Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (2. Kammer) - 2 B 49/20

Tenor

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides der Antragsgegnerin zur Festsetzung bzw. Vorauszahlung von Zweitwohnungssteuer für die Jahre 2016 bis 2019.

2

Am 25. März 2019 erging der streitgegenständliche Bescheid gegenüber dem Antragsteller. Mit diesem wurde für die Jahre 2016 bis 2018 Zweitwohnungssteuer von jeweils 1.182,63 Euro festgesetzt sowie für das Jahr 2019 eine Vorauszahlung in identischer Höhe veranlagt. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 30. März 2019 zugestellt. Am 30. April 2019 legte der Antragsteller Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides. Nachdem die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Frist zur Begründung sowie Einreichung von Unterlagen bis zum 15. Mai 2019 gesetzt hatte, innerhalb derer jedoch keine weitere Stellungnahme des Antragstellers einging, wies sie mit Bescheid vom 18. Juni 2019 den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Antragsteller am 24. Juni 2019 zugestellt.

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Am 16. Dezember 2019 ging bei der Antragsgegnerin ein auf den 11. Dezember 2019 datiertes Schreiben mit dem Betreff „Steuer-Nummer xxx Zweitwohnungssteuer | Begründung meines Einspruchs vom 30.4.2019“ ein. In dem Schreiben erfolgten Ausführungen in Bezug auf die Nutzung der Zweitwohnung durch den Antragsteller zur Begründung des Einspruchs. Zudem beantragte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides. Am selben Tag ging ein weiteres, auf den 14. Dezember 2019 datiertes Schreiben mit dem Betreff „Steuer-Nummer xxx Zweitwohnungssteuer | Weitere Begründung meines Einspruchs vom 30.4.2019“ ein. In dem Schreiben erfolgten Ausführungen in Bezug auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2019, 1 BvR 807/12. Der Antragsteller beantragte die Aufhebung der angefochtenen Bescheide Zweitwohnungssteuer sowie zudem die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide.

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Am 19. Dezember 2019 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller telefonisch darauf hin, dass der Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2019 rechtskräftig sei. Daraufhin ging am 9. Januar 2020 ein auf den Vortag datiertes Schreiben des Antragstellers ein, in dem dieser ausführte, dass er am 20. Juli 2019 eine Änderung der Bescheide nach § 172 Abs. 1 AO beantragt habe. Dem beigefügt war ein auf den 20. Juli 2019 datiertes Schreiben, mit dem der Antragsteller die Änderung der Bescheide nach § 172 Abs. 1 AO beantragte.

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Mit Schreiben vom 20. Januar 2020 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, dass das Schreiben vom 20. Juli 2019 nicht eingegangen sei. Der Widerspruchsbescheid sei rechtskräftig. Dem Antragsteller sei in einem persönlichen Gespräch am 1. Juli 2019 mitgeteilt worden, dass der Widerspruchsbescheid versandt worden sei und dagegen nur noch Klage erhoben werden könne.

6

Mit Schreiben vom 22. Januar 2020, eingegangen bei der Antragsgegnerin am folgenden Tag, beantragte der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO. Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller daraufhin unter dem 6. März 2020 auf, bis zum 20. März 2020 den Nachweis zu erbringen, dass er den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 25. März 2019 am 20. Juli 2019 an sie abgesandt habe. Unter dem 29. März 2020, eingegangen am 3. April 2020, übersandte der Antragsteller daraufhin die teilweise geschwärzte Kopie eines Postausgangsbuches. Die handschriftlichen Eintragungen in der lesbaren Tabellenzeile lauten: „090709 | 20.7.19 | Amt Sylt | A. | Antrag Änderung Bescheid Zweitwhg.steuer A. ZWSt 2016-2019 | B | [Unterschrift].“

7

Unter dem 15. Mai 2019, dem Antragsteller zugestellt am 20. Mai 2020, wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass das Schreiben sowie die Auflistung als Nachweis für die Absendung des Antrages auf Abänderung des Bescheides nicht ausreiche. Der Widerspruchsbescheid sei rechtskräftig und die Bescheide könnten nicht mehr geändert werden.

8

Unter dem 21. Juni 2020, per Fax übermittelt am Folgetag, forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf, ihre Rechtsauffassung zu überprüfen und wiederholte seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides. Unter dem 27. Juli 2020, dem Antragsteller zugestellt am 30. Juli 2020, führte die Antragsgegnerin erneut aus, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung abzulehnen sei.

9

Dem trat der Antragsteller mit Schreiben vom 6. August 2020, der Antragsgegnerin zugegangen am 10. August 2020, entgegen. Daraufhin wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 31. August 2020, dem Antragsteller zugestellt am 4. September 2020, unter anderem darauf hin, dass zwar mit Urteil 1 BvL 11/14 vom 10. April 2018 die Grundlagen zur Berechnung der Zweitwohnungssteuer als rechtswidrig angesehen wurden. Im gleichen Urteil sei jedoch den Gemeinden eine Änderungsfrist der Satzung bis zum 31. Dezember 2019 eingeräumt worden. Die Antragsgegnerin könne daher für die Jahre bis Ende 2019 auf der alten Berechnungsgrundlage Zweitwohnungssteuer erheben. Sie habe rückwirkend zum 1. Januar 2019 eine neue Zweitwohnungssteuersatzung erlassen und daraufhin den Vorauszahlungsbescheid für 2019 aufgehoben.

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Am 5. Oktober 2020 hat der Antragsteller den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und eine Klage, die unter dem Aktenzeichen 2 A 255/20 geführt wird, erhoben, mit der er die Aufhebung des Bescheides vom 25. März 2019 begehrt.

11

Zur Begründung des vorliegenden Antrags führt er aus, dass erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden. Der Bescheid sei auch nicht rechtskräftig. Denn er sei nicht wirksam bekannt gegeben worden. Sein Rechtsschein sei daher zu beseitigen. Er sei gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer des Grundstückes in A.. Sie hätten gegenüber der Antragsgegnerin keine Erklärung abgegeben, dass Bescheide, welche das Grundstück beträfen, nur an einen Ehepartner mit Wirkung auch für den anderen zugestellt werden dürften. Nach § 122 Abs. 6, 7 AO sei daher ein Bescheid über die Zweitwohnungssteuer entweder jedem Ehepartner zuzustellen oder – unter Verbindung zu einem Bescheid – an beide Ehepartner zu adressieren. Dementgegen sei von der Antragsgegnerin nur ein Bescheid erstellt worden, in dem auf seine Ehefrau kein Bezug genommen worden sei. Es liege daher keine wirksame Bekanntgabe vor.

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Der Antragsteller beantragt,

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die Vollziehung des angefochtenen Bescheides auszusetzen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

16

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren.

II.

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Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist unzulässig. Der Antrag ist auch nicht in einen erfolgreichen Antrag nach § 123 VwGO umzudeuten.

18

Nach § 80 Abs. 5 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung von Klage bzw. Widerspruch in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO betreffend die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten anordnen. Zwar handelt es sich bei der vorliegend streitbefangenen Zweitwohnungssteuerveranlagung um eine solche Anforderung von öffentlichen Abgaben. Vorliegend fehlt dem Antragsteller jedoch das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Denn der streitgegenständliche Bescheid ist bestandskräftig. Die Anfechtungsklage ist daher offensichtlich unzulässig.

19

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bescheid vom 25. März 2019. Sein dagegen erhobener Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2019, dem Antragsteller zugestellt am 24. Juni 2019, zurückgewiesen. Die einmonatige Klagefrist ist daher am 24. Juli 2019 abgelaufen, § 74 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, §§ 187, 188 BGB. Der Antragsteller hat jedoch erst am 5. Oktober 2020 Klage erhoben. Diese ist damit offensichtlich verfristet. Der Antragsteller hat keinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt, § 60 Abs. 1 VwGO. Diese ist ihm auch nicht von Amts wegen nach § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO zu gewähren. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller ohne Verschulden verhindert war, die Klagefrist einzuhalten. Zudem war die Klagefrist im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits über ein Jahr abgelaufen, § 60 Abs. 3 VwGO.

20

Der Bescheid ist auch nicht nichtig. Insbesondere wurde er ordnungsgemäß bekanntgegeben. Die Bekanntgabe von Zweitwohnungssteuerbescheiden richtet sich nicht nach den Regelungen der Abgabenordnung (AO), sondern nach den Regelungen des Schleswig-Holsteinischen Landesverwaltungsgesetzes (LVwG). Denn für landesrechtlich zu regelnde Steuern und Abgaben gilt in Schleswig-Holstein nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 KAG, dass auf die Festsetzung und Erhebung das Landesverwaltungsgesetz Anwendung findet und im Übrigen die Abgabenordnung sinngemäß anzuwenden ist. Darin liegt kein Verstoß gegen Bundesrecht, da die Abgabenordnung nach der grundgesetzlichen Regelung der Gesetzgebungskompetenzen nur für bundesrechtlich zu regelnde Steuern gelten kann, nicht aber für Kommunalsteuern, für die das Land die Gesetzgebungshoheit hat. Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 LVwG ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er seinem Inhalt nach bestimmt ist. Dies ist vorliegend allein der Antragsteller. Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass auch seine Ehefrau Eigentümerin des Grundstückes in A. ist, so begründet dies zwar eine Steuerpflicht auch seiner Ehefrau nach § 3 Abs. 1 Zweitwohnungssteuersatzung der Antragsgegnerin, da sie eine Zweitwohnung im Sinne von § 2 Zweitwohnungssteuersatzung innehat. Der Antragsteller und seine Ehefrau sind als gemeinschaftliche Zweitwohnungsinhaber jedoch Gesamtschuldner, § 3 Abs. 2 Zweitwohnungssteuersatzung. Es stand der Antragsgegnerin daher frei, allein den Antragsteller in Anspruch zu nehmen.

21

Die Bestandskraft des Bescheides wird auch nicht durch einen etwaigen Antrag des Antragstellers auf Änderung des Bescheides beeinflusst. Zwar ist nach der aktuellen Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts § 172 Abs. 1 AO insoweit anwendbar, als dieser die Geltung von §§ 116 ff LVwG überlagere (Beschluss vom 13. Mai 2009, 2 MB 3/09, n. v.; insoweit ausdrückliche Abkehr vom Beschluss vom 23. November 2004, 2 MB 59/04, n. v. – Vorrang der speziellen Normen des § 116 LVwG –; vgl. dazu auch Beschluss der Kammer vom 8. Mai 2015, 2 B 90/14, n.v.). Ob diese Überlagerung sich auf die im dortigen Verfahren betroffene Konstellation eines Schutzes des Steuerpflichtigen gegen eine für diesen nachteilige Änderung beschränkt, kann offenbleiben. Denn auch bei Anwendung von § 172 Abs. 1 AO führt der Änderungsantrag eines Steuerpflichtigen ohne ebenfalls erhobene Klage nicht dazu, dass der Bescheid nicht mit Ablauf der Klagefrist in Bestandskraft erwächst (so auch Peters in: BeckOK AO, 14. Edition Stand 1. Oktober 2020, § 172 Rn. 66).

22

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des nicht anwaltlich vertretenen Antragstellers ist auch nicht auf Grundlage seines Begehrs, § 88 VwGO, in einen erfolgreichen Antrag auf Anordnung einer vorübergehenden Untersagung der Vollziehung nach § 123 VwGO umzudeuten. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 1 und 2, § 294 ZPO.

23

Vorliegend fehlt es bereits an jeglicher Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, aus dem das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte.

24

Zudem fehlt es auch an einer Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches. Dies würde voraussetzen, dass der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin einen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 25. März 2019 hätte.

25

An einem solchen fehlt es jedoch, unabhängig davon, ob Rechtsgrundlage für die Änderung eines bestandskräftigen Zweitwohnungssteuerbescheides § 172 AO oder § 116 LVwG ist. Dabei kann auch offenbleiben, ob der Ausgangsbescheid vom 25. März 2019 rechtswidrig war. Denn sowohl die Änderung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO als auch die Änderung nach § 116 Abs. 1 Satz 1 LVwG sehen bei Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids nur eine Ermessensentscheidung der Behörde über eine Änderung/Aufhebung vor (vgl. zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO BFH, Urteil vom 11. Oktober 2017, IX R 2/17, juris Rn. 12). Ein Anspruch auf Aufhebung des Ausgangsbescheids besteht nur, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass, wenn – wie hier – die Rücknahme eines bestandskräftigen belastenden Verwaltungsaktes begehrt wird, bei der Ausübung des Rücknahmeermessens in Rechnung zu stellen ist, dass dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell kein größeres Gewicht zukommt als dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes besteht nur, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" ist (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2004, 6 C 24.03, juris Rn. 15 m. w. N.). Dafür ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich. Soweit der Antragsteller sich im Verwaltungsverfahren auf eine fehlende Nutzungsmöglichkeit der Zweitwohnung bezieht, die ggf. nach § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Zweitwohnungssteuersatzung zu einer geringeren Steuerschuld führen könnte, hatte er hinreichende Möglichkeit, dies bereits im ursprünglichen Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Nach § 8 Abs. 1 Zweitwohnungssteuersatzung hat der Steuerpflichtige für jedes Kalenderjahr bis zum 31. Januar des Folgejahres eine Steuererklärung abzugeben. Dies hat der Antragsteller nicht getan und auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens, in dem ihm die Antragsgegnerin nochmals Frist bis zum 15. Mai 2019 gesetzt hatte, weder eine entsprechende Erklärung noch Unterlagen eingereicht. Soweit der Antragsteller zudem auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung zur Verfassungswidrigkeit des Steuermaßstabes der indexierten Jahresrohmiete verweist, sind die Verwaltungsbehörden grundsätzlich nicht verpflichtet, ein durch unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt abgeschlossenes Verfahren deshalb wieder aufzugreifen, weil sich der unanfechtbar gewordene Verwaltungsakt nachträglich auf Grund höchstinstanzlicher Rechtsprechung als rechtswidrig erweist (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1967, III C 123.66, juris Rn. 3). So hatte auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil zum Steuermaßstab der indexierten Jahresrohmiete bei der Erhebung von Zweitwohnungssteuern vom 27. November 2019 (9 C 4.19) ausdrücklich ausgeführt, dass von der Nichtigkeit der Satzungsgrundlage für die Vergangenheit nur die noch nicht bestandskräftigen Bescheide betroffen sind und keine Verpflichtung besteht, unanfechtbare Bescheide zu überprüfen und anzupassen (juris Rn. 25). Auch das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem stattgebenden Kammerbeschluss vom 18. Juli 2019 (1 BvR 807/12, 1 BvR 2917/13) zwar die Verfassungswidrigkeit der dort zugrundeliegenden Zweitwohnungssteuersatzung, die ebenfalls als Steuermaßstab die indexierte Jahresrohmiete zugrunde legte, festgestellt (juris Rn. 26-36, 75), aber gleichzeitig den am Verfahren beteiligten Gemeinden eine Übergangsfrist zur weiteren Anwendbarkeit bis zum 31. März 2020 eingeräumt (juris Rn. 73) und aufgrund derer die angegriffenen Behörden- und Gerichtsentscheidungen nicht aufgehoben (juris Rn. 75).

26

Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die gegenüber § 116 LVwG engeren Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO Anwendung finden. Soweit man diese zugrunde legte, wäre unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller hier glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden gehindert war, das auf den 20. Juli 2020 datierte Schreiben fristgemäß einzusenden, bereits fraglich, ob das Schreiben überhaupt einen wirksamen Antrag nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO darstellt. Denn es beschränkt sich auf einen Antrag auf Überprüfung und kündigt eine konkrete Begründung lediglich an. Ein wirksamer Antrag nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO setzt jedoch voraus, dass der Antrag selbst innerhalb der Rechtsbehelfsfrist bereits konkretisiert und begründet wird; Angaben zu rein beitragsmäßigen Auswirkungen der Änderung auf die Steuerfestsetzung sind weder erforderlich noch für sich genommen ausreichend (BFH, Urteil vom 20. Dezember 2006, X R 30/05, juris Rn. 12-13 m. w. N.).

27

Ebenso kommt es auch hier nicht darauf an, dass die Antragsgegnerin laut ihrem Schreiben vom 31. August 2020 den Bescheid bezüglich der Vorauszahlung für 2019 bereits wieder aufgehoben habe.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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