Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 6 K 3130/04

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst. Die übrigen Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Gründe

 
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Landratsamts ... vom 01.07.2004, mit dem dieses den Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung für die Umgestaltung einer Schießstandanlage in ... erteilt hat. Die Schießanlage wurde erstmals 1968 baurechtlich genehmigt und in der Folgezeit erweitert. Zum genehmigten Bestand gehören insbesondere für den Kugelschuss mehrere 100 m-, 50 m- und 25 m-Bahnen sowie eine Wurfscheiben- (Trap-) und eine Kipphasen-Anlage. Beabsichtigt ist nunmehr u. a. die Sanierung der bisher mit Schadstoffen belasteten Bereiche, die Änderung der Trap- und Kipphasenanlage mit künftiger Schussrichtung nach Süden bzw. Südwesten, der zusätzliche Bau einer Tontauben- (Skeet-) und Rollhasenanlage, die Durchführung von Lärmminderungsmaßnahmen (Überdachung der Schützenstände, Schall absorbierende Verkleidung der Wände) sowie der Einbau einer laufenden Scheibe im Bereich der Kugelschießanlagen.
Der hiergegen gerichtete Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des von der Antragstellerin erhobenen Widerspruchs ist nach § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5 S. 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Die Antragstellerin macht geltend, sie werde durch die angefochtene Genehmigung in dem ihr zustehenden Jagdausübungsrecht verletzt, weil durch den Schießbetrieb zum einen das Wild vergrämt werde und zum anderen der an die Anlage angrenzende Jagdbezirk nicht mehr zu einem angemessenen Pachtpreis verwertet werden könne. Die behauptete Rechtsverletzung kommt auch in Betracht, denn die Antragstellerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, der das Jagdausübungsrecht zusteht, das i. d. R. durch Verpachtung genutzt wird (vgl. §§ 1 Abs. 4, 8 Abs. 5, 10 Abs. 1 BJagdG, § 6 Abs. 1 LJagdG), und es erscheint auch möglich, dass die geltend gemachten Auswirkungen des Betriebs der Schießanlage für die Antragstellerin eintreten. Zwar würde hierdurch nicht die Jagdausübung im engeren Sinne, d. h. das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild, beeinträchtigt; ein Eingriff in das Jagdausübungsrecht kommt jedoch auch in Fällen in Betracht, in denen es - wie hier - , nur zu tatsächlichen Störungen der Jagdausübung kommen kann (vgl. BGH, Urt. v. 20.01.2000 - III ZR 110/99 - und Urt. v. 30.10.2003 - III ZR 380/02 -).
Der Antrag hat jedoch keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse und das private Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung überwiegen das private Interesse der Antragstellerin, vor dem rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchs- und eines sich möglicherweise anschließenden Klageverfahrens auf dem Baugrundstück keine vollendeten Tatsachen eintreten zu lassen. Insoweit ist im Rahmen der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung maßgebend, dass der Widerspruch der Antragstellerin aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird. 
Das Landratsamt  hat die sofortige Vollziehung der Genehmigung formell ordnungsgemäß angeordnet und das besondere öffentliche und private Interesse an der sofortigen Verwirklichung des Vorhabens ausreichend schriftlich begründet (§ 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 S. 1 VwGO). Dabei kann dahin stehen, ob der Zweck, den Schießsport zu fördern und die Ausbildung der Jungjäger zu gewährleisten sowie die Schießfertigkeiten der Jäger aufrecht zu erhalten, ein besonderes öffentliches Interesse zu begründen vermag. Jedenfalls ist ausreichend nachvollziehbar dargetan, dass mit der Realisierung der umweltgerechten Umgestaltung der Schießanlage, die insbesondere auch die Sanierung der mit Schadstoffen belasteten Bereiche zum Gegenstand hat, noch in diesem Jahr begonnen werden muss, um nicht Gefahr zu laufen, dass öffentliche Zuschüsse in beträchtlicher Höhe verloren gehen, ohne die das ganze Vorhaben in Frage gestellt wäre. Dieser Umstand ist von solcher Tragweite, dass er nicht nur ein besonderes privates, sondern auch ein besonderes öffentliches Interesse an der Möglichkeit des sofortigen Baubeginns begründet.
Zu Recht dürfte das Landratsamt ... in dem angefochtenen Bescheid davon ausgegangen sein, dass es sich bei der Änderung und Erweiterung der Schießanlage um eine wesentliche Änderung handelt, die der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf, welche im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG zu erteilen ist (vgl. Nr. 10.18 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV, § 16 BImSchG). Der hiergegen gerichtete Widerspruch bzw. die Klage eines Dritten ist begründet, wenn das Vorhaben entgegen § 6 Abs. 1 BImSchG schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den widersprechenden Nachbarn hervorruft (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG). Bei der Antragstellerin handelt es sich allerdings, wie bereits ausgeführt, nicht um eine natürliche Person, sondern um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, der in dem dortigen gemeinschaftlichen Jagdbezirk die Ausübung des Jagdrechts zusteht. Nur eine Verletzung dieser Rechtsposition kann die Antragstellerin geltend machen, darüber hinaus hat sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts keine Abwehrrechte.
Bei summarischer Prüfung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Folgen des Umbaus der Schießstandanlage für die Antragstellerin so gravierend wären, dass diese in ihrem Jagdausübungsrecht verletzt würde.
Das Jagdausübungsrecht stellt ein vermögenswertes privates Recht dar, das als konkrete subjektive Rechtsposition, die der Jagdgenossenschaft als öffentlich-rechtlicher Körperschaft selbst zusteht, den Schutz des Art. 14 GG genießt. Das Jagdausübungsrecht der Genossenschaft ist gleichsam ein „Stück abgespaltenes Eigentum“ der einzelnen Jagdgenossen, das erst in der Hand der Genossenschaft als Trägerin zu einem Recht erstarkt. Dieses Recht kann in zweierlei Weise beeinträchtigt werden. Zum einen durch die Beanspruchung von Teilflächen des gemeinschaftlichen Jagdbezirks, wodurch der Jagdgenossenschaft die Jagdnutzung auf den betreffenden Flächen entzogen wird. Zum anderen aber auch durch tatsächliche Einwirkungen auf die Jagdausübung, wenn diese dadurch etwa erschwert oder, z. B. durch Abwanderung von Wild, entwertet wird (vgl. BGH, Urt. v. 20.01.2000 - III ZR 110/99 -).
Im vorliegenden Fall beanstandet die Antragstellerin nicht den Entzug von jagdlich nutzbarer Fläche, vielmehr wendet sie sich gegen die zuletzt genannten tatsächlichen Störungen durch den zu erwartenden Schießbetrieb auf der genehmigten Anlage. Allerdings verletzt nicht jede tatsächliche Beeinträchtigung der Jagd bereits das Jagdausübungsrecht. Jagdausübung ist im Kern die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, zu hegen, ihnen nachzustellen, sie zu fangen oder zu erlegen und sie sich anzueignen (§ 1 Abs. 1 und 4 BJagdG). Dabei hat der Jagdausübungsberechtigte jedoch weder Anspruch auf einen bestimmten Wildbestand noch auf einen gänzlich störungsfreien Jagdgenuss. Insbesondere muss er das Betreten des Waldes durch Spaziergänger ebenso dulden wie Störungen, die von der bestimmungsgemäßen sonstigen Nutzung der im Jagdbezirk gelegenen Grundstücke ausgehen (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2003 - III ZR 380/02 -). Dazu gehört insbesondere auch die land- und forstwirtschaftliche Nutzung des Außenbereichs. Schon aus dem Bestehen zahlreicher konkurrierender anderer Nutzungsrechte neben dem Jagdausübungsrecht ergibt sich, dass dieses insoweit „vorbelastet“ ist, als Störungen hingenommen werden müssen, die üblicherweise als Folge der ebenfalls zulässigen anderen Nutzungen auftreten. Darüber hinaus können keine solchen tatsächlichen Beeinträchtigungen der Jagdausübung beanstandet werden, die regelmäßig durch die zulässige Nutzung bestandskräftig genehmigter Anlagen ausgelöst werden.
In Anwendung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Nutzung der genehmigten Schießstandanlage in unzulässiger Weise die Jagdausübung beeinträchtigen wird. Zwar mag die nunmehr genehmigte Nutzung dadurch, dass im Gegensatz zu den zuletzt 1981 verbindlich geregelten Schießzeiten keine Ruhetage mehr vorgesehen sind, in zeitlicher Hinsicht eine etwas stärkere Störung des Wildes zur Folge haben. Ob dieser Umstand jedoch, wie von der Antragstellerin befürchtet, tatsächlich zu einer dauerhaften Vergrämung des Wildes in einem bedeutenden Teil ihres Jagdbezirks führen und ob dadurch eine Verminderung des Pachtwertes dieses Jagdbezirks eintreten wird, kann offen bleiben. Diese Folgen müssten jedenfalls von der Antragstellerin deshalb hingenommen werden, weil die Schießstandanlage bereits seit 1968 besteht mit der Folge, dass zumindest der zuletzt genehmigte Bestand einschließlich der üblicherweise mit einer solchen Anlage verbundenen Störungen von der Antragstellerin geduldet werden muss.
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Dieser Rahmen des „Üblichen“ wird durch die genehmigte Anlage nicht überschritten. Die Zeitrahmen, innerhalb derer Schießbetrieb stattfinden darf (Wurfscheiben Montag - Samstag 9 - 12 Uhr und 14 bis 19 Uhr, Kugelstand werktags 8 - 20 Uhr, sonn- und feiertags 9 bis 13 Uhr und 15 - 19 Uhr), entsprechen dem Sinn und Zweck einer solchen Anlage, wobei innerhalb des jeweiligen Zeitrahmens weitere Beschränkungen der Schießzeiten festgesetzt worden sind. Der zusätzliche Einbau einer Skeet- und Rollhasenanlage stellt keine echte Erweiterung des bisherigen Bestands dar, weil diese beiden Anlagen nur alternativ genutzt werden können und auch nicht gleichzeitig mit der bereits vorhandenen Trap-Anlage, so dass insoweit keine Ausweitung des Schießbetriebs erfolgen kann. Berücksichtigt man zudem, dass hinsichtlich des Lärmschutzes durch die geänderte Anlage wesentliche Verbesserungen zu erwarten sind, insbesondere durch die weitgehende Überdachung der Kugel-Schießbahnen, durch die Schall absorbierende Verkleidung der Wände sowie durch die Verlegung der Schrotschussrichtung nach Südwesten und damit auf die vom Jagdbezirk der Antragstellerin abgewandte Seite, so gibt es keine Gesichtspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Änderung der Schießstandanlage beeinträchtige in nicht hinzunehmender Weise das Jagdausübungsrecht der Antragstellerin.
11 
Bei dieser Sachlage erschiene es gegenüber den Beigeladenen unbillig, wenn sie mit der Verwirklichung ihres Vorhabens zuwarten müssten, bis die ihnen erteilte Genehmigung bestandskräftig geworden ist.
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil diese keinen Sachantrag gestellt und damit auch kein eigenes Kostenrisiko übernommen haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

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