Urteil vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (5. Kammer) - 5 K 1216/17.NW

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger, der ein Magisterstudium in Archäologie abgeschlossen hat, begehrt die Aufhebung eines Sicherstellungsbescheids und die Herausgabe einer keltischen Schnabelkanne mit Maskenverzierung aus der Frühlatènekultur.

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Er bot die Kanne unter der Lot-Nr. 105 im Auktionshaus V in London zur Versteigerung an (Auktion ...). Der Archäologe T wies das Bundeskriminalamt auf die Versteigerung hin. Ihm war nach seinen Angaben die Kanne aufgefallen, weil in der Fachwelt nur wenige vergleichbare Funde bekannt seien und die Kanne nach Aussage verschiedener Experten keinem der bekannten Funde zugeordnet werden könne. Es bestehe daher der Verdacht, dass sie aus einem durch Raubgräber geplünderten Grabhügel stammen könne. Das Bundeskriminalamt ermittelte den Kläger als Einlieferer und erwirkte den Abbruch der Auktion und die Rücksendung der Kanne an den Kläger. Der Kläger hatte dem Auktionshaus gegenüber angegeben, die Schnabelkanne von dem bekannten Sammler B erworben zu haben, der sie seinerseits schon 1981 von dem ebenfalls bekannten Sammler M erworben und 2006 habe restaurieren lassen. Zum Nachweis der Herkunft legte der Kläger eine schriftliche Bestätigung, ausgestellt von der Witwe des Herrn B, .... B, vor, die weder ein Kaufdatum noch eine genaue Beschreibung des gekauften Gegenstandes aufweist. Darin heißt es:

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„Hiermit bestätige ich, dass Herr A aus der Sammlung B (1980 – 2007) als langjähriger Bekannter von Herrn B immer wieder antike Objekte erworben hat. Unter anderem: Keltische Goldmünzen, Keltische und Römische Fundstücke (Gürtelhaken, Bronzebeile, Figürchen, etc.), 1 keltische Bronzekanne mit Maskenverzierung.“

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Die Bestätigung ist unterschrieben von Frau B, was auch durch ein kriminaltechnisches Gutachten nachgewiesen wurde. Es gibt weder einen Kaufvertrag noch einen Zahlungsbeleg oder Ähnliches.

5

Es liegen ein Restaurationsbericht und eine Rechnung vom 15. Dezember 2005 des Restaurierungsateliers „R“ in den Niederlanden für die Restauration der Kanne vor. Die Rechnung beträgt 4.522,00 € und ist auf einen Herr B ausgestellt.

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Es wurde sodann ein Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung bei der Staatsanwaltschaft Frankenthal unter dem Aktenzeichen ... eingeleitet.

7

Der Restaurator Herr L wurde im Wege der Amtshilfe in den Niederlanden vernommen. Er gab zu Protokoll, dass die Person, die auf der Rechnung (B) stehe, die Scherben zur Restaurierung gebracht habe. Er habe den Einlieferer nicht gekannt, sondern nur bei der Einlieferung und Abholung gesehen. Einen Ausweis o.ä. habe er sich nicht zeigen lassen, sondern einfach die Daten aufgenommen, die der Einlieferer ihm gegeben habe. Er sei Deutscher gewesen und habe die Restaurierung bei Abholung der Kanne bar bezahlt. Das sei so üblich bei Privatpersonen, weil in der Vergangenheit Rechnungen nicht bezahlt worden seien. Er vermute, dass der Einlieferer die Kanne selbst ausgegraben habe, denn einige Fragmente seien verschwunden gewesen. Wenn es sich um einen archäologischen Fund handele, werde der Fund meist als Brocken angeliefert. Er würde den Brocken dann sorgfältig auflösen, alle Fragmente sammeln und dann mit der Restaurierung beginnen. Die Scherben seien trocken gewesen, daraus schließe er, dass zwischen Ausgrabung und Anlieferung längere Zeit vergangen sei.

8

Es wurden mehrere Experten zur möglichen Herkunft der Kanne befragt:

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Herr Dr. J S vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg erklärte am 29. September 2015, er halte die vorgelegte Provenienz für äußerst zweifelhaft, weil jedenfalls der benannte Sammler M die Kanne nie besessen haben könne. Herr M sowie seine Sammlung seien in den Fachkreisen bekannt. Er sei ein integrer Sammler gewesen, der mit Wissenschaftlern aus Deutschland, Frankreich und Belgien in Kontakt gewesen sei und wohl nie gekauft oder verkauft habe. Nach Aussage der zuständigen Konservatorin G vom Musée National d´Histoire et d´Art Luxembourg (MNHA) sei die komplette Sammlung, die aus Scherben bestanden habe, vom MNHA erworben worden. Auch in den Notizbüchern des Herrn M sei keine Information über die Schnabelkanne enthalten. Die Kanne könne aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung für die Forschung nicht aus einer legalen Grabung stammen, weil sie der Fachwelt sonst bekannt wäre. Er habe den starken Verdacht, dass die Kanne aus einer Raubgrabung stamme.

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Laut Herr Dr. N von der Direktion Landesarchäologie Rheinland-Pfalz könne die Art der beim Restaurator eingelieferten Trümmer gut mit dem Erddruck der Bodenlagerung und einer unprofessionellen Bergung erklärt werden. Das Schadenbild sei aber nicht vereinbar mit einer zufälligen Förderung durch Pflug oder Baumaschinen. Insofern deute alles auf eine gezielte Raubgrabung hin. Sowohl M als auch B seien kenntnisreich genug gewesen, den antiquarischen Wert wenigstens zu erahnen und seien gut genug mit der Fachwelt vernetzt gewesen, um entsprechende Vermutungen zu erhärten.

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Herr Dr. M. S. vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz äußerte ebenfalls erhebliche Zweifel an der Provenienz. Es sei auffällig, dass keine Angaben zu Fundort und –umständen gemacht werden könnten. Bei ordentlichen Funden gebe es entsprechende Dokumente. In dem als Herkunftsgebiet in Betracht zu ziehenden Bereich sei das Graben generell verboten. Es müsse also auch eine Grabungslizenz vorgelegt werden können. Solche Kannen seien äußerst selten. Eine keltische Schnabelkanne aus einer Privatsammlung, geschweige denn eine von solch hoher Qualität, seien nicht bekannt, obwohl die Forscher zur keltischen Epoche weltweit gut vernetzt seien. Er halte es aufgrund seiner beruflichen Erfahrung für ausgeschlossen, dass sich ein solch spektakulärer Fund, wie behauptet, im Besitz renommierter Sammler (M und B) befunden haben könnte, ohne dass dies Fachwissenschaftlern bekannt geworden wäre. Aus den Bildern im Restaurationsbericht ergebe sich, dass die Kanne zum Zeitpunkt der Restaurierung fundfrisch gewesen sei. Die zahlreichen Bilder ließen keine Spuren nachträglicher Korrosion erkennen, die sich bilden würden, wenn korrodierte Bronzeobjekte länger ohne restauratorische Behandlung gelagert würden. Aufgrund seiner wissenschaftlichen Erfahrung müsse er davon ausgehen, dass ein so bedeutendes Stück nicht längere Zeit ohne Restaurierung aufgehoben werde. Die kleinteiligen Bronzefragmente würden zeigen, dass der Boden sorgfältig und systematisch durchwühlt worden sei.

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Herr Prof. Dr. A. H., Leiter des Instituts für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Kiel, gab an, Herrn M persönlich gut gekannt zu haben. Dieser habe mit den Kollegen in Luxemburg bestens kooperiert. Seine Sammlung stamme überwiegend von seinen Äckern. Dass er eine Kanne wie die streitgegenständliche verheimlicht oder gar verkauft haben könnte, schließe er völlig aus.

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Herr Prof. Dr. K. vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg äußerte ebenfalls erhebliche Zweifel an der Provenienz. Er beruft sich auf die Aussagen seiner Kollegen zu M und dessen Sammlung und bestätigt, dass solche keltischen Schnabelkannen äußerst selten seien. Es spreche alles dafür, dass die Kanne aus einer unautorisierten Grabung stamme, die nicht lange vor der Restaurierung durchgeführt worden sei, wie die auf den Fotos erkennbaren Erdanhaftungen an den Scherben nahelegen würden. Solche wertvollen Funde würden meist im Kontext mit weiteren Grabbeigaben auftauchen. Dies mache eine Herkunft aus der Sammlung M unwahrscheinlich, denn dann wären auch weitere Grabbeigaben in der Sammlung M aufgetaucht.

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Es ist noch nicht geklärt, welcher Region der Fund zuzuordnen ist. Die Experten geben als mögliche Fundorte den Südwesten Deutschlands, Frankreich und Österreich an. Einig sind sie sich darin, dass die Kanne aus einem reichen Fürstengrab stammen müsse.

15

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens legte Frau Dr. Z von der Direktion Landesarchäologie eine E-Mail von Herr Prof. Dr. F vor, der die E-Mail an sie weitergeleitet hatte. Es handelt sich um eine E-Mail des Klägers vom Dezember 2014 an Prof. Dr. F, bei dem er sein Magister-Examen in Archäologie gemacht hat. In der E-Mail berichtet der Kläger von einer „sehr wohlhabenden russischen Patientin“, die ihm eine „sicher unpublizierte restaurierte Bronze Schnabelkanne mit außergewöhnlichen Frühlatène Maskenverzierungen“ gezeigt habe, „am ähnlichsten der Kanne vom Klein-Aspergle“. Nach ihren Angaben stamme die Kanne ursprünglich aus einer alten Luxemburger Sammlung und ihre Familie habe sie selbst restaurieren lassen. Der Kläger fragte Prof. Dr. F, ob er sich die Kanne einmal ansehen und z.B. als Hausarbeit publizieren wolle. Prof. Dr. F antwortete, dass die Kanne zweifellos aus einer Raubgrabung stamme und in einer privaten Sammlung nichts zu suchen habe, sondern in ein Museum in der Herkunftsregion gehöre.

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Ebenfalls vernommen wurden die Witwe und der Sohn von Herrn B sowie Herr A. S., ein guter Bekannter des Herrn B.

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Frau B gab an, dass ihr Mann bronzefarbene Gefäße in seinem Besitz gehabt habe und meinte, auf Bildern, die ihr vorgelegt wurden und auf denen Gegenstände des Klägers abgebildet waren, u.a. auch die streitgegenständliche Kanne, Gefäße ihres Mannes zu erkennen. Woher er diese Sachen gehabt habe, wisse sie nicht. Im Frühjahr 2015 sei der Kläger bei ihr vorbeigekommen und habe sich die Reste der Sammlung B angesehen. Er habe dann zwei Bronzegefäße (Kanne und Topf), einen Krug mit Besatz von Unterwasserlebewesen und Kleinteile sowie keltische Münzen gekauft für mehr als 1.000,00 €, aber weniger als 10.000,00 €. Sie wisse es nicht mehr genau. Der Kläger habe sie dann gebeten, ihm eine Bescheinigung zu schreiben. Auf Vorhaltung meinte sie, den vom Kläger vorgelegten Herkunftsnachweis wiederzuerkennen. Allerdings sei sie aufgrund ihrer nicht vorhandenen Kenntnis antiker Gegenstände nie in der Lage gewesen, die Kanne als „Bronzekanne mit Maskenverzierung“ zu bezeichnen. Die Bezeichnung stamme vom Kläger. Sie wisse nicht, wieso der Kläger den erworbenen Bronzetopf nicht so erwähnt habe wie die Kanne. Ihr Mann sei leidenschaftlicher Sammler gewesen, allerdings kein „Freund des Restaurierens“. Ihr sei nicht bekannt, dass er Kontakt zur Firma R in den Niederlanden gehabt habe. Sie könne sich nur an jeweils eine Bronzekanne und einen Bronzetopf in der Sammlung ihres Mannes erinnern. Sie habe keine Ahnung von den Gegenständen und kein Interesse am Sammeln. Sie könne sich nicht erinnern, dass ihr Mann eine Kanne in Form von lauter Scherben gehabt habe. Sie habe solche Bruchstücke nie gesehen. Der Name M sage ihr etwas. Sie meine, ihr Mann habe von ihm Sachen erworben.

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Herr A. B, der Sohn des Herrn B, gab an, auf die Auktion bei V aufmerksam gemacht worden zu sein. Er habe sich die Fotos bei V angesehen und erkannt, dass es sich definitiv nicht um die Kanne seines Vaters gehandelt habe, obwohl sein Vater eine Schnabelkanne besessen habe. Er sah sich die streitgegenständliche Kanne auch im Original an und stellte fest, dass es definitiv keine Kanne aus dem Besitz seines Vaters sei. Die Kanne gehöre sicher nicht zu den Gegenständen, die der Kläger der Familie B abgekauft habe. Er sei bei dem Treffen seiner Mutter mit dem Kläger am 05. Juli 2015 dabei gewesen. Der Kläger habe für knapp 3.000,00 € Münzen, „Kleinkrams“ und einen Kübel gekauft. Herr B legte ein Bild von der Schnabelkanne seines Vaters vor. Bei der Kanne auf dem Bild handelt es sich nicht um die hier streitgegenständliche Kanne. Herr B erklärte weiter, dass ihm nicht bekannt sei, dass sein Vater jemals etwas in Holland habe restaurieren lassen. Er sei so eingestellt gewesen, dass er Funde lieber im Original belassen habe. Zudem seien solche Arbeiten sehr teuer und sein Vater habe dafür kein Geld gehabt bzw. ausgeben wollen.

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Herr A. S. gab an, mit Herrn B gut bekannt gewesen zu sein. Ihm sei bekannt, dass Herr B eine komplette Sammlung antiker Gegenstände von dem Luxemburger M erworben habe. Dabei sei u.a. eine in Scherben vorhandene Schnabelkanne aus der Zeit nach 300 v.Chr. gewesen. Herr B habe die Kanne restaurieren lassen. Er sei der Meinung, die Restaurierung sei im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz erfolgt. Er habe niemals gehört, dass Herr B etwas in Holland habe restaurieren lassen. Er wisse davon jedenfalls nichts. Eine Restaurierung sei sehr teuer. Er wisse, dass die finanzielle Situation von Herr B nicht gut gewesen sei. Herr B sei am 07. Januar 2007 verstorben. In seinem Nachlass sei die restaurierte Kanne gewesen. Nachdem der vernehmende Polizeibeamte Herr S das Bild von der Schnabelkanne, das er von Herr A. B hatte und ein Bild der streitgegenständlichen Kanne gezeigt hatte, erklärte Herr S, dass die streitgegenständliche Kanne nicht die Kanne aus der Sammlung B sei, sondern die andere Kanne (diejenige auf dem von Herr Alexander B vorgelegten Bild). Davon sei er überzeugt.

20

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurde am 07. März 2016 die Kanne im Rahmen einer Durchsuchung der Wohn- und Praxisräume des Klägers aufgefunden und beschlagnahmt. Am 23. November 2016 wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt, weil der Auffindeort und -zeitpunkt zwar ungeklärt bleibe, die strafrechtliche Ahndung aber unabhängig von den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen wegen Verjährung ausscheide. Daraufhin wurde auch die Kanne von der Staatsanwaltschaft wieder freigegeben.

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Am 12. Dezember 2016 erging der streitgegenständliche Bescheid, in dem die Sicherstellung der keltischen Schnabelkanne mit Maskenverzierung verfügt und die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet wurde. Zur Begründung führte der Beklagte an, dass die Kanne aus kultureller und archäologisch-wissenschaftlicher Sicht sehr bedeutsam sei und erhebliche Zweifel an der vom Kläger vorgelegten Provenienz und dessen Eigentum an der Kanne bestünden. Im Ermittlungsverfahren seien mehrere Wissenschaftler auf dem Gebiet der Archäologie und Keltenforschung sowie sonstige sachverständige Zeugen aus Deutschland und dem Ausland vernommen worden bzw. hätten ihre Stellungnahmen abgegeben zur Herkunft der Kanne. Zudem seien weitere Zeugen aus dem Umfeld des B, den der Kläger als vorherigen Besitzer der Kanne benannt hat, als Zeugen vernommen worden. Die Kanne sei der gesamten Fachwelt bis zum Zeitpunkt der Auktion unbekannt gewesen, obwohl es weltweit nur wenige vergleichbare Stücke aus der Latènezeit gebe. Es liege eine Eigentumsvermutung zugunsten des Staates bzw. eines deutschen Bundeslandes nahe aufgrund spezialgesetzlicher Regelungen auf dem Gebiet der Archäologie, der Denkmalschutzgesetze der Länder, dem Kulturschutzgutgesetz und anderen. Die Sicherstellung sei insbesondere verhältnismäßig. Es sei nur glücklichen Umständen zu verdanken, dass die Kanne nicht versteigert wurde. Ohne die Sicherstellung bestünde permanent die Gefahr, dass die Kanne der/dem potentiellen Eigentümer/in endgültig verloren ginge. Ihr stehe auch nicht entgegen, dass der Eigentümer noch nicht ermittelt sei. Zwar werde nach § 1006 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – das Eigentum des Klägers vermutet. Diese Vermutung sei aber erschüttert, sodass sich die Beweislast umkehre und der Kläger sein Eigentum nachweise müsse, was ihm nicht gelungen sei.

22

Der Kläger legte am 20. Dezember 2016 Widerspruch gegen den Bescheid ein, den er damit begründete, dass er die Kanne 2006 im restaurierten Zustand rechtmäßig von Herrn B erworben habe. Herr B habe die Kanne seinerseits 1981 vom in der Fachwelt bekannten Sammler M erworben. Selbst wenn Herr M Nichtberechtigter i.S.d. § 932 BGB gewesen wäre, habe Herr B die Kanne erworben, weil er in gutem Glauben über die Berechtigung des Herrn M zur Eigentumsveräußerung gewesen sei. Er habe sie zudem ersessen gemäß § 937 Abs. 1 BGB, weil er sie mehr als 10 Jahre in Eigenbesitz gehabt habe. Der Kläger selbst sei bei Erwerb der Kanne von Herrn B auch in gutem Glauben gewesen. Seine Bösgläubigkeit sei durch nichts indiziert. Der Beklagte habe darzulegen, dass der Kläger kein Eigentum an der Kanne erworben habe.

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Der Beklagte forderte eine Stellungnahme zur Herkunft der Schnabelkanne vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum an. In dieser Stellungnahme vom 17. Mai 2017 machen mehrere Experten, darunter ... (Emeritierte Professorin der Universität Straßbourg), Dr. habil. ... (Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM), Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie, Mainz), Prof. Dr. ... (RGZM, Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie, Mainz), em. Prof. Dr. ... (Philipps-Universität Marburg), PD Dr. ... (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz), Prof. Dr. ... (Philipps-Universität Marburg), Prof. Dr. ... (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz), Prof. Dr. ... (Ruhr-Universität Bochum) und zehn weitere Archäologen Ausführungen zur Kanne, die Erkenntnisse zusammenfassen, die anhand von Fotos, des Restaurierungsberichts der Firma R, einer Autopsie im RGZM, eines Expertentreffens am 15. Februar und einer CT-Untersuchung am Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg gewonnen und durch die Unterzeichner der Stellungnahme gemeinsam bewertet wurden. Sie stellen fest, dass die streitgegenständliche Schnabelkanne aus einem bisher unbekannten frühkeltischen Fürstengrab stamme. Das Grab sei in dem Gebiet des südmainischen Hessen, Rheinhessens, der Pfalz, Badens und dem Einzugsgebiet des Flusses Neckar zu verorten. Die Herkunft aus einem in legaler Weise geborgenen Fundkontext könne vollständig ausgeschlossen werden. Der Restaurierungsbericht belege, dass die Schnabelkanne kein „Altstück“ sei, sondern aus einer mittels Metalldetektor stattgefundenen Raubgrabung der jüngeren Vergangenheit stammen müsse. Zur Lokalisierung des genauen Fundortes innerhalb des Herkunftsgebietes seien weitere Untersuchungen nötig.

24

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017, der dem Kläger am 27. September zuging, wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Sicherstellung vorlägen, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Schnabelkanne ausschließlich im Eigentum des Klägers stehe. Das ergebe sich daraus, dass sowohl die Zeugenaussagen im Ermittlungsverfahren als auch das Gutachten vom 17. Mai 2017 die vom Kläger vorgetragenen Umstände des Erwerbs in erhebliche Zweifel ziehen würden. Die Eigentumsvermutung zugunsten des Klägers nach § 1006 Abs. 1 BGB sei daher erschüttert. Eine Herkunft aus einem legalen Fund sei aufgrund der Zeugenaussagen auszuschließen. Die Eigentumsverhältnisse seien zwar unklar. Der § 23 Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg und der § 20 Denkmalschutzgesetz Rheinland-Pfalz schrieben aber vor, dass Kulturdenkmäler, deren Eigentümer nicht ermittelt werden könne, im Eigentum des Bundeslandes stünden. Stamme die Kanne aus einer Raubgrabung, sei sie dem ursprünglichen Eigentümer gemäß § 935 BGB abhandengekommen.

25

Der Kläger hat am 27. Oktober 2017 Klage erhoben.

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Er meint, er sei alleiniger Eigentümer der Schnabelkanne. Er habe sie von Herrn B 2006 in restauriertem Zustand erworben. Herr B habe sie ihm übergeben und übereignet. Dass Herr B sie habe restaurieren lassen, sei belegt durch das Restaurationsgutachten und die Rechnung der Firma R vom 15. Dezember 2005. Herr B habe sie nach eigenen Angaben 1981 von M erworben. Über die Jahre habe er die gesamte Sammlung M erworben. Der Zeuge A S habe in seiner polizeilichen Vernehmung auch angegeben, dass ihm bekannt sei, dass Herr B eine komplette Sammlung von dem Luxemburger M gekauft habe. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens hätten mehrere Experten bestätigt, dass es sich bei Herrn B um eine honorige, absolut integre Person gehandelt habe, der nicht zu verdächtigen sei, Funde nicht angezeigt zu haben oder mit bemakelten Fundstücken Handel getrieben zu haben. Der Fundort der Kanne habe nicht festgestellt werden können. Derartige Kannen seien auch in Ost-Frankreich und in Österreich gefunden worden. Es sei deshalb möglich, dass die Kanne von Herrn M auf dessen Grundstück in Luxemburg gefunden worden und so in dessen Eigentum übergegangen sei. Die Frage, ob es sich um einen legalen Fund handelte, spiele aber für die Eigentumsfrage keine Rolle. Ein gutgläubiger Erwerb sei auch bei einem Fund in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz möglich, weil die Kanne mangels Gewahrsamsbewusstsein des jeweiligen Landes auch nicht abhandengekommen sein könne. Im Boden verborgene Gegenstände seien bis zu ihrer Ausgrabung verschollen und niemand habe Gewahrsam daran. Einen fingierten Besitz(übergang) gebe es nur beim Erben gemäß § 857 BGB. Eine Bösgläubigkeit des Klägers sei durch nichts belegt. Herr B sei ein renommierter offizieller Händler gewesen. Er habe keine Veranlassung gesehen, ihn zu inquirieren, ob die Kanne wirklich aus der Sammlung M stamme und wo Herr M sie denn herhabe. Die Stellungnahme vom 17. Mai 2017 sei nichts wert. Die Experten hätten den vermutlichen Fundort „praktischerweise“ auf das territoriale Gebiet der Länder Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg bestimmt, ohne hierfür eine Quelle oder Fundstelle zu nennen. Sie würden sich zudem widersprechen. Herr Dr. N habe am 05. November 2015 als zwei von vier möglichen Fundstellen Österreich und Ostfrankreich angegeben. Herr Dr. S habe in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 17. November 2015 angegeben, dass ein weiterer möglicher Fundort in Lothringen zu vermuten sei. Herr Dr. S habe am 13. November 2015 noch erklärt, dass sich seines Wissens solche Kannen auch in Luxemburg, Österreich und Ostfrankreich hätten finden lassen. Diese alternativen Fundorte würden in der Stellungnahme vom 17. Mai 2017 nunmehr nicht mehr erwähnt. Die These der Raubgrabung sei überdies nicht überzeugend. Fürstliche Grabhügel seien sehr groß. Der Grabhügel vom Kleinaspergle z.B. habe einen Durchmesser von 60 m und sei 7,60 m hoch. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass eine unbefugte Öffnung in der vom Beklagten behaupteten Region, einer der dicht besiedeltsten Deutschlands, unbemerkt geblieben sei. Letztlich sei es unverhältnismäßig, dass die Herausgabe mit Verweis auf weitere – vielleicht nie stattfindende – Untersuchungen auf ewig hinausgezögert werde.

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Er beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 12. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die sichergestellte keltische Schnabelkanne an den Kläger herauszugeben

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sowie

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die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er meint, die Eigentumsvermutung sei ausreichend erschüttert. Keltische Schnabelkannen seien extrem seltene und kostbare Bronzegefäße. Weltweit seien bisher lediglich sechs Exemplare bekannt. Die Experten des Römisch Germanischen Zentralmuseums gingen davon aus, dass die Kanne aus einem bisher unbekannten frühkeltischen Fürstengrab stamme und sie schlössen eine Herkunft aus einem in gesetzeskonformer Weise geborgenen Fundkontext vollständig aus. Es seien keine legale Grabungen bzw. Funde kennzeichnende Dokumente wie etwa eine Grabungslizenz oder vorhandene amtliche Fundmeldungen vorgelegt worden. Der behauptete Fund durch M sei nicht plausibel. Es gebe keinen Hinweis auf die Kanne in den Notizbüchern und M´ Sammlung prähistorischer Scherben sei nach Aussage des langjährigen Kurators Dr. M komplett vom Musée National d´Art et d´Histoire Luxembourg angekauft worden. Der Kläger habe auch nicht gutgläubig erwerben können. Legal erworbene Antiquitäten hätten immer einen Fundortnachweis. Es könne nicht nachvollzogen werden, dass ein renommierter Sammler wie Herr B einen entsprechenden Kauf ohne jegliche Dokumentation abwickeln würde. Bei illegaler Herkunft werde der Fundort in der Regel verschleiert, gefälscht oder ganz verschwiegen. Beim Erwerb eines Kulturgutes seien einem Sammler mit erhöhtem Sachverstand, wie dem Kläger, im Interesse eines effizienten Kulturgutschutzes verschärfte Erkundigungsobliegenheiten aufzuerlegen. So sei bei Zweifeln an der legalen Herkunft mangels Fundortnachweis die Einholung weiterer Erkundigungen zu verlangen. Die Tatsache, dass keinem bekannt gewesen sein soll, woher die Kanne stamme, spreche dafür, dass man nicht darum bemüht gewesen sei, dies herauszufinden. Es schade letztlich auch nicht, dass der Eigentümer der Kanne noch nicht endgültig feststehe. Für eine Sicherstellung reiche es aus, dass eine Ermittlung des Eigentümers nicht auszuschließen sei. Die Sicherstellung diene dann dem Schutz des noch unbekannten Eigentümers vor Verlust oder Beschädigung seines Eigentums. Zur Feststellung der Herkunft seien noch weitere Untersuchungen nötig, die nachweislich vorgesehen seien.

34

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegten Verwaltungsakten und die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Frankenthal ... Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.

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Der angefochtene Sicherstellungsbescheid vom 12. Dezember 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –) (I.). Daher hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Herausgabe der sichergestellten keltischen Schnabelkanne (II.)

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I. Der Sicherstellungsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 22 Nr. 2 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – POG –. § 22 Nr. 2 POG bestimmt, dass eine Sache sichergestellt werden kann, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen.

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An der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12. Dezember 2016 bestehen keine Bedenken.

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Der Bescheid erging auch materiell rechtmäßig, weil die Voraussetzungen für eine Sicherstellung vorliegen. Sie erfolgte zum Schutz des wahren Eigentümers vor Verlust der Kanne (1.) und der Beklagte hat sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt (2.).

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1. Eine Sicherstellung im Sinne des § 22 POG ist die Begründung eines öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnisses. Das Verwahrungsverhältnis wird dadurch begründet, dass der betroffenen Person die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache entzogen wird und die Ordnungsbehörde die Verfügungsgewalt erhält. Das ist vorliegend durch die Inbesitznahme der Kanne durch den Beklagten erfolgt.

41

Im Falle des § 22 Nr. 2 POG ist Voraussetzung für die Sicherstellung, dass nicht der Kläger Eigentümer der Schnabelkanne ist, sondern ein Dritter, zu dessen Schutz die Sicherstellung nötig ist.

42

Die Eigentumsverhältnisse sind vorliegend unklar. Für den Kläger, der die keltische Schnabelkanne zuletzt in Besitz hatte (vor der Durchsuchung am 07. März 2016) streitet daher zwar zunächst die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB. Allerdings ist diese Eigentumsvermutung vorliegend erschüttert (a.), was dazu führt, dass der Kläger den Nachweis des von ihm behaupteten Eigentums erbringen muss, was ihm nicht gelungen ist (b.). Dabei schadet es nicht, dass der tatsächliche Eigentümer noch nicht ermittelt ist (c.).

43

a. Die Eigentumsvermutung nach § 1006 Abs. 1 BGB zugunsten des Klägers ist erschüttert, weil vorliegend zahlreiche Indizien gegen die vom Kläger geltend gemachten Erwerbsumstände sprechen.

44

Wegen der Unzuverlässigkeit des Schlusses vom Besitz auf das Eigentum und weil die Sicherstellung nur eine vorübergehende Maßnahme ist, bei der eine Gefahr für die Rechtsstellung des wahren Berechtigten ausreicht (VG Oldenburg, Urteil vom 29. Juni 2010 – 7 A 1634/09, Rn. 148 juris), dürfen an die Widerlegung der Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der Beklagte nicht gezwungen, jede abstrakt denkbare Erwerbsmöglichkeit auszuschließen. Vielmehr mutet ihm § 1006 Abs. 1 BGB den Gegenbeweis nur innerhalb vernünftiger Grenzen und in dem durch den substantiierten Sachvortrag des Klägers – des Besitzers – abgesteckten Rahmen zu. Danach kann die Eigentumsvermutung auch mithilfe von Indizien und Erfahrungssätzen widerlegt werden. Trotz Zubilligung dieser Beweiserleichterungen müssen allerdings zumindest Umstände bewiesen werden, die das Eigentum eines Dritten wahrscheinlicher erscheinen lassen als das Eigentum des Besitzers oder die vom Besitzer behaupteten Erwerbstatsachen widerlegen. Im Falle der Heranziehung von Indizien und Erfahrungssätzen ist die Eigentumsvermutung widerlegt, wenn diese mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit das vermutete Eigentum des Besitzers erschüttern (OVG Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. August 2010 – 5 A 298/09, Rn. 31, 33 juris; Bayerischer VGH, Urteil vom 01. Dezember 2011 – 10 B 11.480, Rn. 32 juris).

45

Der Kläger trägt vor, er habe die streitgegenständliche Schnabelkanne von Herrn J B erworben, der sie zuvor von Herrn M erworben und eine Restaurierung veranlasst habe. Es scheint schon unwahrscheinlich, dass die Kanne je im Besitz von Herrn M oder Herrn B war.

46

Dr. S, Dr. N, Dr. S, Prof. Dr. H und Prof. Dr. K halten es für sehr unwahrscheinlich bzw. schließen es aus, dass die Schnabelkanne aus der Sammlung von M stammt. Herr M sei ein renommierter und in der Fachwelt bekannter Sammler gewesen, der eng mit der Fachwelt vernetzt gewesen sei und bestens mit den Wissenschaftlern kooperiert habe. Die zuständige Konservatorin G vom Musée National d´Histoire et d´Art Luxembourg (MNHA) sowie der langjährige Kurator des Museums, Dr. M, gaben an, dass die komplette Sammlung von Herr M, die aus Scherben bestand, vom MNHA nach dessen Tod erworben worden sei. Herr Prof. Dr. H schließt es sogar aus, dass Herr M die Kanne verkauft haben könne. Auch die Gesetzeslage in Luxemburg spricht dagegen, dass Herr M die Kanne ausgegraben hat, weil sich die Experten einig sind, dass Herr M ein integrer Sammler war und immer gut mit den Behörden zusammengearbeitet hat. Nach Art. 15 des (luxemburgischen) Gesetzes vom 12. August 1927 über die Erhaltung und den Schutz der nationalen Landschaften und Denkmäler haben der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein Gegenstand von archäologischem Wert ausgegraben wird und der Unternehmer (Finder) die Pflicht, dem Bürgermeister der Gemeinde, in der die Entdeckung gemacht wurde, sofort Anzeige zu erstatten. Der Bürgermeister hat dann unverzüglich die Regierung zu benachrichtigen, welche die gänzliche oder teilweise Enteignung des Grundstückes betreiben kann. Es ist aufgrund der Aussagen der Experten davon auszugehen, dass Herr M einen derart bedeutenden Fund entsprechend angezeigt hätte. Zudem findet sich auch in seinen Notizbüchern kein Hinweis auf die Kanne.

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Ebenso unwahrscheinlich ist es, dass die Kanne im Besitz von Herr B war. Zwar steht auf dem von Jutta B ausgestellten Herkunftsnachweis, dass der Kläger bei Herr B eine „Bronzekanne mit Maskenverzierung“ erworben habe und auch die Rechnung der Firma R ist auf einen Herrn J. B ausgestellt. Aber auch hier ist sich Herr Dr. S sicher, dass sich ein solch spektakulärer Fund nicht im Besitz der renommierten Sammler M und B befunden haben könne, ohne dass dies Fachwissenschaftlern bekannt gewesen sei. Auch Herr B habe gut mit dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum zusammengearbeitet. Zudem hat sich der Restaurator der Firma R keinen Ausweis von seinem Auftraggeber zeigen lassen und die Bezahlung der 4.522,00 € erfolgte in bar. Sowohl Frau B als auch ihr Sohn gaben an, dass ihnen nicht bekannt sei, dass Herr J B je etwas in den Niederlanden habe restaurieren lassen. Er sei im Gegenteil „kein Freund der Restaurierung“ gewesen und seine finanzielle Situation habe das auch nicht zugelassen. Ebenso wenig hat Herr S jemals gehört, dass Herr B etwas in den Niederlanden habe restaurieren lassen. Er erinnere sich nur daran, dass Herr B eine in Scherben vorhandene Schnabelkanne aus der Zeit nach 300 v.Chr. im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz habe restaurieren lassen. Der Sohn von Herr B bestätigte, dass sein Vater eine keltische Schnabelkanne besessen hatte und legte ein Bild von der Kanne vor. Dabei handelt es sich nicht um die hier streitgegenständliche Kanne. Auch Herr S erkannte die Kanne auf dem Bild von Herr A. B definitiv als die Kanne aus der Sammlung B und ist davon überzeugt, dass die hier streitgegenständliche Kanne nicht der Sammlung B zuzuordnen sei.

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Die Indizien sprechen vielmehr dafür, dass die Kanne aus einer Raubgrabung stammt. Es gibt weder einen Kaufvertrag zwischen dem Kläger und Herr B, noch einen Zahlungsbeleg o.ä., obwohl der Wert der Kanne vom Auktionshaus V mit 95.000,00 € – 120.000,00 € angegeben war. Es scheint sehr zweifelhaft, dass der finanziell schlecht aufgestellte Herr B eine solche Transaktion ohne jegliche Dokumentation durchführt. Ebenso wenig existiert ein Fundnachweis oder eine Grabungslizenz. Der Restaurator vermutet, dass der Einlieferer die Kanne selbst ausgegraben hat. Diese Vermutung stützt er darauf, dass einige Fragmente gefehlt hätten und bei archäologischen Funden meist ein ganzer Brocken angeliefert werde, aus dem er dann die Fragmente herauslöse. Auch die 18 zugezogenen Experten schließen in ihrer Stellungnahme vom 17. Mai 2017 und bereits vorher einen legalen Fundkontext aus. Auffällig ist auch, dass der Kläger in seiner E-Mail an Prof. Dr. F im Dezember 2014 von einer „sicher unpublizierte[n] restaurierte[n] Bronze Schnabelkanne mit außergewöhnlichen Frühlatène Maskenverzierungen [...], am ähnlichsten der Kanne vom Klein-Aspergle“ berichtet, die ihm eine russische Patientin gezeigt haben will und die angeblich aus einer alten Luxemburger Sammlung stammt und kurz darauf bei Frau B auftaucht und sich den o.g. Herkunftsnachweis für eine solche Kanne unterzeichnen lässt, als er die Kanne vom Auktionshaus V versteigern lassen will. Die Experten sind sich einig, dass die Schnabelkanne aus einem reichen Fürstengrab wie dem vom Kleinaspergle stammen muss. Auch dies spricht gegen eine Herkunft der Kanne aus der Sammlung M, weil so wertvolle Funde laut Prof. Dr. K meist im Kontext mit weiteren Grabbeigaben auftauchen und diese weiteren Beigaben bei Herrn M hätten vorhanden sein müssen.

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b. Der Kläger konnte sein Eigentum an der streitgegenständlichen Schnabelkanne nicht nachweisen.

50

Selbst wenn man davon ausgeht, dass vor dem Kläger Herr B die Kanne in Besitz hatte, so hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass Herr B das Eigentum daran durch Ersitzung gemäß § 937 Abs. 1 BGB erlangt hat, weil er nicht nachgewiesen hat, dass Herr B die Kanne mindestens 10 Jahre besessen hat. Auch der Erwerb der Kanne durch Herr B von Herrn M ist durch nichts belegt. Zwar hat Herr S angegeben, dass Herr B eine komplette Sammlung von Herr M gekauft hätte. Das kann allerdings nicht der Fall sein, weil laut G und Dr. M das Musée National d´Histoire et d´Art Luxembourg die Sammlung M nach dessen Tod erworben hat. Aus den o.g. Gründen ist davon auszugehen, dass die Kanne aus einer Raubgrabung stammt.

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Ein gutgläubiger Erwerb durch den Kläger gemäß §§ 929, 932 BGB scheidet aus, weil der Kläger aufgrund einer erhöhten Sorgfaltspflicht nicht gutgläubig war. Er trägt zwar vor, dass er aufgrund des Renommees von Herr B keine Veranlassung gehabt habe, die von Herr B angeblich angegebene Herkunft infrage zu stellen. Allerdings trifft ihn wegen seines abgeschlossenen Magisterstudiums in Archäologie eine erhöhte Sorgfaltspflicht, der er nicht ausreichend nachgekommen ist. Er hätte die immense kulturhistorische Bedeutung der Kanne erkennen und wissen müssen, dass solche Kannen extrem selten sind, sodass die Kanne, sollte sie aus einer legalen Grabung stammen, der Fachwelt bekannt wäre. Dass er den Wert und die Seltenheit tatsächlich erkannt hat, ergibt sich aus einer E-Mail des Klägers an das Auktionshaus V vom 21. Juni 2015, in der er die Kanne als „unique (!)“ (engl. für einzigartig) bezeichnet und angibt, dass die einzige vergleichbare Kanne die Kanne vom Kleinaspergle ist („The only comparable Flagon [...] comes from southern Germany from the Kleinaspergle“). Zudem haben legal erworbene Antiquitäten einen Fundortnachweis, der hier fehlt. Der Kläger hätte hier Zweifel an der Herkunft haben und diesen nachgehen müssen. Die Abwicklung eines Geschäftes, bei dem es um so einen wertvollen Gegenstand geht, sowohl monetär als auch immateriell, ohne jegliche Dokumentation scheint mehr als fragwürdig.

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c. Letztlich schadet es auch nicht, dass die Eigentumslage noch nicht geklärt ist.

53

Für eine Sicherstellung ist keine eindeutige Klärung der Eigentumslage erforderlich. Es reicht aus, dass im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung eine Ermittlung des Eigentümers der sichergestellten Sachen nicht auszuschließen ist. In diesem Fall dient die Sicherstellung dem Schutz des noch unbekannten Eigentümers vor Verlust oder Beschädigung seines Eigentums. (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Februar 2007 – 5 A 1056/06, Rn. 6 juris; Beschluss vom 11. August 2010 – 5 A 298/09, Rn. 38 juris). Anhaltspunkte, nach denen bereits bei Erlass des Bescheides oder des Widerspruchsbescheides feststand, dass sich die Eigentümer der sichergestellten Sachen nicht ermitteln ließen, liegen nicht vor. Im Gegenteil stehen noch weitere Untersuchungen an, die zur Klärung der Herkunft der Kanne führen sollen.

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2. Der Beklagte hat auch sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

55

Bei der vorliegenden Sachlage erweist sich die Sicherstellungsanordnung gerade unter dem Gesichtspunkt, dass es sich lediglich um einen vorläufigen Sicherungseingriff bis zur Beendigung der Sachverhaltserforschung handelt, auch nicht als ermessensfehlerhaft. Die Maßnahme war geeignet und erforderlich zur Gefahrenabwehr. Ein milderes Mittel stand nicht zur Verfügung, um eine Perpetuierung der Beeinträchtigung der Interessen des wahren Eigentümers bzw. des berechtigten Gewahrsamsinhabers zu verhindern. Vor dem Hintergrund, dass nach den Gesamtumständen nicht von einem rechtmäßigen Eigentums- bzw. Besitzerwerb des Klägers ausgegangen werden konnte, war die Sicherstellung schließlich nicht unangemessen.

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II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Herausgabe der Schnabelkanne aus § 25 Abs. 1 Satz 1 POG, wonach die sichergestellte Sache an denjenigen herauszugeben ist, bei dem sie sichergestellt worden ist, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind.

57

Hier liegen die Voraussetzungen für eine Sicherstellung aber weiterhin vor (s.o.).

58

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

59

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

60

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

61

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Der Streitwert richtet sich nach dem Wert des klägerischen Interesses. Maßgebend ist die Betroffenheit des Klägers in den geltend gemachten Eigentumsrechten an der keltischen Schnabelkanne. Der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 18.Juli 2013 beschlossenen Änderungen sieht in Ziff. 35.1 für die polizeiliche Sicherstellung vor, dass sich der Streitwert am wirtschaftlichen Interesse des Klägers zu orientieren hat und sonst der Auffangstreitwert von 5.000,00 € (§ 52 Abs. 2 GKG) gelten soll. Die Kammer hält den doppelten Regelstreitwert hier für angemessen, weil der erhebliche Wert der Kanne zwar zu berücksichtigen, nicht aber als Streitwert anzunehmen ist, weil es bei der Sicherstellung nicht darum geht, dem Kläger das Eigentum auf Dauer zu entziehen, sondern nur bis zur Klärung der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse.

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