Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 12/18

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.113,57 € festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag der Antragstellerin,

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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23.11.2017 wiederherzustellen,

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hat keinen Erfolg.

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Er ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 iVm Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig, indes nicht begründet.

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Die in dem angefochtenen Rücknahmebescheid vom 23.11.2017 ergangene Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist im Falle des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, in dem die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde angeordnet wird, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Sinn und Zweck dieses Begründungszwanges ist es, die Behörde zu veranlassen, sich des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst zu werden und die Frage, ob das öffentliche Interesse die sofortige Vollziehung erfordert, sorgfältig zu prüfen. Außerdem soll die Begründung dem Betroffenen die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrages ermöglichen und dem Gericht die Erwägungen der Verwaltungsbehörde, die zu der Anordnung der sofortigen Vollziehung geführt haben, nachvollziehbar und überprüfbar machen.

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Diesen Anforderungen genügte die hier gegebene Begründung. Sie lässt erkennen, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters des Sofortvollzuges bewusst gewesen ist und die sachlichen Gründe für die sofortige Vollziehung der Rücknahme der Ernennung der Antragstellerin zum einen darin sieht, dass es ihm nicht zumutbar ist, während des Widerspruchs- bzw. Klagverfahrens die Antragstellerin, die ihre Ernennung durch arglistige Täuschung erwirkt habe, weiter mit der Unterrichtserteilung und der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse zu betrauen. Darüber hinaus müsse der durch die Antragstellerin frei werdende Ausbildungsplatz möglichst schnell mit einer qualifizierten und uneingeschränkt geeigneten Lehrkraft besetzt werden. Schließlich sei auch das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Antragstellerin aufgrund der begangenen arglistigen Täuschung unwiederbringlich zerstört, eine Zusammenarbeit mit der Antragstellerin sei den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern nicht zumutbar. Diese Ausführungen gehen über die der Rücknahmeentscheidung als solche begründende Erwägung hinaus und sind daher geeignet, das bloße sog. Erlassinteresse, also das jedem Verwaltungsakt innewohnende Interesse der Verwaltung, rechtmäßig zu handeln, hinausgehende besondere Vollzugsinteresse zu belegen. Ob diese Erwägungen letztlich die Entscheidung tragen, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unerheblich.

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Auch in materieller Hinsicht ist der Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 23.11.2017 nicht zu beanstanden. Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Im Rahmen dieser gebotenen Interessenabwägung können Erkenntnisse wie Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung erlangen, wenn aufgrund der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Ergibt die rechtliche Prüfung des angefochtenen Bescheides, dass dieser offensichtlich rechtmäßig ist, führt dies regelmäßig zur Ablehnung des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO.

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So liegt es hier.

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Der angefochtene Rücknahmebescheid ist offensichtlich rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Ernennung als Beamtin auf Widerruf wegen Herbeiführung der Ernennung durch arglistige Täuschung ist § 12 Abs. 1 Nr. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) iVm § 12 Abs. 1 Landesbeamtengesetz (LBG).

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Formelle Mängel des Bescheides vom 23.11.2017 bestehen nicht. Es kann an dieser Stelle offenbleiben, ob die Antragstellerin im Rahmen des mit ihr unter dem 15.11.2017 geführten Gespräches auch im Hinblick auf die beabsichtigte Rücknahme der Ernennung ordnungsgemäß nach § 87 Abs. 1 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) angehört worden ist. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre ein solcher Mangel nach § 114 Abs. 1 Nr. 3 LVwG geheilt worden. Danach ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung nachgeholt wird. Diese Handlungen können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (§ 114 Abs. 2 Satz 1 LVwG).

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Die Antragstellerin hatte Gelegenheit, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Stellung zu nehmen, wovon sie auch Gebrauch gemacht hat.

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Der Antragsgegner hat die Ernennung der Antragstellerin auch rechtzeitig zurückgenommen. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 LBG muss die Ernennung innerhalb einer Frist von sechs Monaten zurückgenommen werden, nachdem die dienstvorgesetzte Stelle von der Ernennung und dem Grund der Rücknahme Kenntnis erlangt hat. Diese Frist ist gewahrt. Der Antragsgegner wurde erstmals unter dem 10.11.2017 durch die Bezirksregierung .... darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin bereits zweimal im Bundesland ....als Lehrerin im Vorbereitungsdienst eingestellt worden war.

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Auch die übrigen Voraussetzungen der Rücknahme liegen vor. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG iVm § 12 Abs. 1 LBG ist die Ernennung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt wurde. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der zu Ernennende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich erhielt, jedoch in Kauf nahm, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Bediensteten der Ernennungsbehörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. Unrichtige Angaben sind stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Ernennungsbehörde hiernach gefragt hat oder nicht. Das Verschweigen von Tatsachen ist eine Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können. Eine arglistige Täuschung liegt nach alledem dann vor, wenn der Täuschende erkennt und in Kauf nimmt, dass die Ernennungsbehörde aufgrund seines Verhaltens für sie wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen oder – umgekehrt – der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.09.1985 – 2 C 30.84 – juris Rn. 24 m.w.N.).

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Die Ernennung muss zudem durch die arglistige Täuschung herbeigeführt, also verursacht worden sein. Hat ein Beamtenbewerber die Ernennungsbehörde arglistig getäuscht, so genügt es für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Täuschung und der Ernennung, dass die Behörde ohne die Täuschung dem Bewerber nicht alsbald ernannt, sondern zunächst weitere zu prüfende Erwägungen angestellt und erst sodann auf vervollständigter Grundlage über seine Bewerbung entschieden hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.06.1999 – 2 C 20.98, Juris, Rn. 13 m.w.N.).

16

Davon ausgehend liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme der Ernennung der Antragstellerin nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG vor. Sie hat durch Vorspiegelung unwahrer und Nichtangabe von wahren Tatsachen ihre Ernennung herbeigeführt.

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Zur Begründung nimmt die Kammer in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO zunächst Bezug auf die ausführliche und für zutreffend zu erachtende Begründung im Bescheid des Antragsgegners vom 23.11.2017.

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Ergänzend bzw. vertiefend, insbesondere im Hinblick auf den Vortrag der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren, ist noch Folgendes festzustellen:

19

Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, ihre Angaben gegenüber dem Antragsgegner bei ihrer Einstellung nach bestem Gewissen und gewissenhaft gemacht zu haben. Soweit sie darauf verweist, dass sie sich in Schleswig-Holstein für den Vorbereitungsdienst für die Sekundarstufe I beworben habe, indes in ....im Vorbereitungsdienst für die Sekundarstufe II eingestellt gewesen zu sein, verfängt dies nicht. Eine solche Unterscheidung lässt sich insbesondere den Angaben im Bewerbungsbogen nicht entnehmen. Dort ist zum einen ausdrücklich nur (allgemein) danach gefragt, ob bereits Vorbereitungsdienst abgeleistet worden ist bzw. sich der Antragsteller/die Antragstellerin im Vorbereitungsdienst befindet, ohne nach Lehramtsausbildungsgängen zu differenzieren. Im Übrigen hat sich die Antragstellerin ausweislich der Seite 1 des Bewerbungsbogens ausdrücklich nicht nur für das Lehramt an Sekundarschulen mit dem Schwerpunkt Sekundarstufe I, sondern auch für das Lehramt an Gymnasien, was auch die Sekundarstufe II beinhaltet, beworben. Die Kammer hält den jetzigen Vortrag insofern nur für eine Schutzbehauptung.

20

Die Antragstellerin hat damit aktiv getäuscht über die Tatsache, dass sie sich bereits vom 01.02.2011 bis zum 31.05.2012 bei der Bezirksregierung Detmold sowie zum Zeitpunkt des Ausfüllens des Bewerbungsbogens im Vorbereitungsdienst bei der Bezirksregierung .... befunden hat (seit dem 01.11.2015).

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Dessen ungeachtet hat die Antragstellerin in ihrem Lebenslauf eine „Wartezeit“ für den Zeitraum 2009 bis 2015/2016 angegeben, obwohl sie in der Zeit tatsächlich Vorbereitungsdienste (teilweise) absolviert hatte bzw. noch absolvierte. Diese Angabe ist insofern ebenfalls nachweislich falsch.

22

Schließlich hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin auf ihrem Bewerbungsbogen auch die Frage nach bisherigen Beamtenverhältnissen nicht beantwortet und damit relevante Tatsachen verschwiegen hat. So hat sie sowohl die Rubriken „Ernennungen“, „Beendigung des Beamtenverhältnisses“ und „Gesamtdienstzeit im öffentlichen Dienst“ freigelassen und nicht beantwortet.

23

Diese Umstände hat die Antragstellerin bei ihrer Ernennung verschwiegen und damit bei der Ernennungsbehörde einen Irrtum über eine wesentliche Voraussetzung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erregt. Diese Täuschung war auch arglistig und kausal für die Ernennung. Die Antragstellerin muss erkannt und jedenfalls damit gerechnet und billigend in Kauf genommen haben, dass die Ernennungsbehörde aufgrund ihres Verhaltens der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben angesehen hat, obwohl solche in Wahrheit vorlagen Der Antragstellerin musste auch bewusst gewesen sein, dass der Antragsgegner sie nicht ernannt hätte, wenn er von den Vorbereitungsdiensten in ....und von der Tatsache, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt ihrer Bewerbung (noch) Beamtin auf Widerruf im Vorbereitungsdienst bei der Bezirksregierung .... war, Kenntnis gehabt hätte. Es ist auch davon auszugehen, dass der Antragsgegner sie tatsächlich nicht in das Beamtenverhältnis auf Widerruf übernommen hätte, wenn er von den geschilderten Umständen Kenntnis gehabt hätte.

24

Lagen danach die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG vor, musste der Antragsgegner die Ernennung der Antragstellerin zurücknehmen. Ein Ermessen stand ihm nicht zur Seite.

25

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war ebenfalls abzulehnen. Unbeschadet der Tatsache, dass die Antragstellerin bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht glaubhaft gemacht hat, dass sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil, oder nur in Raten aufbringen kann (§§ 166 VwGO, 114 ZPO) – es fehlen neben dem entsprechenden Vordruck auch aussagekräftige Belege -, hat auch die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie die obigen Darlegungen zeigen, keine Erfolgsaussicht.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 iVm Ziff. 1.5 Des Streitwertkatalogs festgesetzt worden (Anwärterbezüge Bes.Grp A 13x12:2:2).


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