Beschluss vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - 8 K 1499/03

Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller mit seinem Hund „G.“ zu einer Prüfung gemäß § 1 Abs. 4 der Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Tiere vom 03.08.2000 zuzulassen.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller trägt 2/3, die Antragsgegnerin 1/3 der Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 3000.-EUR festgesetzt.

Gründe

 
Es geht um die einstweilige Entscheidung der Fragen, ob der Antragsteller den American Staffordshire Terrier „G.“  ohne Erlaubnis (Antrag 1) - oder mit vorläufiger Erlaubnis (Antrag 2) - halten darf und ob jedenfalls dieser Hund zu einem zweiten „Wesenstest“ zuzulassen ist (Antrag 3).
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dazu sind nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO der durch die einstweilige Anordnung zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb die einstweilige Anordnung ergehen soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen, d.h. mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit darzutun. Dies ist dem Antragsteller nur hinsichtlich der Wiederholung des „Wesenstests“ gelungen. Hinsichtlich des ersten und zweiten Antrags fehlt es an einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch, d.h. der überwiegenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass es für den begehrten einstweiligen Ausspruch eine Anspruchsgrundlage gibt.
1. Der Hauptantrag „die Rücküberlassung der Hündin „G.“ ... vom Tierheim T. an den Antragsteller vorläufig zu genehmigen“ bleibt ohne Erfolg. Ihm steht die Bestandskraft des Bescheids der Antragsgegnerin vom 03.12.2001 entgegen (a); ein Anspruch auf Wiederaufgreifen mit dem Ergebnis der Aufhebung des Bescheids besteht nicht (b).
a) Die Antragsgegnerin hat mit diesem Bescheid - bestandskräftig, da gegen den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums T. vom 15.05.2002 nicht vorgegangen wurde - dem Antragsteller u.a. die Haltung des oben genannten Hundes untersagt und aufgegeben, ihn einem Tierheim vertraglich zu überlassen. Dies hat der Antragsteller getan, indem er den Hund aufgrund Vertrags vom 07.01.2002 dem Tierheim des Tierschutzvereins T. und Umgebung e.V. überließ. Die begehrte Rücküberlassung ist das Gegenteil von  verfügtem Haltungsverbot und Abgabepflicht. Damit steht dem Begehren die Bestandskraft des Bescheids entgegen.
b) Das insoweit bei der Antragsgegnerin beantragte - und von ihr mit Schreiben vom 04.08.2003 versagte - Wiederaufgreifen gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG kann der Antragsteller rechtlich nicht beanspruchen:
aa) Das von ihm hierfür herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.07.2002 (DVBl. 2002, 1562 ff.) zur niedersächsischen Gefahrtierverordnung sagt bezüglich der für den Hauptantrag maßgeblichen Frage nichts Entscheidendes gegen die insoweit einschlägigen Regelungen der baden-württembergischen Polizeiverordnung über das Halten gefährlicher Tiere vom 03.08.2000 (Gesetzbl. 2000, 574 ff.). Die Kammer folgt der Einschätzung des VGH Baden-Württemberg mit Beschluss vom 06.05.2003 (1 S 411/03), worin dargelegt wird, dass insoweit der niedersächsischen Gefahrtierverordnung einerseits und der genannten Polizeiverordnung andererseits unterschiedliche Regelungskonzepte zugrunde liegen: Dem oben genannten Bescheid der Antragsgegnerin liegt zugrunde, dass der Hund „G.“ die Verhaltensprüfung zum Nachweis dafür, dass - entgegen der Vermutung wegen seiner Rasse gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung - keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit vorliegt, nicht bestanden hat und damit die vermutete Eigenschaft als „Kampfhund“ nicht widerlegt ist. Mit den hier bislang getroffenen Maßnahmen wird deshalb nicht allein wegen der Rassezugehörigkeit und eines bloßen Gefahrenverdachts daraus ohne - hier fehlende - spezielle gesetzliche Grundlage in unzulässiger Weise eingegriffen (so BVerwG U. v. 03.07.2002, a.a.O.; BVerwG U. v. 20.08.2003 6 CN 2.02 zur Hundehalterverordnung Brandenburg). Die Anknüpfung von Maßnahmen allein an die Rassezugehörigkeit - dazu bei Antrag 3) - ist im vorliegenden Hauptantrag nicht einschlägig und war in dem vom Verwaltungsgerichtshof im o.g. Beschluss entschiedenen Fall nicht Streitgegenstand.
bb) Auch soweit der Antragsteller das Wiederaufgreifen auf ein von ihm privat eingeholtes Gutachten (Dr. med. vet. U. B., O., vom 14.05.2003) zum Wesen des Hundes „G.“ (Vorliegen von gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren, was Dr. B. für die von ihr getesteten Situationen verneint) stützt, führt dies nicht weiter:
Da für den Hund „G.“ die Vermutung „Kampfhund“ zu sein, nicht widerlegt wurde, bedarf es - da keine Anzeige der Haltung gem. § 3 Abs. 4 S. 1 der Verordnung durch den Antragsteller erfolgte - gem. § 3 Abs. 2 der Verordnung einer Haltungserlaubnis. Diese liegt aber nicht vor und konnte nach Ansicht der Behörden mangels Zuverlässigkeit des Antragstellers und wegen fehlenden berechtigten Interesses an der Haltung auch nicht erteilt werden, weshalb gem. § 3 Abs. 3 der Verordnung dem Antragsteller die Haltung des Hundes untersagt wurde. Diese Sach- und Rechtslage beruht also letztlich auf dem nicht bestandenen amtlichen „Wesenstest“. Eine andere Sach- und Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 LVwVfG setzte jedenfalls voraus, dass der Nachweis fehlender gesteigerter Aggressivität bzw. Gefährlichkeit inzwischen geführt worden wäre. Dies ist aber nicht der Fall: Denn die Feststellung gem. § 1 Abs. 4, dass die Vermutung der Eigenschaft als Kampfhund nach Abs. 2 widerlegt ist, erfolgt aufgrund einer amtlichen Prüfung. Zuständig für diese Prüfung ist die Polizeibehörde gem. § 1 Abs. 4 S. 2, 3 der Verordnung; die Prüfung wird durch einen im öffentlichen Dienst beschäftigten Tierarzt und einen sachverständigen Beamten des Polizeivollzugsdienstes durchgeführt. Diese durch die Verordnung verlangte amtliche Prüfung kann nicht durch einen privaten Test ersetzt werden. Dies ist nach der Verordnung eindeutig und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Deshalb ist das Gutachten der Frau Dr. B. auch kein neues Beweismittel, welches eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 2 LVwGO).
Ist aber derzeit von einem „Kampfhund“ auszugehen, so fehlt es für die dann notwendige Haltungserlaubnis zum einen am berechtigten Interesse des Antragstellers an der Haltung gerade dieses „Kampfhunds“, nachdem er die rechtzeitige Anmeldung gem. § 3 Abs. 4 S. 1 der Verordnung nicht vornahm, und weiter an der im Verfahren auf einstweilige Anordnung notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass gegen seine Zuverlässigkeit keine Bedenken im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 der Verordnung bestehen. Hierzu liegen folgende Umstände vor:
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Nach Nr. 3.2.2 S. 1 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums und des Ministeriums für Ernährung und ländlicher Raum zur Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums für Ernährung und ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde vom 15.12.2003 (GABl. 2004, 166 ff.) besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel solche Personen nicht, die - etwa - wiederholt oder gröblich gegen als Ordnungswidrigkeit ausgestaltete Ge- oder Verbote der Verordnung verstoßen haben. So ist es beim Antragsteller: Er hat - unstreitig - im Juli 2001 dreimal gegenüber der Polizei erklärt, sein Hund, mit dem er außerhalb des befriedeten Besitztums ohne Maulkorb angetroffen wurde, müsse den Maulkorb nicht tragen, da er - was bewusst wahrheitswidrig war - den „Wesenstest“ bestanden habe; in zwei Fällen gab der Antragsteller ebenfalls bewusst wahrheitswidrig an, dass er darüber eine Bescheinigung des Bürgermeisteramts der Antragsgegnerin besitze, diese aber gerade nicht mit sich führe. Schon mit dem Nichtanlegen des Maulkorbs hat der Antragsteller dreimal gegen die Ordnungswidrigkeitsvorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 8 der Verordnung verstoßen. Außerdem hat er die Ordnungswidrigkeit des § 8 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung verwirklicht, da er den Hund ohne Haltungserlaubnis hielt, welche er aber benötigte, da er seinen Hund entgegen § 3 Abs. 4 S. 1 der Verordnung nicht bis 12.09.2000 bei der Ortspolizeibehörde angezeigt hatte. In Verbindung mit den bewusst wahrheitswidrigen Angaben gegenüber der Polizei zeigte sich im Zeitpunkt der Taten, welche auch durch Bußgeldbescheide geahndet wurden, die Unzuverlässigkeit des Antragstellers im Hinblick auf die Haltung eines in der Verordnung genannten Hundes. Davon ging auch die Kammer im Beschluss vom 24.01.2002 - 8 K 2032/01 - aus. Allerdings wird nicht verkannt, dass seitdem fast drei Jahre vergangen sind und manches dafür sprechen mag, dass der Antragsteller aus dem Geschehen gelernt hat. Andererseits ist aber auch zu erwägen, ob der Antragsteller, der nach eigenem Vortrag emotional sehr an seinem Hund hängt, damals das Anlegen des Maulkorbs deshalb unterließ, weil sein Hund - wie dem Berichterstatter durch die Tierheimleiterin auf Anfrage mitgeteilt wurde - den Maulkorb nur sehr ungern trägt und sich dagegen sträubt. In diesem Fall könnte auch heute noch die Gefahr bestehen, dass der Antragsteller dem Hund gegenüber nachgiebig wird und den Maulkorb nicht anlegt. Jedenfalls ist im Eilverfahren nicht hinreichend, d.h. überwiegend wahrscheinlich, glaubhaft gemacht, dass jegliche Bedenken im Hinblick auf die früher fehlende Zuverlässigkeit ausgeräumt sind.
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2. Der erste Hilfsantrag, „die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller ... vorläufig die Erlaubnis zum Halten des Hundes „G.“ ... zu erteilen, bleibt ebenfalls erfolglos. Auch ihm steht die oben genannte bestandskräftige Verfügung entgegen (a), wobei kein Anspruch auf Wiederaufgreifen im Sinne des Begehrens besteht (b).
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a) In der genannten Verfügung wurde die Haltung des Hundes durch den Antragsteller untersagt, da die notwendige Haltungserlaubnis nach Ansicht der Erstbehörde und der Widerspruchsbehörde nicht erteilt werden konnte, weil u.a. beim Antragsteller Bedenken hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit bestehen und weil gem. § 3 Abs. 3 der Verordnung deshalb die Untersagung der Haltung ausgesprochen wurde. Bei der Versagung der Haltungserlaubnis handelt es sich zwar nicht um eine Regelung (schon) im Bescheidtenor, aber andererseits auch nicht um eine bloße Vorfrage im Rahmen der Begründung des Bescheids. Vielmehr geht es hier um ein Tatbestandsmerkmal der Eingriffsnorm des § 3 Abs. 3, wobei die Rechtsfolge der Haltungsuntersagung zwingende Konsequenz der Nichterteilung der Haltungserlaubnis ist. Bei der hier erfolgten Verknüpfung von Versagung der Haltungserlaubnis mit Untersagung der Haltung ist die Erlaubnisversagung Entscheidungsgegenstand, nicht bloß Begründung, und von der Bindungswirkung der Bestandskraft umfasst (vgl. zu Regelungsumfang und Bindungswirkung, Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage, § 35 RdNr. 79 ff., 43 RdNr. 53 ff.).
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Dieser Regelungsgehalt steht damit auch dem Begehren im ersten Hilfsantrag entgegen.
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b) Da die nicht ausgeräumten Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers ebenso wie das Fehlen eines berechtigten Interesses an der Haltung gerade dieses „Kampfhunds“ der erforderlichen Haltungserlaubnis und damit auch in der gewünschten vorläufigen Form entgegenstehen, ist auch keine Änderung der Sach- und Rechtslage bzw. ein neues Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 LVwVfG dargetan.
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3. Jedoch hat der zweite Hilfsantrag „die Antragsgegnerin wird verpflichtet, hinsichtlich des Hundes ... G. eine weitere Verhaltensprüfung ... durchzuführen“ Erfolg.
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a) Diesem Antrag steht die Bestandskraft der Verfügung vom 03.01.2001 nicht entgegen. Zwar liegt der nicht bestandene „Wesenstest“ letztlich der Untersagung der Haltung zugrunde, jedoch ist dieses Nichtbestehen nicht Entscheidungsinhalt im Sinne des Regelungsgegenstands Untersagung, sondern nur tatsächliche Grundlage der rechtlichen Bewertung, dass der Hund als Kampfhund gilt, was Voraussetzung der Notwendigkeit der Haltungserlaubnis, ihrer Versagung und schließlich der Untersagung ist. Solche Vorfragen nehmen aber nicht an der Bindungswirkung der Untersagung der Hundehaltung im Bescheid teil (vgl. Stelkens, a.a.O., § 43 RdNr. 57 ff.).
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b) Bei der hier im Rahmen des Verfahrens nach § 123 VwGO vorzunehmenden umfassenden Abwägung von Eilbedürftigkeit, Erfolgsaussichten in der Hauptsache und Folgen von Erlass oder Ablehnung (vg. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 11. Auflage, § 123 RdNr. 14;) erscheint der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung überwiegend geboten.
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aa) Für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist erstens maßgeblich, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Anspruch auf Wiederholung der Verhaltensprüfung besteht.
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Die Verordnung selbst regelt die Frage der Wiederholung der Verhaltensprüfung nicht: In § 1 Abs. 4, welcher allein Aussagen zu dieser Prüfung macht, findet sich keinerlei Aussage zu einer Wiederholung. Nach Ansicht der Kammer schließt die Verordnung eine Prüfungswiederholung nicht aus. Die Verwaltungsvorschrift zu Verordnung (v. 15.12.2003 in GABl. 2004, 166), welche in Nr. 1.4.3 eine Prüfungswiederholung ausschließt, bindet das Gericht nicht, da sie insoweit rechtswidrig ist.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 03.07.2002, a.a.O; v. 20.08.2003, a.a.O., S. 12, 13) ist wissenschaftlich nicht gesichert, welche Bedeutung dem Faktor der Rassezugehörigkeit neben zahlreichen anderen Ursachen wie Erziehung und Ausbildung des Hundes, Sachkunde und Eignung des Halters sowie situative Einflüsse für die Auslösung aggressiven Verhaltens zukommt. Deshalb steht nach Ansicht der Kammer auch nicht hinreichend fest, dass es ausgeschlossen ist, dass ein Hund eine derart positive Weiterentwicklung durch Erziehung und Ausbildung - auch des Hundehalters - oder bei Halterwechsel haben kann, dass bei ihm keine gesteigerte Aggressivität mehr besteht. Gleichwohl sollen, wenn man eine Wiederholungsprüfung verneint, die u. U. sehr schwerwiegenden Folgen des Nichtbestehens der Erstprüfung bestehen bleiben. So kann etwa, bei Zuverlässigkeitsbedenken wie hier, das einmalige Nichtbestehen zur lebenslänglichen Einzelzwingerhaltung im Tierheim mit ihren Folgen oder gar einer Tötung, wie sie die Antragsgegnerin im Schreiben vom 08.01.2002 schon angekündigt hat oder diese auch aus finanziellen Gründen aus Sicht eines Tierheims sich als notwendig erweisen kann, führen. Dies erscheint unverhältnismäßig nicht nur im Hinblick auf die Grundrechte des Hundehalters, nämlich sein Eigentum (Art. 14 GG) und die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Interessen am Fortbestand der sozialen Beziehungen zu seinem Tier (so Hamburgisches Oberverwaltungsgericht in NVwZ 2001, 1309), sondern maßgeblich auch aus Tierschutzgründen. Der Tierschutz ist nunmehr in Art. 20 a GG (seit der Fassung vom 20.07.2002) verfassungsrechtlich verankert und als Staatsziel im Verfassungsrang bei der Anwendung und Auslegung von Normen zu beachten (vgl. hierzu Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, Art. 20 a GG, RdNr. 3 mit Zitat der amtlichen Begründung, nach welcher dem ethischen Tierschutz damit Verfassungsrang verliehen wird, RdNr. 16 ff.; von Loeper in Kluge, Tierschutzgesetz, Einführung, RdNr. 104 ff.).
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Dem gegenüber stehen nicht derart gewichtige Umstände, welche gegen jegliche Wiederholungsmöglichkeiten sprächen. Soweit hier eingewandt wird, bei Einräumen einer Wiederholungsmöglichkeit könnten ungeeignete, weil in Wirklichkeit immer noch gesteigert aggressive, Hunde durch das Antrainieren aggressionslosen Verhaltens in den nach einer ersten Prüfung bekannten bestimmten Prüfungssituationen zu Unrecht positiv beurteilt werden, kann dem durch sorgfältige und kompetente Prüfung, etwa mit Änderungen der Situationen und Anforderungen und durch ergänzende Prüfungsinhalte (vgl. Nr. 1.4.3 der Verwaltungsvorschriften: „in Zweifelsfällen.....ergänzende Prüfungen..“), begegnet werden.
22 
Geht man, wie die Verordnung dies tut, davon aus, dass der „Wesenstest“ grundsätzlich geeignet ist, eine gesteigerte Aggressivität zu erkennen oder auszuschließen, und nimmt die Verordnung das auch nach Bestehen gegebene „Restrisiko“ hin, welches hier der Natur der Sache nach vorliegt, so erscheint ein absoluter Ausschluss einer Wiederholung  unverhältnismäßig.
23 
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass zum konkreten Ablauf des „Wesentests“ im Jahre 2001, welcher nur unzureichend schriftlich und nicht durch (Video-)Bilder dokumentiert ist, verschiedene Angaben und Bewertungen - einerseits des Antragstellers, andererseits der Prüfungsabnehmenden - vorliegen, wobei beim derzeitigen Erkenntnisstand nicht von vornherein auszuschließen ist, dass bei dem Hund keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit vorlag. Durch das o.g. Gutachten der Tierärztin Dr. B. und den darüber vorgelegten Videofilm sind inzwischen - nach dem Beschluss der Kammer vom 24.01.2002 (8 K 2032/01) aufgrund damaliger Erkenntnismöglichkeit - stichhaltige Anhaltspunkte dafür vorgebracht, dass die Bewertung aufgrund des damaligen Tests das Wesen des Hundes möglicherweise nicht zutreffend erfasst hat. Diese Unterlagen sprechen dafür, dass beim Hund „G.“ keine gesteigerte Aggressivität besteht. Darauf deuten die überzeugenden differenzierten schriftlichen Angaben der Gutachterin und die dazu passenden Videobilder des Testablaufs, welcher wesentliche Elemente der amtlichen Prüfung enthielt, in nachvollziehbarer Weise hin. Danach zeigte die Hündin zwar immer wieder deutliche Anzeichen einer gewissen Unsicherheit oder auch Angst, jedoch folgte daraus nur ein Drohverhalten, welches das angemessene Maß nicht überschritt. Dass die Gutachterin insgesamt die Eignung der Testsituationen des amtlichen „Wesenstests“ zur umfassenden Beurteilung in Frage stellt, sollte zwar dazu führen, diese Prüfung zu optimieren, kann aber, solange der Verordnungsgeber den Test als typischerweise hinreichend geeignet ansieht, um Gefahrenvorsorge zu betreiben, nicht zuungunsten des Begehrens des vorliegenden Falles gewertet werden. Solange der Test nicht als völlig ungeeignet angesehen werden muss, kann er dem Antragsteller schon aus Gleichheitsgründen nicht verwehrt werden.
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bb) Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist auch in zeitlicher Hinsicht dringlich:
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Allerdings steht die Anfangs angegebene Schließung des Tierheims nicht (mehr) im Raum. Jedoch dürfte der Hund G., da er wegen gewisser Unverträglichkeit mit anderen Hunden im Tierheim nicht in einer Gruppe oder zusammen mit einem einzelnen anderen Hunden, sondern nur allein im Zwinger gehalten werden kann, dort keine wirklich artgemäße Haltung haben. Zwar hat er den bisherigen Aufenthalt wohl einigermaßen überstanden,  nachdem bislang wohl keine gravierenden Verhaltensauffälligkeiten sichtbar geworden sind. Jedoch besteht die ernsthafte Gefahr, dass nach dem inzwischen jahrelangen Aufenthalt ein „Zwingerkoller“ mit stereotypen Zwangshandlungen eintritt, was Ausdruck eines seelischen Leidens wäre. Die Leiterin des Tierheims T. hat in einem Telefongespräch mit dem Berichterstatter angegeben, dass eine solche Entwicklung, wenn sie eintritt, schnell fortschreitet und „schlimm“ ist.
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cc) Durch den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung tritt keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung ein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ( NVwZ 2003, 1112)  liegt eine nur ausnahmsweise zulässige Vorwegnahme nur dann vor, wenn die begehrte einstweilige Entscheidung faktisch einer endgültigen gleich käme, was nicht schon deshalb der Fall ist, weil die vorläufige Regelung als solche , d.h. für die Zeit ihrer Geltung, nicht rückgängig gemacht werden kann. So ist es hier: Falls die anhängige Klage (8 K 872/04) auf „Wesenstestwiederholung“ erfolglos bleiben sollte, könnten die Folgen des bestandenen „Wesenstests“ ab dann rückgängig gemacht werden.  
27 
dd) Auch die Folgenabwägung bei einer einstweiligen Stattgabe einerseits und Ablehnung andererseits (zur Folgenabwägung sogar als alleinige Grundlage: Bundesverfassungsgerichts in NVwZ - RR 2001, 694, DVBl 2003, 265 und NVwZ 1997, 479; VGH Baden-Württemberg B. v. 14.09.2001  9 S 2061/01 ) spricht für das einstweilige Begehren, nochmals eine Chance zur Widerlegung der „Kampfhundvermutung“ zu erhalten:
28 
Bei einem - wiederum - nicht bestandenen „Wesenstest“ bestünde keine größere Gefahr für die öffentlichen Interessen als bisher, da es bei dem derzeitigen Zustand bliebe. Bei einem bestandenen „Wesenstest“, der zweifellos auch ergänzende Inhalte (vgl. 1.4.3 der Verwaltungsvorschriften) enthalten dürfte, was eine umfassendere Beurteilung ermöglichen sollte, bestünde  das oben genannte Restrisiko, welches vom Verordnungsgeber schon bei einer ersten „normalen“ Verhaltensprüfung in Kauf genommen wird.
29 
ee) Der einstweiligen Anordnung steht schließlich auch nicht entgegen, dass sie dem eigentlichen Begehren des Antragstellers, den Hund G. wieder selbst halten zu können, nicht dienen könnte. Dies wäre allerdings der Fall, wenn entweder die erfolgte Überlassung des Tieres an das Tierheim bedeuten würde, dass der Antragsteller den Hund vom Tierheim selbst zur Durchführung der Verhaltensprüfung nicht mehr erhält und/oder die noch nicht ausgeräumten Zuverlässigkeitsbedenken dazu führten, dass der Antragsteller den Hund auch nach bestandener Prüfung nicht haben dürfte, weil ihm die Haltung sofort wieder untersagt werden müsste.
30 
Unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller mit dem Vertrag vom 07.01.2002 dem Tierheim Eigentum (und Besitz) oder nur Besitz bzw. Verfügungsbefugnis verschafft hat, ist im einstweiligen Anordnungsverfahren hinreichend glaubhaft gemacht, dass er den Hund vom Tierheim zur Durchführung des „Wesenstests“ - unter Aufsicht eines Beobachters des Tierheims - erhält und bei Bestehen zurückerhalten kann, wenn er mit dem Hund eine ständige Erziehungsausbildung macht und einen Teil der Kosten, etwa  Kosten für die Kastration, übernimmt. Dies hat die Leiterin des Tierheims T., Frau M., dem Berichterstatter telefonisch mitgeteilt. Nachdem der Antragsteller nach unstreitigem Vortrag schon vor Abgabe des Tieres an das Tierheim mit dem Hund zweimal wöchentlich im Hundesportverein T. Ausbildung vornahm und sich bereit erklärte, die Kastrationskosten zu tragen, ist überwiegend wahrscheinlich, dass das Tierheim, schon allein deswegen, weil es den Platz für andere Tiere benötigt, die Rückgabe vornehmen wird.
31 
Auch die Zuverlässigkeitsbedenken stehen nicht entscheidend entgegen. Allerdings gilt nach § 4 Abs. 1 S. 2 der Verordnung bei Hunden im Sinne von § 1 Abs. 2, also solchen der Rasse American Staffordshire Terrier, auch wenn sie den „Wesenstest“ bestanden haben, die Vorschrift des § 3 Abs. 4 S. 3, wonach die Haltung zu untersagen ist, wenn Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Halters bestehen. Diese Regelung erscheint der Kammer aber rechtswidrig: Nach den oben genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.07.2002 und 20.08.2003 kann der Verordnungsgeber nicht allein an die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten Rasse anknüpfen, wenn er auf der Grundlage des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts, d.h. ohne die Grundlage eines Gesetzes, den Schutz der Bevölkerung vor den von Hunden ausgehenden Gefahren verbessern will. In der Entscheidung vom 03.07.2002 ist zur Frage der Anforderungen an die Hundehaltung nach einem bestandenen „Wesenstest“ ausgeführt:
32 
Der Gesichtspunkt des Gefahrerforschungseingriffs kann nach allgemeinem Gefahrenabwehrrecht - also ohne gesetzliche Grundlage - „es aber allenfalls rechtfertigen, dass Hunde bestimmter Rassen einem Wesenstest zugeführt werden müssen und dass nach Bestehen dieses Test keine weiteren Anforderungen an die Hundehaltung gestellt werden, weil dann der Gefahrenverdacht ausgeräumt ist. Die GefTVO beruht jedoch auch in Bezug auf die in Anl. 1 erwähnten Hunderassen und Kreuzungen nicht auf einem solchen Konzept. Denn der Verordnungsgeber geht davon aus, dass trotz des Bestehens des Wesenstests eine erhöhte Gefährlichkeit weiter gegeben ist. Die Anforderungen ... an die sichere Haltung und die Eignung und Sachkunde des Halters ... die besonderen Gebote hinsichtlich der Führung des Hundes ... beanspruchen Geltung auch nach bestandenem Wesenstest.“
33 
Die vom Bundesverwaltungsgericht beanstandete Anknüpfung allein an die Rassezugehörigkeit bei Erlass einer Verordnung auf der Grundlage der polizeilichen Generalermächtigung liegt teilweise auch bei der baden-württembergischen Polizeiverordnung über das Halten gefährlicher Hunde vor: So knüpfen etwa das in § 4 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 3 Abs. 4 S. 3 geregelte Haltungsverbot wegen mangelnder Zuverlässigkeit bzw. Sachkunde des Halters und die in § 4 Abs. 3 S. 1 geregelte Leinenpflicht allein an die Rassezugehörigkeit an, da sie auch nach bestandenem „Wesenstest“ nur wegen der Rasse gelten sollen.
34 
Zur Klarstellung sei (nochmals) darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof im o.g. Beschluss vom 6.5.2003 darüber nicht entschieden hat, da  es dort nur um Maßnahmen nach nicht bestandenem „Wesenstest“ ging, also nicht allein an die Rasse, vielmehr an das individuelle Verhalten des Hundes angeknüpft wurde.
35 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S.1 VwGO.
36 
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 25, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 1,2, 19 Abs. 1 S.2,3 GKG, 5 ZPO entsprechend.

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