Urteil vom Verwaltungsgericht Stuttgart - A 12 K 4301/12

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für den Kläger zu 1 bezüglich Serbien vorliegt.

Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 wird aufgehoben, soweit sie dem entgegensteht. Nr. 4 dieses Bescheids wird aufgehoben, soweit sie den Kläger zu 1 betrifft.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu 7/8, die Beklagte zu 1/8.

Tatbestand

 
Die Kläger sind Staatsangehörige von Serbien. Der Kläger zu 1 gehört zur Volksgruppe der Roma, die Klägerin zu 2 zu der der Kroaten. Sie kamen nach ihren Angaben etwa im September 2012 aus Österreich in die Bundesrepublik Deutschland und stellten hier Asylanträge. Zur Begründung beriefen sie sich insbesondere auf Folgendes: Es habe Drohungen und Mordversuche gegen den Kläger zu 1 gegeben. Er habe dagegen keinen Schutz erhalten. Hierzu legten die Kläger verschiedene Unterlagen vor, insbesondere vom Klinikzentrum V. eine undatierte Bestätigung und einen Arztbericht vom 24.05.2012, Befund und Stellungnahme des Psychologen F. J. vom 23.07.2012 und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (- Bundesamt -) lehnte mit Bescheid vom 09.11.2012 - zugestellt am 14.11.2012 - die Asylanträge und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte die Abschiebung nach Serbien an.
Am 14.12.2012 haben die Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und am 19.12.2012 Antrag auf Wiedereinsetzung für die Versäumung der Klagefrist gestellt. Sie berufen sich auf Folgendes: Bei der Anhörung beim Bundesamt seien sie von der Dolmetscherin arrogant behandelt und massiv beschimpft worden. Der vom Kläger zu 1 geschilderte Mordversuch sei nur ausgeführt worden, weil er Roma sei. Eine Strafanzeige sei ebenso ergebnislos geblieben wie das von ihm angestrengte zivilgerichtliche Verfahren. In der Firma, in der er gearbeitet habe, sei man im Laufe der letzten Jahre alle Roma "losgeworden". Die Kläger haben weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 - insbesondere auch auf Fragen des Gerichts - zusätzliche Ausführungen gemacht:
Er habe in Serbien bei einer Staatsfirma im Bereich Reinigung gearbeitet. Es habe sich um eine Fabrik gehandelt, in der Rohstoffe getrennt worden seien; er sei als Staplerfahrer beschäftigt gewesen. Er habe dort ca. zwei Monate, bevor sie nach Deutschland gekommen seien, gekündigt. Grund für die Kündigung sei gewesen, dass er bedroht worden sei. Er meine damit den Vorfall vom 15.01.2009. Nach dem Vorfall habe er nicht mehr zur Arbeit gehen dürfen. Er sei auch andauernd krankgeschrieben gewesen. Der Mann, der ihn habe umbringen wollen, habe ihn schon vorher bedroht und u. a. gesagt, er - der Kläger zu 1 - solle nach Indien gehen. Auf Nachfrage, ob er überhaupt zwischen dem 15.01.2009 und der Ausreise gearbeitet habe, hat er angegeben, er habe immer wieder zeitweise gearbeitet. Zwei bis drei Monate sei er krankgeschrieben gewesen, dann habe er wieder gearbeitet, so wie er es eben gekonnt habe.
Dann hat der Kläger zu 1 den Vorfall vom 15.01.2009 geschildert: Er habe in der Frühschicht gearbeitet. Er sei um 5.55 Uhr gekommen, da die Frühschicht um 6.00 Uhr begonnen habe. Er habe seine Maschine gecheckt. Dann sei der Mann, der ihn habe erstechen wollen, in ziviler Kleidung von hinten an ihn herangetreten und ihn gefragt: Wo bist du, Junge? Dieser Mann habe dann ein langes Messer gezogen, es sei ein Bajonett gewesen, und es in Richtung seines - des Klägers zu 1 - Bauch gestoßen. Er - der Kläger zu 1 - habe ihn am Unterarm gepackt und den Unterarm nach unten gedrückt. Der Mann habe dann das Bajonett gepackt und sei davongelaufen.
Auf Frage, ob der Kläger zu 1 Tatsachen oder Vermutungen zum Grund angeben könne, weswegen ihn der Mann habe niederstechen wollen, hat der Kläger zu 1 angegeben: Der Mann sei schon immer ein Nationalist gewesen. Er - der Kläger zu 1 - habe schon immer Probleme mit ihm gehabt. Als der Mann weggelaufen sei, habe dieser gesagt, er werde Frau und Kinder des Klägers zu 1 umbringen. Der Mann habe immer gesagt, dass er - der Kläger zu 1 - nicht nach Serbien gehöre. In Serbien sollten nur Serben leben. Roma sollten dahin, wohin sie gehörten. Er wisse nicht, ob der Mann betrunken gewesen sei. Es könnte sein, dass er dies beim Psychologen des Gesundheitshauses N. gesagt habe. Denn ein normaler Mensch könne eine solche Tat nicht begehen, das könne nur ein Betrunkener.
Nach der Tat habe er von der Firma den Videoclip verlangt, auf dem der Angriff aufgezeichnet gewesen sei, damit man die Tat sehen könne. Der Herr von der Security habe ihm erlaubt, das Video anzuschauen. Danach sei der Videoclip bei der Rechtsabteilung der Firma bzw. dem Anwalt der Firma gelandet. Er habe einen Nervenzusammenbruch erlitten und am 03.08.2010 einen Selbstmordversuch gemacht. Die Chefs der Firma hätten sich nicht engagiert. Er habe bei der Rechtsabteilung der Firma gefragt, ob die Firma Klage gegen den Täter erheben werde. Sie hätten aber gesagt, sie könnten nichts machen, weil das die Polizei machen würde. Er sei dann zur Polizei gegangen und habe das Protokoll verlangt, das die Polizei am 15.01.2009 erstellt habe. Die Polizei habe aber gesagt, es gebe kein Protokoll, obwohl ein Protokoll angefertigt worden sei.
Er habe bei der Polizei eine Anzeige gemacht. Er sei neunmal vor Gericht vorgeladen worden; der Mann, der ebenfalls geladen worden sei, sei aber nicht gekommen. Die Richterin habe immer wieder einen neuen Termin bestimmt. Er selbst sei immer reingegangen und sei nach fünf Minuten wieder draußen gewesen. Er habe dann einen zivilrechtlichen Prozess eingeleitet, der aber auch zu nichts geführt habe.
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Auf die Frage, warum sie erst im September 2012 Serbien verlassen hätten, obwohl der Vorfall schon im Januar 2009 geschehen sei, hat der Kläger zu 1 angegeben: Sie hätten zuerst abgewartet, ob der Mann bestraft werde. Nachdem er aber neunmal nicht zur Verhandlung gekommen sei und auch das zivilgerichtliche Verfahren nicht weitergeführt habe, seien sie ausgereist.
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Auf Fragen und Vorhalte der Prozessbevollmächtigten der Kläger hat der Kläger zu 1 weiter angegeben: Es habe eine ganze Anzahl Roma-Mitarbeiter in der Firma gegeben. Die Anzahl sei schon zurückgegangen gewesen, als der Vorfall vom 15.01.2009 stattgefunden habe. Früher hätten überwiegend Roma in der Firma gearbeitet. Bei jedem Regierungswechsel seien die Leute der neuen Regierung angestellt und es sei den Roma gekündigt worden. Es sei richtig, dass der Betrieb systematisch von Roma "gesäubert" worden sei. Dies habe aber nicht nur Roma betroffen, sondern auch Angehörige anderer Ethnien, außer den Serben.
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Die Klägerin zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung zusätzlich vorgetragen: Am 15.01.2009 sei der Kläger zu 1 zur Arbeit gegangen. Er habe gegen 06.15 Uhr oder 06.20 Uhr angerufen und gesagt: "S." habe ihn mit einem Bajonett umbringen wollen. Es sei für sie alles so blitzschnell gegangen, Details habe sie erst später erfahren. Zum Grund des Angriffs habe sie später erfahren, der Mann habe gesagt, er mache das, weil er Roma hasse. Sie könne sich aber nicht wortwörtlich erinnern. Es sei jedenfalls darum gegangen, dass der Kläger zu 1 Roma sei.
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Auf Frage, warum sie erst im September 2012 aus Serbien weg seien, hat die Klägerin zu 2 angegeben: Sie hätten zuerst abgewartet, ob die Polizei oder das Gericht reagieren würden. Sie hätten mehrere Male das Gericht, die Polizei oder die Firma kontaktiert. Der Leiter der Rechtsabteilung der Firma habe gesagt, dass die Firma sich darum kümmern würde, weil der Vorfall bei der Arbeit passiert sei. Der Kläger zu 1 habe im Laufe der Zeit immer mehr Angst vor allen Menschen bekommen. Sein Verhalten habe sich immer mehr verschlimmert. Im August 2010 sei es dahin kulminiert, dass er gesagt habe, er möchte nicht in so einem Land leben, wo er zweiter Klasse sei. In der Nacht vom 03. auf den 04. August 2010 habe er getrunken. Sie habe geahnt, dass etwas passieren würde. Als sie instinktiv aufgewacht sei, habe er auf dem Sessel gelegen. Sie habe dann Notarzt und Arzt angerufen. Es habe ein Selbstmordversuch vorgelegen, nach dem er sieben Tage im Krankenhaus habe verbringen müssen. Sie hätten dann auch Klage erhoben und einen Anwalt eingeschaltet. Die Situation des Klägers zu 1 habe sich immer mehr verschlechtert. Sie habe nicht mehr gewusst, wie sie ihm und der Familie habe helfen sollen. Deshalb hätten sie beschlossen, außerhalb Serbiens Hilfe zu suchen.
14 
Die Kläger beantragen,
15 
die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen,
weiter hilfsweise festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt,
und den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 in Nr. 2 bis 4 aufzuheben.
16 
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
18 
Das Gericht hat Stellungnahmen des Landratsamts O. vom 20.03.2013 und 12.06.2013 sowie des Klinikums S. W. vom 19.02.2014 und eine Auskunft der Deutschen Botschaft Belgrad vom 19.03.2014 eingeholt. Weiter hat es Übersetzungen von den Klägern vorgelegter ärztlicher und anderer Unterlagen fertigen lassen.
19 
Mit Beschluss vom 04.07.2013 ist der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
20 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens von Beteiligten über die Sache verhandeln und entscheiden können, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Klage ist zulässig.
23 
Die Klagefrist begann nicht mit der Zustellung des Bescheids am 14.11.2012 zu laufen. Denn die Zustellung war unwirksam. Bei der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde, wie sie vorliegend gewählt wurde, gelten die §§ 177 bis 182 ZPO (§ 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG). Bei der Zustellung mit Zustellungsurkunde wird die Zustellung im Regelfall durch die Übergabe des Schriftstücks bewirkt (§§ 176 Abs. 2, 177 ZPO). Eine Ersatzzustellung ist zulässig durch Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung des Empfängers an einen erwachsenen Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigte Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder in Gemeinschaftseinrichtungen an den Leiter der Einrichtung oder einen dazu ermächtigten Vertreter (§ 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Die Möglichkeit einer Ersatzzustellung in einem Geschäftsraum an eine dort beschäftigte Person (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) entfiel vorliegend von vornherein. Eine Ersatzzustellung nach § 178 ZPO wurde vorliegend auch nicht durchgeführt.
24 
Eine Ersatzzustellung ist weiter möglich, indem das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wird (§ 180 Satz 1 ZPO). Nach dieser Vorschrift ist die Ersatzzustellung aber nur zulässig, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar ist, nicht dagegen, wenn sie nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht ausführbar ist (§ 180 ZPO).
25 
Vorliegend gab es keinen "zu der Wohnung… gehörenden" Briefkasten. Denn der an der Unterkunft K. angebrachte Briefkasten ist nach dem Schreiben des O. vom 12.06.2013 nicht mit Namen der Bewohner versehen. Darüber hinaus ist eine Ersatzzustellung durch Einwurf in einen Gemeinschaftsbriefkasten nur dann wirksam, wenn er von dem Adressaten bereitgestellt wird und der Adressat eine solche Einrichtung gewöhnlich für den Erhalt von Postsendungen verwendet (vgl. näheres bei BGH, Urt. v. 16.06.2011, BGHZ 190, 99). Dies war vorliegend offensichtlich nicht der Fall. Denn die Kläger hatten keinen Einfluss auf die Beschriftung und Verwendung des Briefkastens. So war nach dem Schreiben des O. vom 12.06.2013 mit den zuständigen Postzustellern vereinbart worden, dass die Post für alle Bewohner der K. im Büro der Verwaltung der Gemeinschaftsunterkunft U. abgegeben wird.
26 
Die auf der Postzustellungsurkunde vermerkte Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten der Gemeinschaftsunterkunft K. war auch nicht als Ersatzzustellung gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 180 ZPO zulässig.
27 
Dieser Zustellungsmangel wurde nach § 8 VwZG in dem Zeitpunkt geheilt, als das Schriftstück den Empfängern tatsächlich zuging. Das war nach den glaubhaft gemachten und auch glaubhaften Angaben der Kläger am Ende der 49. Woche des Jahres 2012, damit also spätestens am 09.12.2012. Die einwöchige Klagefrist lief damit am 17.12.2012 ab. Die Klage wurde am 14.12.2012 und damit innerhalb der Klagefrist erhoben.
28 
Die Klage ist auch im Umfang des Tenors begründet. Der Kläger zu 1 hat Anspruch auf Feststellung, dass für ihn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Auf-enthG in Bezug auf Serbien vorliegt. Damit ist Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 rechtswidrig, soweit sie dem entgegensteht, und Nr. 4 dieses Bescheids in Bezug auf den Kläger zu 1 insgesamt. Im Übrigen ist der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
29 
Kläger zu 1
30 
Es besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
31 
Nach § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylVfG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1), außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
32 
Nach § 3 a Abs. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 AsylVfG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3 a Abs. 2 AsylVfG können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 AsylVfG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3 a Abs. 3 AsylVfG muss dabei zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Die Verfolgung kann nach § 3 c AsylVfG ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines geschützten Rechtsguts selbst und nicht nur auf das asylerhebliche Merkmal oder jetzt die Verfolgungsgründe im Sinne von Art. 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) - QRL - zielt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 - und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - jew. juris). Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15 QRL vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdullah -). Es gilt der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.02.2008, ZAR 2008, 192).
34 
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2010 - A 4 S 703/10 -). Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010, InfAusR 2010,188). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - a.a.O.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - juris).
35 
Insgesamt liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor.
36 
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger zu 1 allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Volk der Roma, also wegen seiner "Rasse" (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), einer Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylVfG in Serbien ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr nach Serbien einer solchen Gefahr ausgesetzt sein würde.
37 
Es kann nicht festgestellt werden, dass eine vom Staat oder von Parteien oder Organisationen ausgehende Verfolgung (§ 3 c Nr. 1 und 2 AsylVfG) der Roma in Serbien stattfindet. Zwar berichtet amnesty international im AMNESTY-REPORT 2013 Serbien über Diskriminierungsmaßnahmen Belgrader Behörden, als rund 1000 Roma aus der Siedlung Belvil vertrieben wurden. Es handelte sich dabei aber - soweit ersichtlich - um einen Einzelfall, bei dem schon fraglich ist, ob es sich überhaupt um Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3 a AsylVfG handelte. Im AMNESTY-REPORT 2013 Serbien wird auch schon darauf hingewiesen, dass im September 2012 Gesetzesänderungen verabschiedet wurden, die die Rechtsstellung von Roma verbessern sollten. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 06.08.2012 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind jedenfalls (staatliche) Menschenrechtsverletzungen gegenüber Minderheiten, auch gegenüber den Roma, nicht bekannt. Dem entsprechen die Ausführungen im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013. Danach gibt es keinerlei Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma. Die Regierung bemüht sich vielmehr, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik zu verbessern. Allerdings sollen Roma weiterhin von Übergriffen auf Personen in Polizeigewahrsam überproportional betroffen sein, ohne dass hierzu konkrete Erkenntnisse vorliegen. Die serbische Regierung hat am 10.06.2013 einen Aktionsplan zur Verbesserung der Lage der Roma u. a. in den Bereichen Bildung, Krankenschutz, Arbeitsaufnahme, Wohnbedingungen, amtliche Registrierung und sozialen Schutz verabschiedet. Auch Dr. W. gab bei der Vernehmung als Zeugin beim erkennenden Gericht am 25.03.2014 im Verfahren A 11 K 5036/13 an, es sei nicht verbürgt, dass Rückkehrern in Serbien die Pässe abgenommen würden; sonstige Schikanen gegen Roma-Rückkehrer seien nicht bekannt. Dies gelte auch angesichts der allgemeinen Probleme, die Roma in Serbien beim Umgang mit staatlichen oder anderen Behörden weiterhin im Einzelfall haben könnten.
38 
Allerdings finden nach Auskunftslage gewisse Diskriminierungen seitens nichtstaatlicher Akteure (§ 3 c Nr. 3 AsylVfG) statt. Es ist jedoch nicht festzustellen, dass diese Diskriminierungen Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 a AsylVfG darstellen, d.h. dass sie schwerwiegende Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte darstellen (vgl. § 3 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG). Weiter ist nicht festzustellen, dass eine hinreichende Verfolgungsdichte vorliegt, dass also Verfolgungshandlungen allen Roma in Serbien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. zum Maßstab VGH Bad.-Württ., Urt. vom 12.06.2013 - A 11 S 757/13 - juris; BVerwG, Urt. vom 20.02.2013, BVerwGE 146, 67).
39 
Hierzu hat Dr. W. als Zeugin ausgeführt, die allgemeine Lage der Roma in Serbien habe sich verschlechtert. Insbesondere habe die Gewalt gegen Roma zugenommen. Dies sei aktuell nur schwer greifbar, weil Zwischenfälle und Übergriffe nicht mehr dokumentiert würden, so dass man auf Medienberichte angewiesen sei. Eine gesteigerte Aggressivität gegen Roma gebe es insbesondere seit der Diskussion über eine mögliche Wiedereinführung der Visumspflicht für Reisen in die EU. In diesem Zusammenhang werde massiv Stimmung gegen die Roma gemacht. 2003 seien elf Fälle von Übergriffen Dritter auf Roma dokumentiert. Nach dieser Zahl ist allerdings schon eine maßgebliche Verfolgungsdichte durch Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 a AsylVfG nicht feststellbar. Nähere Erkenntnisse hierzu ergeben sich auch nicht aus den sonst verwerteten Erkenntnismitteln (vgl. auch VG Bremen, Urt. vom 06.01.2014 - 4 K 1005/12.A -; VG Augsburg, Urt. vom 05.11.2013 - Au 6 K 13.30331 - juris).
40 
Auch die in der Schrift "Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?" von Dr. W. aufgeführten gewalttätigen und anderen Maßnahmen, die selbstverständlich außerordentlich bedauerlich sind, erreichen bei weitem nicht den Umfang einer maßgeblichen Verfolgungsdichte. Im Übrigen besteht in der gesamten Europäischen Union weitreichender Konsens, dass die sicherlich zu beklagenden Diskriminierungen und Ausgrenzungen von Roma in Serbien „nicht mit Verfolgung oder ernsthaftem Schaden im asylrechtlichen Sinne gleichzusetzen“ sind (vgl. BRat-Drs. 183/14 vom 02.05.2014, S. 14 ff. <18>).
41 
Offen bleiben kann danach, ob der vom Staat durchaus in die Wege geleitete Schutz (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 18.10.2013) ausreichend im Sinne von § 3 d AsylVfG ist.
42 
Schließlich liegt nach Auffassung des Gerichts keine maßgebliche Verfolgung durch "massenhafte Behinderung bzw. Verhinderung der Ausreise serbischer Staatsangehöriger durch gesetzliche Regelungen und deren administrative Umsetzung" vor (a. A. das Urteil des erkennenden Gerichts vom 25.03.2014 - A 11 K 5036/13 -).
43 
So gehört die Ausreisefreiheit schon nicht zu den grundlegenden Menschenrechten im Sinne von § 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG. Sie wird insbesondere nicht in den Artikeln der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) genannt, die nach Art. 15 Abs. 2 EMRK notstandsfest sind. Die Ausreisefreiheit ist vielmehr überhaupt nicht durch die Europäische Menschenrechtskonvention erfasst. Das ergibt sich aus Protokoll Nr. 4 zur EMRK. Dadurch werden "gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet…, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind". Die Ausreisefreiheit wird erst in Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK normiert. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des EGMR vom 27.11.2012 (Bsw. 29713/05).
44 
Im Übrigen ist die damit geschützte Freizügigkeit jedenfalls nicht im Kern bedroht, wenn man sich - wie in Serbien - innerhalb des Landes grundsätzlich frei bewegen kann und eine Ein- und Ausreise zwar schwierig, aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. OVG Lüneburg, Urt. vom 26.01.2012, InfAuslR 2012, 149).
45 
Darüber hinaus ist auch nicht feststellbar, dass eine Ausreise für Roma tatsächlich unmöglich oder nur unter erschwerten Umständen möglich wäre. So behauptete die Zeugin Dr. W. zwar, in den Jahren 2012 und 2013 sei einer großen Zahl Roma die Ausreise verweigert worden. Nachvollziehbare Tatsachen oder Grundlagen nennt sie aber nicht. An näheren Erkenntnissen hierzu fehlt es auch im Übrigen. Aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013 ergibt sich jedenfalls, dass eine Rückkehr ausgereister Roma nach Serbien problemlos möglich ist.
46 
Etwas anderes lässt sich nicht aus der Änderung des serbischen Strafrechts zum 01.01.2013 herleiten. Insbesondere betrifft § 350 a Serbisches StGB seinem Wortlaut nach nicht Asylbewerber selbst, sondern deren (Flucht-)Helfer. Allerdings kommt es grundsätzlich nicht auf den Wortlaut einer Vorschrift an, sondern darauf, wie sie in der Rechtspraxis der Gerichte oder sonstiger Verfolgungsbehörden tatsächlich gehandhabt wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 26.10.1993, NVwZ 1994, 500). Nach der von Dr. W. genannten Anzahl von sieben Strafverfahren gegen acht Personen, bei denen im Übrigen noch kein Urteil vorliege, lässt sich eine solche Praxis mangels Masse schon nicht ermitteln. Hierzu gehört eine ersichtlich größere Anzahl von Verfahren oder Maßnahmen, für die es nach den vorliegenden Erkenntnisquellen jedenfalls derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt. Im Übrigen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich auch im deutschen Asylrecht Strafvorschriften finden lassen, die sich gegen Unterstützung missbräuchlicher Asylantragstellung richten (vgl. §§ 84 f. AsylVfG).
47 
Der Kläger zu 1 hat auch nicht aus individuellen Gründen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
48 
Das Gericht ist allerdings nun - unter Auswertung der vorhandenen Äußerungen und Unterlagen und nach seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung - davon überzeugt, dass ein Kollege des Klägers zu 1 am 15.01.2009 versuchte, ihn mit einem Bajonette zu erstechen. Es steht aber nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) fest, dass der Angriff deshalb erfolgte, weil der Kläger zu 1 zur Volksgruppe der Roma gehört. Der Kläger zu 1 hat sich insoweit im Wesentlichen auf Vermutungen gestützt. Auch auf mehrfache Nachfragen des Gerichts haben sich hierzu keine konkreten Tatsachen ergeben. Auf Frage, ob der Kläger zu 1 Tatsachen oder Vermutungen zum Grund angeben könne, weswegen ihn der Mann habe niederstechen wollen, hat der Kläger zu 1 angegeben: Der Mann sei schon immer ein Nationalist gewesen. Er - der Kläger zu 1 - habe schon immer Probleme mit ihm gehabt. Der Mann habe immer gesagt, dass er - der Kläger zu 1 - nicht nach Serbien gehöre. In Serbien sollten nur Serben leben. Roma sollten dahin, wohin sie gehörten. Er wisse nicht, ob der Mann betrunken gewesen sei. Es könnte sein, dass er dies beim Psychologen des Gesundheitshauses N. gesagt habe. Denn ein normaler Mensch könne eine solche Tat nicht begehen, das könne nur ein Betrunkener.
49 
Insbesondere genügt hierfür nicht, dass der Kläger zu 1 den Angreifer als Nationalisten ansah. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Kläger zu 1 im Juli 2012 beim Gesundheitshaus N. angab, der Angreifer sei in einem alkoholisiertem Zustand auf ihn losgestürmt. Danach kommt als Auslöser des Angriffs ohne weiteres auch eine alkoholbedingte Enthemmung in Frage.
50 
Selbst wenn man davon ausgeht, dass Anlass und Grund des Angriffs die Zugehörigkeit des Klägers zu 1 zu den Roma war, kann derzeit nicht mehr davon ausgegangen werden, dass dem Kläger zu 1 bei einer Rückkehr nach Serbien eine konkrete Gefahr drohte. Dies gilt auch unter Beachtung von Art. 4 Abs. 4 QRL, wonach die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. Denn es sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger zu 1 erneut von solcher Verfolgung bedroht würde. Hierfür spricht zum einen, dass es im Zeitraum vom 15.01.2009 bis zu seiner Ausreise im September 2012 keinen weiteren vergleichbaren Vorfall gab, obwohl der Kläger zu 1 nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung immer wieder, wenn auch nur zeitweise, (an seiner Arbeitsstelle) gearbeitet hat. Weiter spricht gegen diese Vermutung, dass sich der Vorfall in der Arbeitsstelle des Klägers zu 1 und im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit dort abspielte. Es erscheint aber völlig ausgeschlossen, dass der Kläger zu 1 nach seiner Kündigung und auch nach seinem psychischen Zustand dort je wieder arbeiten wird.
51 
Danach kann auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger zu 1 Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass ihm bei einer Rückkehr nach Serbien ein ernsthafter Schaden droht (§ 4 Abs. 1, Abs. 3 AsylVfG). Es liegen weiter auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 AufenthG vorliegen.
52 
Der Kläger zu 1 hat aber Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
53 
Gesundheitlich bedingte Gefahren können unter bestimmten Umständen diese Voraussetzungen erfüllen. Bei einer bereits im Bundesgebiet vorhandenen Krankheit ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die vorhandene Erkrankung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmern würde, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führte; dies ist der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, BVerwGE 127, 33; Beschl. v. 24.05.2006, InfAuslR 2006, 485; Urt. v. 25.11.1997, BVerwGE 105, 383). Diese Gefahr muss alsbald nach der Rückkehr drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, a.a.O.), d. h. ungefähr innerhalb eines Jahres nach Rückkehr (vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 23.02.2009, AuAS 2009, 160). Erforderlich ist dabei die Erstellung einer Gefahrenprognose (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2011 - 10 B 1/11 -, juris).Hierzu sind alle vorhandenen Erkenntnisse und der dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG innewohnende Grundsatz der Zumutbarkeit zu würdigen und es ist gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO daraus eine richterliche Überzeugung zu bilden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2011, a.a.O.; Urteil der erkennenden Kammer vom 06.07.2005 - A 17 K 10181/05 -). Als Maßstab kann darauf abgestellt werden, ob die Gesundheitsgefahren aus Sicht eines vernünftigen und besonnenen Menschen ernstlich zu befürchten und damit überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.12.2004 - 13 A 1250/04.A -; Beschlüsse vom 16.12.2004 - 13 A 4512/03.A - und - 13 A 1140/04.A -; Beschl. v. 26.04.2007 - 13 A 4611/04.A). Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, a.a.O.).
54 
Der Kläger zu 1 leidet an einer psychischen Erkrankung und zwar an einer rezidivierenden depressiven Störung. Sie hatte sich nach dem oben dargestellten Vorfall vom 15.01.2009 entwickelt. Der Kläger zu 1 befand sich deswegen schon in Serbien in ärztlicher Behandlung und befindet sich seit Anfang 2012 in Deutschland in psychiatrischer Behandlung. Als Diagnosen wurden hier festgestellt: Rezidivierende depressive Störung, ggf. schwere Episode sowie posttraumatische Belastungsstörung. Dabei hat der Kläger zu 1 dreimal Selbsttötungsversuche unternommen. Für den Kläger zu 1 ist als Behandlung erforderlich: Regelmäßige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung und Behandlung mit Antidepressiva und neuroleptischer Therapie. Um eine seelische Stabilität zu erreichen, ist ein sicheres soziales Umfeld notwendig. Sollte der Kläger zu 1 keine regelmäßigen psychotherapeutischen Gespräche bzw. keine medikamentöse Therapie erhalten, und im Falle von Veränderungen im sozialen Umfeld, vor allem bei Abschiebung in sein Heimatland, ist zu befürchten, dass die depressiven Symptome zunehmen und es im schlimmsten Fall im Rahmen dieser zu einem erneuten Selbsttötungsversuch kommt. Dies ergibt sich überzeugend aus der vom Gericht eingeholten Stellungnahme von A. E., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 19.02.2014.
55 
Danach ist aus der Sicht eines vernünftigen und besonderen Menschen ernstlich zu befürchten und damit wahrscheinlich, dass schon bei einer Abschiebung nach Serbien dort die depressiven Symptome zunehmen und es dabei zu einem erneuten Selbsttötungsversuch kommt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.09.2007, InfAuslR 2008, 94). Dies liegt schon deshalb nicht fern, weil der Kläger zu 1 schon aufgrund der verfahrensrelevanten Umstände drei Selbsttötungsversuche gemacht hat. Hierfür sprechen auch die Angaben, die die Klägerin zu 2 hierzu in der mündlichen Verhandlung gemacht hat: Der Kläger zu 1 habe im Laufe der Zeit immer mehr Angst vor allen Menschen bekommen. Sein Verhalten habe sich immer mehr verschlimmert. Im August 2010 sei es dahin kulminiert, dass er gesagt habe, er möchte nicht in so einem Land leben, wo er zweiter Klasse sei. In der Nacht vom 03. auf den 04. August 2010 habe er getrunken. Sie habe geahnt, dass etwas passieren würde. Als sie instinktiv aufgewacht sei, habe er auf dem Sessel gelegen. Sie habe dann Notarzt und Arzt angerufen. Es habe ein Selbstmordversuch vorgelegen, nach dem er sieben Tage im Krankenhaus habe verbringen müssen. Sie hätten dann auch Klage erhoben und einen Anwalt eingeschaltet. Die Situation des Klägers zu 1 habe sich immer mehr verschlechtert. Sie habe nicht mehr gewusst, wie sie ihm und der Familie habe helfen sollen. Deshalb hätten sie beschlossen, außerhalb Serbiens Hilfe zu suchen.
56 
Weiter führt - unabhängig von den bisherigen Ausführungen - zu einer Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, dass die nach der ärztlichen Einschätzung zwingend erforderliche medikamentöse Therapie in Serbien nicht gewährleistet wäre. Nach der vom Gericht eingeholten Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 01.04.2014 ist zwar davon auszugehen, dass in Serbien die für den Kläger zu 1 notwendigen Behandlungen, die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung und auch die medikamentösen Behandlungen, grundsätzlich vorhanden wären; die beim Kläger zu 1 diagnostizierten Erkrankungen wären damit behandelbar. Dabei wären die psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungen auch für den Kläger zu 1 kostenlos erreichbar. Im konkreten Falle des Klägers zu 1 wäre aber nicht sichergestellt, dass er die notwendigen Medikamente auch tatsächlich bekommen würde.
57 
Nach der Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 01.04.2014 können Patienten Medikamente - auch in staatlichen Apotheken - nur mit einer bestimmten Kostenbeteiligung erhalten (vgl. auch SFH vom 04.10.2012). Danach ist unbestritten, dass die Roma weiterhin einen erschwerten Zugang zu Gesundheitsdiensten haben. Zwar haben die Angehörigen der Volksgruppe der Roma die gleichen Rechte wie alle anderen Bürger Serbiens, somit auch das Recht auf Gesundheitsschutz. Sie müssen wie alle krankenversicherten Bürger aber auch die vorgeschriebene Kostenbeteiligung für Medikamente bezahlen. Sie können nur versuchen, die notwendigen Medikamente über humanitäre und kirchliche Organisationen zu bekommen (Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 07.06.2013 an VG Bremen).
58 
Dies gilt auch, wenn man davon ausgeht, dass die Zuzahlungen keine hohen Beträge beinhalten und die Kläger Anspruch auf Kindergeld haben (vgl. näher VG Bremen, Urt. vom 06.01.2014, a.a.O.). Denn es erscheint ausgeschlossen, dass der Kläger zu 1 in Serbien wieder Arbeit findet. Dagegen spricht der Gesundheitszustand des Klägers zu 1, der schon in Serbien dazu führte, dass er nur noch zeitweise arbeiten konnte, im Übrigen aber krankgeschrieben war. Weiter ist dabei zu berücksichtigten, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt für Roma schon ohne diese zusätzlichen Erschwernisse grundsätzlich schwierig ist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013).
59 
Danach ist auch die gegen den Kläger zu 1 gerichtete Abschiebungsandrohung rechtswidrig. Denn Serbien wurde nicht als Staat bezeichnet, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung in einen anderen Staat in Betracht kommen könnte, bestehen nicht.
60 
Klägerin zu 2
61 
Die Klägerin zu 2 hat die geltend gemachten Ansprüche nicht. Sie ist Kroatin und hat sich nicht darauf berufen, wegen ihrer Volkszugehörigkeit in Serbien verfolgt zu werden. Darüber hinaus hat sie auch keine individuelle Verfolgung geltend gemacht. Schließlich ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass für sie aus gesundheitlichen Gründen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
62 
Die Androhung der Abschiebung gegenüber ihr ist rechtmäßig.
63 
Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylVfG sind gegeben. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht nicht; ein Aufenthaltstitel liegt nicht vor.
64 
Die Abschiebungsandrohung ist auch insoweit rechtmäßig, als nicht Serbien als Staat bezeichnet ist, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG stehen einer Abschiebung dorthin nicht entgegen. Insoweit wird auf die Ausführungen oben verwiesen.
65 
Kläger zu 3 und 4
66 
Die Kläger zu 3 und 4 haben die geltend gemachten Ansprüche nicht. Nach den obigen Ausführungen besteht auch für die Kläger zu 3 und 4 keine Verfolgungsgefahr aufgrund der Volkszugehörigkeit, unabhängig davon, ob man sie der Gruppe der Roma oder der Gruppe der Kroaten zurechnet.
67 
Für die Kläger zu 3 und 4 sind auch keine individuellen Verfolgungsgründe ersichtlich. Die Angaben des Klägers zu 1 bei der Anhörung, die Tochter sei in der Schule diskriminiert worden wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, und die Angaben der Klägerin zu 2 bei ihrer Anhörung, für die Kinder gebe es keine speziellen weiteren Asylgründe lassen keine konkrete Verfolgungssituation erkennen. Dabei beriefen sich die Kläger zu 1 und 2 bei der Anhörung gar nicht darauf, die Tochter sei von einer Gruppe Mitschüler aufgrund ihrer Herkunft verprügelt worden, wie es im ärztlichen Attest des Klinikums S. W. vom 11.02.2013 steht. Die Angaben sind jedenfalls insgesamt zu vage, um daraus irgendeine Vorverfolgung herzuleiten.
68 
Auch für die Kläger zu 3 und 4 gilt: Die Androhung der Abschiebung ist rechtmäßig.
69 
Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylVfG sind gegeben. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht nicht; ein Aufenthaltstitel liegt nicht vor.
70 
Die Abschiebungsandrohung ist auch insoweit rechtmäßig, als nicht Serbien als Staat bezeichnet ist, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG stehen einer Abschiebung dorthin nicht entgegen. Insoweit wird auf die Ausführungen oben verwiesen.
71 
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag muss nicht stattgegeben werden. Denn das Gericht ist bei seiner Entscheidung vom Vorliegen der zum Beweis gestellten Tatsachen ausgegangen.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Gründe

 
21 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens von Beteiligten über die Sache verhandeln und entscheiden können, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Klage ist zulässig.
23 
Die Klagefrist begann nicht mit der Zustellung des Bescheids am 14.11.2012 zu laufen. Denn die Zustellung war unwirksam. Bei der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde, wie sie vorliegend gewählt wurde, gelten die §§ 177 bis 182 ZPO (§ 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG). Bei der Zustellung mit Zustellungsurkunde wird die Zustellung im Regelfall durch die Übergabe des Schriftstücks bewirkt (§§ 176 Abs. 2, 177 ZPO). Eine Ersatzzustellung ist zulässig durch Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung des Empfängers an einen erwachsenen Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigte Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder in Gemeinschaftseinrichtungen an den Leiter der Einrichtung oder einen dazu ermächtigten Vertreter (§ 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Die Möglichkeit einer Ersatzzustellung in einem Geschäftsraum an eine dort beschäftigte Person (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) entfiel vorliegend von vornherein. Eine Ersatzzustellung nach § 178 ZPO wurde vorliegend auch nicht durchgeführt.
24 
Eine Ersatzzustellung ist weiter möglich, indem das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wird (§ 180 Satz 1 ZPO). Nach dieser Vorschrift ist die Ersatzzustellung aber nur zulässig, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar ist, nicht dagegen, wenn sie nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht ausführbar ist (§ 180 ZPO).
25 
Vorliegend gab es keinen "zu der Wohnung… gehörenden" Briefkasten. Denn der an der Unterkunft K. angebrachte Briefkasten ist nach dem Schreiben des O. vom 12.06.2013 nicht mit Namen der Bewohner versehen. Darüber hinaus ist eine Ersatzzustellung durch Einwurf in einen Gemeinschaftsbriefkasten nur dann wirksam, wenn er von dem Adressaten bereitgestellt wird und der Adressat eine solche Einrichtung gewöhnlich für den Erhalt von Postsendungen verwendet (vgl. näheres bei BGH, Urt. v. 16.06.2011, BGHZ 190, 99). Dies war vorliegend offensichtlich nicht der Fall. Denn die Kläger hatten keinen Einfluss auf die Beschriftung und Verwendung des Briefkastens. So war nach dem Schreiben des O. vom 12.06.2013 mit den zuständigen Postzustellern vereinbart worden, dass die Post für alle Bewohner der K. im Büro der Verwaltung der Gemeinschaftsunterkunft U. abgegeben wird.
26 
Die auf der Postzustellungsurkunde vermerkte Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten der Gemeinschaftsunterkunft K. war auch nicht als Ersatzzustellung gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 180 ZPO zulässig.
27 
Dieser Zustellungsmangel wurde nach § 8 VwZG in dem Zeitpunkt geheilt, als das Schriftstück den Empfängern tatsächlich zuging. Das war nach den glaubhaft gemachten und auch glaubhaften Angaben der Kläger am Ende der 49. Woche des Jahres 2012, damit also spätestens am 09.12.2012. Die einwöchige Klagefrist lief damit am 17.12.2012 ab. Die Klage wurde am 14.12.2012 und damit innerhalb der Klagefrist erhoben.
28 
Die Klage ist auch im Umfang des Tenors begründet. Der Kläger zu 1 hat Anspruch auf Feststellung, dass für ihn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Auf-enthG in Bezug auf Serbien vorliegt. Damit ist Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 rechtswidrig, soweit sie dem entgegensteht, und Nr. 4 dieses Bescheids in Bezug auf den Kläger zu 1 insgesamt. Im Übrigen ist der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 09.11.2012 rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
29 
Kläger zu 1
30 
Es besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
31 
Nach § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylVfG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1), außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
32 
Nach § 3 a Abs. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 AsylVfG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3 a Abs. 2 AsylVfG können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 AsylVfG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3 a Abs. 3 AsylVfG muss dabei zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Die Verfolgung kann nach § 3 c AsylVfG ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines geschützten Rechtsguts selbst und nicht nur auf das asylerhebliche Merkmal oder jetzt die Verfolgungsgründe im Sinne von Art. 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) - QRL - zielt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.1.2009 - 10 C 52.07 - und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - jew. juris). Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15 QRL vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdullah -). Es gilt der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.02.2008, ZAR 2008, 192).
34 
Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2010 - A 4 S 703/10 -). Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010, InfAusR 2010,188). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Urteil vom 28.02.2008 - Nr. 37201/06 - a.a.O.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - juris).
35 
Insgesamt liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor.
36 
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger zu 1 allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Volk der Roma, also wegen seiner "Rasse" (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), einer Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylVfG in Serbien ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr nach Serbien einer solchen Gefahr ausgesetzt sein würde.
37 
Es kann nicht festgestellt werden, dass eine vom Staat oder von Parteien oder Organisationen ausgehende Verfolgung (§ 3 c Nr. 1 und 2 AsylVfG) der Roma in Serbien stattfindet. Zwar berichtet amnesty international im AMNESTY-REPORT 2013 Serbien über Diskriminierungsmaßnahmen Belgrader Behörden, als rund 1000 Roma aus der Siedlung Belvil vertrieben wurden. Es handelte sich dabei aber - soweit ersichtlich - um einen Einzelfall, bei dem schon fraglich ist, ob es sich überhaupt um Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3 a AsylVfG handelte. Im AMNESTY-REPORT 2013 Serbien wird auch schon darauf hingewiesen, dass im September 2012 Gesetzesänderungen verabschiedet wurden, die die Rechtsstellung von Roma verbessern sollten. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 06.08.2012 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind jedenfalls (staatliche) Menschenrechtsverletzungen gegenüber Minderheiten, auch gegenüber den Roma, nicht bekannt. Dem entsprechen die Ausführungen im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013. Danach gibt es keinerlei Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma. Die Regierung bemüht sich vielmehr, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik zu verbessern. Allerdings sollen Roma weiterhin von Übergriffen auf Personen in Polizeigewahrsam überproportional betroffen sein, ohne dass hierzu konkrete Erkenntnisse vorliegen. Die serbische Regierung hat am 10.06.2013 einen Aktionsplan zur Verbesserung der Lage der Roma u. a. in den Bereichen Bildung, Krankenschutz, Arbeitsaufnahme, Wohnbedingungen, amtliche Registrierung und sozialen Schutz verabschiedet. Auch Dr. W. gab bei der Vernehmung als Zeugin beim erkennenden Gericht am 25.03.2014 im Verfahren A 11 K 5036/13 an, es sei nicht verbürgt, dass Rückkehrern in Serbien die Pässe abgenommen würden; sonstige Schikanen gegen Roma-Rückkehrer seien nicht bekannt. Dies gelte auch angesichts der allgemeinen Probleme, die Roma in Serbien beim Umgang mit staatlichen oder anderen Behörden weiterhin im Einzelfall haben könnten.
38 
Allerdings finden nach Auskunftslage gewisse Diskriminierungen seitens nichtstaatlicher Akteure (§ 3 c Nr. 3 AsylVfG) statt. Es ist jedoch nicht festzustellen, dass diese Diskriminierungen Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 a AsylVfG darstellen, d.h. dass sie schwerwiegende Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte darstellen (vgl. § 3 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG). Weiter ist nicht festzustellen, dass eine hinreichende Verfolgungsdichte vorliegt, dass also Verfolgungshandlungen allen Roma in Serbien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. zum Maßstab VGH Bad.-Württ., Urt. vom 12.06.2013 - A 11 S 757/13 - juris; BVerwG, Urt. vom 20.02.2013, BVerwGE 146, 67).
39 
Hierzu hat Dr. W. als Zeugin ausgeführt, die allgemeine Lage der Roma in Serbien habe sich verschlechtert. Insbesondere habe die Gewalt gegen Roma zugenommen. Dies sei aktuell nur schwer greifbar, weil Zwischenfälle und Übergriffe nicht mehr dokumentiert würden, so dass man auf Medienberichte angewiesen sei. Eine gesteigerte Aggressivität gegen Roma gebe es insbesondere seit der Diskussion über eine mögliche Wiedereinführung der Visumspflicht für Reisen in die EU. In diesem Zusammenhang werde massiv Stimmung gegen die Roma gemacht. 2003 seien elf Fälle von Übergriffen Dritter auf Roma dokumentiert. Nach dieser Zahl ist allerdings schon eine maßgebliche Verfolgungsdichte durch Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 a AsylVfG nicht feststellbar. Nähere Erkenntnisse hierzu ergeben sich auch nicht aus den sonst verwerteten Erkenntnismitteln (vgl. auch VG Bremen, Urt. vom 06.01.2014 - 4 K 1005/12.A -; VG Augsburg, Urt. vom 05.11.2013 - Au 6 K 13.30331 - juris).
40 
Auch die in der Schrift "Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?" von Dr. W. aufgeführten gewalttätigen und anderen Maßnahmen, die selbstverständlich außerordentlich bedauerlich sind, erreichen bei weitem nicht den Umfang einer maßgeblichen Verfolgungsdichte. Im Übrigen besteht in der gesamten Europäischen Union weitreichender Konsens, dass die sicherlich zu beklagenden Diskriminierungen und Ausgrenzungen von Roma in Serbien „nicht mit Verfolgung oder ernsthaftem Schaden im asylrechtlichen Sinne gleichzusetzen“ sind (vgl. BRat-Drs. 183/14 vom 02.05.2014, S. 14 ff. <18>).
41 
Offen bleiben kann danach, ob der vom Staat durchaus in die Wege geleitete Schutz (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 18.10.2013) ausreichend im Sinne von § 3 d AsylVfG ist.
42 
Schließlich liegt nach Auffassung des Gerichts keine maßgebliche Verfolgung durch "massenhafte Behinderung bzw. Verhinderung der Ausreise serbischer Staatsangehöriger durch gesetzliche Regelungen und deren administrative Umsetzung" vor (a. A. das Urteil des erkennenden Gerichts vom 25.03.2014 - A 11 K 5036/13 -).
43 
So gehört die Ausreisefreiheit schon nicht zu den grundlegenden Menschenrechten im Sinne von § 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG. Sie wird insbesondere nicht in den Artikeln der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) genannt, die nach Art. 15 Abs. 2 EMRK notstandsfest sind. Die Ausreisefreiheit ist vielmehr überhaupt nicht durch die Europäische Menschenrechtskonvention erfasst. Das ergibt sich aus Protokoll Nr. 4 zur EMRK. Dadurch werden "gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet…, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind". Die Ausreisefreiheit wird erst in Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK normiert. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des EGMR vom 27.11.2012 (Bsw. 29713/05).
44 
Im Übrigen ist die damit geschützte Freizügigkeit jedenfalls nicht im Kern bedroht, wenn man sich - wie in Serbien - innerhalb des Landes grundsätzlich frei bewegen kann und eine Ein- und Ausreise zwar schwierig, aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. OVG Lüneburg, Urt. vom 26.01.2012, InfAuslR 2012, 149).
45 
Darüber hinaus ist auch nicht feststellbar, dass eine Ausreise für Roma tatsächlich unmöglich oder nur unter erschwerten Umständen möglich wäre. So behauptete die Zeugin Dr. W. zwar, in den Jahren 2012 und 2013 sei einer großen Zahl Roma die Ausreise verweigert worden. Nachvollziehbare Tatsachen oder Grundlagen nennt sie aber nicht. An näheren Erkenntnissen hierzu fehlt es auch im Übrigen. Aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013 ergibt sich jedenfalls, dass eine Rückkehr ausgereister Roma nach Serbien problemlos möglich ist.
46 
Etwas anderes lässt sich nicht aus der Änderung des serbischen Strafrechts zum 01.01.2013 herleiten. Insbesondere betrifft § 350 a Serbisches StGB seinem Wortlaut nach nicht Asylbewerber selbst, sondern deren (Flucht-)Helfer. Allerdings kommt es grundsätzlich nicht auf den Wortlaut einer Vorschrift an, sondern darauf, wie sie in der Rechtspraxis der Gerichte oder sonstiger Verfolgungsbehörden tatsächlich gehandhabt wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 26.10.1993, NVwZ 1994, 500). Nach der von Dr. W. genannten Anzahl von sieben Strafverfahren gegen acht Personen, bei denen im Übrigen noch kein Urteil vorliege, lässt sich eine solche Praxis mangels Masse schon nicht ermitteln. Hierzu gehört eine ersichtlich größere Anzahl von Verfahren oder Maßnahmen, für die es nach den vorliegenden Erkenntnisquellen jedenfalls derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt. Im Übrigen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich auch im deutschen Asylrecht Strafvorschriften finden lassen, die sich gegen Unterstützung missbräuchlicher Asylantragstellung richten (vgl. §§ 84 f. AsylVfG).
47 
Der Kläger zu 1 hat auch nicht aus individuellen Gründen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
48 
Das Gericht ist allerdings nun - unter Auswertung der vorhandenen Äußerungen und Unterlagen und nach seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung - davon überzeugt, dass ein Kollege des Klägers zu 1 am 15.01.2009 versuchte, ihn mit einem Bajonette zu erstechen. Es steht aber nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) fest, dass der Angriff deshalb erfolgte, weil der Kläger zu 1 zur Volksgruppe der Roma gehört. Der Kläger zu 1 hat sich insoweit im Wesentlichen auf Vermutungen gestützt. Auch auf mehrfache Nachfragen des Gerichts haben sich hierzu keine konkreten Tatsachen ergeben. Auf Frage, ob der Kläger zu 1 Tatsachen oder Vermutungen zum Grund angeben könne, weswegen ihn der Mann habe niederstechen wollen, hat der Kläger zu 1 angegeben: Der Mann sei schon immer ein Nationalist gewesen. Er - der Kläger zu 1 - habe schon immer Probleme mit ihm gehabt. Der Mann habe immer gesagt, dass er - der Kläger zu 1 - nicht nach Serbien gehöre. In Serbien sollten nur Serben leben. Roma sollten dahin, wohin sie gehörten. Er wisse nicht, ob der Mann betrunken gewesen sei. Es könnte sein, dass er dies beim Psychologen des Gesundheitshauses N. gesagt habe. Denn ein normaler Mensch könne eine solche Tat nicht begehen, das könne nur ein Betrunkener.
49 
Insbesondere genügt hierfür nicht, dass der Kläger zu 1 den Angreifer als Nationalisten ansah. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Kläger zu 1 im Juli 2012 beim Gesundheitshaus N. angab, der Angreifer sei in einem alkoholisiertem Zustand auf ihn losgestürmt. Danach kommt als Auslöser des Angriffs ohne weiteres auch eine alkoholbedingte Enthemmung in Frage.
50 
Selbst wenn man davon ausgeht, dass Anlass und Grund des Angriffs die Zugehörigkeit des Klägers zu 1 zu den Roma war, kann derzeit nicht mehr davon ausgegangen werden, dass dem Kläger zu 1 bei einer Rückkehr nach Serbien eine konkrete Gefahr drohte. Dies gilt auch unter Beachtung von Art. 4 Abs. 4 QRL, wonach die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. Denn es sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger zu 1 erneut von solcher Verfolgung bedroht würde. Hierfür spricht zum einen, dass es im Zeitraum vom 15.01.2009 bis zu seiner Ausreise im September 2012 keinen weiteren vergleichbaren Vorfall gab, obwohl der Kläger zu 1 nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung immer wieder, wenn auch nur zeitweise, (an seiner Arbeitsstelle) gearbeitet hat. Weiter spricht gegen diese Vermutung, dass sich der Vorfall in der Arbeitsstelle des Klägers zu 1 und im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit dort abspielte. Es erscheint aber völlig ausgeschlossen, dass der Kläger zu 1 nach seiner Kündigung und auch nach seinem psychischen Zustand dort je wieder arbeiten wird.
51 
Danach kann auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger zu 1 Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass ihm bei einer Rückkehr nach Serbien ein ernsthafter Schaden droht (§ 4 Abs. 1, Abs. 3 AsylVfG). Es liegen weiter auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 AufenthG vorliegen.
52 
Der Kläger zu 1 hat aber Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
53 
Gesundheitlich bedingte Gefahren können unter bestimmten Umständen diese Voraussetzungen erfüllen. Bei einer bereits im Bundesgebiet vorhandenen Krankheit ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die vorhandene Erkrankung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmern würde, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führte; dies ist der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, BVerwGE 127, 33; Beschl. v. 24.05.2006, InfAuslR 2006, 485; Urt. v. 25.11.1997, BVerwGE 105, 383). Diese Gefahr muss alsbald nach der Rückkehr drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, a.a.O.), d. h. ungefähr innerhalb eines Jahres nach Rückkehr (vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 23.02.2009, AuAS 2009, 160). Erforderlich ist dabei die Erstellung einer Gefahrenprognose (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2011 - 10 B 1/11 -, juris).Hierzu sind alle vorhandenen Erkenntnisse und der dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG innewohnende Grundsatz der Zumutbarkeit zu würdigen und es ist gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO daraus eine richterliche Überzeugung zu bilden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2011, a.a.O.; Urteil der erkennenden Kammer vom 06.07.2005 - A 17 K 10181/05 -). Als Maßstab kann darauf abgestellt werden, ob die Gesundheitsgefahren aus Sicht eines vernünftigen und besonnenen Menschen ernstlich zu befürchten und damit überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.12.2004 - 13 A 1250/04.A -; Beschlüsse vom 16.12.2004 - 13 A 4512/03.A - und - 13 A 1140/04.A -; Beschl. v. 26.04.2007 - 13 A 4611/04.A). Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.2006, a.a.O.).
54 
Der Kläger zu 1 leidet an einer psychischen Erkrankung und zwar an einer rezidivierenden depressiven Störung. Sie hatte sich nach dem oben dargestellten Vorfall vom 15.01.2009 entwickelt. Der Kläger zu 1 befand sich deswegen schon in Serbien in ärztlicher Behandlung und befindet sich seit Anfang 2012 in Deutschland in psychiatrischer Behandlung. Als Diagnosen wurden hier festgestellt: Rezidivierende depressive Störung, ggf. schwere Episode sowie posttraumatische Belastungsstörung. Dabei hat der Kläger zu 1 dreimal Selbsttötungsversuche unternommen. Für den Kläger zu 1 ist als Behandlung erforderlich: Regelmäßige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung und Behandlung mit Antidepressiva und neuroleptischer Therapie. Um eine seelische Stabilität zu erreichen, ist ein sicheres soziales Umfeld notwendig. Sollte der Kläger zu 1 keine regelmäßigen psychotherapeutischen Gespräche bzw. keine medikamentöse Therapie erhalten, und im Falle von Veränderungen im sozialen Umfeld, vor allem bei Abschiebung in sein Heimatland, ist zu befürchten, dass die depressiven Symptome zunehmen und es im schlimmsten Fall im Rahmen dieser zu einem erneuten Selbsttötungsversuch kommt. Dies ergibt sich überzeugend aus der vom Gericht eingeholten Stellungnahme von A. E., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 19.02.2014.
55 
Danach ist aus der Sicht eines vernünftigen und besonderen Menschen ernstlich zu befürchten und damit wahrscheinlich, dass schon bei einer Abschiebung nach Serbien dort die depressiven Symptome zunehmen und es dabei zu einem erneuten Selbsttötungsversuch kommt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.09.2007, InfAuslR 2008, 94). Dies liegt schon deshalb nicht fern, weil der Kläger zu 1 schon aufgrund der verfahrensrelevanten Umstände drei Selbsttötungsversuche gemacht hat. Hierfür sprechen auch die Angaben, die die Klägerin zu 2 hierzu in der mündlichen Verhandlung gemacht hat: Der Kläger zu 1 habe im Laufe der Zeit immer mehr Angst vor allen Menschen bekommen. Sein Verhalten habe sich immer mehr verschlimmert. Im August 2010 sei es dahin kulminiert, dass er gesagt habe, er möchte nicht in so einem Land leben, wo er zweiter Klasse sei. In der Nacht vom 03. auf den 04. August 2010 habe er getrunken. Sie habe geahnt, dass etwas passieren würde. Als sie instinktiv aufgewacht sei, habe er auf dem Sessel gelegen. Sie habe dann Notarzt und Arzt angerufen. Es habe ein Selbstmordversuch vorgelegen, nach dem er sieben Tage im Krankenhaus habe verbringen müssen. Sie hätten dann auch Klage erhoben und einen Anwalt eingeschaltet. Die Situation des Klägers zu 1 habe sich immer mehr verschlechtert. Sie habe nicht mehr gewusst, wie sie ihm und der Familie habe helfen sollen. Deshalb hätten sie beschlossen, außerhalb Serbiens Hilfe zu suchen.
56 
Weiter führt - unabhängig von den bisherigen Ausführungen - zu einer Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, dass die nach der ärztlichen Einschätzung zwingend erforderliche medikamentöse Therapie in Serbien nicht gewährleistet wäre. Nach der vom Gericht eingeholten Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 01.04.2014 ist zwar davon auszugehen, dass in Serbien die für den Kläger zu 1 notwendigen Behandlungen, die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung und auch die medikamentösen Behandlungen, grundsätzlich vorhanden wären; die beim Kläger zu 1 diagnostizierten Erkrankungen wären damit behandelbar. Dabei wären die psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungen auch für den Kläger zu 1 kostenlos erreichbar. Im konkreten Falle des Klägers zu 1 wäre aber nicht sichergestellt, dass er die notwendigen Medikamente auch tatsächlich bekommen würde.
57 
Nach der Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 01.04.2014 können Patienten Medikamente - auch in staatlichen Apotheken - nur mit einer bestimmten Kostenbeteiligung erhalten (vgl. auch SFH vom 04.10.2012). Danach ist unbestritten, dass die Roma weiterhin einen erschwerten Zugang zu Gesundheitsdiensten haben. Zwar haben die Angehörigen der Volksgruppe der Roma die gleichen Rechte wie alle anderen Bürger Serbiens, somit auch das Recht auf Gesundheitsschutz. Sie müssen wie alle krankenversicherten Bürger aber auch die vorgeschriebene Kostenbeteiligung für Medikamente bezahlen. Sie können nur versuchen, die notwendigen Medikamente über humanitäre und kirchliche Organisationen zu bekommen (Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad vom 07.06.2013 an VG Bremen).
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Dies gilt auch, wenn man davon ausgeht, dass die Zuzahlungen keine hohen Beträge beinhalten und die Kläger Anspruch auf Kindergeld haben (vgl. näher VG Bremen, Urt. vom 06.01.2014, a.a.O.). Denn es erscheint ausgeschlossen, dass der Kläger zu 1 in Serbien wieder Arbeit findet. Dagegen spricht der Gesundheitszustand des Klägers zu 1, der schon in Serbien dazu führte, dass er nur noch zeitweise arbeiten konnte, im Übrigen aber krankgeschrieben war. Weiter ist dabei zu berücksichtigten, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt für Roma schon ohne diese zusätzlichen Erschwernisse grundsätzlich schwierig ist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013).
59 
Danach ist auch die gegen den Kläger zu 1 gerichtete Abschiebungsandrohung rechtswidrig. Denn Serbien wurde nicht als Staat bezeichnet, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung in einen anderen Staat in Betracht kommen könnte, bestehen nicht.
60 
Klägerin zu 2
61 
Die Klägerin zu 2 hat die geltend gemachten Ansprüche nicht. Sie ist Kroatin und hat sich nicht darauf berufen, wegen ihrer Volkszugehörigkeit in Serbien verfolgt zu werden. Darüber hinaus hat sie auch keine individuelle Verfolgung geltend gemacht. Schließlich ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass für sie aus gesundheitlichen Gründen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
62 
Die Androhung der Abschiebung gegenüber ihr ist rechtmäßig.
63 
Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylVfG sind gegeben. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht nicht; ein Aufenthaltstitel liegt nicht vor.
64 
Die Abschiebungsandrohung ist auch insoweit rechtmäßig, als nicht Serbien als Staat bezeichnet ist, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG stehen einer Abschiebung dorthin nicht entgegen. Insoweit wird auf die Ausführungen oben verwiesen.
65 
Kläger zu 3 und 4
66 
Die Kläger zu 3 und 4 haben die geltend gemachten Ansprüche nicht. Nach den obigen Ausführungen besteht auch für die Kläger zu 3 und 4 keine Verfolgungsgefahr aufgrund der Volkszugehörigkeit, unabhängig davon, ob man sie der Gruppe der Roma oder der Gruppe der Kroaten zurechnet.
67 
Für die Kläger zu 3 und 4 sind auch keine individuellen Verfolgungsgründe ersichtlich. Die Angaben des Klägers zu 1 bei der Anhörung, die Tochter sei in der Schule diskriminiert worden wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, und die Angaben der Klägerin zu 2 bei ihrer Anhörung, für die Kinder gebe es keine speziellen weiteren Asylgründe lassen keine konkrete Verfolgungssituation erkennen. Dabei beriefen sich die Kläger zu 1 und 2 bei der Anhörung gar nicht darauf, die Tochter sei von einer Gruppe Mitschüler aufgrund ihrer Herkunft verprügelt worden, wie es im ärztlichen Attest des Klinikums S. W. vom 11.02.2013 steht. Die Angaben sind jedenfalls insgesamt zu vage, um daraus irgendeine Vorverfolgung herzuleiten.
68 
Auch für die Kläger zu 3 und 4 gilt: Die Androhung der Abschiebung ist rechtmäßig.
69 
Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylVfG sind gegeben. Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht nicht; ein Aufenthaltstitel liegt nicht vor.
70 
Die Abschiebungsandrohung ist auch insoweit rechtmäßig, als nicht Serbien als Staat bezeichnet ist, in den nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG stehen einer Abschiebung dorthin nicht entgegen. Insoweit wird auf die Ausführungen oben verwiesen.
71 
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag muss nicht stattgegeben werden. Denn das Gericht ist bei seiner Entscheidung vom Vorliegen der zum Beweis gestellten Tatsachen ausgegangen.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

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