Urteil vom Verwaltungsgericht Schwerin (4. Kammer) - 4 A 1867/18 SN

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine verbandsangehörige Gemeinde, ficht vier Bescheide über Trink- und Schmutzwassergebühren an, nunmehr noch, soweit sie letztere Gebühren betreffen.

2

Sie ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks in ihrem Gebiet, eingetragen im dortigen Grundbuch, Blatt 38. Die hier der Heranziehung zugrunde liegenden Flurstücke sind an die öffentliche Einrichtung zur dezentralen Schmutzwasserbeseitigung (Kleinkläranlagen) angeschlossen. Auf gemeindlichen Flächen ist eine große „Klein“-Kläranlage installiert, an die nach Angaben der Klägerin insgesamt 37 Grundstücke angeschlossen sind.

3

Die nachfolgenden Bescheide betreffen dabei „Schmutzwasserentsorgungsstellen“ der Klägerin, die auf einem Teil des Grundstücks in der Flur 2, Gemarkung Lübberstorf, liegen, mit den folgenden Daten:

4

- H.straße x, Flurstück a (im Folgenden vereinfacht: Grundstück I)

- H.straße y, Flurstück a (im Folgenden vereinfacht: Grundstück II)

- H.straße z, Flurstück b (im Folgenden vereinfacht: Grundstück III)

- H.straße z „//1“ (Gemeindehaus), Flurstück b (im Folgenden vereinfacht: Grundstück IV).

5

In den vorgelegten Verwaltungsvorgängen befindet sich eine Seite eines gefaxten Schreibens der Klägerin an den Zweckverband vom 25. September 2003 mit dem Betreff „Gesprächsprotokoll / Vereinbarung über Schlammentsorgung KA“, das nicht unterschrieben ist. Laut der Telefaxzeile soll es sich um die „Seite 2 von 2“ handeln. Nach der dortigen Ziffer 1 sollte die Entsorgung des Schlamms aus dem Vorspeicher (der Kläranlage) zumindest einmal im Jahr zu einem Preis von 37,53 €/m³ erfolgen, womit alle Aufwendungen abgegolten seien.

6

Die Beklagte berechnete der Klägerin mit „Kostenerstattungsbescheid Schmutzwasser“ vom 9. Februar 2017 „…, „auf Grundlage der Vereinbarung vom 25.09.2003 … für die Entsorgung des Klärschlamms aus der Kläranlage der … (Klägerin)“ Leistungen des Schlammtransports und –behandlung von 18 m³ am 27. Januar 2017 zu einem „Einzelpreis“ von 37,53 €.

7

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2017 befreite die Landrätin des Landkreises Nordwestmecklenburg als Untere Wasserbehörde den Zweckverband antragsgemäß – wie wohl auch zuvor – von der Abwasserbeseitigungspflicht u. a. für die beiden Flurstücke b und a. Die Befreiung beinhalte, wie es dort u. a. weiter heißt, nicht das „Entleeren und Transportieren des in der Kläranlage anfallenden Fäkalschlammes …“.

8

Auf die Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 2. Mai 2018 und 6. Juni 2018 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

9

Die Beklagte zog die Klägerin mit Bescheid über Trink- und Schmutzwassergebühren vom 13. Juni 2018, Nr. VR 0000195604, für das „Grundstück I“ und den Abrechnungszeitraum 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2018 zu Trinkwassergebühren in Höhe von 783,36 € inklusive Umsatzsteuer und Schmutzwassergebühren von 676,80 € heran.

10

Ebenso wurde die Klägerin mit Bescheid über Trink- und Schmutzwassergebühren vom 13. Juni 2018, Nr. VR 0000195603, für das „Grundstück II“ und den Abrechnungszeitraum 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2018 zu Trinkwassergebühren in Höhe von 626,40 € inklusive Umsatzsteuer und Schmutzwassergebühren von 454,30 € herangezogen.

11

Die Beklagte setzte gegenüber der Klägerin mit Bescheid über Trink- und Schmutzwassergebühren vom 13. Juni 2018, Nr. VR 0000195607, für das „Grundstück III“ und den Abrechnungszeitraum 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2018 zu Trinkwassergebühren in Höhe von 103,68 € inklusive Umsatzsteuer und Schmutzwassergebühren von 74,68 € fest.

12

Schließlich verlangte sie von der Klägerin mit Bescheid über Trink- und Schmutzwassergebühren vom 13. Juni 2018, Nr. VR 0000195602, für das „Grundstück IV“ und den Abrechnungszeitraum 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2018 festgesetzte Trinkwassergebühren in Höhe von 79,20 € inklusive Umsatzsteuer und Schmutzwassergebühren von 39,98 €.

13

Die Klägerin legte jeweils mit anwaltlichen Schreiben vom 16. Juli 2018 Widerspruch gegen diese vier Bescheide ein, den sie jeweils mit anwaltlichem Schreiben vom 15. August 2018 begründete.

14

Die Beklagte wies die Widersprüche jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2018 zurück.

15

Am 24. September 2018 hat die Klägerin gegen diese Bescheide Klage erhoben. Der dort angekündigte Antrag zu 1. beinhaltet eine vollumfängliche Aufhebung der Bescheide. In der mündlichen Verhandlung wurde allerdings der nachfolgende Antrag gestellt.

16

Die Klägerin trägt vor:

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Der wesentliche Angriff gegen die Gebührenbescheide bestehe darin, dass die Zusatzgebühr nicht nach dem Wirklichkeits-, sondern nach dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab berechnet werde.

18

Gemäß § 3 der Gebührensatzung Abwasser könne nur die Wassermenge abgerechnet werden, die der Anlage zugeführt werde. Das sei im Falle einer vollbiologischen Kleinkläranlage nur der „flüssige“ Schlamm, sodass schon nach dem Gesetzeswortlaut der Wirklichkeitsmaßstab maßgeblich sei.

19

Es erschließe sich nicht, warum die Gebührenbemessung nach dem Wirklichkeitsmaßstab ab dem Zeitpunkt, wo der eingesammelte Klärschlamm in die zentrale Kläranlage eingebracht werde, nicht mehr möglich sei. Die Beklagte weise selbst darauf hin, dass der Schlamm zunächst zwischengelagert und dann dosiert der Kläranlage zugemischt werde.

20

Die Vereinbarung zwischen ihr und dem Zweckverband aus dem Jahre 2003, wonach sie für die Annahme und Entsorgung sowie Abfuhr des Klärschlamms 37,53 €/m³ zu zahlen habe, bestehe ungekündigt fort und stehe der Erhebung einer – zusätzlichen – Abwassergebühr vorliegend entgegen.

21

Durch die Befreiung von der Abwasserbeseitigungspflicht seien gemäß § 40 Abs. 3 Satz 2 LWaG nun diejenigen für die Beseitigung verpflichtet, bei denen das Abwasser anfalle. Damit seien die hier streitgegenständlichen Grundstücke dem Satzungsregime des Zweckverbands entzogen. Aus diesem Grund sei auch die Vereinbarung im Jahre 2003 geschlossen worden. Die Verpflichtung des Zweckverbands im Rahmen des Befreiungsverfahrens zur Entleerung und zum Transport des in Kleinkläranlagen anfallenden Fäkalschlamms bedeute, dass für diese Entsorgung entweder gesonderte Gebührentatbestände zu schaffen oder gesonderte Vereinbarungen – wie geschehen – zu schließen seien.

22

Etwa im „Kostenerstattungsbescheid Schmutzwasser“ vom 9. Februar 2017 werde „auf Grundlage der Vereinbarung vom 25.09.2003“ abgerechnet.

23

Die Vereinbarung aus dem Jahre 2003 sei über 10 Jahre auch so gehandhabt worden. Hier könne insoweit eine konkludente Genehmigung durch die Verbandsversammlung vorliegen. Diese könne daran liegen, dass die Geschäftsberichte oder Jahresabschlüsse in der mindestens einmal jährlich stattfindenden Verbandsversammlung genehmigt worden seien.

24

Die von ihr betriebene „Sammel-Kleinkläranlage“ könne sachgerecht auch nicht wie eine „typische“ Kleinkläranlage behandelt werden, für welche die Gebühren kalkuliert worden seien.

25

Eine solche Gleichbehandlung verbiete sich, weil in den Kalkulationen mit Kleinkläranlagen gerechnet worden sei, die bei einem typischen Frischwasserbezug von durchschnittlich ca. 50 m³ jährlich Klärschlamm in einer Größenordnung von 2 m³ zu entsorgen hätten. Bei 2,10 € pro Kubikmeter Wasser ergebe sich eine Zusatzgebühr von 105 € zuzüglich einer Grundgebühr von 40 €, also 77,50 € pro Kubikmeter. Demgegenüber fielen in der „Sammel-Kleinkläranlage“ im Jahr ca. 10 m³ Klärschlamm an. Für die 37 angeschlossenen Grundstücke ergäben sich 3.885 € Zusatzgebühren (37 x 50 = 1.850 m³ à 2,10 €) und 1.480 € Grundgebühren, mithin 536,50 € pro Kubikmeter. Dies sei der siebenfache Betrag dessen, was der durchschnittliche Betreiber einer typischen Kleinkläranlage pro Kubikmeter zu zahlen habe.

26

Diese Differenz lasse sich auch nicht durch einen höheren Kostenaufwand bei der Entsorgung des Klärschlamms aus der gemeindlichen Kleinkläranlage erklären. Das Gegenteil sei der Fall: Der Abfuhraufwand für 10 m³ betrage maximal zwei Fahrten gegenüber 37 Fahrten. Darüber hinaus sei der Entsorgungsaufwand für den „verdünnten“ Klärschlamm aus einer typischen Kleinkläranlage von ca. 2 m³ wesentlich höher als bei dem „dickflüssigen“ Schlamm aus der gemeindlichen Kläranlage, weil der Klärschlamm in beiden Fällen durch Trocknung verfestigt und verbrannt werde. Hinzu komme, dass für die Trocknung kein thermomechanisches, sondern ein chemisches Verfahren praktiziert werde, sodass der Chemikalieneinsatz für den „flüssigen“ Klärschlamm wesentlich höher sei.

27

Die Klägerin beantragt,

28

die Bescheide über Trink- und Schmutzwassergebühren vom 13. Juni 2018, Nrn. VR 0000195602, VR 0000195603, VR 0000195604 und VR 0000195607, und die Widerspruchsbescheide vom 6. September 2018 aufzuheben, soweit sie die Schmutzwassergebühren betreffen.

29

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und trägt dazu vor:

32

Im Schreiben vom 2. Mai 2018 meine sie mit dem zitierten Aktenvermerk vom 25. September 2003 das Gesprächsprotokoll/ die Vereinbarung über Schlammentsorgung vom 25. September 2003.

33

In den 90ern sei es der Wille unter anderem der hier klagenden Gemeinde gewesen, keine zentrale Entsorgungsanlage im Ort für Schmutzwasser zu haben. Die Gemeinde habe soweit eine zentrale Entsorgung abgelehnt. Stattdessen seien in der Gemeinde entweder normale Kleinkläranlagen auf den Grundstücken der Gemeindebewohner errichtet worden oder wie hier diese sogenannte Gruppenkleinkläranlage. Die hier in Rede stehende Gruppenkleinkläranlage besitze mehr als acht Einwohnergleichwerte pro Tag. Ab einer gewissen Größe sei es Aufgabe des Zweckverbands und nicht mehr Aufgabe der Grundstückseigentümer bzw. der Gemeinde, für die Entsorgung des anfallenden Schmutzwassers durch Bau einer Kleinkläranlage Sorge zu tragen. Nach der Kommunalverfassung bedürften Verträge mit Verbandsmitgliedsgemeinden der Genehmigung durch die Verbandsversammlung. Eine solche Genehmigung liege nicht vor. Die Gemeinde handle bei einem Betrieb der Gruppenkleinkläranlage privatrechtlich/fiskalisch. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass die öffentliche Aufgabe der Schmutzwasserentsorgung von der Gemeinde auf den Zweckverband übertragen worden sei.

34

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17. September 2019 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

35

Das Verfahren ist im Umfang der teilweisen Klagerücknahme einzustellen, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Soweit die Klägerin die Anfechtungsklage in der mündlichen Verhandlung auf die Anfechtung der Festsetzungen von Schmutzwassergebühren in den angegriffenen Bescheiden beschränkt hat, handelt es sich um eine konkludente teilweise Klagerücknahme nach § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO. In der Klageschrift wurde noch der Antrag auf vollumfängliche Aufhebung der Bescheide angekündigt. Auch in der Begründung findet sich kein Hinweis, dass mit der Klage nur die in den Bescheiden u. a. festgesetzten Schmutzwassergebühren angefochten werden.

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Soweit in den Bescheiden über Trink- und Schmutzwassergebühren vom 13. Juni 2018, Nrn. VR 0000195602, VR 0000195603, VR 0000195604 und VR 0000195607, die nunmehr allein angefochtenen Schmutzwassergebühren festgesetzt sind, sind die Bescheide und die Widerspruchsbescheide vom 6. September 2018 rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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I. Die Bescheide können sich auf wirksame Rechtsgrundlagen stützen. Soweit es den Abrechnungszeitraum vom 1. Juni 2017 bis Jahresende betrifft, ist dies die Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wismar (im Folgenden: Gebührensatzung Schmutzwasser I) vom 3. März 2010 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 22. Februar 2017. Für die übrige Abrechnungszeit vom 1. Januar bis Ende Mai 2018 ist Rechtsgrundlage der Bescheide die zum 1. Januar 2018 in Kraft getretene Gebührensatzung Schmutzwasser vom 29. November 2017 (im Folgenden: Gebührensatzung Schmutzwasser II).

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1. Für die Grundgebühren bei der Benutzungsgebühr B einschlägig ist §§ 1 Abs. 2 lit. a und 3 Nr. 2, 3 Abs. 2 (oder Abs. 3) und Abs. 6 lit. a der Gebührensatzung Schmutzwasser I (für den Zeitraum innerhalb des Jahres 2017 also 40 € p. a./Wohneinheit bzw. Nennleistung der Wassermesseinrichtung, soweit diese bis 2,5 Qn beträgt) bzw. §§ 1 Abs. 2 lit. a und 3 Nr. 2, 2 Abs. 1 und Abs. 5 der Gebührensatzung Schmutzwasser II (für die ersten fünf Monate des Jahres 2018 also 3,33 € monatlich/Wohneinheit bzw. Nennleistung der Wassermesseinrichtung, soweit diese bis 2,5 Qn beträgt).

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2. Maßgeblich für die Zusatzgebühr Schmutzwasser bei der Benutzungsgebühr B sind die §§ 1 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1 und 7 der Gebührensatzung Schmutzwasser I (für den Zeitraum innerhalb des Jahres 2017 also 2 € je Kubikmeter Schmutzwassermenge) bzw. §§ 1 Abs. 2 lit. b und 3 Nr. 2, 3 Abs. 1 bis Abs. 4 der Gebührensatzung Schmutzwasser II (für die ersten fünf Monate des Jahres 2018 also 2,10 € je Kubikmeter Schmutzwasser).

40

Die Höhe der Zusatzgebühr richtet sich für den Abrechnungszeitraum, soweit er im Jahr 2017 liegt, nach der (Kubikmeter-)Menge an Schmutzwasser, die der privaten Kläranlage zugeführt wird, § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Gebührensatzung Schmutzwasser I. Die Ermittlung dieser Menge erfolgt gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 3 ff. und Abs. 2 und 3, § 3 Abs. 1 Satz 3 dieser Satzung. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 der Gebührensatzung Schmutzwasser I gilt als zugeführte Schmutzwassermenge grundsätzlich die dem Grundstück aus öffentlichen und/oder privaten Wasserversorgungsanlagen einschließlich Brauch- und Regenwasseranlagen zugeführte Wassermenge, abzüglich der nachgewiesenen, auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermenge, soweit nicht der Abzug nach § 2 Abs. 3 der Satzung ausgeschlossen ist. Die dem Grundstück zugeführte Wassermenge wird nach § 2 Abs. 1 Satz 4 der Gebührensatzung Schmutzwasser I durch Wasserzähler ermittelt. Bei Wasserbezug aus der öffentlichen Einrichtung zur Wasserversorgung ist die für die Erhebung der Wasser-Zusatzgebühr zugrunde gelegte Menge maßgeblich, § 3 Abs. 1 Satz 5 der Gebührensatzung Schmutzwasser I. Die weiteren Regelungen der nachfolgenden Sätze sind vorliegend nicht einschlägig.

41

Die Höhe der Zusatzgebühr richtet sich für den Abrechnungszeitraum, soweit er im Jahr 2018 liegt, dabei gemäß § 3 Abs. 1 der Gebührensatzung Schmutzwasser II nach der (Kubikmeter-)Menge an Schmutzwasser, die der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung zugeführt wird.

42

Das ist u. a. bei der Benutzungsgebühr B zwar vordergründig nicht zutreffend, da es hier um ein an die öffentliche Einrichtung zur dezentralen Schmutzwasserbeseitigung angeschlossene Grundstücke handeln, die über eine private Kläranlage entsorgt werden, § 1 Abs. 3 Nr. 2 der Gebührensatzung Schmutzwasser II. Die vordergründig fehlende Differenzierung zwischen den beiden öffentlichen Einrichtungen zur Schmutzwasserbeseitigung (zentral und dezentral) führt nach Auffassung des Gerichts aber im Ergebnis nicht zur Teilunwirksamkeit der neuen Gebührensatzung. Denn es wird auch bei der Benutzungsgebühr mit der Fiktion nach § 3 Abs. 2 der Gebührensatzung Schmutzwasser II gearbeitet: Danach gilt als zugeführte Schmutzwassermenge nach § 3 Abs. 1 grundsätzlich die dem Grundstück aus öffentlichen und/oder privaten Wasserversorgungsanlagen (einschließlich Brauch-, Regenwasseranlagen) zugeführte Wassermenge, abzüglich der nachgewiesenen, auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermenge, soweit nicht der Abzug nach § 3 Abs. 6 ausgeschlossen ist. Die dem Grundstück zugeführte Wassermenge wird nach § 3 Abs. 3 Satz 1 der Gebührensatzung Schmutzwasser II durch Wasserzähler, die vom Zweckverband installiert werden, ermittelt. Im Übrigen wird der öffentlichen Einrichtung der zentralen Schmutzwasserbeseitigung immerhin der Fäkalschlamm aus einer Kleinkläranlage zur weiteren Verwertung/Entsorgung zugeführt.

43

3. Beide Benutzungsgebührenmaßstäbe sind rechtlich nicht zu beanstanden und mit höherrangigem Recht vereinbar.

44

a) Für die Grundgebühren der Benutzungsgebühr B trägt die Klägerin auch keine satzungsrechtlichen Bedenken vor, sodass das Gericht insoweit von weiteren Ausführungen dazu absieht (vgl. zu Grundgebühren bei dezentraler Schmutzwasserentsorgung etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16. Oktober 2018 – 1 LB 216/13 –, juris Rn. 70 ff.).

45

b) Demgegenüber werden die Zusatzgebühren der Benutzungsgebühr B von Klägerseite angegriffen, was die Verwendung des sog. Frischwassermaßstabs in der jeweiligen Satzung betrifft.

46

aa) Der hier in beiden Gebührensatzungen gewählte modifizierte Frischwassermaßstab auch für die Zusatzgebühr im Rahmen der Benutzungsgebühr B – also für die Grundstücke, die an die öffentliche Einrichtung zur dezentralen Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen sind und über eine private Kläranlage entsorgt werden – ist nach Auffassung des Gerichts allerdings rechtlich nicht zu beanstanden und mit höherrangigem Recht vereinbar.

47

Dazu hat die Kammer bereits mit (nicht rechtskräftigem) Urteil vom 6. Dezember 2018 (Az. 4 A 3080/16 SN, Az. des Zulassungsberufungsverfahrens: 1 LZ 58/19 OVG) Folgendes entschieden, wobei es keine Rolle spielt, dass es im dortigen Fall um die Benutzungsgebühr D (vollbiologische Kleinkläranlage mit genehmigter Zwei-Jahres-Schlammabfuhr) ging:

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„… Es liegt innerhalb des satzungsrechtlichen Gestaltungsspielraums der normgebenden Verbandsversammlung, bei der maßgeblichen Berechnungseinheit der Kubikmeter Schmutzwasser (§ 5 Abs. 1 Satz 2 der Gebührensatzung Schmutzwasser), die der biologischen Kleinkläranlage mit genehmigter Zwei-Jahres-Schlammabfuhr zugeführt werden, einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab grundsätzlich in Form des sog. modifizierten Frischwassermaßstabs zu wählen (§ 5 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 2 Abs. 1 Sätze 3 ff., Abs. 2 und 3 der Gebührensatzung Schmutzwasser). Als der biologischen Kleinkläranlage mit genehmigter Zwei-Jahres-Schlammabfuhr zugeführte Schmutzwassermenge gilt danach auch hier – wie bei der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung – die dem Grundstück aus öffentlichen und/oder privaten Wasserversorgungsanlagen (abzüglich nachgewiesener Wassermengen, die nicht in die Kleinkläranlage fließen) – soweit der modifizierte Frischwassermaßstab – einschließlich Brauch- und Regenwasseranlagen zugeführte Wassermenge (im Folgenden trotzdem zur Vereinfachung als Frischwassermaßstab bezeichnet).

49

Ebenso wie der parlamentarische, so darf auch der Ortsgesetzgeber zwar die äußersten Grenzen seines Ermessensbereichs nicht überschreiten, allerdings ist dabei nicht maßgeblich, ob er im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, etwa BVerwG, Urt. v. 14. April 1967 – VII C 15.65 –, BVerwGE 26, 317-321, juris Rn. 23).

50

Die Benutzungsgebühr ist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der Einrichtung zu bemessen. Es kann nach § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werden, der nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen darf. Das OVG M-V hat dazu ausgeführt, dass die Nachrangigkeit des Wirklichkeitsmaßstabs in § 6 Abs. 3 KAG M-V nicht mit der Eindeutigkeit festgeschrieben worden ist, wie dies etwa in Nordrhein-Westfalen oder in Niedersachsen der Fall ist. Durch die Formulierung ist der Verwaltungspraktikabilität ersichtlich größerer Raum gegeben worden (OVG M-V, Urt. v. 23. Febr. 2000 – 1 L 50/98 –, juris Rn. 31 m. w. N.; vgl. auch Siemers, in: Aussprung et al., Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Stand Dezember 2017, § 6 Anm. 7.2.1 S. 140 m. w. N.). Der Satzungsgeber ist auch nicht verpflichtet, den Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu wählen, der der Wirklichkeit am nächsten kommt (Urt. der damaligen 8. Kammer vom 17. Dez. 2010 – 8 A 626/07 –, S. 5 des amtlichen Umdrucks m. w. N.).

51

Der (modifizierte) Frischwassermaßstab ist im Schmutzwasserverbrauchsgebührenrecht ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Denn das laut Wasserzähler entnommene Frischwasser auf einem Grundstück wird so gut wie nie „1 zu 1“ der jeweiligen Schmutzwasserbeseitigungsanlage (zentral wie dezentral) wieder zugeführt. So wird der morgendlich mit Wasser zubereitete und getrunkene Kaffee oder Tee nach der Verarbeitung im menschlichen Körper nicht zwingend auch wieder im gleichen Haushalt (bei den drei möglichen Arten der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung) oder wenigstens irgendwo im Zweckverbandsgebiet der zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage bereitgestellt, sondern kann etwa bei einem Arbeitnehmer auch woanders, z. B. auf der Toilette im Bürobereich oder in einem Restaurant außerhalb des Verbandsgebiets, entsorgt werden. Andererseits kann ebenso nicht dem Trinkwasser des betreffenden Haushalts entnommenes Schmutzwasser in die dortige zentrale oder eine dezentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage gelangen, wie etwa bei einem Besuch anderer Menschen aus einem anderen Verbandsgebiet, die ihre noch aus dem Genuss von Trinkwasser in „ihrem“ Verbandsgebiet stammende Notdurft nicht im eigenen Zuhause (oder in „ihrem“ Verbandsgebiet), sondern in diesem Haushalt verrichten. Ebenso können z. B. woanders erworbene Flüssigkeiten dem heimischen Haushalt bzw. der dortigen (zentralen oder dezentralen) Schmutzwasserbeseitigungsanlage auf die genannte Art und Weise, aber auch z. B. durch schlichtes Gießen (des „schlecht“ gewordenen Safts etwa) in den Ausguss der jeweiligen Schmutzwasserbeseitigungsanlage zugeführt werden.

52

Dennoch ist es – von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt – erfahrungsgemäß wahrscheinlich, dass das meiste auf dem Grundstück verbrauchte Frischwasser (etwa für die Körperhygiene, das Waschen usw.) als Schmutzwasser in die Kanalisation oder – wie hier – in die dortige biologische Kleinkläranlage fließt (vgl. zur entsprechenden Annahme bei abflusslosen Gruben das Urt. der damaligen 8. Kammer vom 17. Dez. 2010, a. a. O., S. 5 des amtlichen Umdrucks m. w. N.).

53

Der gewählte Frischwassermaßstab ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Menge des bei der zweijährigen Entleerung der biologischen Kleinkläranlage anfallenden Klärschlamms ohne weiteres gemessen und damit ein Wirklichkeitsmaßstab herangezogen werden könnte. Denn das abgefahrene Volumen mag sich zwar als geeigneter Wirklichkeitsmaßstab für die kommunale Abfuhrleistung darstellen. Für die weiteren, neben der Abfuhr anfallenden Leistungen stellt die Menge des der Kleinkläranlage entnommenen Fäkalschlamms jedoch keinen Wirklichkeitsmaßstab dar. Insoweit bestimmen andere Parameter, wie etwa die Zusammensetzung des Abwassers und dessen Schadstoffbelastung, das Maß der tatsächlichen Inanspruchnahme. Da die Gesamtheit aller maßgebenden Umstände nur mit einem wirtschaftlich hohen Aufwand zu ermitteln wäre, kann hier abweichend von dem Wirklichkeitsmaßstab auf einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab abgestellt werden. Der Frischwasserverbrauch ist als Wahrscheinlichkeitsmaßstab grundsätzlich dazu geeignet, auf den Umfang der jeweils zu erbringenden Entsorgungsleistung bei der Fäkalschlammbeseitigung rückzuschließen zu können (ebenso VG Köln, Urt. v. 24. Juli 2018 – 14 K 4837/17 –, juris Rn. 18 m. w. N.; VG Arnsberg, Urt. v. 27. Okt. 2009 – 11 K 3007/08 –, juris Rn. 22; vgl. auch Urt. der damaligen 8. Kammer v. 17. Dez. 2010, a. a. O., S. 5 f. des amtlichen Umdrucks m. w. N.).

54

Dem Frischwassermaßstab liegt im Bereich der leitungsgebundenen Abwasserentsorgung die Annahme zu Grunde, dass die verbrauchte Frischwassermenge wenigstens in etwa auch wieder als Schmutzwasser anfällt (vgl. oben). Zwar lässt sich dies auf vollbiologische Kleinkläranlagen, bei denen ein Großteil des Abwassers wesensgemäß unmittelbar nach seiner Reinigung dem natürlichen Wasserkreislauf wieder zugeführt wird, nicht übertragen. Der den Frischwassermaßstab rechtfertigende Zusammenhang zwischen dem verbrauchtem Frischwasser und dem aus der biologischen Kleinkläranlage bei einmaliger Abfuhr alle zwei Jahre entsorgten Klärschlamm (vgl. § 5 Abs. 8 der Gebührensatzung Schmutzwasser) ist jedoch deswegen gegeben, weil die Menge des anfallenden Klärschlamms davon abhängt, wie viel Abwasser in die Kläranlage eingeleitet wird, was sich wiederum vornehmlich nach der Menge des abzüglich der nachweislich ihr nicht zugeführten Menge des verbrauchten Frischwassers (und eventuell weiterer Zuführungsquellen wie in der Satzung dargestellt) bemisst (vgl. VG Köln, Urt. v. 24. Juli 2018, a. a. O., Rn. 20 f. m. w. N.).

55

Die Klägerin zu 1 unterliegt dabei einem Irrtum, wenn sie vorträgt, die Abwasserentsorgung durch eine biologische Kleinkläranlage dürfe keine („zusätzliche“?) Gebührenpflicht auslösen, weil das Abwasser im Gegensatz zu allen anderen Entsorgungsvarianten nicht durch den Träger der öffentlichen Einrichtung entsorgt werde. Dies ist nämlich nur für einen zwar mengenmäßig überwiegenden Teil des Abwassers zutreffend, den „sauberen“ Teil des in der biologischen Kleinkläranlage geklärten Abwassers, nicht aber für den vom Zweckverband abzufahrenden und zu reinigenden bzw. zu entsorgenden Fäkalschlamm, der sich in der biologischen Kleinkläranlage im Laufe der Zeit ansammelt. Insoweit ist es schlichtweg eine Verharmlosung, wenn die Klägerin vorträgt, ihre biologische Kleinkläranlage werde (doch) lediglich alle zwei Jahre vom Schlamm befreit. Hier wird offenbar kurzsichtig nur die logistische Abfuhr(gegen)leistung des Zweckverbands betrachtet, nicht aber die weitere (Gegen-)Leistung für die Inanspruchnahme der dezentralen öffentlichen Einrichtung, die darin besteht, dass dieses „hochkonzentrierte“ Schmutzwasser in einem Klärwerk gereinigt und/oder entsorgt werden muss, und zwar, wie die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, schon grundsätzlich aufwändiger als das mit Frischwasser versetzte „verwässerte“ Schmutzwasser aus einer Kanalisation oder abflusslosen Sammelgrube.

56

Insofern hält das Gericht an seiner schon früheren (wenngleich nur ergebnisdarstellenden) Rechtsprechung fest, dass ein modifizierter Frischwassergebührenmaßstab bei den Schmutzwassergebühren im Rahmen der dezentralen öffentlichen Einrichtung bei biologischen Kleinkläranlagen zulässig ist (nicht rechtskräftiges Urt. v. 5. Oktober 2017 – 4 A 602/16 SN –, OVG-Az. im Zulassungsverfahren 1 LZ 855/17; die Beklagte irrt allerdings, wenn sie dafür auch das Urteil der damaligen 8. Kammer vom 17. Dez. 2010, a. a. O., anführt, dass sich mit der [bejahten] Rechtmäßigkeit von Schmutzwassergebühren für abflusslose Gruben beschäftigt hat, wenngleich dort ebenfalls der modifizierte Frischwassermaßstab auf dem Prüfstand war, s. o.; vgl. auch OVG Greifswald, Beschl. v. 22. Dez. 1998 – 1 L 12/97 –, das im Rahmen einer Kostenentscheidung nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen auf die Uneinigkeit der bundesweiten Rechtsprechung in dieser Frage hinweist und dem dann die Anwendung des Frischwassermaßstabs auch bei der Gebührenberechnung für die Entsorgung von Kleinkläranlagen jedenfalls dann nicht gleichheitswidrig erscheine, wenn die zentrale und die dezentrale Entsorgung in einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung zusammengefasst seien, für die einzelnen Anschlussarten aber unterschiedliche Kalkulationen erstellt und entsprechend unterschiedliche Gebührensätze festgelegt seien) …“.

57

Diese Rechtsprechung hat das Gericht auch in weiteren Verfahren ihrer Entscheidung zugrunde gelegt (Urt. v. 17. April 2019 – 4 A 908/18 SN und 4 A 275/19 SN); an ihr wird auch vorliegend festgehalten.

58

Der Satzungsgeber ist im Gebührenrecht nicht verpflichtet, ohne Rücksicht auf den Verwaltungsaufwand oder auf nachteilige Auswirkungen auf die Erfüllung der Aufgabe einen Wirklichkeitsmaßstab zu wählen (OVG Weimar, Urt. v. 17. Nov. 2015 – 4 KO 252/12 –, juris Rn. 97 m. w. N.). Er ist ebenso wenig verpflichtet, denjenigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu wählen, der dem wirklichen Maß der Inanspruchnahme am nächsten kommt (OVG Weimar, Urt. v. 17. Nov. 2015 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 14. April 1967 – VII C 15.65 –, BVerwGE 26, 317-321 zur Bemessung der Schmutzwassergebühr; vgl. auch OVG Weimar, Urteile v. 11. Juni 2001 – 4 N 47/96 –, LKV 2002, 526 und v. 23. Nov. 2005 – 4 KO 877/01 –, KStZ 2006, 134 zum Maßstab der Benutzungsgebühr).

59

Vorliegend kommt die Heranziehung eines Wirklichkeitsmaßstabs nicht als einzig ermessensgerechte Satzungsregelung bei der Zusatzgebühr für dezentral entsorgtes Schmutzwasser in Betracht, weil der genaue Umfang, in dem die Grundstückseigentümer die gebührenpflichtige Leistung des Zweckverbands in Anspruch nehmen, nicht ermittelt werden kann.

60

Zwar kann die Menge des bei der Entleerung anfallenden Fäkalschlamms einer Kleinkläranlage ohne weiteres gemessen werden und sich damit hinsichtlich der reinen Abfuhrleistung als Wirklichkeitsmaßstab darstellen. Diese Leistung beinhaltet aber nur einen Teil der Gesamtleistung. Für die Gesamtleistung, insbesondere die neben der reinen Abfuhr zu erbringenden übrigen Leistungen, stellt die Menge des abgefahrenen Fäkalschlamms aber keinen Wirklichkeitsmaßstab im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V dar, der die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zur dezentralen Schmutzwasserbeseitigung kennzeichnet. Für das Maß der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen ist vielmehr die Menge des zu beseitigenden Abwassers lediglich ein, nicht aber der einzige Parameter. Denn das Maß der Inanspruchnahme wird über die Menge hinaus insbesondere nämlich auch durch die Zusammensetzung des Abwassers und dessen Schadstoffbelastung bestimmt. Da die Gesamtheit der das Maß der Inanspruchnahme prägenden Umstände für den jeweiligen Nutzer nicht bzw. nur mit einem wirtschaftlich unvertretbaren Aufwand festgestellt werden kann, ist es bei der Zusatzgebühr gerechtfertigt, abweichend von einem Wirklichkeitsmaßstab auf einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab nach § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V abzustellen (ebenso OVG Münster, Urt. v. 28. März 2003 – 9 A 615/01 –, juris Rn. 34 ff.; VG Düsseldorf, Urt. v. 11. Juni 2007 – 5 K 6166/06 –, juris Rn. 34 ff.; s. o.; ebenso VG Arnsberg, Urteile v. 27. Okt. 2009, a. a. O., und – 11 K 3054/08 –, jeweils juris Rn. 22; vgl. auch VG Magdeburg, Urt. v. 11. Febr. 2008 – 7 A 306/06 –, juris Rn. 28).

61

bb) Soweit die Klägerin die Gebührenkalkulation unter Hinweis auf ein Verbot der Gleichbehandlung ihrer Kläranlage mit den „typischen“ Kleinkläranlagen angreift, überzeugt dies das Gericht nicht. So wird schon die Behauptung nicht durch Benennung der Fundstelle in der jeweiligen Kalkulation belegt, in den Kalkulationen sei mit Kleinkläranlagen gerechnet worden, die bei einem typischen Frischwasserbezug von durchschnittlich ca. 40 m³ jährlich Klärschlamm in einer Größenordnung von 2 m³ zu entsorgen hätten. Das Gericht kann diese Behauptung nicht in den vorgelegten Gebührenkalkulationen Schmutzwasser für das Jahr 2017 bzw. für die Jahre 2018 bis 2020 finden. Vielmehr sind dort jeweils, im hier relevanten Bereich in der Kalkulation für 2017 unter „A. Leistungen der KA Neukloster und Dorf Mecklenburg“) Kosten der (öffentlichen Einrichtung) „KKA“ sowie unter „B. Leistung der Fäkalienabfuhr“, aufgeführt, in der Kalkulation für die Jahre 2018 bis 2020 als (Teil-)“Kalkulation dezentrale Schmutzwasserbeseitigung über private Kläranlagen (jährliche Schlammabfuhr) Benutzungsgebühr B“ findet sich insoweit wohl lediglich der Posten „Materialaufwand“, der offensichtlich nicht im wörtlichen Sinne zu verstehen ist.

62

Im Übrigen macht die Klägerin im Kern geltend, die Entleerung, Abfuhr und Entsorgung des Klärschlamms aus ihrer (Klein-)Kläranlage sei (deutlich) kostengünstiger als dies bei einer „typischen“ Kleinkläranlage der Fall sei. Hier verkennt die Klägerin, was angesichts ihrer Verbandszugehörigkeit nur verwundern kann, das Solidarprinzip einer öffentlichen Einrichtung bzw. deren Gebührenkalkulation. Letztere ermittelt einen Gebührensatz, der für alle Nutzer der öffentlichen Einrichtung gilt, gerade unabhängig von individuellen Besonderheiten, auch solchen, die zu individuell geringerer Kosten führten als bei anderen Nutzern. So kann auch der Grundstückseigentümer einer Kleinkläranlage, die nur 100 m von dem Betriebshof des Zweckverbands (als typischer Abfahrtspunkt eines Fäkalschlammabholfahrzeugs) und nur 50 m vom Klärwerk des Zweckverbands entfernt liegt, nicht mit Erfolg einwenden, seine Gebühren müssten doch viel geringer sein als bei denjenigen, deren Kleinkläranlagen sich kilometerweit weg von diesen maßgeblichen Punkten befinden. Dies gilt auch, soweit die Klägerin einen wesentlich geringeren Aufwand für die Entsorgung „ihres“ Klärschlamms gegenüber demjenigen einer „normalen“ Kleinkläranlage darzulegen sucht.

63

Schließlich stellt die Klägerin bei ihren Vergleichsberechnungen unzulässig auf die jeweils jährliche anfallende Menge des Fäkalschlamms einer „typischen“ Kleinkläranlage und ihrer Kläranlage ab. Die Fäkalschlammmenge spielt aber bei den Zusatzgebühren der Benutzungsgebühr B keine Rolle, da hier der modifizierte Frischwassermaßstab nach Satzungsrecht gilt. Für die Grundgebühren der Benutzungsgebühr B ist dies ebenfalls irrelevant.

64

c) Die Klägerin dringt auch nicht mit ihrem Einwand aus dem Vorverfahren durch, dass die Satzungen eine jeweilige Regelungslücke für Fälle, in denen keine Kleinkläranlage vorliege, enthielten, sondern den Betrieb einer kommunalen Kläranlage beträfen.

65

aa) Zum einen stellen die Satzungen nicht auf eine Kleinkläranlage ab, sondern sprechen von „privaten Kläranlagen“. § 1 Abs. 1 lit. b der Schmutzwassersatzung errichtet insoweit eine öffentliche Einrichtung zur dezentralen Schmutzwasserbeseitigung (Entleeren, Transportieren und Behandlung des in privaten Kläranlagen anfallenden Schlammes und des Inhaltes aus abflusslosen Gruben). Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 sowohl der Gebührensatzung Schmutzwasser I als auch der Gebührensatzung Schmutzwasser II werden die Benutzungsgebühren erhoben als Benutzungsgebühr B für jene Grundstücke, die an die öffentliche Einrichtung zur dezentralen Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen sind und über eine private Kläranlage entsorgt werden. Gebührenmaßstab für die Zusatzgebühr der Benutzungsgebühr B ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Gebührensatzung Schmutzwasser I die Menge an Schmutzwasser, die der privaten Kläranlage zugeführt wird, nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Gebührensatzung Schmutzwasser II die Menge an Schmutzwasser, die der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung zugeführt wird (zur korrekten Auslegung dieser Vorschrift s. o.). Eine solche private Kläranlage liegt auch hier vor, mag sie auch von der Klägerin, einer Gemeinde, betrieben werden. Es ist nichts dafür vorgetragen, dass es sich um eine öffentliche Einrichtung der besonderen Art (sui generis) handelt oder auf sonst welcher öffentlich-rechtlichen Grundlage betrieben wird. Dies gälte sogar dann, wenn die Gemeinde ihrerseits (dann rechtswidrig) bislang den Aufwand für den Betrieb ihrer Kläranlage durch Verwaltungsakte anteilig von den weiteren Nutzern dieser Anlage einfordern sollte.

66

bb) Zum anderen hat die Kläger auch nicht einmal hinreichend dargelegt bzw. nachgewiesen, dass ihre Kläranlage, die allerdings immerhin 37 Grundstücke abwasserentsorgen soll, keine Kleinkläranlage ist. Kleinkläranlage ist nach § 2 Abs. 6 der Verordnung über die Verwertung von Klärschlamm, Klärschlammgemisch und Klärschlammkompost vom 27. September 2017 (und ebenso nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der Vorgängerverordnung) eine Abwasserbehandlungsanlage, aus der weniger als acht Kubikmeter je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser eingeleitet wird. Ob diese tägliche Schmutzwassermenge bei der Kläranlage der Klägerin überschritten wird, behauptet sie nicht einmal, geschweige denn wird dies nachgewiesen.

67

II. Auch liegen keine Fehler bei der Heranziehung der Klägerin zu diesen Schmutzwassergebühren vor.

68

1. Der Festsetzung der Benutzungsgebühr B steht zum einen keine abweichende öffentlich-rechtliche Vereinbarung entgegen.

69

a) Zum einen dürfte die Klägerin die Existenz eines solchen öffentlich-rechtlichen Vertrags mit dem Zweckverband nicht nachgewiesen haben.

70

aa) Keiner der Beteiligten konnte einen schriftlichen Vertrag dieser Art vorlegen.

71

bb) In den Verwaltungsvorgängen der Beklagten befindet sich lediglich eine gefaxte Seite eines – laut Betreffzeile – „Gesprächsprotokoll(s) / Vereinbarung über Schlammentsorgung KA“ der Klägerin selbst vom 25. September 2003 an den Zweckverband, das wohl offenbar den Inhalt dieses Gesprächs unbenannten Datums wiedergeben soll. Da in der oberen Zeile des Telefaxes „Seite 2 von 2“ steht, ist allein schon deshalb zu vermuten, dass es noch eine weitere Seite gibt. Dafür spricht auch, dass der formelle Abschluss eines Schreibens (Grußformel) und die Unterschrift(en) fehlen. Außerhalb von Sonderfällen wie dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben im Zivilrecht reicht es schon grundsätzlich nicht aus, wenn nur eine Seite eine angebliche (mündliche) Vereinbarung schriftlich zu fixieren sucht.

72

Allerdings könnte die offenbar jahrelange Praxis des Zweckverbands, „auf Grundlage der Vereinbarung vom 25.09.2003 … für die Entsorgung des Klärschlamms aus der Kläranlage der … (Klägerin)“ Leistungen zu berechnen und sie offenbar mit einem „Kostenerstattungsbescheid“ (vorgelegt hat die Klägerin einen solchen vom 9. Februar 2017) geltend zu machen, dafür sprechen, dass es jedenfalls eine solche mündliche Abrede zwischen den Beteiligten gegeben hat.

73

b) Ungeachtet der Frage, ob eine solche mündliche Vereinbarung im öffentlichen Recht wirksam und nicht wenigstens ob ihres Inhalts unwirksam ist, wäre sie zum anderen jedenfalls aber mit dem Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 2. Mai 2018 konkludent gekündigt worden. So benennt die Beklagte dort auf Seite 2, dass es problematisch sei, dass „… (die Klägerin) und die angeschlossenen weiteren privaten Einleiter seit mehr als einem Jahrzehnt nicht, wie alle anderen Betreiber von Kleinkläranlagen in der Gemeinde Lübberstorf die … Schmutzwassergebühr - dezentral/jährliche Abfuhr-Grundgebühr … Zusatzgebühr gemäß dem Frischwasserbezug …, sondern einen speziellen Preis für die Entsorgung des anfallenden Klärschlamms in Höhe von 37,53 EUR/m³ … zahlen.“ Nach weiteren kritischen Anmerkungen zu dieser „besondere(n) Einzelfallregelung“, so die Beklagte weiter, „… darf dieser Sonderpreis nicht weiter angewendet werden(,) (s)ondern alle Nutzer der Anlage … müssen die Schmutzwassergebühr dezentral bezahlen …“. Neben weiteren Ausführungen, die ebenfalls diese Auslegung ergeben, liegt darin mindestens eine Kündigung der – unterstellten – mündlichen Vereinbarung aus dem Jahre 2003. Dies wird vor allem auch durch den folgenden Satz deutlich: „… Ab dem Verbrauchszeitraum 2017/2018 werden daher alle Grundstückseigentümer(,) deren Grundstücke an die Anlage angeschlossen sind, ebenfalls zur satzungsgemäßen Schmutzwassergebühr herangezogen werden müssen …“.

74

c) Schließlich wäre ein solcher öffentlich-rechtlicher (mündlicher) Vertrag zwischen einer verbandsangehörigen Gemeinde und dem Zweckverband ohnehin nichtig gewesen.

75

Zwar gelten die Nichtigkeitsgründe nach § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) oder § 138 BGB analog jedenfalls nicht kraft des im kommunalen Abgabenrecht nicht anwendbaren § 59 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes. Es gilt nach § 12 Abs. 1 KAG M-V vielmehr grundsätzlich die Abgabenordnung. Die dort zu findenden Vorschriften der §§ 78 Nr. 3, 224a AO sind insoweit nicht identisch mit der genannten Norm; die Abgabenordnung enthält keine den §§ 54 ff. VwVfG M-V entsprechenden Regelungen (Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 54 Rn. 52 m. w. N.).

76

Dennoch wäre ein solcher öffentlich-rechtliche Vertrag mit einer offenkundigen Begünstigung einer verbandsangehörigen Gemeinde (und privater Dritter), die ihr(e) Abwässer in eine Kleinkläranlage einleitet (einleiten), nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, die auch im öffentlichen Recht und ebenso im kommunalen Abgabenrecht gelten, grob treuwidrig (vgl. auch Tegethoff, a. a. O. mit Rechtsprechungsnachweisen zu unzulässigen öffentlichen Verträgen, die Kernbereiche des Abgabenrechts betreffen). Es gibt für das Gericht keinen sachlichen Grund, hier aus dem Solidarprinzip auszuscheren und günstigere Konditionen zu erhalten als alle anderen anschluss- und benutzungspflichtigen Nutzer dieser öffentlichen Einrichtung, noch dazu als verbandsangehörige Gemeinde.

77

Ebenso wenig beeinflusst der Bescheid der Landrätin des Landkreises Nordwestmecklenburg als Untere Wasserbehörde vom 11. Dezember 2017 zur von der Beklagten beantragten Befreiung von der Abwasserbeseitigungspflicht u. a. der hier streitgegenständlichen Flurstücke des gemeindlichen Grundstücks die Rechtmäßigkeit der Heranziehung zu den hier streitgegenständlichen Schmutzwassergebühren. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 des Wassergesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern umfasst die Abwasserbeseitigungspflicht bei Kleinkläranlagen zwar auch das Entleeren und Transportieren des anfallenden Schlammes. Der Bescheid befreit den Zweckverband insoweit aber gerade nicht vollumfänglich von der Abwasserbeseitigungspflicht für diese Flurstücke, denn er bleibt bei Kleinkläranlagen mindestens für das Entleeren und den Transport des Fäkalschlamms ausdrücklich abwasserbeseitigungspflichtig, ebenso dann auch für die Beseitigung dieses abgefahrenen Fäkalschlamms.

78

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.

79

Von Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kosten dieses Verfahrens sieht das Gericht ab (vgl. die „Kann“-Bestimmung in § 167 Abs. 2 VwGO). Die obsiegende Beklagte kann mangels anwaltlicher Vertretung nur sehr geringe außergerichtliche Kosten geltend machen. Zudem steht ihr auf Klägerseite eine insolvenzunfähige Gemeinde gegenüber.

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