Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin Ziffer 3 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.06.2019 in Gestalt des Bescheids vom 11.07.2019 wird wiederhergestellt.
Die Anträge der Antragstellerinnen Ziffer 1, 2 und 4 werden abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt ¼ der Gerichtskosten und ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten, sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin Ziffer 3. Die Antragstellerinnen Ziffer 1, 2 und 4 tragen die übrigen Kosten des Verfahrens nach Kopfteilen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
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| 8 K 13356/17Die Antragstellerinnen wenden sich im Hinblick auf Lärmimmissionen gegen die Durchführung der Veranstaltung „Sindelfingen Rockt 2019“ |
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| Die Antragsgegnerin hat der Beigeladenen mit Bescheid vom 26.06.2019 gemäß § 29 Abs. 2 StVO i.V.m. § 16 Abs. 1 StrG die Erlaubnis erteilt, jeweils mittwochs am 31.07.2019, 07.08.2019, 14.08.2019, 21.08.2019 und 28.08.2019 auf dem Marktplatz in Sindelfingen von 18 Uhr bis 21.30 Uhr die Veranstaltungsreihe „Sindelfingen Rockt“ durchzuführen. Bei der Veranstaltungsreihe, die auch bereits in den Jahren 2015 bis 2018 stattgefunden hatte, wird Live-Musik sog. Tribute-Bands dargeboten. Tribute-Bands sind Musikgruppen aus dem Bereich der Popmusik oder Rockmusik, deren Ziel es ist, Musikstücke einer bekannten Band möglichst originalgetreu wiederzugeben. Auftritte von Tribute-Bands gleichen bisweilen einer perfekten Reproduktion von Shows der Originalkünstler (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Tribute-Band). Im Jahr 2019 sollen dies Phil Collins, die Toten Hosen, Metallica, Coldplay, und Abba sein. Die Erlaubnis wurde mit Auflagen verbunden. Danach ist u.a. beim Auf- und Abbau besonders auf das Ruhebedürfnis der Anwohner Rücksicht zu nehmen. In der Zeit des Auf- und/oder Abbaus sind Musikdarbietungen oder der Betrieb von Radio oder anderen Musikwiedergabegeräten verboten (Ziffer 13). Ab 22 Uhr ist die Nachtruhe einzuhalten. Dies bedeutet, dass gemäß § 2 der Polizeilichen Umweltschutzverordnung vom 25.11.1997 Andere, nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar, insbesondere durch Singen, Schreien oder Grölen gestört werden dürfen. Hierauf ist insbesondere beim Abbau zu achten (Ziffer 15). Lärmreduzierende Maßnahmen sind unter Ziffer 16 wie folgt angeordnet worden: |
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| Die Konzerte sind in drei Sets aufzuteilen. Die Zeiten der einzelnen Sets sind wie folgt: |
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| - 18.00 Uhr bis 18.50 Uhr - 19.15 Uhr bis 20.05 Uhr - 20.30 Uhr bis 21.30 Uhr |
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| Für das jeweilige Konzert geltend für die einzelnen Sets folgende Lärmpegel mit Mittelwert: |
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| Für die Lautstärke der musikalischen Darbietungen sind die Festsetzungen so einzustellen, dass lediglich die Besucher, die sich im Innenbereich des Veranstaltungsortes aufhalten, beschallt werden. Dafür sind die Lautsprecher und sonstigen Verstärkeranlagen nach innen auszurichten. |
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| Die Mittelwerte sind im Bereich des Mischpultes (Höhe Funktionsgebäude) zu messen und dürfen nicht überschritten werden. |
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| Um sicherzustellen, dass die festgesetzten Mittelwerte (siehe Ziffer 16 b) nicht überschritten werden, sind Schallpegelbegrenzer (sog. „Limiter“) einzusetzen. |
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| Um sicherzustellen, dass die festgesetzten Mittelwerte nicht überschritten werden, sind durch den Veranstalter Überwachungsmessungen durchzuführen. Diese sind zu dokumentieren und der Genehmigungsbehörde zeitnah nach dem jeweiligen Veranstaltungsende / spätestens freitags vor der nächsten Veranstaltung vorzulegen. |
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| Die Lücke zwischen den Gebäuden Marktplatz 4/1 und 5 ist durch Anbringung von geeignetem Dämmmaterial zu schließen (Analog Angebot der Firma ... vom 21.02.2019). |
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| Es ist das Ingenieurbüro ... mit der Kontrolle für die Einhaltung der Grenzwerte zu beauftragen. Das Gutachten und die Kontrolle sind erforderlich, um die Veranstaltung genehmigen zu können. |
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| Nachdem die Antragstellerinnen am 02./09.07.2019 Widersprüche gegen die Erlaubnis erhoben hatten, ordnete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11.07.2019 auf Grund Antrags der Beigeladenen vom 09.07.2019 gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Erlaubnis an. |
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| Die Anträge der Antragstellerinnen, mit denen sie bei sachdienlicher Auslegung (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO) beantragen, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche vom 02./09.07.2019 gegen die dem Beigeladenen erteilte Erlaubnis vom 26.06.2019 in der Fassung vom 11.07.2019 wiederherzustellen, sind zulässig (unter 1.). Der Antrag der Antragstellerin Ziffer 3 ist auch begründet (unter 2.). Die Anträge der Antragstellerinnen Ziffer 1, 2 und 4 sind hingegen unbegründet (unter 3.); ihre Hilfsanträge haben ebenfalls keinen Erfolg (unter 4.). |
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| Die Anträge sind zulässig. |
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| Die Antragstellerinnen hatten zwar bei der Antragstellung beim Gericht am 31.05.2019 unter Ziffer 1 ihres Antrages zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO begehrt, mit der der Antragsgegnerin vorläufig untersagt werden sollte, die Durchführung der Veranstaltung „Sindelfingen Rockt“ auf dem Marktplatz Sindelfingen im August 2019 oder in einem anderen Monat zuzulassen und - hilfsweise - vorläufig festgestellt werden sollte, dass die Durchführung der Veranstaltung „Sindelfingen Rockt“ auf dem Marktplatz Sindelfingen nicht zulässig ist. Nach der Erteilung der Erlaubnis an die Beigeladene mit Bescheid vom 26.06.2019 hatten die Antragstellerinnen ihren Antrag am 09.07.2019 insoweit für erledigt erklärt und beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 02.07.2019 gegen die Erlaubnis vom 26.06.2019 festzustellen. Hierzu trugen sie vor, dass auf Grund der zeitlichen Dringlichkeit das Verfahren fortzusetzen sei, so dass dahinstehen könne, ob es sich insoweit um eine Antragsänderung oder um einen neuen Antrag handele. Nachdem die Antragsgegnerin ihre Erlaubnis mit Bescheid vom 11.07.2019 für sofort vollziehbar erklärt hat, haben die Antragstellerinnen am 16.07.2019 ihren Antrag erneut dahingehend geändert, dass sie nunmehr beantragen, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Erlaubnis wiederherzustellen. Diese Änderungen des (Haupt-) Antrags der Antragstellerinnen sind zulässig, weil sie sachdienlich sind. |
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| Gemäß § 91 Abs. 1 VwGO, der in selbstständigen Antragsverfahren wie dem vorliegenden entsprechende Anwendung findet, ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Sachdienlich ist eine Klageänderung dann, wenn sie voraussichtlich zu einer abschließenden Entscheidung oder endgültigen Erledigung des Streitstoffs führen wird. Maßgeblich ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Das setzt nicht voraus, dass die Klage wahrscheinlich begründet sein muss. Entscheidend ist, dass der Streitstoff - also der zu beurteilende Lebenssachverhalt - im Wesentlichen gleichbleibt. Ändert er sich, so ist von Bedeutung, ob die Ergebnisse der bisherigen Prozessführung verwertbar sind oder nicht (vgl. Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Auflage, § 91 Rdnr. 2 und 20). Vorliegend hat sich der zu beurteilende Lebenssachverhalt nicht geändert. Das Ziel der Antragstellerinnen war und ist es, durch die Veranstaltung „Sindelfingen Rockt 2019“ nicht unzumutbar mit Lärmimmissionen belastet zu werden. Nachdem die Antragsgegnerin die von der Beigeladenen bereits im Dezember 2018 beantragte Erlaubnis nach § 29 StVO erst am 26.06.2019 erteilt hat, war es den Antragstellerinnen im Zeitpunkt der Antragstellung nicht möglich, ihr Rechtsschutzziel im Wege des nunmehr gestellten Antrages auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs zu verfolgen. In Anbetracht dessen, dass der Beigeladenen seitens der Antragsgegnerin bereits Anfang des Jahres 2019 signalisiert worden war, dass die Veranstaltung stattfinden könne (vgl. https://www.bbheute.de/nachrichten/gruenes-licht-fuer-sindelfingen-rockt-29-1-2019/) und sie auch die Geschäftsführerin der Antragstellerin Ziffer 2 bereits anlässlich einer Besprechung am 08.02.2019 darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass die Veranstaltung mit den fünf Konzerten im Jahr 2019 stattfinden werde (vgl. Gesprächsprotokoll vom 08.02.2019), verblieb den Antragstellerinnen zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes lediglich die Möglichkeit, vorläufig um einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO nachzusuchen. Denn tatsächlich war es auch Ende Mai 2019 noch völlig offen, bis wann mit dem Erlass der Erlaubnis zu rechnen war, obwohl der Bescheidentwurf offenbar bereits im Januar 2019 vorlag und die Antragsgegnerin zunächst auch beabsichtigt hatte, den Bescheid im Februar 2019 bekannt zu geben, mithin so frühzeitig, dass für alle Beteiligten Planungssicherheit bestanden hätte (vgl. Vorbereitungsprotokoll für die Sitzung des Verwaltungsvorstands am 15.01.2019). Die Antragsänderung ist im Übrigen auch prozesswirtschaftlich, da die von den Antragstellerinnen im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO vorgebrachten Gründe auch den geänderten Antrag tragen und dieser zu einer endgültigen Erledigung des Streitstoffs führen kann. |
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| Die Anträge sind gemäß § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2, § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, nachdem die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der erteilten Erlaubnis angeordnet hat. Die Behörde kann die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten anordnen, wenn ein Dritter - wie hier die Antragstellerinnen - einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt einlegt (vgl. § 80a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Macht die Behörde von dieser Möglichkeit Gebrauch, so kann das Gericht auf Antrag des Dritten diese Maßnahme ändern oder aufheben, wobei § 80 Abs. 5 bis 8 VwGO entsprechend gilt. |
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| Die Antragstellerinnen sind auch antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass ein Antragsteller geltend machen kann, durch die erteilte Erlaubnis in seinen Rechten verletzt zu sein. Dafür genügt es, dass eine Rechtsverletzung möglich ist, was bereits dann anzunehmen ist, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte nach dem Tatsachenvortrag des Antragstellers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen ist. So verhält es sich hier. |
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| Die Antragstellerin Ziffer 1, die nicht selbst am Marktplatz, sondern in der ... Straße ..., mithin ca. 280 Meter Luftlinie und einige Straßenzüge entfernt wohnt, macht geltend, dass sie alleinige Eigentümerin einer Wohnung im Gebäude ... Straße ... sei, die im 3. OG liege und von ihrer Tochter genutzt werde. Die Wohnung habe einen Wohnraum und einen Schlafraum jeweils mit Fenstern nach Osten und damit zum oberen Marktplatz ausgerichtet. Entlang der gesamten Ostseite des Gebäudes befinde sich als Außenwohnbereich ein durchgängiger Balkon. Durch weiter östlich befindliche Gebäude entstünden Reflektionen von dem auf dem Marktplatz verursachten Veranstaltungslärm. Durch Überschreitung der zulässigen Immissionsrichtwerte nach der Freizeitlärmrichtlinie werde ihr Eigentum und ihr persönlicher Lebensbereich direkt betroffen. Auch seien Gesundheitsgefährdungen zu besorgen. |
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| Die Antragstellerin Ziffer 2, eine ..., ist Eigentümerin von Wohngebäuden in der ... Straße ... und ... sowie in der ... Straße ..., ... und ..., wobei sich nach ihren Angaben in allen von ihr vermieteten Wohnungen sowohl die Wohn- als auch die Schlafräume mit Fenstern direkt in Richtung Marktplatz befänden. Die Geschäftsführerin der Antragstellerin Ziffer 2 wohnt nach eigenen Angaben mit ihrer Familie (... Personen) im Gebäude ... Straße ... mit verschiedenen Wohn- und Schlafräumen über eine Etage und ein Dachgeschoss. Die Antragstellerin Ziffer 2 macht ebenfalls geltend, durch den Veranstaltungslärm in ihrem Eigentum und persönlichen Lebensbereich schwer betroffen sowie Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt zu sein. Auch ihre Mieter würden durch den Veranstaltungslärm in ihrem persönlichen Lebensbereich belästigt. |
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| Die Antragstellerin Ziffer 3 ist Eigentümerin des Gebäudes ... Straße ... und wohnt dort nach ihren Angaben im 2. OG (DG). Sie macht geltend, dass sich zur ...- und ... Straße, mithin Richtung Marktplatz, sowohl ihre Wohn- als auch Schlafräume mit Fenstern befänden. Durch den Veranstaltungslärm sei sie in ihrem persönlichen Lebensbereich betroffen. Es seien Gesundheitsgefährdungen zu besorgen. Auch ihr Eigentum sei schwer betroffen, da sich im 1. OG eine Mietwohnung befinde, deren Zimmer ebenfalls zum Marktplatz ausgerichtet seien. |
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| Die Antragstellerin Ziffer 4, eine ..., ist Eigentümerin der Grundstücke ... Straße ... und .... Sie macht geltend, dass sich in den auf den Grundstücken befindlichen Wohngebäuden mehrere Wohnungen befänden. Auch einige ihrer Mitglieder würden dort selbst wohnen. Diese würden in ihrem persönlichen Lebensbereich durch den Veranstaltungslärm selbst betroffen und seien Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt. |
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| Mit diesem Vorbringen berufen sich die Antragstellerinnen auf eine Verletzung des durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Individualinteresses der körperlichen Unversehrtheit und auf das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf Eigentum, die als subjektive Schutzgüter der Sicherheit und Ordnung auch im Rahmen der Erteilung einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO zu beachten sind. Eine Verletzung in einem dieser Rechte erscheint bei sämtlichen Antragstellerinnen nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere auch für die nicht am Marktplatz wohnende Antragstellerin Ziffer 1, da es zumindest nicht fernliegend erscheint, dass sie sich zu Besuchszwecken bei ihrer Tochter in der Wohnung am Marktplatz aufhält und damit nicht nur zufällig bzw. gelegentlich, d.h. ohne besondere persönliche oder sachliche Bindungen. Es ist deshalb nicht generell auszuschließen, dass die Antragstellerin Ziffer 1 dort durch die Lautstärke der Musikveranstaltungen in unzumutbarer Weise betroffen sein könnte. Bei den Antragstellerinnen Ziffer 2 und 4 käme zumindest die Verletzung ihrer Eigentumsrechte in Betracht, wenn ihr Eigentum durch die von der Veranstaltung ausgehenden Lärmimmissionen entgegen Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht lediglich nach Maßgabe der Gesetze eingeschränkt würde. Bei der Antragstellerin Ziffer 3 erscheint die Verletzung ihrer körperlichen Unversehrtheit durch die von der Veranstaltung ausgehenden Lärmimmissionen bereits deshalb möglich, weil sich ihre Wohnung lediglich knapp 40 Meter vom Aufstellort der Bühne auf dem Marktplatz befindet. |
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| Der Antrag der Antragstellerin Ziffer 3 ist auch begründet. |
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| Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat das besondere öffentliche Interesse für die Anordnung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet, indem sie hinreichend nachvollziehbar dargelegt hat, aus welchen öffentlichen und im überwiegenden Interesse der Beigeladenen liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt bzw. geboten hält, den durch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerinnen ansonsten eintretenden vorläufigen Rechtsschutz zu versagen. Die Anordnung beschränkt sich insbesondere nicht nur auf pauschale und formelhafte Wendungen. Ob die Erwägungen der Antragsgegnerin inhaltlich zutreffen, ist für die Einhaltung des nur formellen Begründungserfordernisses nicht von Bedeutung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.02.2016 - 3 S 2225/15 - ). |
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| Die vom Gericht bei einer Entscheidung über Anträge nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende eigenständige Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind, führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin Ziffer 3 geboten ist. |
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| Bei der der Beigeladenen erteilten Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt, der Dritte belasten kann. Wird - wie hier - diese Erlaubnis von dem Dritten angegriffen, bedarf es weder nach dem einfachen Recht (vgl. §§ 80a, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 2. Alt. VwGO) noch wegen Art. 19 Abs. 4 GG der Prüfung eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung. Denn in dieser Situation stehen sich konkrete Rechtspositionen Privater gegenüber, die grundsätzlich gleichrangig sind. Die Frage, wer hier bis zum Ergehen der Entscheidung in der Hauptsache das Risiko der Herbeiführung vollendeter Tatsachen tragen muss, bestimmt sich vielmehr in erster Linie nach dem materiellen Recht, also den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 01.10.2008 - 1 BvR 2466/08 - ; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.02.2016 - 3 S 2225/15 - ). Dabei ist bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache allerdings nicht allein die objektive Rechtswidrigkeit entscheidend. Vielmehr kommt es wesentlich auch darauf an, ob der Dritte durch die angegriffene Erlaubnis in seinen Rechten verletzt ist. Denn Art. 19 Abs. 4 GG sichert dem Einzelnen (nur) Rechtsschutz für die Verletzung seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt. Er garantiert dem Bürger keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle der Verwaltung, sondern trifft eine Systementscheidung für den Individualrechtsschutz (vgl. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 01.10.2008 - 1 BvR 2466/08 - ). |
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| Gemessen hieran war dem Antrag der Antragstellerin Ziffer 3 stattzugeben, da beim derzeitigen Sach- und Streitstand ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der der Beigeladenen erteilten Erlaubnis bestehen und davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin Ziffer 3 durch die Erlaubnis in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auf körperliche Unversehrtheit verletzt wird. |
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| Rechtsgrundlage der der Beigeladenen erteilten Erlaubnis ist § 29 Abs. 2 StVO. Nach dieser Vorschrift bedürfen Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, der Erlaubnis (Satz 1). Das ist der Fall, wenn die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmer oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge eingeschränkt wird (Satz 2 1. Halbsatz). Veranstaltungen im Sinne des § 29 Abs. 2 Satz 1 StVO sind auch "stationäre" Veranstaltungen wie Straßenfeste (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.04.1989 - 7 C 50/88 - ; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 29 StVO Rdnr. 4). Gemäß § 16 Abs. 6 StrG bedurfte es daher im vorliegenden Fall keiner zusätzlichen Sondernutzungserlaubnis nach § 16 Abs. 1 StrG, auch wenn es sich bei der Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO der Sache nach (auch) um eine Sondernutzungserlaubnis handelt. |
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| Die Erlaubniserteilung nach § 29 Abs. 2 StVO steht im Ermessen der zuständigen Behörde. Bei der Entscheidung über entsprechende Erlaubnisanträge hat sie die Interessen der Nachbarschaft - insbesondere auch hinsichtlich des Schutzes vor erheblichen Lärmimmissionen - in ausreichendem Umfang zu berücksichtigen. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin ihre Erlaubnis mit zahlreichen Auflagen verbunden, die unter anderem dem Schutz der Nachbarschaft vor Lärmimmissionen dienen sollen. Die von der Antragsgegnerin insbesondere unter Ziffer 16 der Auflagen vorgegebenen Lärmpegel genügen nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht, um die Antragstellerin Ziffer 3 vor unzumutbaren Lärmbelästigungen wirksam zu schützen. Die von der Antragsgegnerin getroffene Ermessensentscheidung erweist sich deshalb als fehlerhaft. |
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| Zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von den im Zusammenhang mit derartigen Veranstaltungen entstehenden Lärmbeeinträchtigungen kann als Orientierungshilfe auf technische Regelwerke zurückgegriffen werden, die in typischen nachbarlichen Konfliktsituationen objektivierbare Maßstäbe zur Konkretisierung des Schutzanspruchs bieten. Solange für die Ermittlung und Bewertung der auf Wohngrundstücke einwirkenden Geräusche rechtlich keine bestimmten Mess- und Berechnungsverfahren sowie Lärmwerte vorgegeben sind, bleibt es zwar der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten, unter Berücksichtigung der einzelnen Schallereignisse, ihres Schallpegels und ihrer Eigenart (Dauer, Häufigkeit, Impulshaltigkeit) und ihres Zusammenwirkens die Erheblichkeit der Lärmbelästigung zu beurteilen. In diesem Zusammenhang können jedoch auch technische Regelwerke zur Beurteilung von Lärmimmissionen herangezogen werden, wenn sie für die Beurteilung der Erheblichkeit der Lärmbelästigung im konkreten Streitfall brauchbare Anhaltspunkte liefern. Zu den Regelwerken, die als Orientierungshilfe in Betracht kommen, gehören neben der - aufgrund von § 48 BImSchG erlassenen - Technischen Anleitung gegen Lärm vom 26.8.1998 (TA-Lärm), die bei der immissionsschutzrechtlichen Beurteilung von Lärm, der von Freizeitanlagen ausgeht, nicht unmittelbar anwendbar ist (vgl. Nr. 1 Satz 2 b) der TA-Lärm), vor allem die vom Länderausschuss für Immissionsschutz 1995 verabschiedeten und inzwischen mehrfach fortgeschriebenen „Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche“ - Freizeitlärmrichtlinie - (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.08.2016 - 8 S 136/14 - juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.1984 - 8 S 485/84 - und vom 13.12.1993 - 8 S 1800/93 - jeweils in juris; vgl. auch VG Sigmaringen, Urteil vom 07.07.2004 - 8 K 1109/04 - und dortige Pressemitteilung vom 12.07.2004). |
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| Freizeitanlagen im Sinne der von der Länderarbeitsgruppe Immissionsschutz (LAI) am 06.03.2015 verabschiedeten und durch Erlass des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg vom 03.09.2015 zur Anwendung empfohlenen aktuellen Fassung dieser Richtlinie sind gemäß ihrer Nr. 1. Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nrn. 1 oder 3 BImSchG, die dazu bestimmt sind, von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt zu werden. Grundstücke gehören zu den Freizeitanlagen, wenn sie nicht nur gelegentlich zur Freizeitgestaltung bereitgestellt werden. Dies können auch Grundstücke sein, die sonst z.B. dem Straßenverkehr dienen. Insbesondere fallen hierunter auch Grundstücke, auf denen im Freien Rockmusikdarbieten stattfinden. Nach Nr. 2 der Freizeitlärmrichtlinie gilt für Freizeitanlagen die allgemeine Grundpflicht aus § 22 Abs. 1 BImSchG, wonach schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden oder zu vermindern sind, soweit dies nach dem Stand der Technik möglich ist; unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Schädliche Umwelteinwirkungen liegen vor, wenn die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit erheblich belästigt wird. Die Erheblichkeit einer Lärmbelästigung hängt dabei nicht nur von der Lautstärke der Geräusche ab, sondern auch wesentlich von der Nutzung des Gebiets, auf das sie einwirken, von der Art der Geräusche und der Geräuschquellen sowie dem Zeitpunkt oder der Zeitdauer der Einwirkungen. Auch die Einstellung der Betroffenen zu der Geräuschquelle kann für den Grad der Belästigung von Bedeutung sein. Bei der Beurteilung ist nicht auf eine mehr oder weniger empfindliche individuelle Person, sondern auf die Einstellung eines verständigen durchschnittlich empfindlichen Mitbürgers abzustellen. In Nr. 4 der Freizeitlärmrichtlinie sind Immissionsrichtwerte aufgeführt, die die Schwelle markieren, oberhalb derer in der Regel mit erheblichen Belästigungen zu rechnen ist. Nr. 4.4 der Freizeitlärmrichtlinie enthält eine Sonderregelung für „seltene Veranstaltungen mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz“, nach der solche Veranstaltungen trotz Überschreitung der in Nr. 4.1 bis 4.3 genannten Immissionsrichtwerte zulässig sein können, wenn sie zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden und eine Reihe von weiteren Bedingungen beachtet werden. Diese Regelungen der Freizeitlärmrichtlinie sowie die vergleichbaren Regelungen in Nr. 7.2 TA Lärm sowie § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV sind das Ergebnis einer dem Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme entsprechenden Abwägung zwischen den Interessen der störenden und der gestörten Nutzung. Das Gericht sieht deshalb in dieser Abwägung einen sachgerechten Kompromiss zwischen den betroffenen Interessen (vgl. ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.08.2016 - 8 S 136/14 - juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.6.2002 - 10 S 1559/01 - juris) und lässt sich bei der Bestimmung der Erheblichkeit der von der Veranstaltung ausgehenden Lärmimmissionen im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung von diesen Regelungen der Freizeitlärmrichtlinie leiten. Gemessen hieran und unter Berücksichtigung sämtlicher Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles vermag das Gericht aber nicht zu erkennen, dass mit den der Erlaubnis vom 26.06.2019 beigefügten Auflagen sichergestellt werden kann, dass durch die Veranstaltung „Sindelfingen Rockt 2019“ keine für die Antragstellerin Ziffer 3 unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen entstehen werden. |
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| Das Wohngebäude der Antragstellerin Ziffer 3 befindet sich in einem Kerngebiet. Hierfür sieht die Freizeitlärmrichtlinie in Nr. 4.1.c) tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit (8 bis 20 Uhr) einen Immissionsrichtwert von 60 dB(A) und tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit (20 bis 22 Uhr) von 55 dB(A) vor. Dass diese Werte am Wohngebäude der Antragstellerin Ziffer 3 bei Durchführung der Rockkonzerte nicht eingehalten werden können, dürfte zwischen den Beteiligten unstreitig sein. Selbst die Antragsgegnerin geht insoweit von einem Wert von 75 dB(A) aus (vgl. Schriftsatz vom 25.07.2019) und macht geltend, dass es sich bei der Veranstaltung „Sindelfingen Rockt 2019“ um eine „seltene Veranstaltung mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz“ im Sinne von Nr. 4.4. der Freizeitlärmrichtlinie handele und den Anwohnern deshalb höhere Lärmimmissionen zuzumuten seien. |
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| Nach Nr. 4.4.1. der Freizeitlärmrichtlinie können in Sonderfällen, wenn bei Veranstaltungen trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen die unter 4.1. genannten Immissionsrichtwerte nicht eingehalten werden, die Veranstaltungen gleichwohl zulässig sein, wenn sie eine hohe Standortgebundenheit oder soziale Adäquanz und Akzeptanz aufweisen und zudem zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden. Eine hohe Standortgebundenheit ist dabei bei besonderem örtlichen oder regionalen Bezug gegeben. Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. Als sozial adäquat führt die Richtlinie beispielsweise ein örtlich einmaliges Jugendfestival an, als sozial akzeptiert den von einem Großteil der Anwohner zumindest geduldeten Karneval der Kulturen in Berlin. Ob diese Voraussetzungen im Falle der genehmigten Veranstaltungsreihe überhaupt erfüllt sind, kann indes dahinstehen. Denn selbst wenn zugunsten der Antragsgegnerin bzw. der Beigeladenen zumindest davon ausgegangen würde, dass die Veranstaltung „Sindelfingen Rockt 2019“ eine soziale Funktion und Bedeutung hat, weil sie „als unentgeltliche Musikveranstaltung, in der Ferienzeit angeboten, das Ziel verfolgt, Menschen zentral zusammenzuführen und die Begegnung zu fördern“ werden die für derartige seltene Ereignisse in den Blick zu nehmenden Richtwerte am Wohngebäude der Antragstellerin Ziffer 3 aller Voraussicht nach weit überschritten sein und es fehlt an einer nachvollziehbaren Begründung der Antragsgegnerin, weshalb der Antragstellerin Ziffer 3 dies gleichwohl zuzumuten ist. |
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| Nach Nr. 4.4.2. der Freizeitlärmrichtlinie hat die Behörde bei seltenen Veranstaltungen zunächst die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen zu prüfen. Von einer Unvermeidbarkeit ist dabei dann auszugehen, wenn trotz aller verhältnismäßiger technischer und organisatorischer Lärmminderungsmaßnahmen eine Überschreitung aufgrund der Umgebungsbedingungen und der Mindestversorgungspegel entsprechend VDI 3770:2012-09 unvermeidbar ist. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn lokal geeignete Ausweichstandorte nicht zur Verfügung stehen. Insoweit bestehen bereits Zweifel daran, ob die zu erwartenden Immissionen in diesem Sinne unvermeidbar sind. Hinsichtlich möglicher lokal geeigneter Ausweichstandorte hat die Antragsgegnerin insbesondere ausgeführt, dass der Charakter der Veranstaltung nur am Standort Marktplatz gewahrt werde. Einen gleich geeigneten Standort zur Umsetzung des Veranstaltungskonzepts - wie es sich in Sindelfingen darstelle - gebe es in Sindelfingen nicht. Dies alles würde jedoch nur dann Geltung beanspruchen können, wenn davon ausgegangen würde, dass auch das von der Antragsgegnerin mit der Veranstaltung verfolgte weitere - kommunalpolitische - Ziel der Innenstadtbelebung, der Bekanntmachung der Attraktivität Sindelfingens und den damit verbundenen positiven Auswirkungen auf den Einzelhandel, die für die Annahme eines seltenen Ereignisses erforderliche soziale Funktion zugeschrieben werden könnte. Dies dürfte jedoch nicht ohne weiteres zu bejahen sein. Allein das Ziel, mit einer unentgeltlichen Musikveranstaltung, die im Übrigen mit gleichem Ablauf im selben Zeitraum dienstags in Kornwestheim und donnerstags in Eislingen/Fils stattfinden soll, die Menschen zentral zusammenzuführen und die Begegnung zu fördern, erfordert aber sicher nicht zwingend den Standort Marktplatz. Ob es für Rockkonzerte in Sindelfingen grundsätzlich keine Alternativstandorte gäbe, kann mangels Prüfung und Darlegung der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden. |
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| Es bestehen weiterhin aber auch Zweifel im Hinblick darauf, ob bereits sämtliche verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen ergriffen wurden. Die Antragsgegnerin hat insoweit im angefochtenen Bescheid zwar dargelegt, dass für die Durchführung der Veranstaltung ein sog. Mindestversorgungspegel im Publikumsbereich erforderlich sei, um das typische Live-Erlebnis hervorzurufen. Dieser betrage im bühnennahen Bereich 95 dB(A). Dass ein solcher Mindestversorgungspegel für ein Rockkonzert erforderlich ist, wird vom Gericht nicht in Abrede gestellt. Allerdings spricht vieles dafür, dass dieser Mindestversorgungspegel allein deshalb erforderlich ist, weil es sich bei der ausgewählten Musikrichtung um Rockmusik handelt, die typischerweise mit elektrischen und bzw. oder akustischen Gitarren, E-Bass und Schlagzeug dargeboten wird und die - wie die Veranstaltungen der vergangenen Jahre gezeigt haben - vom Publikum nur dann als solche gut angenommen wird, wenn sie den für Rockkonzerte typischen Lautstärkepegel erreicht. Insoweit hat die Antragsgegnerin aber nicht dargelegt, dass sie überhaupt geprüft hätte, ob nicht auch andere Musikdarbietungen, die einen geringeren Mindestversorgungspegel erfordern, um dem Publikum ein ansprechendes Hörerlebnis zu ermöglichen, ebenso geeignet wären, Menschen zentral zusammenzuführen und die Begegnung zu fördern - oder aber auch nur, die Innenstadt mit einem „After-Work-Event“ zu beleben. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin zwar darauf verweist, dass die Ausführung der elektroakustischen Anlage nach dem neuesten Stand der Technik in Form von Line-Arrays mit stark ausgeprägter Richtcharakteristik erfolge, die auf Grund ihrer Bauart eine gleichmäßige Verteilung des Schalls bei vergleichsweise geringerem Schallleistungspegel gewährleisten könnten als herkömmliche Beschallungsanlagen. Der vorgelegten Behördenakte lässt sich aber entnehmen, dass es offenbar ein in schalltechnischer Hinsicht „besseres“ System gibt. Die insoweit vom Systemhersteller (...) erstellte Simulation findet sich in der Akte zwar nicht. In der im Hinblick auf die geplante Veranstaltung im Jahr 2019 erstellten schalltechnischen Untersuchung/Stellungnahme des Ingenieurbüros ... vom 24.01.2019 wird aber ausgeführt, dass ein Vergleich der von ihnen prognostizierten Pegelverteilung mit den Berechnungen von ... mit neuester Lautsprechertechnik und Beschallungskonzept ergeben habe, dass in Abstrahlrichtung und insbesondere im rückwärtigen Bereich mit modernsten Lautsprechersystemen eine Pegelminderung von voraussichtlich bis ca. 5 dB(A) erzielt werden könne. Für eine detaillierte Berechnung sei aber ein Beschallungskonzept erforderlich. Hinweise darauf, dass dieses - teurere - System bei den diesjährigen Konzerten zur Anwendung kommen würde, lassen sich der Akte und dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht entnehmen. Hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich, nachdem die Beigeladene in Anbetracht dessen, dass die Konzerte unentgeltlich stattfinden sollen, bereits erklärt hatte, keine Mehrkosten tragen zu wollen (vgl. Vorbereitungsprotokoll für die Sitzung des Verwaltungsvorstands m 15.01.2019). In welchem Umfang dieses System in Anbetracht der Topographie des Marktplatzes letztlich tatsächlich zu einer Minderung der zu erwartenden Lärmimmissionen führen würde, lässt sich mangels konkretem Beschallungskonzept allerdings nicht feststellen. Auch insoweit ist deshalb eine abschließende Bewertung im vorliegenden Verfahren nicht möglich, zumal es im Hinblick auf die Frage der Verhältnismäßigkeit einer solchen Lärmminderungsmaßnahme bereits an einer Darlegung fehlt, in welchem Umfang höhere Kosten durch ein „besseres“ System anfallen würden. |
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| Die zu erwartenden Lärmimmissionen sind der Antragstellerin Ziffer 3 nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht zuzumuten. Nach 4.4.2. der Richtlinie sind bei seltenen Veranstaltungen unter anderem, sofern Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags zu erwarten sind, deren Zumutbarkeit explizit zu begründen (a). Die Anzahl der Tage (24-Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten (d). Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags einhalten (e). Die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen ist schriftlich nachvollziehbar zu begründen. In je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1. bis 4.3. in Anspruch genommen werden sollen, desto intensiver hat die zuständige Behörde diese Voraussetzungen zu prüfen, zu bewerten und zu begründen. Bei herausragenden Veranstaltungen sind in der Begründung gerade der sozialen Adäquanz und Akzeptanz besondere Bedeutung beizumessen. |
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| Hinsichtlich der Lärmimmissionen, die vor den Fenstern der Wohnung der Antragstellerin Ziffer 3 in der ... Straße ... zu erwarten sein werden, geht das Gericht auf Grundlage der Ergebnisse der im vergangenen Jahr durchgeführten Messungen des Ingenieurbüros ... vom 13.09.2018 und deren schalltechnischer Untersuchungen vom 03.07.2018 und 24.01.2019 davon aus, dass dort der Beurteilungspegel von 70 dB(A) bei einem Mittelungspegel von 87 dB(A) am Mischpult in der Zeit von 18 Uhr bis 18: 50 Uhr und von 90 dB(A) in der Zeit von 19:15 bis 20:05 Uhr sowie von 90 db(A) bzw. 93 db(A) in der Zeit von 20.30 Uhr bis 21.30 Uhr erheblich überschritten sein wird. Zwar hat die Antragsgegnerin zutreffend darauf verwiesen, dass sich vor dem Wohngebäude der Antragstellerin Ziffer 3 im letzten Jahr kein Messpunkt befunden habe. Die vorliegenden Untersuchungs- und Messergebnisse lassen aber hinreichende Rückschlüsse auch auf die Belastung des Gebäudes ... Straße ... zu. |
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| Bei den letztjährigen Rockkonzerten war bei den Messungen am Messpunkt 3 in der ... Straße ... der Beurteilungspegel von 70 db(A) stets überschritten. Es ergab sich folgendes Bild (vgl. Tabellen 3 und 8 des schalltechnischen Messberichts vom 13.09.2018): |
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MP 0 (Mischpult) Mittelungspegel dB(A) |
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Messpunkt 3 Beurteilungspegel dB(A) |
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Messpunkt 3 Überschreitung dB(A) |
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tags (bis 20 Uhr) / abends (20 bis 22 Uhr) |
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tags (bis 20 Uhr) / abends (20 bis 22 Uhr) |
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tags (bis 20 Uhr) / abends (20 bis 22 Uhr) |
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| Ausgehend davon, dass sich die Wohngebäude ... Straße ... und ... Straße ... in ungefähr gleicher Entfernung zum Messpunkt 0 befinden und sich auch zwischen dem Gebäude ... Straße ... und dem Messpunkt 0 bzw. dem geplanten Bühnenaufstellort keine die Lärmausbreitung hindernden anderen Gebäude oä. befinden, ist nach Auffassung des Gerichts die Prognose erlaubt, dass auch das Gebäude ... Straße ... mindestens in demselben Umfang von Lärmimmissionen betroffen gewesen wäre wie das Gebäude ... Straße .... Dies wird im Übrigen auch bestätigt durch die der schalltechnischen Untersuchung vom 03.07.2018 beigefügten Karte 1. Danach wäre das Gebäude ... Straße ... sogar in noch stärkerem Maße von den Geräuschbelastungen betroffen, nachdem am Gebäude ... Straße ... lediglich ein Wert zwischen 65 und 70 dB(A) errechnet worden war (dunkelgelb markiert), im Bereich des Gebäudes ... Straße ... jedoch Werte von über 75 dB(A) (dunkelrot markiert). Zu demselben Ergebnis führt die Betrachtung der Abbildung 3 der schalltechnischen Untersuchung 24.01.2019, aus der sich ebenfalls ergibt, dass im Vergleich ... Straße ... zu ... Straße ... bei letzterer in jedem Falle höhere Beurteilungspegel zu erwarten sind. |
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| Im Ergebnis ist damit am Wohngebäude der Antragstellerin Ziffer 3, deren Wohn- und Schlafräume in Richtung Marktplatz ausgerichtet sind, zum einem bereits im Zeitraum vor 20 Uhr, insbesondere aber auch nach 20 Uhr eine erhebliche Überschreitung des Beurteilungspegels von 70 dB(A) zu erwarten. Soweit die Antragsgegnerin davon ausgeht, dass am Grundstück der Antragstellerin Ziffer 3 lediglich mit Werten von 75 dB(A) zu rechnen sei, vermag das Gericht dies nicht nachzuvollziehen. Bereits bei Zugrundelegung der letztjährig am Messpunkt 3 gemessenen Werte - bei einem Mittelungspegel von 85,5 bis 94,3 dB(A) am Mischpult - dürfte der Beurteilungspegel im Bereich des Wohngebäudes der Antragstellerin Ziffer 3 vor 20 Uhr im Bereich von mindestens 71 bis 75 dB(A), nach 20 Uhr mindestens im Bereich von 82 bis 83 dB(A) gelegen haben. Tatsächlich steht aber zu befürchten, dass die Werte am Gebäude ... Straße ... noch höher waren und dies auch bei den diesjährigen Konzerten sein würden. Ausgehend von der schalltechnischen Untersuchung/Stellungnahme des Ingenieurbüros ... vom 24.01.2019, das die ausgeprägte Richtcharakteristik der Lautsprecheranlagen berücksichtigt und einen Mittelungspegel von 93 db(A) am Mischpult zu Grunde gelegt hat, werden im Bereich des Gebäudes ... Straße ... tags Pegelwerte im Bereich von 90 bis 95 db(A) prognostiziert und zwar nicht lediglich in den Geräuschspitzen, sondern als maßgeblicher Beurteilungspegel. Auch wenn das Rechenverfahren nach Angaben des Gutachters auf Grund der komplexen Umgebungssituation insbesondere in abgeschirmten Bereichen Unsicherheiten aufweist und die mittels Schallpegelmessungen ermittelten Beurteilungspegel für den Zeitbereich abends daher von den prognostizierten Pegelverteilungen und auf Grund der meteorologischen Bedingungen, Messhöhe, etc. abweichen können, so geht das Gericht gleichwohl davon aus, dass am Gebäude der Antragstellerin Ziffer 3 Lärmwerte erreicht werden, die den Richtwert von 70 dB(A) weit überschreiten. Denn soweit ersichtlich liegt das Gebäude ... Straße ... gerade nicht in einem abgeschirmten Bereich, sondern befindet sich lediglich knapp 40 Meter in seitlicher Richtung vom Aufstellort der Bühne. Auch wenn die Lautsprecher und sonstigen Verstärkeranlagen damit nach innen - mithin in Richtung Marktplatz - auszurichten sind, geht das Gericht deshalb davon aus, dass in Anbetracht der ungehindert möglichen Schallausbreitung in Richtung der Antragstellerin Ziffer 3 und des Umstandes, dass gerade nicht ein System gewählt wurde, das eine Abstrahlung insbesondere in den rückwärtigen Bereich zusätzlich mindert, davon aus, dass die von dem Ingenieurbüro erstellte Schallprognose einer Entscheidung zu Grunde gelegt werden kann. Dies gilt umso mehr, als sich bereits 2018 herausgestellt hat, dass die Messergebnisse weitgehend mit den berechneten Pegeln übereingestimmt haben. Im Jahr 2018 hatte die Antragsgegnerin der Beigeladenen auf Grund der damaligen Prognose des Ingenieurbüros deshalb auch strengere Auflagen vorgegeben, die im Verlaufe der Veranstaltungen allerdings gelockert wurden, um dem Unmut der Konzertbesucher hinsichtlich der geringen Lautstärke des Konzerts zu begegnen. |
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| Die von der Antragsgegnerin weiter vorgegebenen Auflagen, wie der Einsatz von Schallpegelbegrenzern und die Durchführung von Überwachungsmessungen, vermögen in Anbetracht der zu erwartenden erheblichen Überschreitungen der in der Freizeitlärmrichtlinie als Grenzwerte angegebenen Werte die Überschreitungen nicht zu verhindern. Dies gilt ebenso für die unter Nr. 16 g) vorgesehene Lärmminderungsmaßnahme, der Anbringung von Dämmmaterial zwischen den Gebäuden Marktplatz 4/1 und 5 analog des Angebots der Fa. ... vom 21.02.2019. Abgesehen davon, dass nichts dafür ersichtlich ist, dass hierdurch das sich in entgegengesetzter Richtung befindliche Gebäude der Antragstellerin Ziffer 3 überhaupt profitieren würde, vermag diese Lärmminderungsmaßnahme offenbar nur zu einer geringen Verbesserung der Lärmsituation zu führen. Die Antragsgegnerin führt insoweit zwar aus, dass nach Herstellerangaben die Lärmminderung dadurch zwischen 7 und 8 dB(A) betrage. Einer Stellungnahme des Gutachters ... vom Ingenieurbüro ... vom 04.04.2019 lässt sich jedoch entnehmen, dass die Anbringung des vorgesehenen Dämmmaterials nur eine sehr geringe Minderungswirkung von kleiner 1 dB(A) im dahinterliegenden Bereich haben wird. Das vom Hersteller angegebene Schalldämm-Maß von 8,4 dB sei nur ein Mittelwert unter Laborbedingungen. Die Masse der Folie betrage aber nur 0,5 kg/m² und wirke deshalb auch nur im hochfrequenten Bereich. Bei tiefen Frequenzen werde nicht gemindert. Üblicherweise seien 5 bis 10 kg/m² erforderlich. |
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| Die von der Antragsgegnerin zur Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen schriftlich dargelegten Gründe sind für das Gericht nicht nachvollziehbar. |
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| Zugunsten der Antragsgegnerin bzw. der Beigeladenen ist zwar anzuerkennen, dass ein kulturelles, vor allem aber wohl kommunalpolitisches und wirtschaftliches Interesse an der Durchführung der Veranstaltung besteht, das nunmehr zum 5. Mal stattfindet und von den Besuchern der Vorjahre gut angenommen worden ist. Das Gericht hält es insoweit durchaus für nachvollziehbar, dass eine solche als „After-Work-Event“ angebotene unentgeltliche Konzertreihe Besucher - auch überregional - anzieht und die Innenstadt mit den geschilderten positiven Auswirkungen auf den Einzelhandel in der Ferienzeit zu beleben vermag. Allerdings kann das Gericht der Antragsgegnerin bereits nicht darin folgen, dass es sich um eine Veranstaltung mit besonderer Standortgebundenheit handelt. Wie bereits ausgeführt, hält es das Gericht nicht für zwingend, dass für diese Zwecke gerade eine solche Veranstaltung auf dem Marktplatz stattfinden muss. Diese Art der Veranstaltung entspringt auch nicht etwa einer Tradition im Sinne einer engen Verwurzelung bei der örtlichen Bevölkerung, so dass davon ausgegangen werden könnte, dass sie in der ansässigen Bevölkerung auf hohe Akzeptanz stößt oder es sich um eine herausragende Veranstaltung gerade für das örtliche Leben in Sindelfingen handelt. Der Umstand, dass genau dieselbe Konzertreihe nahezu zeitgleich in zwei anderen Städten stattfindet, zeigt vielmehr, dass es sich hierbei um eine beliebige, in zahlreichen anderen Städten ebenso stattfinden könnende Veranstaltung handelt. Einen besonderen Bezug zu Sindelfingen, der es rechtfertigen könnte, die Anwohner - und hier im speziellen die Antragstellerin Ziffer 3 - mit Lärmwerten zu konfrontieren, die sogar die Richtwerte der Freizeitrichtlinie überschreiten, vermag das Gericht hingegen nicht zu erkennen. Ebenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt hat die Antragsgegnerin, weshalb sie gerade allein Rockkonzerte für geeignet hält, die von ihr gewünschten Ziele zu erreichen. Auch das Vorbringen der Antragsgegnerin, eine Reduzierung der Lärmimmissionen sei nach ihrer Überzeugung nicht möglich, ohne die Veranstaltung insgesamt zu gefährden, kann nach Überzeugung des Gerichts nur eingeschränkte Bedeutung zugemessen werden. Geht man mit der Antragsgegnerin davon aus, dass die beim Festival dargebotene Rockmusik einer Lautstärke von 90 bis 93 dB(A) als Mittelungspegel am Mischpult bedarf, und bei geringerer Lautstärke sozusagen ihren typischen Charakter verlieren würde, so vermag dies zwar ein Interesse an Musikdarbietungen mit der genannten Lautstärke zu begründen. Es fehlt jedoch dann der zwingende Zusammenhang mit dem Sindelfinger Marktplatz als Veranstaltungsort. Das Argument kann sogar in umgekehrter Weise verwandt werden: wenn die beim Festival dargebotene Musik mit relativ hoher Lautstärke gespielt werden soll, so spricht dies eher dafür, die Konzerte an weniger konfliktträchtigen Veranstaltungsorten aufzuführen (vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 07.07.2004 - 8 K 1109/04 - und dortige Pressemitteilung vom 12.07.2004). Weiterhin ist der Antragsgegnerin zwar zu Gute zu halten, dass sie die einzelnen Konzerte auf drei Sets von 2 x 50 Minuten und 1 x 60 Minuten aufgeteilt und zwischen den einzelnen Sets eine Pause von jeweils 25 Minuten angeordnet hat, sowie dass das Veranstaltungsende auf 21.30 Uhr vorgezogen wurde. Damit wird zwar die reine Spielzeit der Bands auf 2 Stunden und 40 Minuten reduziert und die Konzerte werden eine halbe Stunde vor Beginn der Nachtzeit um 22 Uhr enden. Allerdings ist es den Tribute-Bands erlaubt, die Lautstärke ihrer Darbietung im Verlaufe der Konzerte zu steigern, beginnend von 87 dB(A) ab 18 Uhr bis zu 93 dB(A) im Zeitraum bis 21.30 Uhr. Dies ist im Hinblick auf die „Dramaturgie“ der Konzerte zwar nachvollziehbar, widerspricht aber gerade dem gegenläufigen Schutzbedürfnis der Anwohner, wie es in der Freizeitlärmrichtlinie zum Ausdruck kommt. Zudem bleibt es dabei, dass in dieser Zeit die Werte erheblich überschritten werden und geeignet sind, die Antragstellerin durch die mit den Konzerten verbundenen Lärmimmissionen erheblich zu beeinträchtigen und zu belästigen. Denn insofern ist zu berücksichtigen, dass sich die Wohnung der Antragstellerin Ziffer 3 in unmittelbarer Nähe der Konzertbühne befindet, nämlich nur etwa 40 Meter entfernt, und sie dort einem Lärmpegel ausgesetzt sein würde, der um bis zu 20 dB(A) höher ist, als der in der Freizeitlärmrichtlinie für zumutbar erachtete Richtwert von 70 dB(A). In Anbetracht dessen, dass sich der subjektive Lärmeindruck bei einer Pegelerhöhung um 10 dB(A) verdoppelt (https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/laerm-und-erschuetterungen/larm-und-gesundheit), ist die zu erwartende Lärmeinwirkung auf die Antragstellerin Ziffer 3, auch unter Berücksichtigung dessen, dass sich das Wohngebäude der Antragstellerin Ziffer 3 in einem Kerngebiet befindet, nicht mehr als zumutbar zu erachten. Denn anders als die Antragsgegnerin meint, ist die Zumutbarkeitsgrenze nicht etwa erst dann überschritten, wenn es bei einem Anwohner zu unumkehrbaren Gesundheitsschäden kommt. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nicht nur Geräusche, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, für die Nachbarschaft Gefahren herbeizuführen, sondern schon solche, die geeignet sind, erheblich zu belästigen. Die Grenze der erheblichen Belästigung liegt dabei unterhalb der Grenze der Gefahr von Gehörschäden oder sonstigen gesundheitlichen Schäden. Wo sie im Einzelfall verläuft, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.1988 - 7 C 33/87 - juris). Weiter kommt hinzu, dass die Veranstaltung nicht nur etwa ein- oder zweimal an einem Mittwochabend stattfinden soll, sondern fünfmal aufeinanderfolgend mittwochs ab Ende Juli. Das Gericht hielte es aber weder für zumutbar, von der Antragstellerin Ziffer 3 zu fordern, Ende Juli bzw. im gesamten August, mithin bei möglicherweise hochsommerlichen Temperaturen, mittwochabends die Fenster ihrer Wohnung geschlossen zu halten, um von der Lärmbelastung nicht in vollem Umfang getroffen zu werden, noch sich an fünf Abenden im Juli und August an einem anderen Ort aufzuhalten. Weiterhin ist zugunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen, dass auf dem Marktplatz bereits zahlreiche weitere Veranstaltungen stattfinden. So hat die Antragsgegnerin selbst eingeräumt, dass neben der Veranstaltung „Sindelfingen Rockt 2019“ im Jahr 2019 - wohl als seltene Veranstaltungen - noch das Internationale Straßenfest an insgesamt 3 Tagen stattfindet, wobei die Musik dort freitags um 23 Uhr endet, am Samstag um 24 Uhr und am Sonntag um 20 Uhr. An ebenfalls 3 Tagen findet das Fest Klangfarben/Schlemmermarkt statt mit Live-Musik am Samstag, wobei die Musik um 22 Uhr endet. An zwei Tagen findet der Feuerabend statt, eine lange Einkaufsnacht in der Innenstadt. Damit beliefe sich bereits die Anzahl „seltener Veranstaltungen“ auf 13 Tage im Jahr 2019. Auch wenn damit die Anzahl der nach Freizeitlärmrichtlinie für zumutbar erachteten seltenen Veranstaltungen noch nicht gänzlich „ausgereizt“ sein sollte, ist zu Gunsten der Antragstellerin Ziffer 3 zudem in den Blick zu nehmen, dass der Marktplatz in Sindelfingen ausweislich des Veranstaltungskalenders 2019 auch darüber hinaus noch „unterschwellig“ bespielt wird, beispielsweise mit den mehrfach stattfinden Märkten wie dem Krämermarkt und dem Sondermarkt, dem Weihnachtsmarkt, und dem Weindörfle, mithin Veranstaltungen, die ebenfalls zahlreiche Besucher anziehen. |
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| Bei Berücksichtigung der Gesamtumstände erscheint deshalb die Durchführung der Veranstaltung „Sindelfingen Rockt 2019“ für die Antragstellerin Ziffer 3 nicht mehr hinnehmbar. Soweit dies letztlich dazu führen wird, dass die Veranstaltungsreihe nicht wie geplant stattfinden kann, erscheint die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin Ziffer 3 gleichwohl nicht unverhältnismäßig. In Anbetracht dessen, dass schon mindestens seit Januar 2019 feststand, dass die Veranstaltungsreihe auch im Jahr 2019 stattfinden soll, lag es in der Hand der Antragsgegnerin, die beantragte Erlaubnis so frühzeitig zu erteilen, dass die - im Hinblick auf die bekannten Anwohnerbeschwerden erwartbar gewesene - gerichtliche Überprüfung nicht erst kurz vor Veranstaltungsbeginn erfolgen kann. |
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| Die Anträge der Antragstellerinnen Ziffer 1, 2 und 4 sind unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob die von den Rockkonzerten ausgehenden Lärmimmissionen an den im Eigentum der Antragstellerinnen stehenden Wohngebäuden bzw. Wohnungen zu nicht mehr zumutbaren Lärmpegeln führen. Denn jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragstellerinnen Ziffer 1, 2 und 4 dadurch in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG oder Art. 14 Abs. 1 GG verletzt würden. |
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| Die Antragstellerin Ziffer 1 wohnt nicht selbst am Marktplatz, sondern in der ... Straße, in der sie unzumutbaren Lärmbelästigungen bereits nicht ausgesetzt sein dürfte (vgl. bereits Beschluss des Gerichts vom 24.08.2018 - 8 K 13356/17 -). Die in ihrem Eigentum stehende Wohnung in der ... Straße ... bewohnt ihre Tochter. Dass die Antragstellerin Ziffer 1 dort selbst Lärmbelästigungen ausgesetzt sein könnte, die für sie nicht zumutbar wären, hat sie bereits nicht glaubhaft gemacht, nachdem sie bereits nicht dargelegt hat, wann konkret und in welchem zeitlichen Umfang sie sich dort überhaupt aufhält. |
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| Soweit sich die Antragstellerin auf eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG beruft und insoweit geltend macht, dass ein Eigentümer die Verletzung seines Eigentums auch insoweit geltend machen könne, als in diesem nicht nur erhebliche Belästigungen aufträten, sondern sogar eine Gesundheitsgefährdung, weil sich das Eigentum während der Veranstaltung nicht mehr zweckmäßig verwenden lasse, hat sie hiermit eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht glaubhaft gemacht. |
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| Von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist zum einen der Bestand des Eigentums in der Hand des Eigentümers (das Haben), zum anderen die Nutzung der Position (der Gebrauch) einschließlich der Veräußerung und der Verfügung, mithin die Veräußerung eines Grundstücks, die Überlassung des Eigentums zur Nutzung insbesondere gegen Entgelt, das Recht, aus der Überlassung zur Nutzung durch andere Ertrag zu ziehen oder das Recht, rechtswidrige Einwirkungen abzuwehren. Der Eigentümer hat von Verfassungs wegen nicht nur die Freiheit, sein Eigentum zu behalten, sondern es auch zu verwenden, zu verbrauchen und zu veräußern. Die Nutzung soll es dem Eigentümer ermöglichen, sein Leben im vermögensrechtlichen Bereich nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Die Eigentumsgarantie gibt dem Rechtsträger des ihm nach dem bürgerlichen Recht zugeordneten Grundeigentums die Befugnis, die Nutzung aufgrund eigenverantwortlicher Entscheidung selbst zu bestimmen (vgl. BeckOK Grundgesetz/Axer, 41. Ed. 15.2.2019, GG Art. 14 Rn. 64). Ein Eingriff in diese Eigentumsgarantie ist jedes staatliche Verhalten, das die Ausübung dieser grundrechtlichen Freiheiten rechtlich oder tatsächlich unmöglich macht oder erschwert. Der Eingriff in eine als Eigentum geschützte Position durch Beschränkung der Nutzung oder durch den Entzug der Eigentumsposition kann direkt durch eine Norm oder durch Einzelakt erfolgen. Eingriffscharakter kommt vor dem Hintergrund eines grundsätzlich weiten Eingriffsbegriffs auch Realakten sowie faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen zu, sofern sie die Nutzung des Eigentums spürbar behindern (BeckOK Grundgesetz/Axer, 41. Ed. 15.2.2019, GG Art. 14 Rn. 69). |
|
| Gemessen hieran liegt im Falle der Antragstellerin Ziffer 1 voraussichtlich keine Verletzung ihres Grundrechts auf Eigentum vor, weil es bereits an einem Eingriff in ihr Eigentumsrecht an der Wohnung am Marktplatz fehlt. Die Antragstellerin Ziffer 1 hat lediglich geltend gemacht, dass sich die Wohnung während der Veranstaltung nicht mehr zweckmäßig verwenden lasse. Selbst wenn zugunsten der Antragstellerin Ziffer 1 davon ausgegangen würde, dass die von den Rockkonzerten ausgehenden Lärmimmissionen am Gebäude ... Straße ... überschritten würden, wofür im Hinblick auf die Messungen im Jahr 2018 für den Zeitraum ab 20 Uhr manches sprechen könnte (vgl. Tabelle 8 des Messberichts des Ingenieurbüros ... vom 13.09.2018 am Messpunkt 4b), läge allein hierin kein Eingriff in ihr Eigentumsrecht. Die Antragstellerin nutzt ihr Eigentum, indem sie es ihrer Tochter zur Nutzung überlässt, möglicherweise nutzt sie es insoweit auch, um aus der Überlassung an ihre Tochter einen Ertrag zu ziehen. Dem Vorbringen der Antragstellerin Ziffer 1 ist aber bereits nichts dafür zu entnehmen, dass sie in dieser Nutzung infolge der durch die Veranstaltung auftretenden Lärmimmissionen spürbar beeinträchtigt werden würde. So macht sie beispielsweise nicht geltend, dass gerade diese Veranstaltungsreihe Auswirkungen auf die Vermietbarkeit oder die Höhe des Mietzinses der Wohnung haben könnte. In Anbetracht dessen, dass eine Wohnung nicht grundsätzlich unbewohnbar werden dürfte, weil an fünf Abenden Lärmbelästigungen bis 21.30 Uhr zu erwarten sind, erschiene dies im Übrigen auch fernliegend. Dies gilt umso mehr, als sich die Wohnung der Klägerin in einem Gebäude befindet, das in einem Kerngebiet liegt, mithin in einem Umfeld, in dem Mieter grundsätzlich mit einem erhöhten Umgebungslärm zu rechnen haben. |
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| Bei den Antragstellerinnen Ziffer 2 und Ziffer 4 handelt es sich um eine ... und eine ..., die Eigentümerinnen von Wohngebäuden unweit des Marktplatzes sind. Als solche können sie sich naturgemäß nicht auf eine Verletzung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG berufen, sondern allenfalls auf eine Verletzung ihres Rechts auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG. Dies gilt dabei auch soweit die Antragstellerinnen geltend machen, dass die Geschäftsführerin der Antragstellerin Ziffer 2 und „einige der Mitglieder der Antragstellerin Ziffer 4“ in einem der Gebäude selbst wohnen würden. Soweit diese die Verletzung eigener Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hätten geltend machen wollen, so hätte es ihnen frei gestanden, selbst einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu stellen. |
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| Im Hinblick auf die von den Antragstellerinnen geltend gemachte Verletzung ihrer Eigentumsrechte gilt indes das unter 3.1. zur Antragstellerin Ziffer 1 Ausgeführte entsprechend. Sowohl die Antragstellerin Ziffer 2 als auch die Antragstellerin Ziffer 4 nutzen ihr Eigentum, um es Dritten - darunter der Geschäftsführerin bzw. einigen Gesellschaftern - zum Wohnen zu überlassen, wobei das Gericht davon ausgeht, dass die Nutzung auch dahingehend erfolgt, um aus der Überlassung einen Ertrag zu ziehen. Auch dem Vorbringen der Antragstellerinnen Ziffer 2 und 4 ist aber nichts dafür zu entnehmen, dass sie in dieser Nutzung infolge der durch die Veranstaltung auftretenden Lärmimmissionen spürbar beeinträchtigt werden würden. Auch sie machen lediglich geltend, dass die in ihrem Eigentum stehenden Wohnungen auf Grund der eintretenden Gesundheitsgefährdung nicht benutzbar seien, bleiben aber jeglichen Nachweis dafür schuldig, dass sich dies auf ihre Nutzung des Eigentums auch tatsächlich auswirken würde - abgesehen davon, dass wie bereits ausgeführt, nichts dafür ersichtlich ist, dass die Wohnungen als solche auf Grund der Lärmimmissionen nicht mehr „benutzbar“ sein könnten. |
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| Die von den Antragstellerinnen Ziffer 1, 2 und 4 gestellten drei Hilfsanträge bleiben ebenfalls ohne Erfolg. |
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| Die Antragstellerinnen Ziffer 1, 2 und 4 haben zum einen hilfsweise beantragt, der Antragsgegnerin aufzugeben, durch Auflagen und Anordnungen gegen die Beigeladene sicherzustellen, dass bei der Durchführung der Veranstaltung „Sindelfingen Rockt 2019“ auf dem Marktplatz Sindelfingen keine erheblichen Belästigungen der Antragstellerinnen verursacht werden, insbesondere, dass bei einer etwaigen Durchführung der Veranstaltung „Sindelfingen Rockt“ insbesondere an den Immissionsorten am Eigentum der Antragstellerinnen 0,5 m vor dem geöffneten Fenster der Räume |
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| - ... Straße ..., 3. OG, Wohn- und Schlafraum jeweils nach Osten, zum Marktplatz hin, - ... Straße ..., Wohn- und Schlafräume im EG und DG nach Norden zum Marktplatz hin, - ... Straße ..., Wohn- und Schlafräume im 2. OG und DG nach Norden und Osten zum Marktplatz hin, - ... Straße ..., Wohn- und Schlafräume im EG, 1. OG und DG nach Norden und Osten zum Marktplatz hin, - ... Straße ..., Wohn- und Schlafräume im EG, 1. OG und DG nach Norden und Westen zum Marktplatz hin, - ... Straße ..., Wohn- und Schlafräume im EG und 1. OG nach Norden und Osten zum Marktplatz hin, - ... Straße ..., Wohn- und Schlafräume im 3. und 4. OG nach Osten zum Marktplatz hin, - ... Straße ..., Wohn- und Schlafräume im 2. OG und DG nach Osten zum Marktplatz hin, |
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| - tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten (08:00 bis 20:00 Uhr) von 60 db(A), - tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeiten (06:00 bis 08:00 Uhr und 20:00 bis 22:00 Uhr) an Sonn- und Feiertagen von 55 dB(A) und - nachts von 45 dB(A) |
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| eingehalten werden und Live-Musikdarbietungen so rechtzeitig beendet sein müssen, dass der Marktplatz um 22 Uhr geräumt ist. |
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| Weiterhin haben sie beantragt, der Antragsgegnerin aufzugeben, durch Auflagen oder Anordnungen gegen die Beigeladene sicherzustellen, dass die Einhaltung der genannten Beurteilungspegel bei der Durchführung des „Sindelfingen Rockt 2019“ durch Lärmmessungen an den benannten Immissionsorten überwacht und bei Überschreitung die Veranstaltung sofort abgebrochen wird. |
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| Zum Dritten haben sie hilfsweise beantragt, der Antragsgegnerin aufzugeben, durch Auflagen oder Anordnungen gegen die Beigeladene sicherzustellen, dass der Auf- und Abbau jeglicher zu der Veranstaltung gehörender Einrichtungen und Anlagen sowie der Sound-Check für die Veranstaltung „Sindelfingen Rockt 2019“ nur tagsüber außerhalb der Ruhezeiten und nicht an Sonn- und Feiertagen stattfinden und zudem nur tagsüber und außerhalb der Ruhezeiten aufgeräumt werden darf. |
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| Diese Hilfsanträge der Antragstellerinnen Ziffer 1, 2 und 4 hätten aber nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Antragstellerinnen durch die erlaubte Veranstaltung in ihrem Recht auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG verletzt werden würden. Da dies, wie dargelegt, nicht der Fall ist, konnte auch ihren Hilfsanträgen nicht stattgegeben werden. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), erscheint es billig, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. |
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