Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (8. Kammer) - 8 A 98/19

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung abzuwenden durch Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über einen Bauvorbescheid.

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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks … in …, Flur …, Flurstück … der Gemarkung …. Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 1 vom 10.06.1971 idF der Neuaufstellung vom 02.02.2022. Der Bebauungsplan sieht für das Grundstück u.a. eine eingeschossige Bauweise vor. Das Grundstück hat eine Größe von 1.066 qm und ist mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebaut.

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Der Kläger plant die Neuerrichtung eines Gebäudes mit 2 bzw. 3 Vollgeschossen und stellte unter 29.08.2018 einen Antrag auf Erteilung eines Baubescheides. Dazu stellte er sechs Einzelfragen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (vgl. Bl. 7 der Beiakte A).

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Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 16.11.2018 abgelehnt. Zur Begründung heißt es, dass das Vorhabengrundstück im Geltungsbereich des B-Plans Nr. 1 der Beigeladenen liege. Das Bauvorhaben sei nur zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplanes entspreche. Dies sei aber nicht der Fall. Der in dem Antrag dargestellte Bereich überschreite das im Bebauungsplan festgesetzte Baufenster in nordwestlicher- und südöstlicher Errichtung. Die festgesetzte Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,2 lasse auf dem 1.165 qm großen Grundstück eine maximale Bebauung mit 233 qm zu. Auch dies stelle einen geringfügigen Widerspruch zum Bebauungsplan dar. Die Errichtung von 2 Vollgeschossen stehe im Widerspruch zu der festgesetzten eingeschossigen Bauweise. Die Errichtung eines Gebäudes mit einer GFZ von 0,4 stehe im Widerspruch zu der festgesetzten GFZ von 0,2. Die Errichtung von 3 Vollgeschossen stehe im Widerspruch zu der festgesetzten eingeschossigen Bauweise. Auch die Errichtung eines Gebäudes mit einer GFZ von 0,6 stehe im Widerspruch zum B-Plan.

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Dagegen legte der Kläger unter dem 01.12.2018 Widerspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, dass die ausgewiesenen Festsetzungen des B-Plans Nr. 21 funktionslos geworden seien. Die Gebäude am … und … würden eine mindestens 2-3-geschossige Bauweisen aufweisen. Sofern man dies anders sehen sollte, habe er jedenfalls einen Anspruch auf die Erteilung einer Befreiungsgenehmigung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Die Grundzüge der Planung würden nicht berührt, weil die Umgebung keine heterogene Gebäudestruktur aufweise und die Zahl der Vollgeschosse divergiere. Das Gebiet sei in den letzten Jahren nachverdichtet worden. Erweiterungen der Bestandsgebäude seien zugelassen worden. Die Beschränkung der Zahl der Vollgeschosse im Plangebiet entspreche weder der tatsächlichen Situation vor Ort noch dem Bestreben der Beigeladenen, mehr Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die Ablehnung des Bauvorbescheides sei auch ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe sich nicht hinreichend mit den Belangen des Klägers auseinandergesetzt.

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Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2019 zurück. Darin heißt es, dass das Vorhaben gegen Festsetzungen des B-Plans verstoße. Auch eine Befreiung von den Festsetzungen des B-Plans komme nicht in Betracht. Eine nicht beabsichtigte Härte liege nicht vor. Auch eine Befreiung aus städtebaulichen Gründen komme nicht in Betracht. Die Festsetzungen eines B-Planes seien grundsätzlich strickt verbindlich. Ein atypischer Sonderfall liege nicht vor. Die Grundzüge der Planung würden berührt werden. Dies sei immer dann der Fall, wenn die Befreiung aus Gründen begehrt werde, die in gleicher Weise eine Vielzahl anderer von der Festsetzung betroffene Eigentümer anführen könnten. Dies sei hier der Fall. Der B-Plan sei auch nicht funktionslos. Das Vorhaben verstoße nicht nur gegen die festgesetzte eingeschossige Bauweise, sondern auch gegen das Maß und das festgelegte Baufenster. Soweit der Kläger einzelne Häuser nenne, sei darauf hinzuweisen, dass Gebäude mit den Hausnummern … und … im … nicht existierten. Für ... sei eine zweigeschossige Bauweise im B-Plan vorgesehen.

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Dagegen hat der Kläger am 06.05.2019 Klage erhoben. Er trägt vor, dass das alte Bestandsgebäude abgerissen werden solle. Das neue Gebäude solle 2 Vollgeschosse aufweisen. Daraus ergebe sich eine Erweiterung der GFZ auf 0,4. Dem Vorhaben könne der B-Plan nicht entgegengehalten werden. Dieser sei funktionslos geworden. Rund um das Vorhaben des Klägers sei eine einheitliche Gebäudestruktur nicht vorhanden. Unter den insgesamt 22 Gebäuden im Geltungsbereich des B-Plans seien massive Abweichungen von der festgelegten Zahl der Vollgeschosse gegeben. Insofern richte sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB. Danach würde sich das geplante Vorhaben einfügen. Im Übrigen habe er einen Anspruch auf die Erteilung einer Befreiungsgenehmigung. Die Voraussetzungen einer Atypik seien nicht erforderlich. Der Beklagte vermische den Ausnahmetatbestand des § 31 Abs. 2 Nr. 3 mit dem der Nr. 2 BauGB. Es seien auch umfangreiche Abweichungen von der Begrenzung der Geschossfläche gewährt worden. Die Ablehnung des Bauvorbescheides sei auch ermessensfehlerhaft. Der Beklagte gehe gar nicht darauf ein, welche planerische Konzeption die Beschränkung der Zahl der Vollgeschosse bzw. der Begrenzung des Maßes der bebaubaren Grundstücksfläche zur Grunde liege. Es finde keine Abwägung mit den Interessen des Klägers statt.

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Der Kläger beantragt,

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den Ablehnungsbescheid vom 16.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den begehrten Bauvorbescheid zu erteilen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er erwidert, dass bereits im B-Plan kein einheitliches Maß für die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse festgesetzt sei. Vielmehr reiche die Spannbreite von einem Vollgeschoss (wie auf dem klägerischen Grundstück, aber auch auf den angrenzenden Grundstücken  und im Bad ...) bis zu 9 zulässigen Vollgeschossen (auf dem Grundstück zur Dünenbarke 5). Es entspreche auch nicht den Tatsachen, dass umfangreich von der Möglichkeit der Befreiung Gebrauch gemacht worden sei. Zwar gebe es im Geltungsbereich des Bebauungsplans Gebäude mit unterschiedlicher Anzahl von Vollgeschossen. Dies sei aber im B-Plan so vorgesehen. Von der planerischen Grundkonzeption der Gemeinde sei nicht abgewichen worden. Außerdem sei die Art der Nutzung unzulässig. Der B-Plan sehe das Gebiet als „Sondergebiet Kur“ fest. Nach den textlichen Festsetzungen seien zulässig: „Betriebe des Beherbergungsgewerbes (Hotels, Pensionen), Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, Anlagen für kulturelle- und gesundheitliche Zwecke, Schank- und Speisewirtschaften und Einzelhandelsbetriebe“. Ein Ferienhaus sei danach nicht zulässig.

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Die Beigeladene trägt vor, dass sämtliche von dem Kläger angeführten Gebäude den Festsetzungen des B-Plans Nr. 1 entsprechen. Beantragte Befreiungen von den Festsetzungen des B-Plans Nr. 1 seien bislang nicht zugestimmt worden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

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Der erkennende Einzelrichter hat am 16.06.2022 einen Ortstermin durchgeführt.

Entscheidungsgründe

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Es konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten darauf verzichtet haben (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Erteilung des von ihm beantragten Bauvorbescheides (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

18

Gemäß § 66 LBO kann zu einzelnen Fragen eines Bauvorhabens ein Vorbescheid erteilt werden. Dieser ist zu erteilen, wenn keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind, entgegenstehen (vgl. § 73 Abs. 1 LBO).

19

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des B-Plans Nr. 1 der Beigeladenen in der Fassung der Neuaufstellung vom 02.02.2022. Dieser B-Plan sieht für das Vorhabengrundstück (Grundstück Nr. 12) eine eingeschossige Bauweise mit einer GRZ von 0,2 und einer GFZ von 0,3 vor. Die beantragte und in den Mittelpunkt gestellte zweigeschossige Bauweise widerspricht diesen Festsetzungen.

20

Dieser Bebauungsplan ist auch nicht funktionslos geworden, sondern mit den hier maßgeblichen Festsetzungen gerade neu gefasst worden. Der Umstand, dass in der näheren Umgebung auch zwei- oder dreigeschossige Gebäude bzw. sogar ein Hotel mit neun Vollgeschossen vorhanden sind, steht nicht im Widerspruch zu den Festsetzungen des B-Plans. Ganz im Gegenteil: Der B-Plan setzt für die einzelnen Grundstücke im Geltungsbereich eine unterschiedliche Anzahl von Vollgeschossen fest. Insofern entsprechen sämtliche vom Kläger genannten Grundstücke dem B-Plan. Die Festsetzung über die eingeschossige Bauweise im Bereich des klägerischen Grundstücks ist auch nicht etwa willkürlich und damit abwägungsfehlerhaft zu Stande gekommen. Vielmehr orientiert sich der B-Plan an dem vorhandenen Bestand. Im nordöstlichen Bereich des B-Plans ist eine eingeschossige Bauweise vorhanden (vgl. die Grundstücke 9, 10, 11 und 13). Diese hier vorhandene eingeschossige Bauweise sollte durch den B-Plan festgeschrieben werden. Das Vorhabengrundstück Nr. 12 befindet sich in diesem Bereich mit den genannten Grundstücken. Es entspricht der planerischen Konzeption des Satzungsgebers, es in diesem Bereich bei einer eingeschossigen Bauweise zu belassen. Dies ist nicht zu beanstanden. Insofern hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB, weil die Grundzüge der Planung berührt werden.

21

Zur weiteren Begründung wird auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Das erkennende Gericht folgt der Begründung und stellt dies hiermit fest (§ 117 Abs. 5 VwGO).

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil sie keinen Antrag gestellt und deshalb nicht am Kostenrisiko teilgenommen hat (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

23

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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