Urteil vom Verwaltungsgericht Schwerin (6. Kammer) - 6 A 650/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin, gegründet zum Zwecke des Erwerbs von drei Ferienhäusern im Ostseebad X und Vermietung der darin befindlichen Wohnungen, wendet sich gegen die diesbezügliche Erhebung von Rundfunkgebühren.
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Die Klägerin ist Eigentümerin von Ferienhäusern in der Ferienanlage P in X, …, die ausweislich der im Verwaltungsvorgang des Beklagten befindlichen Auszüge aus einem Prospekt bzw. dem Internet (Bl. 1 bis 4) aus … Appartementhäusern mit je … Ferienwohnungen, insgesamt aus … Zwei- oder Vierzimmerwohnungen besteht, die jeweils mit Sat-TV und Hifi-Anlage ausgestattet sind. Am 16. Januar 2006 erkundigten sich zwei Beauftragte der Rundfunkanstalt bei Frau G, einer leitenden Mitarbeiterin der Fa. Feriendorf P Betriebs GmbH Co. KG, die in der Ferienanlage P seinerzeit 64 Ferienwohnungen betreute, nach dort vorgehaltenen Rundfunkempfangsgeräten. Frau G habe daraufhin erklärt, dass die Klägerin seit Mai 1998 Eigentümerin von (zunächst) 24 Ferienwohnungen gewesen sei. Bei Inbetriebnahme der Anlage im Mai 1998 seien alle Wohnungen jeweils mit einem Radio- und einem Fernsehgerät ausgestattet gewesen. Die Geräte seien nicht entfernt und die Anlage ganzjährig vermietet worden. Die Wohnungen der Klägerin würden allerdings nicht mehr durch die Fa. P verwaltet. Sie, Frau G, sei auch für die vorherige Verwalterfirma, die die Wohnungen der Klägerin in den ersten Jahren betreut habe, von Beginn an tätig gewesen. Mittlerweile würden die Wohnungen der Klägerin von der Fa. B Appartement & Immobilien Service GmbH (B) verwaltet.
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Die daran anschließend am 16. Januar 2006 von den beiden Beauftragten der Rundfunkanstalt aufgesuchte Mitarbeiterin der Fa. B, Frau R, habe erklärt, dass der Klägerin nicht mehr wie am Anfang 24 Ferienwohnungen gehörten. In der Zwischenzeit seien drei Wohnungen veräußert worden, die Wohnung 17/1 im September 2004, die Wohnung 17/5 im März 2005 und die Wohnung 17/8 im Oktober 2005. Frau R habe ebenfalls bestätigt, dass alle Wohnungen mit Radio- und Fernsehgeräten ausgestattet seien.
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Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Bericht des Beauftragten K vom gleichen Tage (Anlage zum Aufnahmebeleg zum Belegbogen …) Bezug genommen, den beide Beauftragten unterzeichnet haben (Bl. 5 des Verwaltungsvorgangs des Beklagten).
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Mit an die „… GbR“ gerichtetem Bescheid vom 3. August 2007 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin (unter der Teilnehmer-Nr. …) bezogen auf in der … in … X vorgehaltene Rundfunkempfangsgeräte für den Zeitraum 05/1998 bis 11/2006 Rundfunkgebühren nebst einem Säumniszuschlag in Höhe von insgesamt 19.742,17 Euro fest. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
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Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit - am 25. April 2008 zugestelltem - Widerspruchsbescheid vom 24. April 2008, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zurück.
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Am 23. Mai 2008 hat die Klägerin gegen die vorgenannten Bescheide Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, der Gebührenbescheid sei nicht hinreichend bestimmt, da sich aus ihm nicht ergebe, welches Grundstück bzw. welche Ferienwohnungen von der Gebührenerhebung erfasst seien. Darüber hinaus habe der Beklagte ein Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten ohnehin nicht nachgewiesen. Die Gebührenforderungen seien zudem zumindest teilweise verjährt.
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Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2011 hat die Klägerin ferner vorgetragen, im streitbefangenen Zeitraum in den Ferienwohnungen keine Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten zu haben. Es sei ihr schon aus technischen Gründen nicht möglich gewesen, das Rundfunkangebot in Anspruch zu nehmen. Schließlich seien keine Radio- und Fernsehgeräte vorhanden gewesen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid vom 3. August 2007 und den Widerspruchsbescheid vom 24. April 2008 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, der Gebührenbescheid sei hinreichend bestimmt, weil er sich allein auf die der Klägerin gehörenden Ferienwohnungen in der Ferienanlage P beziehen könne. Da die Gebührenfestsetzung auf den Angaben einer leitenden Angestellten der Betreiberfirma beruhe, müsse die Klägerin den Gegenbeweis erbringen, dass sie im streitbefangenen Zeitraum keine Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten habe. Die bloße Behauptung, keine Geräte bereitgehalten zu haben, sei nicht ausreichend, weil sie zu unsubstantiiert sei. Der Verjährungseinrede stehe deshalb der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, weil der Rundfunkteilnehmer aus der unterlassenen Anzeige keine Vorteile herleiten könne.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12. April 2011 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Gebührenbescheid vom 3. August 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2008 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der an die Klägerin als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gerichtete Bescheid (vgl. hierzu auch VG Trier, Urt. v. 20.05.2010, Az. 2 K 63/10.TR; VG Hamburg, Urt. v. 28.01.2010, Az. 3 K 2366/08; jeweils juris) ist entgegen der Auffassung der Klägerin hinreichend bestimmt. Er weist nicht nur hinsichtlich des Adressaten, sondern auch des Regelungsinhalts die erforderliche hinreichende Bestimmtheit auf. Dass aus dem Bescheid, mit dem der Beklagte die rückständigen Rundfunkgebühren für den Zeitraum von Mai 1998 bis November 2006 festgesetzt hat, nicht ausdrücklich hervorgeht, für welche Geräte in welchen Ferienwohnungen von der Klägerin Gebühren verlangt werden, steht dem nicht entgegen. Der Regelungsinhalt des Bescheides ist nämlich auch ohne dahingehende Angaben oder Bezugnahmen eindeutig. Erhoben werden Gebühren für den vorgenannten Zeitraum bezogen auf Geräte, die in den Ferienwohnungen der Ferienanlage P bereitgehalten worden seien, die im Eigentum der Klägerin standen. Die von der Klägerin vermissten Angaben oder Bezugnahmen sind dagegen nicht dem Regelungsinhalt, sondern der Begründung des Verwaltungsakts zuzuordnen. Auf letztere konnte hier nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 des hiesigen Verwaltungsverfahrensgesetzes, das auf die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit des Beklagten in Mecklenburg-Vorpommern anwendbar ist (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 30.12.2009, Az. 6 A 857/07, juris), jedoch verzichtet werden, weil für die Klägerin aus den Gesamtumständen ohne weiteres erkennbar war, inwieweit der Beklagte ihr gegenüber für Rundfunkempfangsgeräte rückständige Rundfunkgebühren festgesetzt hat (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.11.2009, Az. 4 LB 559/07, juris).
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Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkgebühren ist § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV. Danach hat jeder, der ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält, grundsätzlich für jedes von ihm bereitgehaltene Rundfunkgerät eine Grundgebühr und für das Bereithalten eines Fernsehgeräts jeweils zusätzlich eine Fernsehgebühr zu entrichten. Entscheidend ist dabei das Innehaben der tatsächlichen Verfügungsgewalt und die Möglichkeit, eine rechtlich verbindliche Benutzungsregelung zu treffen; bezogen auf die streitbefangenen Ferienwohnungen standen diese Rechte der Klägerin zu. Nach der bis zum 31. März 2005 gültigen Fassung des § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV (eingefügt durch den am 01.01.1997 in Kraft getretenen Dritten Rundfunkänderungsstaatsvertrag) war für Zweitgeräte in Gästezimmern des Beherbergungsgewerbes eine Rundfunkgebühr in Höhe von jeweils 50 von Hundert zu zahlen. Seit dem 1. April 2005 ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV die Rundfunkgebühr zu zahlen für
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1. Zweitgeräte in Gästezimmern des Beherbergungsgewerbes bei Betrieben mit bis zu 50 Gästezimmern in Höhe von jeweils 50 vom Hundert, bei Betrieben mit mehr als 50 Gästezimmern in Höhe von jeweils 75 vom Hundert,
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2. Rundfunkgeräte in gewerblich vermieteten Ferienwohnungen bei Betrieben mit bis zu 50 Ferienwohnungen ab der zweiten Ferienwohnung in Höhe von jeweils 50 vom Hundert, bei Betrieben mit mehr als 50 Ferienwohnungen ab der zweiten Ferienwohnung in Höhe von jeweils 75 vom Hundert,
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3. Rundfunkgeräte in nicht gewerblich vermieteten Ferienwohnungen auf ein und demselben Grundstück mit der privaten Wohnung des Rundfunkteilnehmers oder auf damit zusammenhängenden Grundstücken ab der zweiten Ferienwohnung in Höhe von jeweils 50 vom Hundert.
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Die Rundfunkgebührenpflicht für jedes einzelne Gerät beginnt gemäß § 4 Abs. 1 RGebStV mit dem ersten Tag des Monats, in dem ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird, und zwar unabhängig davon, ob der Gebührenschuldner das Bereithalten der Landesrundfunkanstalt nach § 3 RGebStV angezeigt hat oder nicht; sie endet mit Ablauf des Monats, in dem das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts endet, jedoch nicht vor Ablauf des Monats, in dem dies der Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist (§ 4 Abs. 2 RGebStV).
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Bestreitet - wie hier - der Eigentümer von Ferienwohnungen, überhaupt Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten zu haben, oder die Zahl der Geräte oder sonstige die Gebührenpflicht begründende Umstände, liegt im Fall der Unaufklärbarkeit die Beweislast bei der Rundfunkanstalt, die aus dem Bereithalten von entsprechenden Geräten oder der Zahl der vorhandenen Geräte für sie günstige Rechtsfolgen ableiten will. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige die materielle Beweislast, der das Bestehen eines Rechts behauptet. Dies gilt auch für Tatsachen, die ihrer Natur nach schwer beweisbar sind. Hiervon macht das Rundfunkgebührenrecht keine Ausnahme. Die Rundfunkanstalt muss somit grundsätzlich sämtliche für die Gebührenerhebung erforderlichen Tatsachen nachweisen. Hierzu kann sie nach Maßgabe von § 4 Abs. 5 RGebStV Auskünfte verlangen und Daten erheben und den Auskunftsanspruch gegebenenfalls im Verwaltungszwangsverfahren durchsetzen. Auch kann sie Gebührenbeauftragte zur Überwachung der Einhaltung gebührenrechtlicher Vorschriften einsetzen, die berechtigt sind, für den Beklagten die gesetzlich bestimmten Auskünfte zu verlangen und Anzeigen über Beginn und Ende des Bereithaltens eines Rundfunkempfangsgerätes entgegenzunehmen.
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Allerdings kommt - ebenso wie einer vom Gebührenschuldner unterzeichneten Anzeige - auch etwaigen Werbeaussagen in Prospekten oder im Internet grundsätzlich Indizwirkung zu (vgl. VGH München, Beschl. v. 29.04.2010, Az. 7 ZB 09.1790, m.w.N., juris). Klassifizierungen von Ferienwohnungen können ebenfalls zur Feststellung der Anzahl der zum Empfang bereitgehaltenen Geräte herangezogen werden. Solange die Richtigkeit der daraus hergeleiteten Gerätezahl nicht in Frage gestellt wird, kann der Beklagte daher die Gebührenerhebung auch bei Inhabern von Ferienwohnungen grundsätzlich ohne weitere Ermittlungen auf deren Werbung stützen, wenn diese Aussagen enthält, die auf die Zahl der zum Empfang bereitgehaltenen Rundfunkgeräte schließen lassen (z.B. „alle Zimmer mit TV“).
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Der insoweit bestehenden Indizwirkung kann sich der Gebührenschuldner nicht dadurch entziehen, dass er ohne nähere Angaben die Zahl der Geräte unsubstantiiert in Abrede stellt und die Unrichtigkeit seiner Werbeaussagen behauptet. Anders liegt es jedoch, wenn er die allein aufgrund der Werbung angenommene Zahl der Empfangsgeräte qualifiziert bestreitet und hierfür eine nachvollziehbare und durch Belege oder andere Beweismittel untermauerte Erklärung abgibt. In diesem Fall entbindet die Werbeaussage die Rundfunkanstalt weder von ihrer Beweispflicht für die Zahl der gebührenpflichtigen Rundfunkempfangsgeräte noch ist es dem Gebührenschuldner verwehrt, hierzu einen Gegenbeweis zu erbringen (vgl. VGH München, Beschl. v. 29.04.2010, a.a.O.; VG München, Urt. v. 30.07.2010, Az. M 6a K 10.887, juris).
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Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig.
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So ist davon auszugehen, dass die Klägerin in ihren Ferienwohnungen in der Ferienanlage P im Zeitraum 05/1998 bis 11/2006 in dem aus dem Bescheid vom 3. August 2007 ersichtlichen Umfang Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten hat. Dafür sprechen insbesondere die im Verwaltungsvorgang des Beklagten befindlichen Auszüge aus einem Prospekt bzw. dem Internet (Bl. 1 bis 4) über die Ferienanlage und die Erklärungen der Mitarbeiterin G der Feriendorf P Betriebs GmbH Co. KG und der Mitarbeiterin R der Fa. B, dass sich an der von Anfang an vorhandenen Ausstattung der Ferienwohnungen in der Anlage mit Rundfunkempfangsgeräten auch bezogen auf die Wohnungen der Klägerin bis 2006 nichts geändert habe. Dabei kann hier offen bleiben, aus welchem Jahr die zugrunde gelegten Werbeaussagen stammen, weil Frau G ihren Angaben zufolge seit 1998 in der Anlage P tätig war und in den ersten Jahren sogar die Ferienwohnungen der Klägerin mitbetreute. Dass im Hinblick auf die Ausstattung mit Rundfunkempfangsgeräten keine Änderung eingetreten ist, bestätigte zudem Frau R, und zwar in ihrer Eigenschaft als Mitarbeiterin der Firma, der 2006 die Verwaltung der Ferienwohnungen der Klägerin oblag.
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Diesen eindeutigen und unmissverständlichen Angaben kommt im vorliegenden Fall eine erhebliche Indizwirkung zu, die die Klägerin nicht qualifiziert bestritten oder substantiiert in Abrede gestellt hat. Die Klägerin hat sich noch nicht einmal dazu erklärt, aus welchen Gründen - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auch heute noch unverändert für die Anlage im Internet geworben wird, ohne dass auch nur ansatzweise nachvollziehbar wäre, zu welchem Zeitpunkt die streitbefangenen Wohnungen mit entsprechenden Rundfunkempfangsgeräten ausgestattet worden wären, wenn dies nicht schon 1998 geschehen wäre. Dies gilt umso mehr, als Frau G in diesem Zusammenhang unmissverständlich erklärt hat, dass sämtliche Ferienwohnungen der gesamten Anlage schon bei Eröffnung der Anlage 1998 mit solchen Geräten versehen gewesen seien. Auch ist die Klägerin den gegenüber den Rundfunkbeauftragten abgegebenen Erklärungen der Frau G in keiner Weise inhaltlich entgegen getreten. An einer nachvollziehbaren und belegten Darstellung, dass es anders gewesen sei, fehlt es vollständig. Die Klägerin hat einen anderweitigen Geschehensablauf nicht einmal angedeutet. Angesichts der eindeutigen und unmissverständlichen Angaben zu den Ferienwohnungen der Klägerin für den streitbefangenen Zeitraum genügt für das hier erforderliche qualifizierte Bestreiten auch der bloße Hinweis der Klägerin nicht, es sei ihr schon aus technischen Gründen nicht möglich gewesen, das Rundfunkangebot in Anspruch zu nehmen. Ebenso wie im Hinblick auf den anschließenden - wiederholten – bloßen Hinweis, es seien keine Radio- und Fernsehgeräte vorhanden gewesen, ist nicht ansatzweise erkennbar, wie dieses Vorbringen mit den Werbeaussagen auch im Jahre 2006 in Einklang zu bringen sein könnte. Auch bleibt vollständig unklar, um welche technischen Gründe (lediglich fehlende Geräte? keine Anschlüsse? etc.) es sich gehandelt haben könnte und inwieweit sich die Ferienwohnungen der Klägerin insoweit von den anderen unterschieden haben könnten, obgleich sämtliche Wohnungen gleich beworben wurden. Zudem fehlt auch insoweit eine Auseinandersetzung mit der Erklärung der Frau G vollständig, die Voraussetzung dafür gewesen wäre, zumindest deren Vernehmung als Zeugin in Betracht zu ziehen. Aus diesen Gründen führt auch der Hinweis der Klägerin auf die Beweislast des Beklagten nicht weiter.
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Der Beklagte konnte die Gebührenerhebung im vorliegenden Fall mithin auf die beschriebenen Angaben stützen, die - unter Einbeziehung der Erklärung von Frau R über den Verkauf von drei Ferienwohnungen - auf die Zahl der im streitbefangenen Zeitraum zum Empfang bereitgehaltenen Rundfunkgeräte schließen lassen, zumal jedenfalls bis November 2006 für kein einziges dieser Geräte eine Anzeige i.S.v. § 4 Abs. 2 RGebStV erfolgt ist. Davon ausgehend ist die Höhe der festgesetzten Rundfunkgebühren, die von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen wurde, ebenso wenig zu beanstanden wie die Erhebung des Säumniszuschlags.
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Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Anspruch des Beklagten auf Zahlung der Rundfunkgebühren bei Erlass des Bescheides vom 3. August 2007 bereits teilweise verjährt gewesen sei. Die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung stellt nämlich eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) dar, weil die Klägerin ihrer Pflicht zur Anzeige der zum Empfang bereitgehaltenen Rundfunkgeräte nicht nachgekommen ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.11.2009, Az. 4 LB 559/07, juris; VGH Mannheim, Urt. v. 19.05.2009, Az. 2 S 1015/08, juris; die davon abweichende und von Klägerseite angeführte Entscheidung des OVG Lüneburg vom 30.11.2005, Az. 10 PA 118/05, ist demgegenüber vereinzelt geblieben, und die darin vertretene Auffassung ist vom inzwischen zuständigen 4. Senat - vgl. Beschl. v. 07.05.2007, Az. 4 LA 521/07 - ausdrücklich aufgegeben worden; vgl. auch OVG Greifswald, Beschl. v. 23.02.2011, Az. 1 L 225/08).
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Nach der aktuellen Fassung des § 4 Abs. 4 RGebStV richtet sich die Verjährung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die regelmäßige Verjährung. Danach können sich Rundfunkteilnehmer bereits nach drei Jahren auf die Einrede der Verjährung berufen (§ 195 BGB). Gleichzeitig wird aber durch die Bezugnahme auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs klargestellt, dass der Lauf der Verjährungsfrist erst mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (Landesrundfunkanstalt) von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Anspruch verjährt ferner ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von seiner Entstehung an (§ 199 Abs. 4 BGB). Dagegen verjährte der Anspruch auf Rundfunkgebühren gemäß § 4 Abs. 4 RGebStV a.F. in vier Jahren.
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Welche dieser Verjährungsregelungen inwieweit anzuwenden ist, insbesondere auf die Fallkonstellation, dass Rundfunkgebührenforderungen, die vor dem Zeitpunkt der Rechtsänderung am 1. April 2005 entstanden sind, erst nach diesem Zeitpunkt geltend gemacht werden (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.11.2009, Az. 4 LA 709/07, juris), kann hier letztlich unentschieden bleiben. Die Verjährungseinrede ist nämlich unzulässig und damit unbeachtlich, wenn der Rundfunkteilnehmer durch die Berufung auf die Verjährung Vorteile aus eigenem unrechtmäßigem Verhalten erlangen würde; wer demnach ohne Anzeige nach § 3 Abs. 1 RGebStV als "Schwarzhörer" ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält und so verhindert, dass die Rundfunkanstalt mangels Kenntnis vom ihr zustehenden Anspruch auf Rundfunkgebühren diese innerhalb der Verjährungsfrist einzieht, kann sich grundsätzlich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen (ebenso OVG Lüneburg, Beschl. v. 27.10.2009, Az. 4 LB 184/09, NdsVBl. 2010, 110; OVG Magdeburg, Beschl. v. 19.03.2010, Az. 3 M 330/09, NVwZ-RR 2010, 709; VGH München, Beschl. v. 04.05.2010, Az. 7 ZB 09.2551; bislang keine Revisibilität: BVerwG, Beschl. v. 07.01.2010, Az. 6 B 51/09, hierzu auch BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010, Az. 1 BvR 620/10).
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Dies ist auch im vorliegenden Fall anzunehmen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RGebStV hat der Rundfunkteilnehmer der Landesrundfunkanstalt den Beginn des Bereithaltens eines Rundfunkgerätes zum Empfang unverzüglich anzuzeigen. Danach hätte die Klägerin bereits 1998 ihrer Anzeigepflicht nachkommen müssen, was jedoch nicht geschehen ist. Aufgrund dieses objektiv pflichtwidrigen Unterlassens hat der Beklagte von der Entstehung des Anspruchs auf Zahlung von Rundfunkgebühren für das Jahr 1998 und weitere, an sich der Verjährung unterfallende Jahre innerhalb der Verjährungsfrist keine Kenntnis erlangt. Folglich hat er keine Möglichkeit gehabt, die entstandenen Rundfunkgebühren vor Ablauf der Verjährungsfrist festzusetzen. Daher ist das pflichtwidrige Verhalten der Klägerin für den Eintritt der Verjährung ursächlich gewesen. Bei dieser Sachlage kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf den Ablauf der Verjährungsfrist berufen, weil die Einrede der Verjährung gegen Treu und Glauben verstößt und deshalb eine unzulässige Rechtsausübung darstellt. Dabei kann unerörtert bleiben, ob der Klägerin die Anzeigepflicht für die in den Ferienwohnungen vorgehaltenen Rundfunkempfangsgeräte bekannt gewesen ist und ihr bezüglich des Verstoßes gegen die Anzeigepflicht ein erheblicher Schuldvorwurf gemacht werden kann. Auf ein Verschulden der Klägerin kommt es nicht an. Vielmehr stellt die Einrede der Verjährung schon bei einem objektiv pflichtwidrigen Verstoß gegen die Anzeigepflicht, der die Verjährung verursacht, eine gegen Treu und Glauben verstoßende unzulässige Rechtsausübung dar. Auch außerhalb des Rundfunkgebührenrechts ist anerkannt, dass eine Verjährungseinrede bei einem objektiv pflichtwidrigen Unterlassen, das der Behörde die Möglichkeit nimmt, geschuldete Beiträge rechtzeitig festzusetzen, eine unzulässige Rechtsausübung ist, die zur Unbeachtlichkeit der Verjährungseinrede führt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.11.2009, a.a.O., m.w.N.). Eine unzulässige Rechtsausübung setzt auch kein aktives Verhalten des Gebührenschuldners voraus. Ein pflichtwidriges Unterlassen steht nämlich, zumal wenn es in einem Verstoß gegen eine eindeutige gesetzliche Bestimmung besteht, einem aktiven Handeln gleich.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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Beschluss vom 16. November 2011
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Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 19.742,17 Euro festgesetzt.
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