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| Das Gericht kann trotz Ausbleibens der Klägerin und ihres Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO). |
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| Der Antrag der Klägerin, das Verfahren ... fortzuführen, bleibt ohne Erfolg. |
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| Wird von einem Verfahrensbeteiligten die Wirksamkeit einer Klagerücknahme nachträglich bestritten, so ist hierüber durch Fortführung des Verfahrens in der Instanz, die es aufgrund der Rücknahme eingestellt hat, zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.08.1998 - 4 B 75/98 - NVwZ-RR 1999, 407 - juris Rn. 3; Eyermann/Rennert, VwGO, 15. Aufl., § 92 Rn. 26). |
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| Das Verfahren ... wurde im Wege der Klagerücknahme wirksam, unanfechtbar und unwiderruflich beendet. |
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| Die Verfahrensbeendigung durch Erklärung der Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2018 ist wirksam erfolgt. Die Klagerücknahme ist eine Prozesshandlung und führt unmittelbar zur Prozessbeendigung (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.06.2005 - 9 C 8/04 - NVwZ-RR 2005, 739 - juris Rn.14). Einseitige Prozesshandlungen wie die Rücknahme der Klage werden in der mündlichen Verhandlung allein durch die Erklärung gegenüber dem Gericht vollzogen und damit wirksam; die ordnungsgemäße Protokollierung einer solchen Erklärung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern dient nur Beweiszwecken (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.11.2010 - 2 B 8/10 - juris Rn. 6). |
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| Die Rücknahme der Klage ist nicht durch Anfechtung oder Widerruf der Erklärung der Klägerin vom 03.12.2018 wirkungslos geworden. |
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| Die Anfechtung einer Prozesserklärung ist nicht möglich. Für den Einstellungsbeschluss nach Klagerücknahme ergibt sich das bereits aus § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO. Aber auch sonst unterliegen Handlungen, die unmittelbar die Einleitung, Führung oder Beendigung des Prozesses betreffen, nicht der Anfechtung nach den §§ 119 ff. BGB. Weder das Verwaltungsprozessrecht noch die nach § 173 VwGO sinngemäß anwendbare Zivilprozessordnung enthalten den bürgerlich-rechtlichen Anfechtungsregelungen entsprechende Vorschriften. Auch eine analoge Anwendung der für privatrechtliche Willenserklärungen geltenden Anfechtungsregelungen verbietet sich, weil die Interessenslage im Prozessrechtsverhältnis anders zu bewerten ist als in Rechtsbeziehungen im rein privaten Rechtskreis (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.08.1998 - 4 B 75/98 - NVwZ-RR 1999, 407 - juris Rn. 3 und Urt. v. 06.12.1996 - 8 C 33/95 - NVwZ 1997, 1210 - juris Rn. 14). |
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| Die Zurücknahme der Klage ist grundsätzlich auch unwiderruflich. Allerdings ist anerkannt, dass Prozesshandlungen unter bestimmten Umständen widerrufen werden können. Ein Widerruf kommt danach in Betracht, wenn ein Restitutionsgrund im Sinn des § 580 ZPO vorliegt. Denn lässt es der Gesetzgeber nach Maßgabe der §§ 578 ff. ZPO, die nach § 153 VwGO auch im Verwaltungsprozess anwendbar sind, ausdrücklich zu, sich selbst von der Bindung an ein rechtskräftiges Urteil zu lösen, so entspricht es seinem Regelungswillen, die von ihm gezogenen Konsequenzen unter den in § 580 ZPO genannten Tatbestandsvoraussetzungen auch dann zu ziehen, wenn ein Verfahren anderweitig beendet worden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.08.1998 - 4 B 75/98 - NVwZ-RR 1999, 407 - juris Rn. 3). Ein Restitutionsgrund im Sinn von § 580 ZPO ist aber ersichtlich nicht gegeben. |
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| Ferner ist ein Widerruf denkbar, wenn es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der das gesamte Recht unter Einschluss der Verwaltungsgerichtsordnung beherrscht, unvereinbar wäre, einen Beteiligten an einer von ihm vorgenommenen Prozesshandlung festzuhalten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.08.1998 - 4 B 75/98 - NVwZ-RR 1999, 407 - juris Rn. 3 und Beschl. v. 27.03.2006 - 6 C 27/05 - NVwZ 2006, 834 - juris Rn. 7). Dies kann dann in Betracht kommen, wenn die Zurücknahme der Klage für das Gericht und für den Rechtsmittelgegner sogleich als Versehen offenbar gewesen und deshalb nach Treu und Glauben als unwirksam zu behandeln ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.06.2005 - 9 C 8/04 - NVwZ-RR 2005, 739 - juris Rn. 15 und Urt. v. 06.12.1996 - 8 C 33/95 - NVwZ 1997, 1210 - juris Rn. 14). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Klagerücknahme war weder für das Gericht noch für die Beklagte sogleich als ein offensichtlicher Irrtum oder ein offensichtliches Versehen erkennbar. |
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| Ein Beteiligter kann an einer von ihm vorgenommenen Prozesshandlung auch dann nicht festgehalten werden, wenn die Prozesshandlung durch Drohung, sittenwidrige Täuschung, unzulässigen Druck oder unzutreffende richterliche Belehrung bzw. Empfehlung u.ä. herbeigeführt wurde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.01.1985 - 6 B 222/84 - NVwZ 1985, 196 - juris Rn. 3 und Beschl. v. 07.08.1998 - 4 B 75/98 - NVwZ-RR 1999, 407 - juris Rn. 3; BGH, Beschl. v. 26.11.1980 - IVb ZR 592/80 - NJW 1981, 576 - juris Rn. 2; VGH München, Urt. v. 29.01.2009 - 13 A 08.1688 - juris Rn. 27; OVG Lüneburg, Beschl. v. 04.01.2016 - 2 LA 230/15 - NVwZ-RR 2016, 597 - juris Rn. 7). Auch diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die mündliche Verhandlung vom 03.12.2018 in einer Atmosphäre der Einschüchterung stattgefunden hat oder die Klagerücknahme aufgrund einer unzutreffenden richterlichen Belehrung erfolgt ist. |
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| Das Gericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG wegen des Bezugs von Sozialleistungen ausscheide und bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG die Voraussetzung der geklärten Identität nicht erfüllt sein dürfte; außerdem habe die Klägerin eine Bekenntniserklärung nicht abgegeben. Diese Hinweise sind rechtlich zutreffend. |
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| Der Bezug von Sozialleistungen hindert eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG. Dabei ist unerheblich, ob der Einbürgerungsbewerber den Bezug von Sozialleistungen zu vertreten hat (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 1, Stand: 21.11.2020 Rn. 166). |
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| Die Abgabe einer Bekenntniserklärung vor der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ist zwingende Voraussetzung bei der Anspruchseinbürgerung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG). Der Einbürgerungsbewerber muss auch den Inhalt der von ihm abgegebenen Bekenntniserklärung verstanden haben. Denn nur derjenige kann sich glaubhaft zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, der wenigstens über einen Grundbestand an staatsbürgerlichem Wissen verfügt und den Inhalt der von ihm abgegebenen Bekenntniserklärung verstanden hat (vgl. BVerwG, Beschl. 08.12.2008 - 5 B 58/08 - juris Rn. 7; HTK-StAG / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Stand: 18.09.2020 Rn. 36). Auch auf diese fehlende Einbürgerungsvoraussetzung hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2018 zutreffend hingewiesen. |
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| Die geklärte und feststehende Identität des Einbürgerungsbewerbers ist zwingende Voraussetzung einer Einbürgerung; die Identitätsprüfung war vor der Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 04.08.2019 (BGBl. S. 1124) im Gesetz unausgesprochen vorausgesetzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2011 - 5 C 27/10 - BVerwGE 140, 311 - juris Rn. 11). Die Klägerin konnte ihre Identität durch einen gültigen nationalen Reisepass nicht nachweisen. Auch sonstige geeignete Dokumente zum Nachweis der Identität fehlten. Für den Nachweis der Identität trägt der Einbürgerungsbewerber die Beweislast (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2011 - 5 C 27/10 - BVerwGE 140, 311 - juris Rn. 16). Damit war der Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2018, dass Zweifel an der geklärten Identität der Klägerin bestünden, zutreffend. Auch der VGH Mannheim hat in seinem Beschluss vom 11.06.2019 - 12 S 2111/18 - (Prozesskostenhilfe) dargelegt, dass die Identität der Klägerin nicht geklärt ist. |
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| Dass den Parteien in der mündlichen Verhandlung die vorläufige Rechtsauffassung des Gerichts mitgeteilt wurde, stellt keine Ausübung unzulässigen Drucks dar, sondern ist - insbesondere bei nicht anwaltlich vertretenen Parteien - Ausdruck der sich aus § 86 Abs. 3 VwGO ergebende Hinweis- und Fürsorgepflichten des Gerichts und im Übrigen durchaus gängige Praxis (vgl. VGH München, Urt. v. 07.12.2017 - 13 A 17.329 - juris Rn. 37 und Urt. v. 29.01.2009 - 13 A 08.1688 - juris Rn. 29). Nach § 104 Abs. 1 VwGO hat der Vorsitzende die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern. In diesem Rechtsgespräch muss das Gericht auf die möglicherweise entscheidungserheblichen Gesichtspunkte aufmerksam machen (vgl. VGH München, Beschl. v. 17.03.2009 - 3 ZB 07.2220 - juris Rn. 9). Wenn das Gericht in der mündlichen Verhandlung seine vorläufige Rechtsauffassung mitteilt, gibt es damit den Beteiligten die Möglichkeit sowohl zu weiteren Ausführungen wie zu Prozesserklärungen. Hierdurch wird aber kein Beteiligter unter Druck gesetzt; das Gericht kommt damit vielmehr nur der ihm obliegenden Informationspflicht nach (vgl. VGH München, Urt. v. 04.12.1997 - 13 A 96.1117 - juris Rn. 13). |
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| Das Gericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2018 darauf hingewiesen, dass ihre Klage voraussichtlich erfolglos sein würde. Hierin liegt kein Verstoß gegen Treu und Glauben. Denn die Klagerücknahme lag - bei objektiver Betrachtung - im wohlverstandenen Interesse der Klägerin; denn unter Zugrundelegung der geäußerten Rechtsauffassung des Gerichts konnte die Klägerin mit ihrem Begehren keinen Erfolg haben. Mit ihrer Klagerücknahme vermied die Klägerin sinnvollerweise ein klageabweisendes Urteil; die Klagerücknahme war für die Klägerin in kostenrechtlicher Hinsicht deutlich günstiger als ein Urteil. |
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| Da für die Ausübung unzulässigen Drucks bzw. für eine Überrumpelung oder eine unzutreffende richterliche Belehrung keinerlei Anhaltspunkte bestehen, scheidet der Widerruf der in der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2018 erklärten Klagerücknahme aus. Sie bleibt wirksam und für die Klägerin bindend. Eine Fortführung des Klageverfahrens kommt nicht in Betracht. |
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| Die Kostenentscheidung, der Klägerin die weiteren durch das Fortführungsverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen, folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO entsprechend (vgl. Eyermann/Rennert, VwGO, 15. Aufl. § 92 Rn. 26). |
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