Funktionen ausübt" (BTDrucks 11/6544, S. 9 und 10). Danach war nicht einmal die Einbeziehung aller Beamten, die im Gesamtbereich der militärischen Flugsicherung und des Radarführungsdienstes tätig sind, vorgesehen. Angehörige des Geophysikalischen Beratungsdienstes der C1. sind erst durch Art. 5 des Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz) vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S. 1726) durch Erweiterung des Personenkreises nach Anlage I (Bundesbesoldungsordnungen A und B) II Nr. 5 a mittels Ergänzung der Überschrift und des Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 dieser Vorschrift sowie Einfügung der jetzigen Ziff. 5 in die Zulagenregelung aufgenommen worden, jedoch unter Beschränkung auf Beamte, die im Wetterbeobachtungs- oder im Wetterberatungsdienst auf Flugplätzen oder in regionalen Beratungszentralen eingesetzt sind. Die Abfolge und Art dieser Änderungen der besoldungsrechtlichen Regelung zeigen, dass es nicht Absicht des Gesetzgebers war, Geophysikern in militärischen Stäben außerhalb der Funktionsbereiche militärische Flugsicherung, Radarführungsdienst und Tiefflugüberwachungsdienst einen Anspruch auf die Zulage zu verschaffen.“
16Des Weiteren ist in der Gesetzesbegründung ausgeführt:
17„Die im Bereich der Bundesanstalt für Flugsicherung vorgesehene allgemeine Flugsicherungszulage erfordert eine entsprechende Verbesserung für das Personal der militärischen Flugsicherung und des Radarführungsdienstes. Das Zulagengefüge der C1. lässt jedoch die volle Übernahme der im zivilen Bereich vorgesehenen Regelung nicht zu. Es soll deshalb die bisher nach der Verordnung zur vorläufigen Regelung von Erschwerniszulagen in besonderen Fällen vom 22. März 1974 (BGBl. I S. 774) Beamten und Soldaten im militärischen Flugsicherungsbetriebsdienst und Radarführungsdienst gewährte Erschwerniszulage durch eine neue Vorbemerkungen Nummer 5 a unter Anhebung der Beträge in teilweise ruhegehaltfähige Stellenzulagen umgewandelt werden.“
18Vgl. BT-Drs. 11/6544, S. 9 f.
19Die Begründung zur Annahme einer herausgehobenen Funktion der Tätigkeiten im Bereich der Flugsicherung lässt hiernach weniger auf die Abgeltung einer besonderen psychischen Belastung schließen, sondern vielmehr auf eine Gleichstellung des Zulagengefüges zwischen Angehörigen der Bundesanstalt für Flugsicherung und des militärischen Personals mit dem Ziel einer Attraktivitätssteigerung der C1. .
20Vgl. zu letztgenanntem Aspekt bestätigend BT-Plenarprotokoll 11/201, 15612.
21Nichts im Sinne der Beklagten Weiterführendes ergibt sich auch unter Berücksichtigung des sonstigen parlamentarischen Beratungsgangs. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Wehrrechtsänderungsgesetz vom 26. Juni 1995 (vgl. BT-Drs. 13/1801) sah eine Erweiterung des zulagenberechtigten Kreises auf Angehörige des Geophysikalischen Beratungsdienstes der C1. noch nicht vor. Allgemein geäußerte Motivation für das Wehrrechtsänderungsgesetz war allerdings u. a., Anreize zum Dienst als Soldat in der C1. zu verstärken, um den Auswirkungen der grundlegend geänderten internationalen Verantwortung Deutschlands auf den Auftrag der C1. gerecht zu werden. Die Stellungnahmen des Bundesrates vom 14. Juli 1995 und die hierauf ergangene Gegenäußerung der Bundesregierung vom 24. August 1995 (vgl. BT-Drs. 13/2209) befassen sich mit der Zulagengewährung nicht. Erstmals aufgenommen wurden die Vorschläge zur Erweiterung des zulagenberechtigten Kreises in dem hier interessierenden Umfang durch die Beschlussempfehlung des Verteidigungsausschusses vom 9. Oktober 1995 (vgl. BT-Drs. 13/2547), wobei die bereits von der Bundesregierung geäußerte Motivation aufgegriffen wurde. Hinweise auf eine restriktiv zu interpretierende Fassung des Zulagentatbestands lassen sich den parlamentarischen Vorgängen insgesamt nicht entnehmen.
22d) Letztlich sprechen auch Sinn und Zweck der Vorbemerkungen Nr. 5a Abs. 1 Nr. 6 Var. 3 der Anlage I zu § 20 Abs. 2 Satz 1 BBesG nicht für das restriktive Verständnis der Beklagten. Hierfür hat auch das Bundesverwaltungsgericht keinen Anhaltspunkt gesehen, als es ausgeführt hat, dass Beamte im Wetterbeobachtungsdienst oder im Wetterberatungsdienst (nur) anspruchsberechtigt sind, wenn sie auf Flugplätzen der C1. oder in regionalen Beratungszentren eingesetzt sind.
23Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. September 2005 – 2 B 43.05 -, juris, Rn. 9.
24Die Funktion des Klägers auf seinem Dienstposten ist nach der gesetzgeberischen Wertung herausgehoben. Auf eine besondere psychische Belastung oder drohende Gefahren im Falle eines Versagens des Klägers auf seinem Dienstposten im Rahmen des Flugbetriebs kommt es nicht an.
255. Die Höhe der Stellenzulage bestimmt sich nach Anlage IX zum BBesG und beträgt für den Zeitraum seit Oktober 2016 durchgehend 211,29 Euro. Hieraus ergibt sich ein Bruttogesamtbetrag von 7.183,86 Euro (34 x 211,29 Euro).
266. Der Anspruch auf Zinsen begründet sich auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Er ist auf den im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit insgesamt fälligen Gesamtbetrag von 3.380,64 Euro bezogen und erhöht sich in der Folge jeweils zum Ersten eines Monats monatlich um 211,29 Euro (vgl. §§ 3 Abs. 4 Satz 2, 1 Abs. 2 Nr. 4 BBesG).
27III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO i. V. m. 709 ZPO.
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Referenzen
- BBesG § 42 Amtszulagen und Stellenzulagen 2x
- VwGO § 154 1x
- BBesG § 20 Bundesbesoldungsordnungen A und B 4x
- BBesG § 3 Anspruch auf Besoldung 1x
- 1 A 2526/09 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- BGB § 291 Prozesszinsen 1x
- VwGO § 87a 1x
- BBesG § 1 Anwendungsbereich 1x