Urteil vom Verwaltungsgericht Regensburg - RN 10A DK 19.681

Tenor

I. Gegen die Beklagte wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger beantragt die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.

Die am …1991 geborene Beklagte steht als Polizeimeisterin im Dienst des Klägers. Nach Erwerb des Realschulabschluss absolvierte sie von 2007-2010 eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten. Am 01.03.2012 trat die Beklagte in den Dienst der bayerischen Polizei ein. Zum 01.03.2012 wurde sie zur Polizeimeisteranwärterin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf, am 01.03.2013 zur Polizeioberwachtmeisterin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe ernannt. Nach Bestehen der Prüfung für den Einstieg in die 2. Qualifikationsebene für den Polizeivollzugsdienst wurde sie zum 01.09.2014 zur Polizeimeisterin ernannt und am 01.09.2016 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen. Ihre letzte Beurteilung stellt die Probezeit-Beurteilung aus dem Jahr 2016 dar, worin die Beklagte das Gesamtprädikat von 7 Punkten erhielt. Sie ist ledig und übt ihren Dienst bei der Polizeiinspektion … aus.

Mit Schreiben vom 27.12.2016 informierte der Leiter der Polizeiinspektion … das Polizeipräsidium Niederbayern Oberpfalz, dass aufgrund eines Kritikgespräches wegen unzureichender Sachbearbeitung (100% Korrekturrücklauf) sowie eines Entstempelungsersuchens der Zulassungsstelle für das Privat-PKW der Beklagten festgestellt worden war, dass die Beklagte insgesamt 525 EUR aus dem Block Verwarnungsgeld nicht abgerechnet habe. Gegenüber dem Dienststellenleiter hätte die Beklagte nach anfänglichem Leugnen angegeben, dass das Geld für private Zwecke ausgegeben worden sei. Inzwischen sei der ausstehende Fehlbetrag an den Dienstgruppenleiter durch die Beklagte wieder erstattet worden.

Mit Bescheid vom 27.12.2016 sprach die Klägerin darauf hin ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gegenüber der Beklagten aus, und informierte diese, dass ein Disziplinarverfahren eingeleitet werde, welches zugleich aufgrund der aufgenommenen strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt werde.

Ein Widerspruch gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2017 bestandskräftig zurückgewiesen.

Im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurde zudem dem Verdacht nachgegangen, dass die Beklagte während der Dienstausübung bei der Polizeiinspektion … vom 01.03.2016 bis 29.12.2016 in mindestens 17 Fällen polizeiliche Verfolgungshandlungen unterlassen und hierdurch Strafvereitelung im Amt begangen hätte. Dieser Vorwurf wurde mit Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Landshut vom 12.12.2017 fallen gelassen, da ein konkreter Strafvereitelungserfolg nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden könne. Ein sicherer Nachweis dafür, dass die unvollständige und mangelhafte Sachbehandlung durch die Beschuldigung für eine spätere Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Landshut mitursächlich gewesen wäre, sei nicht sicher zu führen.

Hinsichtlich des Vorwurfes in einem nicht näher bekannten Zeitraum zwischen dem 16.03.2016 und dem 23.12.2016 Verwarnungsgelder in Höhe von 525 EUR vereinnahmt und privat verwendet zu haben, erging am 25.01.2018 ein seit 08.03.2018 rechtskräftiger Strafbefehl durch das Amtsgericht Landshut, mit dem die Beklagte wegen Untreue in einem besonders schweren Fall nach § § 266 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nummer 4, 11 Abs. 1 Nummer 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten auf Bewährung verurteilt wurde.

Am 06.06.2018 setzte die Klägerin das ausgesetzte Disziplinarverfahren wegen des Verdachtes der Untreue zulasten des Dienstherrn daraufhin fort, und dehnte es auf die 17 fehlerhaften Sachbearbeitungen aus, welche zwar keine strafrechtliche Relevanz aufgrund der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft gehabt hätten, jedoch als unvollständige und mangelhafte Sachbearbeitung bzw. Nichtbearbeitung dienstrechtlich ebenso relevant seien, wie weitere, zögerlich oder nicht bearbeitete Vorgänge. Die einzelnen Vorgänge wurden dabei konkret benannt und aufgelistet.

Nach vorheriger Anhörung, auf die die Beklagte nicht reagierte, wurde mit Bescheid vom 26.11.2018 eine vorläufige Dienstenthebung sowie eine Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 45 vom Hundert ausgesprochen.

Am 25.01.2019 wurde der Beklagten Gelegenheit zur abschließenden Äußerung gegeben. Eine solche erfolgte nicht.

Das Polizeipräsidium München erhob daraufhin am 18.03.2019 Disziplinarklage und wirft der Beklagten dabei folgenden Sachverhalt vor:

„1.

Im Rahmen eines Kritikgesprächs am 23.12.2016, bei dem der Dienststellenleiter die Beklagte u.a. auf ihre unzureichende Sachbearbeitung ansprechen wollte, wurden auch ihre Barverwarnungsblöcke kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, dass ein Gesamtbetrag i. H. v. insgesamt 525,-- € nicht abgerechnet worden war. Dies erklärte die Beklagte zunächst damit, dass sie das Geld versehentlich mit nach Hause genommen hätte. Im Anschluss an das Kritikgespräch wollte die Beklagte in Begleitung von Kollegen das Geld von zu Hause holen und in der Dienststelle übergeben. Später offenbarte die Beklagte ihrem Dienststellenleiter, dass sie das Geld für private Zwecke ausgegeben hatte und sich in finanziellen Engpässen befände. Ihr Vater habe ihr bereits 1000 EUR geliehen, jedoch mit der Auflage, ein Kassenbuch zu führen. Am 24.12.2016 übergab die Beklagte den ausstehenden Fehlbetrag in genannter Höhe an den Dienstgruppenleiter.

Wegen dieses Sachverhalts erließ das Amtsgericht Landshut am 25.01.2018 einen Strafbefehl wegen Untreue in einem besonders schweren Fall (Az.: O 1 Cs 103 Js 14195/17). Mit diesem Strafbefehl wurde eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, gegen die Beklagte verhängt. Der Strafbefehl ist seit 08.03.2018 rechtskräftig.

2. Im Zusammenhang mit der Untätigkeit der Beklagten hinsichtlich der ihr zugewiesenen Vorgänge bzw. infolge ihrer schleppenden, unvollständigen und mangelhaften Sachbearbeitung wurden beim SG 131 des BLKA strafrechtliche Ermittlungen gegen die Beklagte geführt. Ausweislich des Ermittlungsberichts des SG 131 vom 02.05.2017 wurden folgende Fälle exemplarisch zitiert und aufgeschlüsselt:

Die nachstehend gelisteten acht Vorgänge betreffen Vergehen nach dem Pflichtversicherungsgesetz, die an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden. Diese stellte die strafrechtlichen Verfahren jeweils ein und bat um Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten in eigener Zuständigkeit. In sieben Fällen trat infolge der Untätigkeit der Beklagten Verfolgungsverjährung ein. Bei einem Vorgang wurde laut den Angaben der Beklagten mündlich verwarnt.

Aktenzeichen: Delikt: Einlaufdatum: Bearbeitung:

2115-001808-16/4

PflVersG

02.04.2016

Abgabe an StA am 15.04.2016; Einstellungsmitteilung der StA - 08.09.2016 - verjährt - 410 Js 17675/16

2115-002136-16/8

PflVersG

16.04.2016

Abgabe an StA 02.05.2016, Einstellung StA am 20.05.2016, Verfolgung OWi,

- verjährt - 409 Js 19459/16

2115-002677-16/1

PflVersG

07.05.2016

Abgabe an StA 03.08.2016, Einstellung StA am 09.08.2016 mit Bitte um OWi-Verfolgung

Lt. Fr. … mündlich verwarnt 410 Js 29851/16

2115-003491-16/8

PflVersG

12.06.2016

Abgabe an StA am 03.08.16, Rücklauf nach Einstellung StA am 22.08.2016 mit der Bitte OWi-Verfolgung - verjährt - 403 Js 30544/16

2115-003710-16/7

PflVersG

21.06.2016

Abgabe an StA am 03.08.2016, Rücklauf nach Einstellung StA am 16.08.2016 mit Bitte Owi-Verfolgung - verjährt - 406 Js 29857/16

2116-003900-16/0

PflVersG

29.06.2016

Abgabe an StA am 04.08.2016, Rücklauf nach Einstellung StA am 26.08.2016 mit Bitte OWi-Verfolgung - verjährt - 408 Js 30543/16

2115-004184-16/1

PflVersG

09.07.2016

Abgabe an StA am 08.08.2016; Rücklauf nach Einstellung StA am 26.08.2016 mit Bitte OWi-Verfolgung - verjährt - 408 Js 30543/16

2115-004668-16/5

PflVersG

28.07.2016

Rücklauf mit Bitte OWi-Verfolgung - verjährt - 408 Js 2082/17

Die unten stehenden strafrechtlich relevanten Vorgänge wurden analog der oben genannten Vorgehensweise von der Beklagten nur teilweise, nicht zeitgerecht, mangelhaft oder gar nicht bearbeitet. Sie wurden daher anderen Sachbearbeitern zugeteilt.

Aktenzeichen: Delikt: Einlaufdatum: Bearbeitung:

2115-004297-16/1

Warenbetrug

13.07.2016

Keine Tätigkeit außer ein am 29.12.2016 getätigte BAFIN-Anfrage; Übergabe an anderen SB Az: 307 Js 11101/17

2115-005733-16/2

Betrug

05.09.2016

Keine Tätigkeit - Übergabe an neuen SB

Az: 206 UJs 1118/17

2115-005737-16/8

Warenbetrug

06.09.2016

Keine Tätigkeit - Übergabe an neuen SB

Az: 309 Js 6929/17

2115-005993-16/2

Warenbetrug

17.09.2016

Keine Tätigkeit - Übergabe an neuen SB

2115-006059-16/7

Diebstahl

20.09.2016

Keine Tätigkeit - Übergabe an neuen SB

2115-006153-16/5

Körperverletzung

23.09.2016

Mangelhafte Bearbeitung - Übergabe an neuen SB

Az: 306 Js 1456/17

2115-006289-16/4

Waffengesetz

27.09.2016

Rücklauf d. DGL, mangelhafte Bearbeitung; Auslauf am 27.12.2016 Az: 402 Js 305/17

2115-006807-16/0

BtMG

14.10.2016

Anzeige unvollständig, neuer SB

Az: 501 UJs 3322/17

Zwei weitere Vorgänge nach dem PflVersG wurden auf Grund der Untätigkeit der Beklagten an andere Sachbearbeiter übergeben.

Aktenzeichen: Delikt: Einlaufdatum: Bearbeitung:

2115-005009-16/9

PflVersG

09.08.2016

Versicherungsanfrage Einlauf 16.09.2016 - keine weiteren Maßnahmen;

Übergabe an neuen SB StA-Az: 410 Js 2738/17

2115-005316-16/9

PflVersG

20.08.2016

23.08.2016 Rückantwort Versicherer - keine weiteren Tätigkeiten - Neuer SB StA-Az: 405 Js 2083/17

Folgende Verkehrsdelikte blieben nach teilweise ersten getroffenen Maßnahmen durch die Beklagte unvollständig oder mangelhaft bearbeitet und wurden daher an neue Sachbearbeiter übertragen.

Aktenzeichen: Delikt: Einlaufdatum: Bearbeitung:

2115-001520-16/8

VUPS

16.03.2016

4 Sachstandsanfragen der StA blieben unbearbeitet, Auslauf am 29.11. durch neuen SB an StA Az: 407 Js 14037/16

2115-003006-16/6

VOWi 0,5 Promille

Nachermittlung nach Einspruch

22.05.2016

Abgabe an ZBS am 25.05.2016, Rücklauf wg. Einspruch, am 04.06.16 an StA; 4 Sachstandsanfragen d. StA unerledigt geblieben; 25.11.2016 durch neuen SB erledigt Az: 402 Js 30443/16

2115-005019-16/0

VU-Flucht

10.08.2016

Unbekannter Täter, interner Rücklauf; neuer SB, 03.01.17 an StA Az: 405 UJs 466/17

2115-006331-16/9

Verkehrsdelikt

28.09.2016

Ausländischer Lkw - Sicherheitsleistung vor Ort. Keine weitere Tätigkeiten; Neuer SB am 04.12.16 Auslauf 05.12.16

2115-006333-167/

Verkehrsdelikt

28.09.2016

ProViVerwarnung falsch berechnet, durch neuen SB berichtigt

2115-005621-16/1

Entstempelungsersuchen

01.09.2016

Keine Tätigkeit - bis 29.12.2016 Übergabe an neuen SB

2115-006130-16/6

2115-006131-16/5

2115-006132-16/4

2115-006133-16/3

Entstempelungsersuchen

23.09.2016

Keine Tätigkeit - bis 29.12.2016 Übergabe an neuen SB

2115-007103-16/3

Verkehrsdelikt

25.10.2016

Geschwindigkeitsüberschreitung Neuer SB

2115-007117-16/0

Verkehrsdelikt

26.10.2016

Geschwindigkeitsüberschreitung Neuer SB

2115-006245-16/4

Außerbetriebsetzung LRA

27.09.2016

Mangelhafte Bearbeitung - Übergabe an neuen SB

2115-008157-16/7

Verkehrsunfall mit Sachschaden

01.10.2016

Aufnahme durch die Beklagte. Jedoch kein Eintrag. Telefonische Anfrage Versicherer blieb unbeantwortet.

Übernahme neuer SB

Wegen der vorstehend unter 2. genannten Sachverhalte wurden bei der Staatsanwaltschaft Landshut unter dem Az.: 103 Js 14195/17 strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt gegen die Beklagte geführt. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Landshut vom 08.12.2017 wurde das Ermittlungsverfahren aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.“

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagten ein äußerst schwerwiegendes Dienstvergehen begangen hätte in dem sie schuldhaft gegen die Pflichten sich stets achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten, zur uneigennützigen Amtsführung, sich mit vollen persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen, rechtmäßig zu handeln sowie dienstliche Anordnungen und allgemeinen Richtlinien zu befolgen, verstoßen hätte. Die begangene Untreue in einem besonders schweren Fall sei ein gravierender Verstoß gegen die Pflicht, Gesetze zu beachten und sich Achtung und vertrauenswürdig zu verhalten, sowie zur uneigennützigen Amtsführung.

Die völlig unzureichenden Arbeitsleistungen würden einen Verstoß gegen die Pflicht sich mit vollen persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen, darstellen.

Das Dienstvergehen wiege äußerst schwer. Der zur Last gelegte Sachverhalt begründe einen schwerwiegenden, auf den Kernbereich der Dienstpflichten der Beamten zielenden Verstoß, der geeignet sei, das Vertrauen des Dienstherrn, der Öffentlichkeit und auch der Kollegen in eine pflichtgemäße Amtsführung zu erschüttern. Mildernde Rechtfertigungsgründe lägen nicht vor. Polizeivollzugsbeamte hätten insbesondere Straftaten aus dem Deliktsbereich der Eigentums- und Vermögenskriminalität zu verhüten und zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund steht die von der Beklagten begangene Untreue in einem besonders schweren Fall in einem unerträglichen Widerspruch zu ihren gesetzlichen Verpflichtungen und offenbare einen so gravierenden Charaktermangel, dass dem Dienstherrn nicht zuzumuten sei, dass sie bei diesem weiter beschäftigt sei. Auch könne es der Öffentlichkeit nicht vermittelt werden, dass eine Polizeibeamten so massiv Gesetze missachte. Die gezeigte schädliche Charakterhaltung sei mit der besonderen öffentlichen Achtungund Vertrauensstellung einer Polizeibeamtin nicht zu vereinbaren. Aufgrund dieser Mängel sei das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Öffentlichkeit zerstört. Dieser Eindruck werde durch die unzureichende Sachbearbeitung der der Beklagten zugewiesenen Vorgänge noch verstärkt. Die Schwere des Vorwurfes zeige sich auch an der strafrechtlichen Sanktionierung von 8 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Allein aufgrund des Zugriffsdelikts und des damit einhergehenden Verstoßes gegen den Kernbereich der Pflichten sei das Vertrauensverhältnis grundlegend und irreversibel zerstört. Das Untreuedelikt sowie die zusätzlich erschwerend hinzukommenden Pflichtverstöße der unzureichenden Sachbearbeitung sei als einheitliches Dienstvergehen so schwerwiegend, dass als Disziplinarmaßnahme nur die Entfernung aus dem Dienst infrage käme. Auch das Persönlichkeitsbild vom 06.08.2018 können nicht zugunsten Beklagten gewertet werden. Demnach sei bereits nach Abschluss der 3-monatigen Einweisungszeit bemerkt worden, dass die Vorgangsbearbeitung der Beklagten weitaus stärker fehlerbehaftet war, als sie sich zunächst darstellte. Trotz normaler Arbeitsbelastung hätten die Vorgänge des laufenden Tagesgeschäft nicht fehlerfrei abgearbeitet werden können, die Arbeitsmenge und -güte der Anzeigen sei unterdurchschnittlich gewesen und hätten erhebliche Mängel im Hinblick auf strukturiertes Arbeiten und Zeitmanagement aufgewiesen. Zugunsten der Beklagten sei lediglich zu berücksichtigen, dass sie bislang straf-und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei.

Es wird daher beantragt,

die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

Die Beklagte hat sich bislang im Verfahren schriftlich nicht geäußert. In der mündlichen Verhandlung am 29.06.2020 hat sie erklärt, dass die erhobenen Vorwürfe zutreffen würden. Sie bedauere ihr Verhalten und entschuldige sich dafür. Nachdem sie zur Polizeiinspektion … gekommen sei, habe sie im Rahmen ihrer Dienstausübung mit vielen Toten zu tun gehabt. Dies habe sie sehr belastet. Sie habe es nicht verarbeiten können, und zum Ausgleich dafür Einkäufe getätigt, die sich nicht habe leisten können. Psychologische Betreuung habe sie nicht in Anspruch genommen. Inzwischen sei es jedoch mithilfe ihrer Eltern gelungen, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse wieder zu ordnen. Sie könne sich nicht vorstellen, wieder Polizeivollzugsdienst zu verrichten und wieder vergleichbare Situationen zu erleben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenunterlagen und die Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen. Der Strafakt im Verfahren Az. 01 Cs 103 Js 14195/17 wurde beigezogen.

Gründe

Die zulässige Disziplinarklage führt zu der Entscheidung, die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, da sie wegen eines schweren innerdienstlichen Dienstvergehens das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat, Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG.

Gegen die Ordnungsgemäßheit der Disziplinarklage bestehen keine Bedenken. Sie entspricht den Anforderungen des Art. 50 Abs. 1 BayDG und gibt in ausreichender Weise den persönlichen und beruflichen Werdegang der Beklagten, den bisherigen Gang des Disziplinarverfahrens sowie die für die Entscheidung bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel in geordneter Darstellung wieder. Mängel der Klageschrift und des behördlichen Disziplinarverfahrens wurden nicht - innerhalb der Frist des Art. 53 Abs. 1 BayDG - geltend gemacht und sind für das Gericht auch nicht ersichtlich.

A.

Das Gericht legt der disziplinarrechtlichen Würdigung die Sachverhalte unter I.1. und I.2. des Klageschriftsatzes zugrunde:

Die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts Landshut vom 25.01.2018 (rechtskräftig seit 08.03.2018) unter dem Aktenzeichen 01 CS 100 3JS14195/17 werden durch das Gericht nach Art. 55 BayDG in Verbindung mit Art. 25 Abs. 2 BayDG der Entscheidung zugrunde gelegt. Die Beklagte hat diese Vorwürfe im Strafverfahren nicht bestritten und gemäß Vorlageschreiben ihres Vorgesetzten EPHK 1* … am 23.12.2016 diesem gegenüber im Beisein von PK 2* … eingestanden. Die Beklagte hat diese Vorwürfe auch weder im Disziplinarverfahren noch im Disziplinarklageverfahren bestritten.

Die Beklagte hat sich damit der Untreue in einem besonders schweren Fall zulasten des Dienstherrn strafbar gemacht, indem sie dienstlich vereinnahmte Verwarnungsgelder in Höhe von 525 EUR für private Zwecke verwendet hat.

Hierdurch hat die Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen ihre Pflichten verstoßen sich stets achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 Beamtenstatusgesetz), ihr Amt uneigennützig zu führen (§ 34 Satz 2 Beamtenstatusgesetz), rechtmäßig zu handeln (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz) sowie dienstliche Anordnungen und allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz).

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen sowie des Ermittlungsberichtes des bayerischen Landeskriminalamts vom 02.05.2017 steht auch der in der Disziplinarklage unter Nummer I. Nr. 2 aufgeführte Sachverhalt für das Gericht fest. Danach hat die Beklagte in einer Vielzahl von Verfahren die Sachbearbeitung schleppend, unvollständig und mangelhaft vorgenommen. Dies führte bei 8 Delikten nach dem Pflichtversicherungsgesetz dazu, dass die Staatsanwaltschaft die Verfahren wegen Verjährung einstellte und an die Polizei zur Ahndung als Ordnungswidrigkeit zurückgab. In weiteren 21 Verfahren mussten laufende strafrechtliche bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfahren neuen Sachbearbeitern zugeteilt werden, da die Verfahren durch die Beklagte nicht, zu langsam bzw. fehlerhaft bearbeitet worden sind. Auch dies wurde von der Beklagten im Rahmen des bisherigen Verfahrens nicht bestritten, vielmehr hat sie am 23.12.2016 gegenüber ihrem Dienststellenleiter erklärt, dass es ihr „wahnsinnig leid tun würde, sie aber Stress im Dienst haben würde, vor allem wegen der Wirkung von Toten auf sie, dies habe sie völlig unterschätzt, zudem habe sie auch private Schwierigkeiten, wie die Krebserkrankung ihrer Großmutter sowie die regelmäßige Aushilfe im elterlichen Schreibwarenladen. Deshalb sei sie mit der Sachbearbeitung nicht mehr nachgekommen“.

Ferner hat die Beklagte die vorgehaltenen Sachverhalte in der mündlichen Verhandlung umfassend eingeräumt.

Hiermit hat die Beamtin schuldhaft gegen ihre Verpflichtung verstoßen, sich mit vollen persönlichen Einsatz ihren Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 Beamtenstatusgesetz). Eine strafrechtliche Relevanz, und damit ein Verstoß gegen die Pflicht Gesetze zu beachten, ist zugunsten der Beklagten nicht anzunehmen. Insbesondere war eine Strafbarkeit wegen vollendeter Strafvereitelung durch Unterlassen nach § 258 a Abs. 1 StGB letztlich nicht nachweisbar, da nicht mit hinreichender Sicherheit belegbar war, dass die Verfahren ausschließlich wegen Ablaufs der Verjährungsfrist aufgrund zu langsamer Sachbearbeitung eingestellt worden sind. Gleichwohl verbleibt bei der fehlerhaften Sachbearbeitung ein dienstrechtliche Überhang, unabhängig davon, ob dadurch ein Strafrechtstatbestand verwirklicht worden ist.

Es handelt sich bei den dargestellten Sachverhalten um ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG. Sowohl bei der fehlerhaften Sachbearbeitung als auch bei der Veruntreuung dienstlich anvertraute Gelder besteht offensichtlich ein innerdienstlichen Bezug.

B.

Die Schwere des Dienstvergehens gebietet die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das Fehlverhalten der Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Sie hat - auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds und ihres bisherigen dienstlichen Verhaltens - darüber hinaus die Folge, dass die Beklagte das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat.

1. Beamte sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn sie durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben. Die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme ist gemäß Art. 14 Abs. 1 BayDG nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 Az. 2 C 6/14). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (vgl. BVerfG vom 8.12.2004 Az. 2 BvR 52/02). Eine Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG vom 20.10.2005 Az. 2 C 12.04). Bei der Ausübung des den Gerichten nach Art. 14 Abs. 1 BayDG eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind, ist jede Schematisierung zu vermeiden.

Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (vgl. z.B. BVerwG vom 10.12.2015 a.a.O.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Dabei bewirken schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zur Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.

So hat nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Höhe der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen. Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (vgl. z.B. BVerfG vom 8.12.2004 a.a.O.). Da die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der in Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung und besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG vom 20.10.2005 a.a.O.).

2. Die gravierendste Pflichtverletzung stellen die innerdienstlich verübten Untreuehandlungen dar. Die Beklagte hat ein schweres Dienstvergehen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG begangen, indem sie ihr dienstlich anvertraute Verwarnungsgelder in Höhe von 525 € veruntreut hat. Durch den Zugriff auf die dienstlich anvertrauten Gelder hat die Beklagte nicht nur beamtenrechtliche Nebenpflichten verletzt, sondern sie hat im Kernbereich der ihr obliegenden Dienstpflichten als Polizeivollzugsbeamte versagt.

Mit dem Kernbereich ist derjenige Pflichtenkreis des Beamten angesprochen, der im Mittelpunkt seines konkreten Amts im funktionellen Sinne (Dienstposten) steht. Zu den Kernpflichten eines mit der Einnahme und Behandlung von Verwarnungsgeldern betrauten Polizeibeamten gehört, dass dieser die ihm dienstlich anvertrauten Gelder ordnungsgemäß verwaltet und abrechnet. Der Dienstherr ist auf die absolute Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit eines solchen Beamten beim Umgang mit dienstlich anvertrauten Geldern angewiesen. Dies gilt umso mehr, als hier eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Polizeibeamten unmöglich ist. Sie muss deshalb weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden (st. Rspr. vgl. BayVGH, U.v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 47; U.v. 24.9.2014 - 16a D 13.118 - juris Rn. 95).

Bei dem Zugriff auf die Verwarnungsgelder zur eigennützigen Verwendung handelt sich um ein Zugriffsdelikt im Sinne der Rechtsprechung der Disziplinargerichte. Ein Zugriffsdelikt im disziplinarrechtlichen Sinne liegt - und zwar unabhängig von seiner strafrechtlichen Einordnung als Betrug, Diebstahl, Untreue oder Unterschlagung - dann vor, wenn der Beamte dienstlich anvertraute Gelder oder Güter veruntreut hat. Für die Bewertung als Zugriffsdelikt ist entscheidend, dass einem Beamten Gelder oder gleichgestellte Werte dienstlich anvertraut oder dienstlich zugänglich sind, weil maßgeblich für die disziplinarische Bewertung der Vertrauensbruch gegenüber dem Dienstherrn ist. Das ist hier der Fall. Mit der Vereinnahmung des Verwarnungsgelds durch die Beklagte gelangte dieses in dienstlichen Gewahrsam. Im Anschluss daran trat aufgrund des Untreuevorsatzes der Beklagten der Vermögensnachteil beim Kläger ein, dem das Verwarnungsgelder zusteht (BayVGH, U.v. 21.01.2015-16a D13.1904-juris Rn.87, U.v. 28.11.2012 - 16a D 11.958 - juris Rn. 47).

Hat sich der Beamte bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergriffen, die als dienstlich anvertraut seinem Gewahrsam unterliegen, ist ein solcher Pflichtverstoß regelmäßig geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören, so dass die Entfernung aus dem Dienst Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Einstufung ist, sofern die veruntreuten Beträge die Schwelle der Geringfügigkeit deutlich übersteigen. Ein Zugriff auf dienstliche Gelder in geringer Höhe, die zu einer Milderung führen kann, ist bei Veruntreuung von 525 € zu verneinen. Die Grenze der Geringwertigkeit ist grundsätzlich bei 50,-- € anzusetzen (BayVGH, U.v. 28.11.2012 a.a.O. juris Rn. 48).

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 (Az. 2 C 6.14 - juris) nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass es seine bisherige Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten aufgebe; bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen sei vielmehr ebenfalls die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen am gesetzlich bestimmten Strafrahmen geboten. Auch bei einem Dienstvergehen gewährleiste die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Hiervon ausgehend ergibt sich im Fall der Beklagten keine abweichende Beurteilung:

Im Hinblick auf die vom der Beklagten verwirklichte Untreue ist vorliegend grundsätzlich die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens möglich und wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens auch geboten.

Gegen die Beklagte wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Landshut vom 25.01.2018 wegen Untreue in einem besonders schweren Fall gemäß § 266 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten verhängt. Der Strafrahmen des § 266 Abs. 1, 2 iVm § 263 Abs. 3 StGB reicht bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier bis zu zehn Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 20).

Vorliegend hat die Beklagte den Kernbereich ihrer dienstlichen Pflichten verletzt, als sie dienstlich anvertrautes Geld für persönliche Belange verbrauchte. Die Kammer geht davon aus, dass ein solches Verhalten grundsätzlich geeignet ist, das Vertrauensverhältnis in unheilbarer Weise zu zerstören. Dienstherr und Allgemeinheit müssen sich im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung auf die Ehrlichkeit der mit dienstlichen Geldern oder Gütern betrauten Beamten verlassen können (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 28. September 2016 - 16a D 13.2112 -, juris).

Zudem liegt auch kein lediglich einmaliges Fehlverhalten vor, das ein Restvertrauen in die Beklagte begründen könnte, da die Beklagte durch ihre kontinuierlich schleppende, und mangelhafte Sachbearbeitung noch weitere Dienstpflichtverletzungen begangen hat.

3. Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt nur, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren. Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die von der früheren Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten entwickelten sog. anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere Konfliktsituationen (Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage, in einer psychischen Ausnahmesituation oder in einer besonderen Versuchungssituation) und Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen (freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung, Zugriff auf geringwertige Gelder oder Güter) umschreiben. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen.

Die in den Blick zu nehmenden Milderungsgründe führen jedoch bei der Beklagten zu keiner anderen Bewertung. Bei der Beklagten wäre allenfalls ins Feld zu führen, dass sie den Schaden wieder beglichen hat. Das Einräumen des Fehlverhaltens und die Wiedergutmachung des Schadens nach Entdeckung der Tat führt jedoch nicht zu einer milderen Disziplinarmaßnahme. Ein Absehen von der Höchstmaßnahme käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagte durch freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung von ihren Taten abgerückt wäre (vgl. BVerwG vom 28.8.2007 Az. 2 B 26/07, BayVGH, U. v. 25. 9. 2013-16a D 12.1369-juris Rn. 59).

Demgegenüber steht die Schwere der Verletzung einer Kernpflicht aus dem Beamtenverhältnis, die Begehung weiterer Dienstvergehen sowie die Tatsache, dass die Beklagte den Verstoß anfänglich nicht unverzüglich eingestanden hat, sondern erst, als ihre ursprüngliche Version sie „habe das Geld versehentlich mit nach Hause genommen und einstweilen in ihrem privaten Tresor zu Hause eingelagert“ nicht mehr haltbar war, da der Dienststellenleiter in Begleitung von Kollegen dieses Geld unverzüglich abholen lassen wollte. Erschwerend kommt hier hinzu, dass die Beklagte zunächst auch noch versucht hatte, einen Kollegen dazu zu überreden, auf der Fahrt bei einer Bank zu halten, um dort das Geld abzuheben, und den Dienststellenleiter anschließend zu übergeben. Erst als sich der Kollege weigerte dies zu tun, hat die Beklagte dem Dienststellenleiter die Wahrheit offenbart, dass sie das Geld zu privaten Zwecken ausgegeben habe, da sie sich in wirtschaftlichen Engpässen befunden habe.

Insoweit war zunächst keine Offenbarungs-, sondern Verschleierungsabsicht gegeben. Weitere Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Milderungsgrundes bestehen nicht. Auch das von EPHK 1* …, ihrem Dienststellenleiter am 06.08.2018 gezeichnete Persönlichkeitsbild kann insoweit nicht zugunsten der Beklagten gewertet werden. Auch bei normaler Arbeitsbelastung zeigte die Beklagte im täglichen Dienstbetrieb eine stärker fehlerbehaftete Arbeit. Sowohl Arbeitsmenge als auch Arbeitsgebiete seien unterdurchschnittlich gewesen und hätten erhebliche Mängel im Hinblick auf strukturiertes Arbeiten und Zeitmanagement offenbart. Auf diese Menge angesprochen hätte die Beklagte wiederholt tatsächliche Gegebenheiten verschwiegen, bewusst unzutreffende Sachstand Mitteilung abgegeben und angebotene Hilfestellungen abgelehnt.

Auch hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die Anforderungen des Polizeivollzugsdienst (insbesondere die Toten) sie so belasten würden, dass sie nicht glaube mit dieser Belastung umgehen zu können, und insoweit eine Ausübung dieser Tätigkeit für sie nichts sei. Insoweit erscheint auch eine positive Prognose hinsichtlich des Verhaltens der Beklagten bei einer weiteren Dienstausübung und entsprechenden Belastungssituationen nicht gesichert. Insoweit scheidet auch der Milderungsgrund einer überwundenen schwierigen Lebensphase aus.

4. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist auch verhältnismäßig. Sie verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist - wie hier - durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich seine Entfernung aus dem Dienst daher als die erforderliche sowie geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme für den Beamten einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört, stellt die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen.

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht wegen der damit einhergehenden Härten für den Beklagten unverhältnismäßig. Ein Beamter, der das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn durch sein Verhalten zerstört hat, kann nicht verlangen, dass sein Beamtenverhältnis zur Vermeidung sozialer Härten unverändert bei-behalten wird. Er darf dadurch zwar nicht unter das Existenzminimum fallen. Ihn davor zu bewahren, ist jedoch allein Aufgabe der sozialrechtlichen Vorschriften und Leistungen (vgl. BayVGH vom 24.5.2017 Az. 16a D 15.2267 m.w.N.). Ihm steht im Übrigen für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 13 Abs. 2 BayDG zu.

Die Beklagte erscheint damit im Beamtenverhältnis nicht mehr als tragbar, da sie wegen eines schweren Dienstvergehens das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Im Disziplinarklageverfahren ist daher in der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis angezeigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben, Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG.

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