Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 4 K 6016/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Untersagung der weiteren Erbringung von Rechtsdienstleistungen für die Dauer von zwei Jahren.
Die Antragstellerin ist ein Verein in Gründung. Der Vorstand des in Gründung bestehenden Vereins besteht aus der ersten Vorsitzenden Frau O O sowie aus dem zweiten Vorsitzenden Herrn W. Der zweite Vorsitzende des Vereins ist Rechtsassessor mit Wohnsitz in H; dieser vertrat in der Vergangenheit zahlreiche Mandanten in ausländer- und asylrechtlichen Verfahren. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe wies Herrn W in einem ausländerrechtlichen Verfahren mit Beschluss vom 02.09.2019 (Az.: 5 K 5194/19) als Prozessbevollmächtigten zurück mit der Begründung, aus der Satzung des in Gründung bestehenden Vereins H C F ergebe sich, dass eine Person, die aufgenommen werden möchte, einen Jahresbeitrag entrichten müsse und dass Herr W als Vorstandsmitglied nach § 7 der Satzung bei Bedarf eine angemessene pauschale Tätigkeitsvergütung erhalte. Der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren sei Mitglied des Vereins, so dass die Prozessvertretung durch Herrn W nicht unentgeltlich sei.
Herr W führte anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung am 17.12.2019 nach dem Inhalt des Protokolls u.a. aus, er dürfe sich über den Verein auf Honorarbasis oder auf Basis von Mitgliedsbeiträgen bezahlen lassen. Bei der Bezahlung auf Honorarbasis müsse er nur 7 % MwSt. bezahlen. Jeder, der Mitglied werde, bekomme eine Bescheinigung und habe das Geld per Überweisung an ihn zu tätigen. Seine Aufgabe sei die Flüchtlingsberatung im juristischen Sinn. Für diese Rechtsberatung werde er bezahlt. Die gleichen Personen, die er vor Gericht vertrete, vertrete er in seiner Freizeit unentgeltlich. Hierfür gebe es zwei Vollmachten, eine für die Beratung für den Verein und eine für die Vertretung vor Gericht. Geplant seien von Seiten des Vereins kulturelle Veranstaltungen und Expansionen; bisherige Veranstaltungen könne er jedoch nicht nennen.
Im Zeitraum Juli bis Dezember 2019 nahm Herr W für den Verein H C Bargelder von insgesamt 25 Personen in einer Größenordnung von 9.000,00 Euro entgegen. Auf den Quittungen ist u.a. der Betreff vermerkt „Mitgliedsbeitrag“, „Aufenthalt“, „Akteneinsicht“, „Beratung“ sowie „Wenn Aufenthalt noch 250“.
Mit Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts Stuttgart vom 24.02.2020 trug Herr W vor, bei dem Verein H C handele es sich nicht um einen Rechtsberatungsverein; die Rechtsberatung im Asyl- und Aufenthaltsrecht sei vielmehr Teil der Unterstützung der Flüchtlinge und der Asylsuchenden. Bei der Rechtsberatung handele es sich nur um einen kleineren Teil der anderen Aufgaben des Vereins. Ein Beratungshonorar werde nicht verlangt. Die Mitglieder hätten lediglich den Aufnahmebeitrag und den Mitgliedsbeitrag zu bezahlen. Sämtliche Beiträge kämen allein dem Verein zugute. Er selbst arbeite bislang ehrenamtlich für den Verein; er erhalte kein Gehalt, erstattet würden lediglich Portokosten, Reisekosten und Kosten für Schreibmaterial. Sämtliche Mitgliedsbeiträge würden quittiert und ins Kassenbuch übertragen. Es gebe keine zwei verschiedenen Vollmachten. In der Vollmacht werde vielmehr der Verein als solcher bevollmächtigt und er als Person für eine unentgeltliche gerichtliche Vertretung beim Verwaltungsgericht. Seine Beratungstätigkeit umfasse ca. zehn Stunden in der Woche.
Beim Registergericht des Amtsgerichts Stuttgart wurde zur Eintragung in das Vereinsregister der Verein „H C e. V.“ mit einer Satzung vom 27.01.2020 angemeldet. Nach § 2 Abs. 2 der Satzung ist Zweck des Vereins „die Förderung der Hilfe für Flüchtlinge sowie die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens“. Dieser Zweck soll nach § 2 Abs. 3 der Satzung insbesondere durch Kultur, Bildung, Unternehmensgründung, Arbeitsmöglichkeiten, Welfare, Unterhaltung und Verbindung verwirklicht werden. Nach dem Gründungsprotokoll des Vereins vom 27.01.2020 können Mitgliedsbeiträge bis in Höhe von 1.023,00 Euro und Aufnahmegebühren bis in Höhe von 1.534,00 Euro erhoben werden.
Im Tätigkeitsbericht der ersten Vorsitzenden des Vereins vom 28.02.2020 ist lediglich ausgeführt: „Vorsitz bei allen Vorstandssitzungen und Koordination aller Aktivitäten“.
Mit weiterem Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts Stuttgart vom 10.06.2020 brachte Herr W vor, der Verein habe aktuell ca. 150 Mitglieder. In ca. 30 Fällen sei er gegenüber den Behörden tätig geworden. Im Schnitt habe der Verein mindestens 15 neue Mitglieder monatlich. Vom Verein erhalte er kein Gehalt. Monatlich zeige er bei ca. vier Mitgliedern des Vereins ein Tätigwerden gegenüber den Verwaltungsgerichten an.
Mit Bescheid vom 05.08.2020 untersagte der Präsident des Landgerichts Stuttgart dem Verein H C Flüchtlingshilfe in Gründung in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mit Sitz in H für die Dauer von zwei Jahren die weitere Erbringung von Rechtsdienstleistungen (Ziffer 1). In Ziffer 2 dieses Bescheids wurde der Sofortvollzug angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, es lägen begründete Tatsachen im Sinne des § 9 RDG vor, die die Annahme dauerhaft unqualifizierter Rechtsdienstleistungen zum Nachteil der Rechtssuchenden oder des Rechtsverkehrs rechtfertigten. Die für den Verein für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen zuständige Person, Herr W, erfülle die qualitativen Anforderungen an eine sachgerechte Erbringung von Rechtsdienstleistungen für den Verein H C nicht. Er habe in der Vergangenheit dauerhaft unqualifizierte Rechtsdienstleistungen für den Verein vorgenommen. Seit spätestens Juni 2019 habe der Verein unerlaubte Rechtsdienstleistungen nach § 3 RDG durch den zweiten Vorsitzenden erbracht. Einem Verein seien Rechtsdienstleistungen im Rahmen seines satzungsmäßigen Aufgabenbereichs für Mitglieder nur erlaubt, soweit sie gegenüber der Erfüllung ihrer übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung seien (§ 7 Abs. 1 Satz 1 RDG). Es lägen vorliegend begründete Tatsachen für die Annahme vor, dass der Hauptzweck des Vereins die Rechtsberatung der Mitglieder darstelle. Der zweite Vorsitzende habe in seiner Vernehmung im Dezember 2019 bestätigt, dass der Verein im Wesentlichen rechtliche Beratungsleistungen erbringe und sonst keine Aktivitäten entfalte. Im Zeitraum Juni bis Dezember 2019 habe der zweite Vorsitzende für insgesamt 25 Vereinsmitglieder gegen Entgelt rechtliche Beratung erbracht. Im Briefkopf des Vereins, der bis Juni 2020 verwendet worden sei, sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der Verein „Flüchtlingsberatung“ durchführe und dass die „Rechtsberatung nach § 7 RDG gestattet“ sei. Auch die von den Mitgliedern unterschriebenen Vollmachten stellten einen deutlichen Anhaltspunkt dafür dar, dass die Rechtsdienstleistungen über den satzungsmäßigen Aufgabenbereich hinausgingen und keine diesen Aufgaben entsprechende dienende Funktion mehr hätten. In den Vollmachten werde der Verein umfassend bevollmächtigt, auf fast allen Rechtsgebieten gerichtlich und außergerichtlich tätig zu werden. Das Führen von verwaltungsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren gehe über eine Hilfestellung für Flüchtlinge deutlich hinaus und sei nicht mehr vom Vereinszweck umfasst. Im Tätigkeitsbericht der ersten Vorsitzenden vom 25.02.2020 seien keinerlei konkrete Aktivitäten des Vereins geschildert worden. In der letzten Stellungnahme des zweiten Vorsitzenden vom 10.06.2020 würden lediglich Ziele und Aufgaben des Vereins formuliert und Tätigkeitsbereiche aufgeführt. Welche Tätigkeiten tatsächlich entfaltet worden seien, bleibe indes unklar. Der Hauptzweck des Vereins, die Unterstützung der Flüchtlinge in Form von kulturellen Veranstaltungen, Sprachkursen, Fortbildung, Arbeitssuche u.a. werde nicht erreicht. Da die Rechtsberatung des Vereins sich als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 RDG) darstelle, sei von unqualifizierten Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 RDG auszugehen. Die seit Juni 2019 erbrachten Rechtsdienstleistungen des Vereins seien darüber hinaus zum Nachteil der Rechtssuchenden dauerhaft unqualifiziert, da der zweite Vorsitzende des Vereins, dem keine Befugnis zur Erbringung entgeltlicher Rechtsdienstleistungen zustehe, für Vereinsmitglieder unter Verstoß gegen § 6 Abs. 1 RDG teilweise auch Prozessvertretungen vor Verwaltungsgerichten oder gegenüber Verwaltungsbehörden übernehme, die nicht unentgeltlich erfolgt seien. Die persönlich vom zweiten Vorsitzenden vorgenommenen Rechtsvertretungen stünden im Zusammenhang mit seiner entgeltlichen Tätigkeit für den Verein. Die rechtssuchenden Vereinsmitglieder erhielten nach Zahlung des Mitgliedsbeitrags und der Aufnahmegebühr umfangreiche Rechtsdienstleistungen, die wegen Verstoßes gegen § 3 RDG unzulässig seien. Der mit den Mandanten bestehende Geschäftsbesorgungsvertrag sei gemäß § 134 BGB nichtig. Die Nichtigkeit erfasse auch die erteilten Vollmachten. Die Verknüpfung der unzulässigen Rechtsberatung durch den Verein mit der weiteren unzulässigen Rechtsberatung durch den zweiten Vorsitzenden über eine einheitliche Vollmacht stelle sich aus der Sicht der für den Zweck der Rechtsberatung geworbenen Vereinsmitglieder als umfassendes Mandatsverhältnis dar zur Durchsetzung ihrer Anliegen gegenüber Behörden und Gerichten. Tatsächlich bestehe aber weder für den Verein noch für den zweiten Vorsitzenden eine Befugnis, die Vereinsmitglieder rechtlich zu beraten und zu vertreten. Dem Verein sei eine gerichtliche Vertretung gemäß § 67 Abs. 2 VwGO verwehrt. Auch dem zweiten Vorsitzenden sei eine entgeltliche Prozessvertretung nicht erlaubt. Die Behauptung des zweiten Vorsitzenden gegenüber den Verwaltungsgerichten, er sei unentgeltlich tätig, weshalb ihm die Prozessvertretung gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 VwGO gestattet sei, sei unzutreffend, da die Prozessvertretung im Zusammenhang mit seiner entgeltlichen Tätigkeit beim Verein gemäß § 6 Abs. 1 RDG stehe; als Vorstandsmitglied erhalte er gemäß § 7 der Satzung eine Vergütung für Zeitaufwand und Auslagen. Anhaltspunkte für die bereits seit Juni 2019 stattfindende Bezahlung des zweiten Vorsitzenden für seine beratende Tätigkeit für Flüchtlinge ergäben sich darüber hinaus aus den für einen Flüchtlingsverein ungewöhnlich hohen maximalen Mitgliedsbeiträgen und Aufnahmegebühren, sowie aus den Regelungen zur Vergütung in Punkt 7 der Satzung des Vereins vom 27.01.2020. Auch die im Zeitraum Juni bis Dezember 2019 erfolgten Zahlungen von über 9.000,00 Euro auf das Konto des zweiten Vorsitzenden seien Anhaltspunkte für eine entgeltliche beratende Tätigkeit. Gegenüber dem Mandanten F sei der zweite Vorsitzende als „Anwalt“ aufgetreten und habe sich das Honorar in Höhe von 750,00 Euro auf sein persönliches Konto überweisen lassen. Gegenüber diesem Mandanten habe er bekundet, dass er seine aufenthaltsrechtlichen Mandate aus steuerlichen Gründen über den Verein abrechne und das Honorar dem Verein zugeführt werde. Bis heute sei der Verein aber nicht als eingetragener Verein registriert und als gemeinnützig anerkannt. Eine Erklärung, wo sich die für den Verein vereinnahmten Gelder befänden oder verbucht worden seien, sei nicht abgegeben worden. Die wiederholten Behauptungen des zweiten Vorsitzenden, er werde ehrenamtlich und unentgeltlich tätig, seien vor dem dargestellten Hintergrund als Schutzbehauptungen einzustufen. Aus dem Dargelegten ergebe sich auch die mangelnde Zuverlässigkeit der Person, die die rechtsberatende Tätigkeit für den Verein vornehme. Ob die Beratungsleistungen des zweiten Vorsitzenden inhaltlich qualifiziert seien, könne dahingestellt bleiben. Die Rechtssuchenden vertrauten auch auf eine formal zulässige Rechtsberatung, die ihnen durch den Verein und den zweiten Vorsitzenden nicht erteilt werde. Der zweite Vorsitzende werbe Flüchtlinge als Mitglieder für den Verein an, indem eine umfassende Beratung in ausländerrechtlichen Fragen angeboten werde. Unter der irreführenden Bezeichnung im Briefkopf „Rechtsberatung gestattet“ sowie unter Bezugnahme auf eine angebliche Gestattung des Landgerichts Stuttgart lasse er sich eine umfassende Vollmacht unterzeichnen und erbringe persönlich unzulässige entgeltliche außergerichtliche und gerichtliche Rechtsdienstleistungen, die er gegenüber seinen Mandanten als Mitgliedsbeitrag des Vereins deklariere. Die Dauer der Untersagung richte sich nach der Schwere und der Intensität des Fehlverhaltens, das für die Untersagung ursächlich sei. Für die Tätigkeit des Vereins im Bereich der Rechtsberatung sei allein der zweite Vorsitzende verantwortlich. Solange er als Justitiar zuständig und tätig sei, sei auch in Zukunft von unqualifizierten Rechtsdienstleistungen auszugehen. Der Verein könne eine Zeitspanne von zwei Jahren nutzen, um seine personellen und organisatorischen Strukturen aufzubauen oder neu zu ordnen. Insbesondere könne der Verein seine übrigen satzungsmäßigen Aufgaben erfüllen. Dementsprechend sei eine Untersagungsanordnung für zwei Jahre angemessen, aber auch ausreichend. Die sofortige Vollziehung der Untersagung sei im öffentlichen Interesse anzuordnen. Das besondere öffentliche Interesse folge aus dem Umstand, dass der Verein zum Schutz der Rechtssuchenden keine unzulässige rechtliche Beratung weiter erbringen dürfe. Die Gefahr weiterer unzulässiger rechtlicher Beratung bestehe, da der zweite Vorsitzende davon überzeugt sei, dass der Verein weiter befugt sei, Rechtsdienstleistungen gegenüber Mitgliedern erbringen zu dürfen. Trotz der Androhung der Untersagung im April 2020 seien weiter umfangreiche Rechtsdienstleistungen erbracht worden.
10 
Der Bescheid wurde zunächst unter der Adresse W-straße .., ... H am 12.08.2020 zugestellt. Nachdem Herr W dem Landgericht Stuttgart mit Schreiben vom 18.11.2020 mitgeteilt hat, dass das Beratungsbüro des Vereins in der W-straße .. seit 01.05.2020 nicht mehr existiere, wurde der Bescheid vom 05.08.2020 Herrn W am 03.12.2020 per E-Mail übersandt und der Antragstellerin unter der Anschrift T-H-Straße .. in ... H am 23.12.2020 erneut zugestellt.
11 
Mit Schreiben vom 09.12.2020/15.01.2021 legte die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 05.08.2020 Widerspruch ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Adresse W-straße .. in H sei nicht der Sitz der Antragstellerin. Die T-H-Straße .. in H sei die einzige zustellungsfähige Postadresse und diese Adresse sei auch dem Registergericht anlässlich der Eintragung des Vereins in das Vereinsregister mitgeteilt worden. In der W-straße .. in H habe sich nur kurze Zeit eine Beratungsstelle des Vereins befunden, die am 01.05.2020 in die K-straße .. in H verzogen sei.
12 
Am 10.12.2020 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Mit Schriftsatz vom 25.03.2021 trug der zweite Vorsitzende der Antragstellerin vor, er habe das Protokoll der polizeilichen Vernehmung vom 17.12.2019 aufgrund eines massiven Durst- und Hungergefühls und aufgrund eines Schleiers vor den Augen nicht durchgelesen; eine Kopie sei ihm auch nicht ausgehändigt worden. Die dort gemachten Aussagen seien von ihm widerrufen worden. Der Verein habe folgende Aufgaben: Beratung und Entwicklungshilfe, Statussicherung und -verbesserung, Stärkung der Selbsthilfepotentiale, Koordination und Vernetzung mit spezifischen Fachdiensten. Diese Aktivitäten habe der Verein entfaltet; der Verein habe nicht lediglich Flüchtlingsberatung im juristischen Sinne wahrgenommen. Die Mitgliedsbeiträge seien nicht zu beanstanden. Diese richteten sich nach den gesetzlich vorgesehenen Höchstbeiträgen; dies heiße aber nicht, dass auch die Höchstbeiträge verlangt würden. Die Bareinnahmen des Vereins würden in der Regel auf das Vereinskonto eingezahlt und dort würden Rücklagen gebildet. Zudem werde hiervon die Miete für die beiden Büros in Z und H bezahlt sowie die gesamten Reisekosten und Auslagen. Zahlungen von Vereinsmitgliedern seien in den Anfangszeiten auf sein Privatkonto eingezahlt worden. Dies ergebe sich aus dem Kassenbuch, das ordnungsgemäß geführt werde. Bei ca. 15 - 20 neuen Mitgliedern monatlich erfolge lediglich bei ca. zwei bis fünf Mitgliedern monatlich eine rechtliche Beratung bzw. ein Auftreten gegenüber Behörden. Er persönlich mache keine Mitgliedergewinnung. Mitglieder für den Verein würden ausschließlich von der ersten Vorsitzenden angeworben. Für seine Tätigkeit als zweiter Vorsitzender des Vereins erhalte er keine Vergütung. Alle Geldbeträge, die von ihm persönlich angenommen würden, würden dem Verein zur Verfügung gestellt und ins Kassenbuch eingetragen oder auf das Konto des Vereins einbezahlt. Seit Juni 2020 seien auch keine Barzahlungen mehr für Mitgliedsbeiträge entgegengenommen worden, weil der Verein seitdem über ein Konto verfüge. Die Vertretungen vor Gericht würden unentgeltlich, völlig losgelöst vom Verein, durch ihn erbracht und stünden nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit. Die Vergütungsregelung in der Satzung sei abgeändert worden. Der Aufwandsersatz sei nicht als Entgelt zu betrachten.
13 
Der Antragsgegner trug mit Schriftsatz vom 03.05.2021 vor, Herr W sei vor seiner Beschuldigtenvernehmung am 17.12.2019 ordnungsgemäß über seine Rechte, insbesondere sein Schweigerecht, belehrt worden. Ausweislich des von ihm eigenhändig unterschriebenen Protokolls habe sich die Vernehmung entgegen der Behauptung von Herrn W nur über einen Zeitraum von 2 Stunden und 45 Minuten erstreckt. Ein Beweisverwertungsverbot liege nicht vor. Auch der Umstand, dass Herr W seine Angaben im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung zu einem späteren Zeitpunkt widerrufen habe, führe nicht zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse aus der Vernehmung.
14 
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2021 wies die Präsidentin des Oberlandesgerichts Stuttgart den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, der angefochtene Bescheid sei der Antragstellerin erstmals am 03.12.2020 bekannt gegeben worden, so dass der Widerspruch zulässig sei. Im Übrigen wurde im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
II.
15 
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bleibt ohne Erfolg.
16 
Die Statthaftigkeit des Antrags ergibt sich aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 5 VwGO. Der Antrag ist zulässig. Die Kammer lässt dahingestellt, wann der Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Stuttgart vom 05.08.2020 der Antragstellerin erstmals wirksam zugestellt wurde. Da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen hat, wäre hierdurch auch bei einem verspäteten Widerspruch der Weg zur verwaltungsgerichtlichen Sachprüfung eröffnet (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.08.1982 - 4 C 42/79 - juris Rn. 11).
17 
Der Antrag ist nicht begründet. Der Antragsgegner hat ohne Rechtsfehler die sofortige Vollziehung angeordnet (a). Bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids (b).
18 
a) Der Präsident des Landgerichts Stuttgart hat die sofortige Vollziehung der Entscheidung vom 05.08.2020 formell ordnungsgemäß angeordnet und das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Beachtung des Bescheids ausreichend schriftlich begründet (§ 80 Abs. 3 VwGO).
19 
Zweck der Begründung ist es, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts anzuhalten. Außerdem sollen dem Betroffenen die für die Sofortvollzugsanordnung maßgeblichen Gründe zur Kenntnis gebracht werden, die zugleich die Grundlage für eine gerichtliche Kontrolle der Anordnung bilden. Dementsprechend muss aus der Begründung nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt und aus welchen in dringendem öffentlichen Interesse liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt oder geboten hält, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs zurückzustellen. Auf die inhaltliche Richtigkeit der Begründung kommt es dagegen nicht an (vgl. zum Ganzen VGH Mannheim, Beschl. v. 28.06.2010 - 8 S 708/10 - juris Rn. 2).
20 
Diesen Anforderungen entspricht die Begründung der Sofortvollzugsanordnung. Der Präsident des Landgerichts Stuttgart hat ausgeführt, im öffentlichen Interesse müsse verhindert werden, dass die Antragstellerin weiter unzulässige Rechtsberatungen erbringe. Diese Gefahr bestehe, da der zweite Vorsitzende des Vereins davon überzeugt sei, dass der Verein weiterhin befugt sei, Rechtsdienstleistungen gegenüber Mitgliedern zu erbringen, die weit über den Vereinszweck hinausgingen. Trotz der Androhung der Untersagung im April 2020 seien weiterhin umfangreiche Rechtsdienstleistungen erbracht worden. In diesen Erwägungen liegt noch eine einzelfallbezogene, den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende Darlegung der besonderen Gründe, die den Präsidenten des Landgerichts Stuttgart zur Anordnung des Sofortvollzugs veranlasst haben. Die vom Präsidenten des Landgerichts Stuttgart angeführten Gründe rechtfertigen auch nach Auffassung der Kammer die Annahme eines überwiegenden öffentlichen Interesses. Nur durch den angeordneten Sofortvollzug kann die drohende Gefahr weiterer Gesetzesverstöße abgewehrt werden.
21 
b) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids des Präsidenten des Landgerichts Stuttgart vom 05.08.2020 und des Widerspruchsbescheids der Präsidentin des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 03.05.2021. Für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung besteht deshalb kein Anlass.
22 
aa) Der angefochtene Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Stuttgart vom 05.08.2020 ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen.
23 
Der Präsident des Landgerichts Stuttgart ist die für Maßnahmen nach § 19 RDG zuständige Behörde (§ 30a ZuVOJu). Die Antragstellerin wurde vor Bekanntgabe des Bescheids auch ordnungsgemäß angehört.
24 
bb) Der Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Stuttgart vom 05.08.2020 und der Widerspruchsbescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 03.05.2021 sind in der Sache rechtlich nicht zu beanstanden.
25 
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 RDG kann die für den Wohnsitz einer Person oder den Sitz einer Vereinigung zuständige Behörde den in den §§ 6, 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Nr. 4 und 5 genannten Personen und Vereinigungen die weitere Erbringung von Rechtsdienstleistungen für längstens fünf Jahre untersagen, wenn begründete Tatsachen die Annahme dauerhaft unqualifizierter Rechtsdienstleistungen zum Nachteil der Rechtssuchenden oder des Rechtsverkehrs rechtfertigen. Das ist insbesondere der Fall, wenn erhebliche Verstöße gegen die Pflichten nach § 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2 oder § 8 Abs. 2 vorliegen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 RDG). Der Präsident des Landgerichts Stuttgart geht im angefochtenen Bescheid vom 05.08.2020 zu Recht davon aus, dass begründete Tatsachen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 RDG vorliegen, die die Annahme dauerhaft unqualifizierter Rechtsdienstleistungen zum Nachteil der Rechtssuchenden oder des Rechtsverkehrs rechtfertigen, insbesondere dass die für den Verein für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen zuständige Person, Herr W, die qualitativen Anforderungen an eine sachgerechte Erbringung von Rechtsdienstleistungen für die Antragstellerin nicht erfüllt, da er in der Vergangenheit dauerhaft unerlaubte Rechtsdienstleistungen nach § 3 RDG erbracht hat. Dies wird im Einzelnen, ausführlich und zutreffend im angefochtenen Bescheid vom 05.08.2020 dargelegt; zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf diesen Bescheid verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO entsprechend). Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren lediglich auszuführen:
26 
Die Antragstellerin macht geltend, der Verein habe die satzungsmäßigen Aufgaben entfaltet; er habe nicht lediglich Flüchtlingsberatung im juristischen Sinne wahrgenommen. Mit diesem Vorbringen stellt die Antragstellerin wie bereits in der Vergangenheit lediglich Behauptungen auf. Welche konkreten Aktivitäten der Verein entfaltet hat, wird gerade nicht dargelegt. Ebenso wie der Präsident des Landgerichts Stuttgart geht auch die entscheidende Kammer davon aus, dass wegen der fehlenden Erfüllung der satzungsmäßigen Aufgaben die Antragstellerin Rechtsdienstleistungen nicht erbringen darf und durfte. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 RDG sind Rechtsdienstleistungen, die berufliche oder andere zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigungen oder deren Zusammenschlüsse im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs für ihre Mitglieder oder für die Mitglieder der ihnen angehörenden Vereinigungen oder Einrichtungen erbringen, erlaubt, soweit sie gegenüber der Erfüllung ihrer übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung sind. Eine Beschränkung der Tätigkeiten einer Vereinigung alleine auf die allgemeine Rechtsberatung ist dementsprechend unzulässig. Die Rechtsdienstleistung muss vielmehr eine dienende Funktion haben und darf nur Mittel sein, um den Gesamtzweck der Vereinigung zu erreichen (vgl. BGH, Urt. v. 01.06.2011 - I ZR 58/10 - juris Rn. 17; Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 10.09.2014 - 7 W 68/14 - juris Rn. 12). Der Umfang der erbrachten Rechtsdienstleistungen ist mit den übrigen in Verfolgung des Vereinszwecks tatsächlich durchgeführten Aktivitäten zu vergleichen (vgl. BeckOK/Müller, RDG § 7 Rn. 24 m.w.N.). Bei einem Vergleich der von der Antragstellerin bzw. ihrem zweiten Vorsitzenden erbrachten Rechtsdienstleistungen mit den übrigen Tätigkeiten, die der Erfüllung der satzungsmäßigen Ziele dienen, sind für die Vergangenheit lediglich umfangreiche, von der Antragstellerin durch ihren zweiten Vorsitzenden erbrachte Rechtsdienstleistungen feststellbar. Zwar wurden von der Antragstellerin in ihren Schriftsätzen im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren auch Ziele und Aufgaben des Vereins formuliert, die in ähnlicher Form auch in § 2 Abs. 2 ihrer Satzung benannt sind. Welche der dort benannten Tätigkeiten der Verein konkret entfaltet hat, bleibt indes im Dunkeln. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang der Tätigkeitsbericht der ersten Vorsitzenden des Vereins vom 28.02.2020, in dem lediglich ausgeführt ist „Vorsitz bei allen Vorstandssitzungen und Koordination aller Aktivitäten“. Bei der Bestimmung des satzungsgemäßen Aufgabenbereichs sind aber nicht der Wortlaut der Satzung und die von dem Verein behaupteten Ziele maßgebend, sondern die tatsächlichen Aufgabenwahrnehmungen durch die Vereinigung (vgl. BT-Drucks. 16/3655 S. 59; Deckenbrock/Henssler/Dux-Wenzel, RDG § 7 Rn. 43 m.w.N.). Mangels Erfüllung der satzungsmäßigen Aufgaben waren und sind die von der Antragstellerin und ihrem zweiten Vorsitzenden erbrachten Rechtsdienstleistungen nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 RDG erlaubt; vielmehr handelt es sich bei sämtlichen in der Vergangenheit durch Herrn W erbrachten Rechtsdienstleistungen, wie vom Präsidenten des Landgerichts zutreffend dargelegt, um unerlaubte Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 und § 3 RDG. Die vorliegend zu konstatierenden unerlaubten Rechtsdienstleistungen sind unzweifelhaft dauerhaft unqualifizierte Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 RDG.
27 
Die vom zweiten Vorsitzenden der Antragstellerin erbrachten dauerhaft unqualifizierten Rechtsdienstleistungen ergingen auch zum Nachteil der Rechtssuchenden bzw. des Rechtsverkehrs. Die Antragstellerin hat in ihrem Briefkopf darauf hingewiesen, dass Rechtsberatung nach § 7 RDG gestattet sei. Damit hat sie den Eindruck erweckt, die von ihrem zweiten Vorsitzenden erbrachten Rechtsberatungen seien vom Landgericht Stuttgart erlaubt worden. Aufgrund des (unzutreffenden) Hinweises im Briefkopf durften die Mitglieder des Vereins auf eine ordnungsgemäße Rechtsberatung vertrauen. Es ist jedoch nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich, dass die Mitglieder des Vereins darüber aufgeklärt wurden, dass eine Gestattung der Rechtsberatung durch das Landgericht Stuttgart nie ausgesprochen wurde und dass die erbrachte Rechtsberatung formal nicht zulässig ist. Im Übrigen ist aus den zahlreichen Verstößen in der Vergangenheit jedenfalls in diesem Fall der Schluss zu ziehen, dass dauerhaft unqualifizierte Rechtsdienstleistungen regelmäßig für die Rechtssuchenden bzw. den Rechtsverkehr von Nachteil sind.
28 
Entgegen dem Vorbringen des zweiten Vorsitzenden der Antragstellerin standen die bislang erbrachten Rechtsdienstleistungen auch im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit. Unentgeltlich sind nur uneigennützige Rechtsdienstleistungen (vgl. OLG München, Urt. v. 19.11.2009 - 29 U 3382/09 - BeckRS 2011, 26426). Solche uneigennützigen Rechtsdienstleistungen liegen aber nicht vor bei Rechtsdienstleistungen, die zwar im Einzelfall ohne besonderes Entgelt erbracht werden, jedoch die kostenpflichtige Mitgliedschaft in einer Vereinigung - wie vorliegend - voraussetzen; in diesem Fall mag die Rechtsberatung innerhalb eines Vereins im Einzelfall kostenfrei sein, da sie aber mitgliederfinanziert ist, ist sie nicht unentgeltlich (vgl. OLG München, Urt. v. 19.11.2009 - 29 U 3382/09 - BeckRS 2011, 26426; BT-Drucks. 16/3655 S. 57).
29 
Bei der Ermessensausübung hat der Präsident des Landgerichts Stuttgart ohne Rechtsverstoß den gesetzlich zulässigen Zeitraum von bis zu fünf Jahren auf zwei Jahre festgesetzt. Bedenken hiergegen sind nicht veranlasst und auch nicht geltend gemacht.
30 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
31 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

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