Urteil vom Verwaltungsgericht Schwerin (8. Kammer) - 8 A 572/10

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger ist befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen einen Vorausleistungsbescheid des Beklagten zu einem Straßenausbaubeitrag.

2

Der Kläger ist Miteigentümer eines Grundstücks in der M-Straße, eingetragen im Grundbuch von A-Stadt, Grundbuchblatt …, das im Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheides aus den Flurstücken ../.. und ../.., Flur .., Gemarkung A-Stadt, bestand.

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Mit Bescheid vom 9. Oktober 2009 zog die Beklagte den Kläger zu einer Vorausleistung auf einen Straßenausbaubeitrag für das vorgenannte Grundstück in Höhe von 175.895,90 € heran. Maßgeblich für die Berechnung der Vorausleistung waren dabei einer Grundstücksfläche von 10.192 m², die Nutzung des Grundstücks zu gewerblichen Zwecken mit dem Zuschlagsfaktor 1,5 sowie eine Anzahl von zwei Vollgeschossen. Ein inhaltsgleicher Vorausleistungsbescheid wurde auch gegenüber dem anderen Miteigentümer des Grundstücks, Herrn V.. G..., erlassen.

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Hiergegen erhoben die Miteigentümer gemeinsam mit Schreiben vom 3. November 2009, das am 9. November 2009 bei der Beklagten einging, Widerspruch. Sie wiesen darauf hin, dass ihnen beim Erwerb des Grundstückes im Jahr 2006 vom Verkäufer zugesichert worden sei, dass sie keine Beiträge zu der bekannten Ausbaumaßnahme zu tragen hätten. Im Übrigen habe ihr Grundstück lediglich eine Fläche von 8002,42 m². Insoweit nahmen Sie Bezug auf eine Katasterkarte, in der sie das Flurstück ../.. nicht als zum Grundstück gehörig eingezeichnet hatten.

5

Die Teilfläche des Flurstücks ../.. ist zwischenzeitlich veräußert worden. Die Umschreibung im Grundbuch erfolgte vor Erlass des Widerspruchsbescheides.

6

Während des Widerspruchsverfahrens stellte der Kläger einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, der von der Beklagten abgelehnt wurde. Der hiergegen bei Gericht erhobene Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist bislang ohne Erfolg geblieben (8 B 1212/09, derzeit anhängig beim OVG M-V).

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Mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2010 änderte die Beklagte den Vorausleistungsbetrag auf 132.210,07 € ab und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Zur Begründung gab sie an, dass sie bezüglich der Anzahl der Geschosse nunmehr von einem Vollgeschoss ausgehe. Bezüglich der anderen maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Größe des Grundstücks und seiner gewerblichen Nutzung verbleibe sie hingegen bei den Werten aus dem Ausgangsbescheid. Der Widerspruchsbescheid wurde der Postzustellungsurkunde zufolge dem Bevollmächtigten des Klägers, Herrn E., am 3. April 2010 zugestellt.

8

Mit Schreiben vom 4. Mai 2010 reichte Herr E. für den Kläger eine Klage ein, die am 6. Mai 2010 beim Verwaltungsgericht Schwerin einging. Mit Schreiben vom 12. Juni 2010 legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers zur Akte und begehrte Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 6. Juli 2010 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Klage. Zum Wiedereinsetzungsantrag trug er vor, dass der Widerspruchsbescheid nicht in den Briefkasten von Herrn E., sondern in den Briefkasten einer Nachbarin eingeworfen worden sei. Diese habe den Widerspruchsbescheid versehentlich geöffnet und dann erst in den Briefkasten von Herrn E. eingeworfen. So habe er ihn am 6. April 2010 gefunden. In der Sache nimmt der Kläger auch sein Vorbringen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (8 B 1112/09) Bezug und trägt vor, dass bereits rechtliche Bedenken im Hinblick auf die Straßenbaubeitragssatzung bestünden. Der darin enthaltene Vollgeschossmaßstab sei nicht nachvollziehbar.

9

Die Erhebung des Vorausleistungsbetrages begegne sowohl im Hinblick auf die Kostenzusammenstellung als auch im Hinblick auf die Festlegung des Abrechnungsgebietes und die konkrete Veranlagung des Grundstücks des Klägers rechtlichen Bedenken. Bezüglich der Kostenzusammenstellung, die der Vorausleistungserhebung zu Grunde gelegt worden sei, sei nicht nachvollziehbar, in welchem Maße Fördermittel berücksichtigt worden seien. Aus dem Zuwendungsbescheid vom 3. Dezember 2009 des Straßenbauamtes A-Stadt, durch den der Beklagten Fördermittel für die Baumaßnahme bewilligt worden seien, ergebe sich, dass lediglich Beiträge in einer Größenordnung von 400.000 € eingeplant gewesen seien. Es sei deshalb völlig unverständlich, wie die Abrechnung der anliegenden Grundstücke im Vorausleistungsverfahren erfolge. Die danach voraus zu leistenden Beiträge lägen weitaus höher. Es sei ferner aus den Unterlagen nicht in der notwendigen Weise erkennbar, inwieweit die sich aus dem Zuwendungsbescheid ergebenden Fördermittel auf das nicht zur beitragsfähigen Baumaßnahme gehörende Brückenwerk und die beitragsfähigen Straßenbaumaßnahmen im übrigen verteilt würden. Auch bezüglich der bereits in der Akte befindlichen Architektenrechnungen bestünden Zweifel an der korrekten Abrechnung und mithin an der Höhe des für die Bestimmung der Vorausleistung anzusetzenden beitragsfähigen Aufwandes.

10

Bezüglich des Abrechnungsgebietes sei festzustellen, dass ein Grundstück, bestehend aus den Flurstücken 44/7,43/1 und 44/6, nicht mit in das Abrechnungsgebiet einbezogen worden sei, obwohl es an der M-Straße anliege.

11

Hinsichtlich des gegenüber dem Kläger geltend gemachten Vorausleistungsbetrages sei nicht berücksichtigt worden, dass ein Teil des Grundstücks nach dem Teil Last des Festsetzungsbescheides aber vor dem Erlass des Widerspruchsbescheides veräußert worden sei. Die Beklagte hätte dies im Rahmen ihrer Entscheidung über den Widerspruch noch berücksichtigen müssen.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2009, Aktenzeichen: … in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, gemäß den Hinweisen des Gerichtes den Kläger neu zu bescheiden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist bereits der Auffassung, dass die Klage unzulässig sei. Sie sei nicht innerhalb der Klagefrist erhoben worden. Aus der Postzustellungsurkunde ergebe sich, dass der Widerspruchsbescheid am 3. April 2010 zugestellt worden sei. Der Beweis dieser Urkunde sei durch die Zeugenvernehmung im Termin vom 31. Januar 2011 nicht widerlegt worden. Die Zeugin D. habe nicht glaubhaft bekundet, dass der Widerspruchsbescheid tatsächlich in ihren Briefkasten und nicht in den Briefkasten von Herrn E. eingeworfen worden sei.

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Die Klage sei auch nicht begründet. Der für die Vorausleistung prognostizierte Aufwand sei zutreffend ermittelt worden. Die Fördermittel, die geflossen seien, seien solche nach dem Entflechtungsgesetz, die ausdrücklich nur den Kommunen, nicht aber den Anliegern zugute kommen sollen. Auch im Übrigen sei die Vorausleistung zutreffend gefordert worden. Bei der Maßnahme des Ausbaus der M-Straße handele es sich – mit Ausnahme des Brückenbauwerks – in vollem Umfang um eine beitragsfähige Straßenbaumaßnahme. Die Kosten seien zutreffend ermittelt worden, soweit sie absehbar sein. Das Abrechnungsgebiet sei ebenfalls korrekt gewählt worden. Im Übrigen nimmt die Beklagte auf die Gründe der angefochtenen Bescheide Bezug.

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Das Gericht hat über die ordnungsgemäße Zustellung des Widerspruchsbescheides Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen D. und C.. Bezüglich des Ergebnisses der Zeugenvernehmungen wird auf die Niederschriften der Sitzungen vom 26. August 2010 sowie vom 18. März 2011 verwiesen.

19

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten zu der Rechtsakte gereichten Schriftsätze, die Niederschriften der Termine vom sechsten 20. August 2010, 31. Januar 2011 sowie vom 18. März 2011 und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage ist zulässig.

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Zur Überzeugung des Gerichts ist die Klage rechtzeitig erhoben worden. Zwar hat der Kläger – ausgehend von dem Datum des Zustellungsvermerks in der Postzustellungsurkunde – die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO nicht gewahrt, doch ist diese Frist nicht in Gang gesetzt worden, weil der Widerspruchsbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist.

22

Grundsätzlich konnte eine ordnungsgemäße Zustellung des Widerspruchsbescheides an Herrn E. erfolgen, weil dieser im Widerspruchsverfahren eine Vollmacht vorgelegt hatte. Dementsprechend ist die Adressierung des Widerspruchsbescheides an Herrn E. korrekt gewesen. Vorliegend scheitert die ordnungsgemäße Zustellung des Widerspruchsbescheides jedoch daran, dass dieser entgegen dem Vermerk in der Postzustellungsurkunde nicht ordnungsgemäß in den Briefkasten von Herrn E., sondern in den Briefkasten der Zeugin D. eingeworfen worden ist.

23

Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Widerspruchsbescheid versehentlich in den unter den Briefkasten von Herrn E. gelegenen Briefkasten der Familie D. eingeworfen worden ist. Die Zeugin D. hat bei ihrer zweimaligen Vernehmung anschaulich und widerspruchsfrei dargelegt, dass sie das zugestellte Schriftstück in ihren Briefkasten nach der Rückkehr von einem Familienurlaub vorgefunden habe. Aufgrund des ihr bekannten gelben Umschlagtyps, der auf wichtige Schriftstücke hinweise, habe sie dieses Schriftstück sofort aufgerissen und erst dann festgestellt, dass es nicht an sie, sondern an den Nachbarn, Herrn E., adressiert gewesen sei. Auch wenn der Name des Empfängers durch das Klarsichtsfenster der Postzustellungsurkunde deutlich lesbar ist, ist es für das Gericht sehr gut vorstellbar, dass die Zeugin in einiger Aufregung über ein unerwartetes behördliches Schriftstück dieses sofort geöffnet und nicht zuvor auf die Richtigkeit des Empfängers überprüft hat. Sie hat im Weiteren nachvollziehbar geschildert, dass sie sich sofort und wiederholt bemüht hat, dieses Schriftstück Herrn E. zu übergeben und es schließlich in dessen Briefkasten eingeworfen hat, weil sie ihn nicht erreichte. Durch diese glaubhafte Darstellung ist zur Überzeugung des Gerichts der Beweiswert der Postzustellungsurkunde erschüttert. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Zeugenvernehmung der Postzustellerin, Frau C.. Diese hatte keine konkrete Erinnerung mehr an den Zustellungsvorgang. Sie hat zwar im Allgemeinen in glaubhafter Weise ihre Zuverlässigkeit bei der Zustellung von Schriftstücken vorgetragen, doch erscheint es nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall versehentlich ein Fehleinwurf in den benachbarten Briefkasten geschehen ist. Die Zeugin hat dies auch nicht grundsätzlich in Abrede gestellt. Ihr Verweis darauf, dass sie bei Zustellungen immer auf die Namen an den Briefkästen geachtet habe, schließt diesen Fehleinwurf nicht aus, weil sich das Namensschild von Herrn E. unmittelbar über den Briefkasten der Familie D. befindet. Deshalb erscheint es nicht abwegig, dass im Einzelfall versehentlich nicht der zum Namensschild gehörende darüber liegende Briefkastenschlitz, sondern der darunter liegende benutzt wird.

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II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

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Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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Die Beklagte ist aufgrund § 10 der Satzung der Landeshauptstadt A-Stadt über die Erhebung von Ausbaubeiträgen vom 14.2.2002 (im folgenden: Ausbaubeitragssatzung) in Verbindung mit § 7 Abs. 4 KAG M-V berechtigt, angemessene Vorausleistungen auf die künftige Beitragsschuld von Straßenbaubeiträgen zu erheben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

27

Das Gericht hat im Ergebnis keine Zweifel an der Wirksamkeit der Ausbaubeitragssatzung für diese Straßenbaumaßnahme. Das Gericht hat in der Vergangenheit keinerlei Zweifel an der Wirksamkeit der vorgenannten Ausbaubeitragssatzung der Beklagten geäußert und sie vielmehr in ständiger Rechtsprechung als wirksame Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung angesehen. Vorliegend könnte sich allenfalls die Frage stellen, ob bei Einbeziehung des Seegrundstücks des Z-Sees eine vorteilsgerechte Verteilung der Straßenbaubeiträge auf die Grundstücke nach den Maßgaben der Satzung möglich ist. Da das Gericht aber der Auffassung ist, dass der Z-See nicht mit in die Abrechnungsfläche einzubeziehen ist, weil er als Bundeswasserstraße eine eigenständige Erschließungsanlage darstellt, die von der M-Straße nicht erschlossen wird, stellt sich die Frage der konkreten Vollständigkeit der Satzung für eine vorteilsgerechte Abrechnung dieses Grundstücks vorliegend nicht.

28

Im Zeitpunkt der Festsetzung der Vorausleistung, hatte die Beklagte bereits mit der technischen Realisierung der Straßenbaumaßnahme an der M-Straße begonnen. Insoweit war mit der Durchführung der Maßnahme im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 1 KAG M-V bereits begonnen worden.

29

Die Straßenbaumaßnahme stellt auch grundsätzlich eine beitragsfähige Maßnahme im Sinne des § 1 der Ausbaubeitragssatzung dar. Der Ausbau der Teileinrichtungen Fahrbahn, Parkflächen, Geh- und Radwege, Straßenentwässerung, unselbstständige Grünanlage und Beleuchtungseinrichtung führt zu einer beitragsfähigen Verbesserung beziehungsweise Erneuerung im Sinne des § 8 Abs. 1 KAG M-V. Die Frage, ob eine Ausbaumaßnahme zu einer Verbesserung geführt hat, ist in der Regel nicht für die Straße insgesamt, sondern für jede ihrer Teileinrichtungen getrennt zu beantworten. Dies gilt selbst dann, wenn die gesamte Straße gleichsam in einem Zuge ausgebaut worden ist (vgl. Driehaus, a.a.O., § 32, Rn. 45). Dabei kann von einer beitragsfähigen Verbesserung nur gesprochen werden, wenn sich der Zustand der Anlage nach dem Ausbau in irgendeiner Hinsicht von ihrem ursprünglichen Zustand im Zeitpunkt der erstmaligen oder nachmaligen Herstellung in einer Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf ihre Nutzbarkeit hat (vgl. Driehaus, a.a.O., § 32, Rn. 38). Unter Erneuerung wird im Straßenbaubeitragsrecht die Ersetzung einer abgenutzten Anlage durch eine gleichsam "neue" Anlage von gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher Funktion und Aufteilung der Fläche verstanden, mithin eine Maßnahme, durch die eine nicht mehr funktionsfähige, also erneuerungsbedürftige Straße oder Teileinrichtung nach Ablauf der für die üblichen Nutzungsdauer in einen Zustand versetzt wird, der mit ihrem ursprünglichen Zustand im wesentlichen vergleichbar ist. Allerdings verlangt der Beitragstatbestand der Erneuerung nicht, dass die Befestigungsart im Vergleich mit dem ursprünglichen Zustand gleichartig ist (vgl. Driehaus, a.a.O., § 32, Rn. 20 m.w.N.).

30

Gegenstand der Maßnahme ist der grundständige Ausbau der M-Straße in allen ihren Teileinrichtungen. Bezüglich der Teileinrichtungen Fahrbahn, Parkflächen und Gehwege, ist es nach Auffassung des Gerichts unzweifelhaft, dass mit der Erneuerung dieser Teileinrichtungen eine Verbesserung der Nutzbarkeit der M-Straße einhergeht. Wie die Beklagte in ihren internen Vermerken dargelegt hat, waren sowohl die Fahrbahn als auch die Gehwege verschlissen mit der Folge, dass sie den Verkehr nicht mehr in der gebotenen Weise gefahrenfrei aufnehmen konnten. Mit der Erneuerung dieser Teileinrichtungen haben sich die Verkehrsverhältnisse sowohl für den Kraftfahrzeugverkehr als auch für den Verkehr der Radfahrer und den Fußgängerverkehr deutlich verbessert. Die neu angelegten Parkbuchten haben zudem für eine bessere Entflechtung des fließenden von dem ruhenden Verkehr gesorgt. Die mit den technischen Umbaumaßnahmen verbundene Neugestaltung des unselbstständigen Straßenbegleitgrüns stellt ebenfalls eine Verbesserung für die Straßensituation dar. Auch die Erneuerung der Straßenbeleuchtung stellt sich zur Überzeugung des Gerichts als eine straßenbaubeitragsfähige Maßnahme dar. Zwar hat der Kläger zutreffend vorgetragen, dass eine Erneuerung der Straßenbeleuchtung bereits im Jahr 1994 erfolgt sei, so dass davon auszugehen sei, dass die Straßenbeleuchtung noch funktionsfähig und nicht zu ersetzen gewesen sei. Die Notwendigkeit der Erneuerung ergibt sich jedoch vorliegend, wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, aus der Tatsache, dass aufgrund der Veränderung des Straßenverlaufs sowie der Gehwege die Erneuerung der Straßenbeleuchtung notwendig geworden ist. In dieser Situation ist die Beklagte nach Auffassung des Gerichts nicht darauf verwiesen, die vorhandenen und gebrauchten Straßenleuchten umzusetzen, sondern sie kann diese im Rahmen der umfänglichen Straßenbaumaßnahme ebenfalls neu herstellen. Deshalb kommt es auf die Frage, ob die Erneuerung der Straßenbeleuchtung unter dem Gesichtspunkt, dass die Aufstellung der Straßenleuchten im Jahr 1994 selbst nicht abgerechnet worden ist, nicht an. Demnach hat die Beklagte einen grundsätzlich beitragsfähigen Aufwand in die Ermittlung der Vorausleistungsbeträge eingestellt.

31

Die Tatsache, dass die Beklagte, bei der Erhebung der Vorausleistung augenscheinlich den vollständigen Aufwand der Straßenbaumaßnahme berücksichtigt hat, steht der Angemessenheit der Vorausleistung nicht entgegen. Aufgrund der gesetzlichen Regelung ist die Beklagte nicht gezwungen, im Wege der Vorausleistung lediglich einen Teilbetrag der Straßenbaumaßnahme zu erheben. Es ist ihr lediglich verwehrt, höhere Vorausleistungen zu verlangen, als nach dem zu erwartenden Aufwand der Straßenbaumaßnahme kalkuliert werden können.

32

Unter dem Gesichtspunkt des für die Vorausleistung zu kalkulierenden Kostenaufwandes, sind Rechtsfehler nicht zu erkennen.

33

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers musste die Beklagte die ihr für die Straßenbaumaßnahme bewilligten Fördermittel nicht auf die Finanzierungsanteile der Anlieger umlegen. Aus den Regelungen des Entflechtungsgesetzes in Verbindung mit der "Richtlinie für die Gewährung von Zuwendungen für Maßnahmen im Bereich des kommunalen Straßenbaus in Mecklenburg-Vorpommern aus den Kompensationsmitteln des Bundes nach dem Entflechtungsgesetz" ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass diese Mittel allein den Gemeinden zufließen sollen und selbst in dem Fall, in dem den Gemeinden aufgrund des Einsatzes der Förderungsmittel kein Aufwand mehr verbleibt und die Fördermittel nicht vollständig verbraucht sind, nicht auf die Anliegerbeiträge umgelegt werden dürfen. Die Gemeinde ist vielmehr in diesem Fall gehalten, die überschießenden Fördermittel zurückzugewähren. Dabei ist es nicht maßgeblich, ob im Einzelfall der Gemeinde ein Überschuss verbleibt, der möglicherweise noch nicht an den Fördermittelgeber zurückgezahlt worden ist, weil die Frage des rechtmäßigen Behalts der Fördermittel lediglich im Förderverfahren selbst zu klären ist. Den Anliegern entsteht jedenfalls kein Anspruch auf Teilhabe an diesen Fördermitteln durch Berücksichtigung derselben bei der Bemessung der Straßenbaubeiträge. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Zweck der Fördermittel eine Umlegung auf die Anteile der Anlieger vorsehen würde. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.

34

Die Fehlerhaftigkeit der Kostenkalkulation ergibt sich entgegen der Rechtsansicht des Klägers vorliegend auch nicht daraus, dass im Fördermittelantrag ein weitaus geringerer Betrag der durch Straßenbaubeiträge zu erwartenden Finanzierung angegeben worden ist, als er nunmehr der Kostenkalkulation für die Vorausleistungsbescheide zu Grunde gelegt worden ist. Der Fördermittelantrag hat insoweit keinerlei verbindliche Bedeutung für die Befugnis der Beklagten, Vorausleistungen von den Anliegern zu fordern. Diese Befugnis ergibt sich vielmehr allein aus den Vorschriften des KAG M-V und den Regelungen der Ausbaubeitragssatzung. Der nach dem Abschluss der Baumaßnahme und dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht zu erwartende Kostenaufwand ist von der Beklagten in ihrer Kalkulation hinreichend dargelegt worden. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kommt es für die Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheides nicht darauf an, ob die bereits eingereichten Architektenrechnungen den Bestimmungen der HOAI entsprechen oder nicht. Maßgeblich ist insoweit nur, dass sie – im Vorausleistungsverfahren – als zutreffend prognostizierte Kosten anzusehen sind. Dies ist nach Auffassung des Gerichts der Fall. Selbst wenn diese Rechnungen derzeit fehlerhaft erstellt worden sein sollten, ist damit nach Auffassung des Gerichts noch nicht gesagt, dass bei rechtmäßiger Ausstellung tatsächlich andere Architektenkosten entstehen werden. Die Frage der Abrechnungsfähigkeit der Architektenkosten im einzelnen ist aber nach Auffassung des Gerichts dem Verfahren über die endgültige Festsetzung der Straßenbaubeiträge vorbehalten.

35

Soweit der Kläger vorträgt, dass die Höhe der Vorausleistung fehlerhaft berechnet worden sei, weil das Abrechnungsgebiet falsch gewählt worden sei, vermag die Kammer keine dem Kläger günstige Fehler in der Bestimmung des Abrechnungsgebietes zu erkennen.

36

Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass das aus den Flurstücken 44/6,44/7 und 43/1 bestehende Grundstück mit in die Abrechnungsfläche einzubeziehen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass dieses Grundstück nicht an der H-Straße anliegt. Dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Luftbild mit der Einzeichnung der Flurstücksgrenzen lässt sich eindeutig entnehmen, dass die Flurstücke 33/9 und 33/10, die selbst noch nicht Teil des Grundstücks sind, zwischen dem vom Kläger benannten Grundstück und der M-Straße liegen. Zwar ist es dem Gericht bekannt, dass über dieses zwischen liegende Grundstück derzeit ein Fußweg zum auf dem benachbarten Grundstück befindlichen Gebäude führt und auch ein Werbeschild für ein in dem Gebäude befindliches Restaurant aufgestellt ist, doch hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung insoweit unwidersprochen angegeben, dass es sich um kein rechtlich abgesichertes Überwegungsrecht handelt und dementsprechend aus Ihrer Sicht die Voraussetzungen für die Annahme einer Erschließung dieses Grundstücks durch die M-Straße nicht gegeben sind. Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an: Nur im Falle einer rechtlich dauerhaften Absicherung des Zugangs über das zwischenliegende Grundstück könnte von einer Erschließung durch die M-Straße gesprochen werden. Wenn aber weder eine Baulast eingetragen ist noch sonst ein Wegerecht im Grundbuch besteht oder zumindest eine längerfristige schuldrechtliche Vereinbarung über die Nutzung der Überlegung existiert, darf das Grundstück straßenbaubeitragsrechtlich gesehen nicht als Anliegergrundstück betrachtet werden. Dabei muss das Gericht davon ausgehen, dass sich die rechtliche Situation der Überwegung so darstellt, wie die Beklagte es vorgetragen hat.

37

Das Gericht hat allerdings Fehler in der Wahl des Abrechnungsgebietes festgestellt. Diese wirken sich jedoch nicht zu Gunsten des Klägers aus. Das Gericht geht davon aus, dass die Grundstücke mit der Straßenbezeichnung H-Straße 21, 23,25, die das ehemalige Flurstück 5/3 betreffen, nicht mit in das Abrechnungsgebiet einbezogen werden dürfen. In diesem Teil des Straßenverlaufs hat der Beklagte durch die technische Herstellung der Straße einen Anschluss der Grundstücke an die M-Straße verhindert, indem er zwischen dem Gehweg und den Grundstücken einen Grünstreifen angelegt hat, der zudem mit einem Geländer versehen wurde, so dass ein Zugang von den Grundstücken aus zur M-Straße nicht möglich ist. Gibt die Gemeinde aber zu erkennen, dass sie den bestimmungsgemäßen Anliegergebrauch verhindern will, indem sie die zum Grundstück gelegenen Teile des Straßengrundstückes so gestaltet, dass sie gerade nicht der Widmung zum Verkehr unterliegen, so kann sie auch vom anliegenden Grundstücks keinen Straßenbaubeitrag verlangen (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, § 8, Rn. 403 m.w.N.; OVG Weimar, Beschl. v. 10.02.2003 – 4 ZEO 1139/98). Vorliegend verhält es sich tatsächlich so, dass diese Grundstücke nunmehr über eine Straße hin zur H-Straße erschlossen werden und deshalb von der M-Straße aus keinen Vorteil erlangen. Anders hätte die Situation sich dargestellt, wenn die Beklagte die Grundstücke zumindest fußläufig angebunden hätte, indem sie zum Beispiel den auf dem Straßengrundstück bestehenden Höhenunterschied durch die Anlage von Treppen zu den einzelnen Grundstücken überrunden hätte. Ob in diesem Fall die Anlieger die weitere Anbindung genutzt hätten oder nicht wäre dann irrelevant gewesen. Erforderlich ist es aber, dass die Gemeinde das ihr Mögliche dazu beiträgt, dass ein Anliegergebrauch zur ausgebauten Straße stattfinden kann. Lediglich in dem Fall, in dem von der Gemeinde aus das Angebot des Anschlusses gemacht und vom Anlieger in Kenntnis der Straßenbaubeitragspflicht abgelehnt wird, bedarf es des tatsächlichen Anschlusses nicht mehr. Aufgrund dieser Situation wird jedoch das Abrechnungsgebiet keinesfalls vergrößert. Es kann allenfalls in Betracht gezogen werden, dass die Beklagte sich diese Grundstücksfläche dennoch anrechnen lassen muss, weil die anderen Anlieger der Straße ihr vorhalten können, dass sie mit zumutbarem Aufwand die Grundstücke an die M-Straße hätte anschließen können (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.11.2008 – 4 L 365/08 -, zitiert nach Juris). Da die Grundstücke aber ohnehin in die Abrechnungsfläche einbezogen worden sind, würde sich insoweit für die Vorausleistungspflicht des Klägers nichts ändern.

38

Fehlerhaft ist nach Auffassung des Gerichts auch die Einbeziehung des Z-Sees in das Abrechnungsgebiet. Insoweit handelt es sich um eine Bundeswasserstraße, mithin um eine eigenständige Erschließungsanlage, die durch die M-Straße nicht erschlossen werden kann (vgl. 8 A 185/10). Dementsprechend verringert sich die Abrechnungsfläche um die von der Beklagten insoweit veranschlagte Fläche des Seegrundstücks mit der Folge, dass sich der Bemessungsfaktor für die endgültige Erhebung der Straßenbaubeiträge je Quadratmeter erhöhen dürfte.

39

Nach Auffassung des Gerichts hat die Beklagte schließlich den Kläger auch zu Recht bezüglich des gesamten Grundstücks in Anspruch genommen, das im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides in seinem Miteigentum stand. Auf die Tatsache, dass ein Teil des Grundstücks danach, aber vor Erlass des Widerspruchsbescheides veräußert worden ist, kommt es nicht an. Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass die Beklagte alle Tatsachen bei Erlass des Widerspruchsbescheides berücksichtigen müsse, die dazu führen, dass eine dauerhafte Reduzierung der Forderung bereits absehbar sei, bezieht sich diese in der Rechtsprechung geäußerte Auffassung allein auf solche Tatsachen, die bezüglich der Höhe der letztendlich entstehenden Kosten absehbar sind. Wenn also vor Erlass des Widerspruchsbescheides feststeht, dass ein Teil des ursprünglich geplanten Ausbauaufwandes nicht realisiert werden wird, müsste dies im Widerspruchsbescheid berücksichtigt werden. Nicht gemeint ist hingegen die Veränderung der Sachlage durch eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse. Insoweit geht die gesetzliche Regelung vielmehr eindeutig davon aus, dass jegliche Änderung der Eigentumsverhältnisse nach dem Erlass eines Vorausleistungsbescheides oder eines Straßenbaubeitragsbescheides irrelevant ist. Die Gemeinde soll nicht damit belastet werden, derartige Änderungen der Eigentumsverhältnisse nachzuverfolgen. Vielmehr sind die Vertragsparteien des zivilrechtlichen Grundstückserwerbs darauf verwiesen, die Lastentragung bezüglich des Straßenbaubeitrages es unter sich zu regeln. Dem entspricht es, dass gemäß § 7 Abs. 4 KAG M-V die Vorausleistung mit der endgültigen Beitragsschuld auch dann zu verrechnen ist, wenn der Vorausleistende nicht endgültig beitragspflichtig ist. Auch die Tatsache, dass die Beklagte zwischenzeitlich von dem Erwerber der Teilfläche ebenfalls insoweit einen Vorausleistungsbeitrag erhoben hat, steht der Rechtmäßigkeit der Vorausleistungsforderung gegenüber dem Kläger nicht entgegen. Zwar gilt insoweit auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, doch führt die Anwendung dieses Grundsatzes vorliegend lediglich dazu, dass die gegenüber dem Erwerber erhobene Vorausleistung rechtswidrig ist, weil dieser Forderung der Einwand der bereits erhobenen Vorausleistung gegenüber dem Kläger entgegensteht.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO, i.V.m. §§ 808 Nr. 11, 711 ZPO.

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