Beschluss vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - 5 K 377/22

Tenor

Der Vollstreckungsschuldnerin wird ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR für den Fall angedroht, dass sie bis zum 22.03.2022 nicht der ihr durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 05.10.2021 - A 5 K 1239/21 - auferlegten Verpflichtung nachkommt, über den Asylantrag des Vollstreckungsgläubigers vom 25.08.2020 zu entscheiden.

Die Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
Zur Entscheidung über den Vollstreckungsantrag ist die Kammer als Gericht des ersten Rechtszugs im Sinne der §§ 167 Abs. 1 Satz 2, 172 Satz 1 VwGO berufen, da sich das im Erkenntnisverfahren erklärte Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nicht ohne Weiteres auf das Vollstreckungsverfahren erstreckt (vgl. Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 41. EL Juli 2021, § 87a VwGO Rn. 24; Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 172 Rn. 27).
Der Antrag des Vollstreckungsgläubigers hat vollumfänglich Erfolg und führt zur tenorierten Androhung eines Zwangsgelds.
Gemäß § 172 Satz 1 VwGO kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag durch Beschluss gegen die Behörde unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis 10.000,-- EUR androhen, wenn die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 5 VwGO der ihr im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Liegen die Vollstreckungsvoraussetzungen vor, besteht ein Anspruch des Vollstreckungsgläubigers auf gerichtliches Tätigwerden; lediglich hinsichtlich der Höhe des Zwangsgelds und der Dauer der Vollstreckungsfrist ist dem Gericht Ermessen eingeräumt.
Ein zu vollstreckender Titel im Sinne des § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO liegt in Gestalt des
Urteils des Verwaltungsgerichts vom 05.10.2021 - A 5 K 1239/21 - vor, mit dem die Vollstreckungsschuldnerin dazu verpflichtet worden ist, über den Asylantrag des Klägers vom 25.08.2020 zu entscheiden. Das Urteil ist nach Ablauf der Rechtmittelfrist seit 09.11.2021 rechtskräftig im Sinne des § 121 VwGO.
Der Vorlage einer "vollstreckbaren Ausfertigung", also einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils (§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 724 ZPO) bedarf es in den Fällen der Androhung eines Zwangsgeldes gegen die öffentliche Hand (§ 172 Satz 1 VwGO) nach der analog anzuwendenden Vorschrift des § 171 VwGO nicht (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.06.2010 - 8 E 555/10 -, juris; VG Trier, Beschluss vom 22.10.2018 - 1 N 3701/18.TR -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 23.06.2021 - 5 M 12/21 -, juris).
Das zu vollstreckende Urteil ist der Vollstreckungsschuldnerin gegen elektronisches
Empfangsbekenntnis am 06.10.2021 zugestellt worden, so dass auch die allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung des § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 750 ZPO vorliegt.
Die Vollstreckungsschuldnerin ist der ihr im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht in einer angemessenen Frist nachgekommen.
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Eine gesetzliche Regelung zur Frage, welche Frist einer Behörde zur Erfüllung eines Verpflichtungsurteils einzuräumen ist, existiert nicht. Zu prüfen ist insoweit im Einzelfall, innerhalb welcher Frist beginnend mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung es der Vollstreckungsschuldnerin billigerweise zugemutet werden kann, ihrer Verpflichtung nachzukommen. Dabei sind insbesondere die Eigenart der auferlegten Verpflichtung und die Dauer des vorangegangenen gerichtlichen Verfahrens, während dessen die Behörde Zeit hatte, sich vorsorglich auf ihre mögliche Verpflichtung einzustellen, zu berücksichtigen.
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Hier hatte das Bundesamt spätestens seit Kenntnis vom stattgebenden Urteil – gegen das sie kein Rechtsmittel eingelegt hat –, also seit 06.10.2021, Zeit und Gelegenheit, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens sind gleichwohl auch nach Rechtskraft noch mehr als drei Monate verstrichen (vgl. die Wertung aus § 75 VwGO), in denen das Bundesamt die Umsetzung des Urteils und die Bescheidung des Asylantrags hätte angehen können. Auch zuvor hatte das Bundesamt bereits Veranlassung, die Bescheidung des Asylantrags voranzutreiben, da der Vollstreckungsgläubiger bereits am 26.04.2021 – nach vorheriger Ankündigung – eine zulässige Untätigkeitsklage erhoben hatte. Zur weiteren (bzw. auch in der Folge offenbar ausgebliebenen) Verfahrensbearbeitung durch die Vollstreckungsschuldnerin hat der Berichterstatter im Urteil vom 05.10.2021 bereits ausgeführt:
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„(…) Soweit die Beklagte vorbringt (bzw. mit Schreiben vom 30.04.2021 vorgebracht hat), einer Entscheidung stehe noch die weitere Sachaufklärung durch die Beklagte entgegen, hat der Berichterstatter bereits mit Schreiben vom 05.05.2021 im Einzelnen darauf hingewiesen, dass die diesbezüglichen weiteren Ausführungen der Beklagten hierzu sehr abstrakt geblieben und nicht auf den Einzelfall bezogen sind. Welche konkreten Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung die Beklagte betreibt oder betrieben hat, hat sie auch nach gerichtlicher Aufforderung nicht ansatzweise näher konkretisiert. Vielmehr stellt sich die Sachlage nach Aktenlage so dar, dass das Asylverfahren – aus der Sicht des Bundesamts – seit langem entscheidungsreif ist. Denn das
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Bundesamt hat den Kläger zur Zulässigkeit seines Antrags auf internationalen Schutz am 28.08.2020 angehört. Der Kläger hat selbst angegeben, in Griechenland internationalen Schutz erhalten zu haben. Die griechischen Behörden haben dies auf ein Informationsersuchen des BAMF hin – wenn auch erst nach sechsfacher Erinnerung – mit Schreiben vom 05.04.2021 bestätigt. Daraufhin hat das BAMF am 07.04.2021 intern eine Entscheidung „im nationalen Verfahren im Wege eines Drittstaatenbescheids“ in die Wege geleitet bzw. die Erstellung eines solchen Bescheids bereits ausdrücklich verfügt. Es ist nicht ansatzweise aus der Akte ersichtlich, welche Sachverhaltsaufklärung hierfür betrieben werden soll und noch ausstand oder aussteht.
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Richtig ist, dass in Verfahren, in denen die Asylantragsteller bereits über einen Schutzstatus in einem anderen Mitgliedstaat verfügen, die Lage der Rückkehrer in diesem Mitgliedstaat und eine mögliche Verletzung garantierter Rechtsgüter sorgfältig zu prüfen ist. Soweit in diesem Zusammenhang mit der Klageerwiderung geltend gemacht wird, dass hinsichtlich der aktuellen Situation in Griechenland für international Schutzberechtigte angesichts der Dynamik von Versorgungssituation und Arbeitsmarktlage und auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie Aktualisierungsbedarf für die einer Entscheidung zugrunde zu legende Erkenntnislage bestehe, hat die Beklagte jedoch trotz Aufforderung des Berichterstatters auch insoweit nicht mitgeteilt, welche konkreten Maßnahmen zur Aktualisierung der Erkenntnisgrundlage seitens des Bundesamts derzeit betrieben würden; auf den Hinweis, dass die Entscheidungsgrundlagen erst jüngst etwa durch das OVG Niedersachsen (Urteil vom 19.04.2021 - 10 LB 244/20 -, juris; vgl. zuvor bereits OVG NRW, Urteil vom 21.01.2021 - 11 A 1564/20.A -, juris) umfassend aufbereitet und dargestellt worden seien, ist die Beklagte inhaltlich nicht eingegangen. Die allgemeinen Lebensumstände für Personen, die – wie der Kläger – in Griechenland internationalen Schutz erhalten haben und dorthin zurückkehren, lassen sich folglich auf der Grundlage der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel durchaus konkret beurteilen, nämlich dahingehend, dass für Rückkehrer nach Griechenland vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls derzeit die ernsthafte Gefahr besteht, ihre elementarsten Bedürfnisse für einen längeren Zeitraum nicht befriedigen zu können und damit in ihren Rechten aus Art. 4 GrCh und Art. 3 EMRK verletzt zu werden (vgl. hierzu abermals VG Hannover, Urteil vom
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29.06.2021 - 12 A 3583/21 -, juris, m.w.N. aus der erstinstanzlichen Rechtsprechung). Und eine Sachentscheidung im nationalen Verfahren jenseits eines Drittstaatenbescheids, also eine Sachentscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes bzw. hinsichtlich von Abschiebungsverboten bezogen auf den Herkunftsstaat, hat das Bundesamt nach Aktenlage bislang ausdrücklich nicht in Betracht gezogen, da – wie intern verfügt – gerade ein Drittstaatenbescheid ergehen soll und der Kläger offenkundig nicht zur Anhörung nach § 25 AsylG geladen wird. Auch insoweit hat sich die Beklagte trotz Aufforderung des Gerichts nicht näher eingelassen.
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Dass die Beklagte versucht hat oder versuchen würde, eine individuelle Zusicherung der griechischen Behörden im Hinblick auf eine angemessene Unterbringung des Klägers zu erhalten, lässt sich den Akten nicht entnehmen und stellt schon deshalb hier auch keinen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung des Asylantrages dar. Sie hat ein allein auf den dortigen Verfahrensstand gerichtetes Informationsersuchen an Griechenland gerichtet, dass im Übrigen seit
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05.04.2021 beantwortet ist. (…)“
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Ob und ggf. was das Bundesamt seit Ergehen des hier zu vollstreckenden Verpflichtungsurteils konkret unternommen hat, um seinen Verpflichtungen hieraus nachzukommen, kann die Kammer zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Vollstreckungsantrag nicht verlässlich beurteilen, weil das Bundesamt trotz wiederholter Anforderung bislang seine (weiter angefallenen) Akten nicht vorgelegt hat. Auch aus der allein eingegangenen Stellungnahme vom 08.03.2022 ergibt sich hierzu allerdings nichts. Darin wird nur allgemein ausgeführt, dass Entscheidungen bei anerkannten Schutzberechtigten aus Griechenland „zunächst rückpriorisiert“ worden seien, weil diese Antragsstellenden bereits über einen Aufenthaltstitel in Europa und einen Schutzstatus verfügten. Weiter wird von Gesprächen auf politischer Ebene und einer vorgeblich greifbaren „einvernehmlichen Lösung mit Griechenland“ berichtet, vor deren Hintergrund auch weiterhin Asylverfahren nur „in sehr eingeschränktem Umfang“ entschieden worden seien, wovon auch Fälle betroffen gewesen seien, in denen bereits Untätigkeitsklagen erhoben worden seien. Es werde „nunmehr, auch um dem eingetretenen Zeitablauf Rechnung zu tragen, verstärkt auf diese Verfahren reagiert und es [sei] beabsichtigt, sukzessive auch weitere Verfahren zu entscheiden“. Da das Bundesamt die Entscheidungstätigkeit zu den Anträgen mit Griechenlandbezug wiederaufgenommen habe, sei damit zu rechnen, dass auch über den Antrag des Vollstreckungsgläubigers „alsbald“ eine Entscheidung ergehen werde.
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Mit diesen Ausführungen verkennt das Bundesamt den Umstand, dass hier nicht (mehr) über eine Untätigkeitsklage zu entscheiden ist, sondern eine rechtskräftige Bescheidungsverpflichtung vollstreckt wird. In einem solchen Verfahrensstadium liegt eine „Priorisierung“ der in Bezug genommenen Art nicht mehr in der Hand der Vollstreckungsschuldnerin. Sie hat den Anspruch des Vollstreckungsgläubigers unbedingt – und nicht „sukzessive“ in Orientierung an seiner übrigen Arbeitsbelastung oder seinen Präferenzen – zu erfüllen.
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Dass das Bundesamt der ihm im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht in einer angemessenen Frist nachgekommen ist, folgt im Übrigen auch aus dem Umstand, dass es offenbar – eine dahingehende Überprüfung der Akten ist der Kammer mangels Vorlage nicht möglich – bis zur Zustellung des Vollstreckungsantrags noch nicht einmal die Absicht hatte, den Asylantrag pflichtgemäß zu bescheiden und seine Bindung an den Verpflichtungsausspruch sowie an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) zu wahren. Im Gegenteil hat es sich offenbar an einer internen Weisung (Rundschreiben der Beklagten Az. 61A-7406/393-21 vom 11. Mai 2021, wiedergegeben bei VG Aachen, Urteil vom 17.12.2021 - 5 K 1858/21.A -, juris, aufgehoben durch internes Schreiben vom 15.02.2022 Az. 61A-7406/107-22) orientiert, derzufolge Asylanträge von Ausländern, denen bereits internationaler Schutz in Griechenland zuerkannt worden ist, frühestens dann überhaupt weiter bearbeitet werden, wenn – wie nunmehr hier – ein rechtskräftiges Bescheidungsurteil erwirkt und beim Verwaltungsgericht ein Antrag gemäß § 172 VwGO gestellt ist. Dass diese Weisungslage wohl auch im Fall des Vollstreckungsschuldners Anwendung fand, hat das Bundesamt zwischenzeitlich in der Sache mit Schreiben vom 08.03.2022 selbst eingeräumt, wenn es darin schreibt, die „von Seiten des Gerichts angesprochene Weisung existiert Stand 28.02.2022 nicht (mehr)“ und wenn es weiter meint, eine Beantwortung der diesbezüglichen Fragen habe sich „mithin erübrigt“. Bei einer solchermaßen eklatant rechts(staats)widrigen Verwaltungspraxis kann das Bundesamt nicht einwenden, ihm müsse noch Zeit zur Erfüllung der gerichtlichen Verpflichtung eingeräumt werden. Eine Behörde, die systematisch rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Urteile und damit zugleich ihre Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) missachtet, indem sie sich zu deren Umsetzung – noch dazu bei Untätigkeitsklagen und bei Geltung des asyl- und unionsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatzes (Art. 31 Abs. 2 sowie 3 bis 6 RL 2013/32/EU) – erst bei Vorliegen eines Vollstreckungsantrags gehalten sieht, muss vielmehr umso nachdrücklicher zur sofortigen Umsetzung des Urteils bewegt werden, auch wenn damit „die ansonsten drohende Schädigung des Ansehens der Verwaltung“ nicht mehr, sondern allenfalls noch „die damit zusammenhängende Schwächung des Rechtsstaats“ – teilweise – abgewendet werden kann (zu diesen Formulierungen zur – hier entkräfteten – Regelvermutung rechtskonformen behördlichen Verhaltens vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.05.2020 - 10 S 461/20 -, UPR 2020, 310; Beschluss vom 12.01.1995 - 10 S 488/94 -, juris).
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In Ansehung der bereits im Verwaltungsverfahren festzustellenden Untätigkeit des Bundesamts sowie der seit Rechtskraft des zu vollstreckenden Urteils ohne Erfüllung verstrichenen Zeitspanne und insbesondere des zu Tage getretenen dahinter stehenden – systematisch – rechtsstaatswidrigen Verhaltens erachtet es die Kammer im Rahmen des ihr insoweit eingeräumten Ermessens nunmehr als angebracht, der Vollstreckungsschuldnerin eine Vollstreckungsfrist von nicht mehr als wenigen Tagen ab dem Datum dieses Beschlusses zuzubilligen, um der geschuldeten Verpflichtung nachzukommen. Mehr als die vom Vollstreckungsgläubiger in seinem Antrag von vorneherein auf den 22.03.2022 konkretisierte Frist wäre hier unangebracht. Denn die Verwaltungsgerichte haben die Vollstreckungsvorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung so auszulegen und anzuwenden, dass ein wirkungsvoller Schutz der Rechte des Einzelnen auch gegenüber der Verwaltung gewährleistet ist (BVerfG, Beschluss vom 09.08.1999 - 1 BvR 2245/98 -, NVwZ 1999, 1330). Die vorstehend wiedergegebene Verwaltungspraxis der Vollstreckungsschuldnerin begründet eine Folgenbeseitigungslast gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger, der sie nun gerecht werden muss.
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Dass sich die Vollstreckungsschuldnerin hierbei einer durchaus komplexen Bescheidungssituation mit einem nicht unbeträchtlichen Erfüllungsaufwand gegenüber sieht, hat sie sich selbst zuzuschreiben. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass eine Zwangsgeldandrohung mit kurzer Frist für das Sachanliegen des Vollstreckungsgläubigers durchaus unzuträglich sein mag, weil die Vollstreckungsschuldnerin unter dem Druck des laufenden (und ggf. fortzusetzenden) Vollstreckungsverfahrens womöglich von der noch ausstehenden Sachanhörung nach § 25 AsylG schlicht absehen und eine (ggf. auch billigend in Kauf genommen: rechtswidrige) Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG mit Abschiebungsandrohung nach Griechenland treffen wird, um der Bescheidungsverpflichtung allein formal und vordergründig gerecht zu werden. Eine solche Vorgehensweise hat das Bundesamt jüngst in vergleichbaren in der Kammer anhängigen Verfahren praktiziert und dabei überdies die – auch hier im Ausgangsverfahren A 5 K 1239/21 vorgeblich unternommene – „Aktualisierung der Erkenntnislage“ zu den Verhältnissen in Griechenland ebenso wieder aus dem Blick verloren wie die diesbezügliche aktuelle oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.2022 - A 4 S 2443/21 -, juris; OVG Bremen, Urteil vom 16.11.2021 - 1 LB 371/21 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 23.11.2021 - OVG 3 B 54.19 und OVG 3 B 53.19 -, juris; OVG Niedersachsen, Urteil vom 19.04.2021 - 10 LB 244/20 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.01.2021 - 11 A 1564/20.A -, juris), auf die sie vom Gericht zuvor hingewiesen worden war. Auf das – damit erwartbare – Ergebnis der Bescheidung, zu der die Vollstreckungsschuldnerin verpflichtet ist, hat das verfassungsrechtliche Grundsätze (wie hier die Gewaltenteilung) respektierende Gericht indes aus guten Gründen keinen Einfluss; unabhängig davon gibt sich die Kammer vor dem Hintergrund der dargestellten bisherigen Weisungspraxis innerhalb des Bundesamts ohnehin auch nicht der Erwartungshaltung hin, eine längere Vollstreckungsfrist würde am Bescheidungsergebnis etwas ändern.
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Auch der Höhe nach war das Zwangsgeld antragsgemäß unter Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens anzudrohen. Die Höhe des Zwangsgeldes kann gemäß § 172 Satz 1 VwGO bis zu 10.000,-- Euro betragen und steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Der gerichtliche Beschluss muss den Betrag des Zwangsgeldes in bestimmter Höhe androhen. Für die Auswahl der Höhe kommt es allein auf die Prognose an, welcher Betrag erforderlich ist, um den Schuldner zur Rechtstreue zu bewegen; dabei können das Erfüllungsinteresse des Gläubigers, die Erfahrungen des Gerichts mit der Behörde sowie deren Hartnäckigkeit bei der Verweigerung der Erfüllung im konkreten Einzelfall in die Beurteilung eingestellt werden. Auch die erstmalige Androhung darf den Höchstbetrag erreichen. Denn das Verhältnismäßigkeitsprinzip hier anzuwenden, hieße, den ihm immanenten Schutz des Bürgers vor der öffentlichen Gewalt in sein Gegenteil zu verkehren. Da die öffentliche Hand als Vollstreckungsschuldner finanziell grundsätzlich leistungsfähig ist, hält die Kammer in Fällen der vorliegenden Art den Zugriff auf das Höchstmaß des Zwangsgeldes für gerechtfertigt, um überhaupt rasch ansatzweise wirkenden Beugedruck zu erzeugen (vgl. statt vieler: VG Saarland, Beschluss vom 11.03.2019 - 3 N 301/19 -, juris).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, da es sich auch bei dem Verfahren zur Androhung oder Festsetzung eines Zwangsgelds nach § 172 Satz 1 VwGO zur Vollstreckung eines asylrechtlichen Verpflichtungsurteils um ein Verfahren nach dem Asylgesetz im Sinne des § 83b AsylG handelt. Hierzu gehören nicht nur Erkenntnisverfahren, sondern auch sämtliche Nebenverfahren, wenn die angefochtene oder begehrte Maßnahme oder Entscheidung ihre rechtliche Grundlage im Asylgesetz hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.02.2017 - A 2 S 271/17 -, juris; Beschluss vom 16.12.2021 - A 9 S 3141/20 -, juris).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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