| Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid vom 08.12.2016, mit dem die Beklagte den Kläger zu einer Vorauszahlung auf den Erschließungsbeitrag für den Kweg in Höhe von 8.390,30 EUR herangezogen hat, und der Widerspruchsbescheid vom 06.06.2017 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Beim Kweg handelt es sich zwar nicht um eine historische oder vorhandene Straße und die früheren Baumaßnahmen haben auch nicht (unmittelbar) zu einer erstmaligen endgültigen Herstellung im Rechtssinne geführt (dazu 1.). Der angefochtenen Erhebung einer Vorausleistung steht aber entgegen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die sachliche Beitragspflicht entstanden war und inzwischen verjährt ist (dazu 2.). Darüber hinaus steht der angefochtenen Beitragserhebung auch § 20 Abs. 5 KAG entgegen (dazu 3.). Im Einzelnen: |
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| 1. Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass es sich beim Kweg nicht um eine sog. historische Straße handelt. Der vom Kläger insoweit geltend gemachte Umstand, dass seit über 140 Jahren eine wegemäßige Erschließung des Kwegs bestanden habe, belegt lediglich das Vorhandensein einer Wegeanlage. Diese lag jedoch ausweislich der in den Akten befindlichen Urkarte im maßgeblichen Zeitpunkt am 31.12.1872 noch im Außenbereich, weil am Kweg damals noch kein einziges Gebäude angebaut war. Die Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung (zuletzt VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.11.2019 - 2 S 465/18 - juris Rn. 59), dass die Entwicklung spätestens bei Inkrafttreten der Neuen Allgemeinen Bauordnung am 01.01.1873 (RegBl. S. 305) hinsichtlich ihres Ausbau- und Verkehrszustands für den inneren örtlichen Verkehr von Haus zu Haus und für den regelmäßigen Anbau im Wesentlichen abgeschlossen sein musste, lagen daher nicht vor. |
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| Zutreffend ist die Beklagte auch davon ausgegangen, dass es sich bei der Erschließungsanlage Kweg nicht um eine sog. vorhandene Straße handelt. Die Frage, ob eine Erschließungsanlage bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 01.07.1961 bereits vorhanden war, beantwortet sich nach den vormaligen landesrechtlichen (oder ortsrechtlichen) Vorschriften (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1976 und 21.09.1979, Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 21 und Nr. 28; st. Rsp. VGH Bad.-Württ., vgl. Urteile vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 04.08.1987 - 2 S 72/85 - BWGZ 1987, 903). Danach konnte im ehemals württembergischen Landesteil, zu dem auch die Beklagte gehörte, nach dem Inkrafttreten der Neuen Allgemeinen Bauordnung bzw. der Württembergischen Bauordnung vom 28.07.1910 (RegBl. S. 333) sowie dem Aufbaugesetz vom 18.08.1948 (RegBl. S. 127) eine Straße die Bestimmung zum Anbau und damit den Charakter einer „Baustraße“ (vgl. Art. 7 Abs. 5 BauO 1910) nur erhalten, wenn sie nach Maßgabe eines verbindlichen Ortsbauplans, Baulinienplans oder Bebauungsplans ausgebaut wurde. Nur ein solcher Plan konnte einer Straße die Bestimmung zum Anbau vermitteln. Eine ohne Plan neu hergestellte Straße konnte keine Ortsstraße im Rechtssinne werden, unabhängig von ihrem technischen Ausbauzustand und unabhängig davon, ob an ihr Gebäude errichtet wurden oder nicht (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.09.1993 - 2 S 3019/91 - juris Rn. 27; Urteil vom 26.10.1995 - 2 S 120/93 - juris Rn. 25). Grundsätzlich war ab Inkrafttreten der Württembergischen Bauordnung die ausdrückliche Festsetzung einer Straße durch Aufteilung der Straßenfläche in Teileinrichtungen - wie § 5 der Verfügung des Ministeriums des Innern zum Vollzug der Bauordnung vom 10.05.1911 (im Folgenden: Vollzugsverfügung) zeigt - vom Gesetzgeber gewollter Standard (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.08.2009 - 2 S 1380/09 - nicht veröffentlicht). War ein Plan vorhanden, so war eine neue Ortsstraße erst mit ihrem plangemäßen Ausbau als Erschließungsanlage im Sinne des § 133 Abs. 4 BBauG bereits „hergestellt“ bzw. im Sinne des § 180 Abs. 2 BBauG „vorhanden“ (st.Rspr. des VGH Bad.-Württ. seit 1970, vgl. etwa Urteil vom 18.04.1991 - 2 S 2888/89 - nicht veröffentlicht und Urteil vom 23.09.1993 - 2 S 3019/91 - juris Rn. 27; Buhl, VBlBW 1984, S. 270 ff.). Zudem musste sich der plangemäße Ausbau auf den gesamten Straßenverlauf, der sich nach natürlicher Betrachtungsweise bestimmte, erstrecken. |
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| Ausgehend davon handelt es sich beim Kweg nicht um eine im Rechtssinne vorhandene Straße. Dabei kann offenbleiben, ob der Kweg - nachdem bereits seit dem Jahr 1957 in der gesamten Ausdehnung eine Straßenentwässerung vorhanden war - die Merkmalsregelung der damaligen Satzung erfüllte. Denn es fehlte an der erforderlichen planerischen Festsetzung über den gesamten damals bereits angebauten Bereich. |
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| In dem Bebauungsplan Kweg Nr. 133 B, der vom Gemeinderat am 02.03.1961 als Satzung beschlossen wurde, waren für den nördlichen Bereich (nach dem Grundstück Nr. 22) weder hinsichtlich der Straße noch hinsichtlich der Bebaubarkeit der angrenzenden Grundstücke Festsetzungen getroffen worden. Der blau umrandete Gesamtbereich ohne Festsetzungen weist durch skizzenhafte Einzeichnung auf eine damals für diesen Bereich noch im Raum stehende anderweitige Planung der weiteren Trassenführung des Kwegs hin. Nach den überzeugenden diesbezüglichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid handelte es sich um eine noch fehlende Anschlussplanung der Einmündung Kweg in die F.-Straße/T.-Auffahrt. Da sich damals ausweislich des Lageplans zum Bebauungsplan in diesem nicht überplanten Bereich bereits an den Kweg angebaute Gebäude befanden, fehlt es für die Annahme einer vorhandenen Straße bereits an einer planerischen Festsetzung über den gesamten Straßenverlauf nach natürlicher Betrachtungsweise. |
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| Zudem fehlt es auch im südlichen Bereich des Kwegs an einer Straßenfestsetzung nach Württembergischer Bauordnung. Ausweislich des Lageplans wurden zwar umfangreiche Anbaufestsetzungen zu den angrenzenden Grundstücken, wie insbesondere Baulinien getroffen. Die Straßenfläche des Kwegs wurde aber (nur) entsprechend dem Katasterbestand aufgenommen. Wie ein Vergleich mit weiteren Straßen im Geltungsbereich des Bebauungsplans zeigt, unterscheidet dies den Kweg etwa von der Lindenfelsstraße, in deren Straßenverlauf Festsetzungen nach § 5 Vollzugsverfügung eingezeichnet sind. Auch bei den zum Bebauungsplan gehörenden Straßenprofilen befinden sich lediglich Querschnitte der anderen Straßen, nicht jedoch des Kwegs. Der Kweg war somit sogar in seiner gesamten Ausdehnung nicht als Ortsstraße im Sinne der Württembergischen Bauordnung festgesetzt. |
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| Ohne Erfolg wendet der Kläger schließlich noch ein, dass sich aus der Ortsbausatzung der Stadt S. vom 16.10.1929 ein früherer Herstellungszeitpunkt ergebe. Unabhängig davon, dass der in Bezug genommene Wortlaut der damaligen Ortsbausatzung der Beklagten eine solche Interpretation schon nicht hergibt, fehlte es im damaligen württembergischen Landesrecht an einer gesetzlichen Ermächtigung, um durch eine kommunale Ortsbausatzung die für die Herstellung der Straße geltenden landesrechtlichen Regelungen außer Kraft setzen zu können (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.03.2021 - 2 S 3955/20 -, Rn. 18, juris) |
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| 2. Der angefochtenen Erhebung einer Vorausleistung mit Bescheid vom 08.12.2016 steht aber entgegen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die sachliche Beitragspflicht entstanden war und inzwischen verjährt ist. Im Einzelnen: |
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| Nach § 25 Abs. 2 KAG können, wenn ein Erschließungsbeitrag noch nicht entstanden ist, Vorauszahlungen bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlage - hier Abrechnungseinheit - begonnen worden und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage - hier Abrechnungseinheit - innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. |
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| Bereits der Gemeinderatsbeschluss vom 26.11.2014, welcher deutlich vor Bekanntgabe des angefochtenen Vorausleistungsbescheids erfolgte, stellte eine planersetzende Entscheidung nach § 125 Abs. 2 BauGB dar, die unmittelbar zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht führte. |
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| a) Auch nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 01.07.1961 bestimmte § 125 Abs. 1 Satz 1 BBauG bzw. BauGB grundsätzlich, dass die Herstellung der öffentlichen Straßen einen Bebauungsplan voraussetzte. Ansonsten durften solche Anlagen gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2 BBauG bzw. BauGB nur mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde hergestellt werden, an der es hier (ebenfalls) fehlt. Daneben war allerdings nach § 125 Abs. 2 Satz 2 BBauG bzw. BauGB eine Erschließungsanlage auch dann vom erschließungsrechtlichen Planerfordernis freigestellt, wenn es sich um eine Anlage innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile handelte, für die die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich war. Diese Voraussetzung erfüllt eine Straße dann, wenn ihr Verlauf und ihre Ausgestaltung auf Grund der gegebenen Umstände, insbesondere infolge der vorhandenen Bebauung, derart festliegen, dass auch ein Bebauungsplan daran nichts ändern könnte. Hiervon ist trotz der topographischen Verhältnisse schon deshalb nicht auszugehen, weil die Beklagte - wie der Lageplan zum Bebauungsplan Kweg belegt - im nördlichen Bereich im Jahr 1961 eine andere zukünftige Trassenführung und Anbindung beabsichtigte. Dies zeigt, dass hier noch ein erheblicher Spielraum hinsichtlich der Straßenführung bestanden hat und eine eindeutigen Festlegung aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht gegeben war (vgl. zu einem insoweit vergleichbaren Sachverhalt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23.03.1990 - 2 S 2284/89 - juris m.w. Nachw.). |
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| Seit Inkrafttreten der Novelle des Baugesetzbuchs vom 27.08.1997 am 01.01.1998 ist eine Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde nicht mehr erforderlich. Denn nach der ab dem 01.01.1998 geltenden Fassung des § 125 Abs. 2 BauGB dürfen beitragsfähige Erschließungsanlagen hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen. Nach dieser Neufassung ist die Rechtmäßigkeit der Herstellung beitragsfähiger Erschließungsanlagen nicht mehr von einer Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde abhängig. Mangels einer abweichenden gesetzlichen Regelung ist davon auszugehen, dass § 125 Abs. 2 BauGB auf alle beitragsfähigen Erschließungsanlagen anzuwenden ist, für welche die Rechtmäßigkeit der Herstellung am 31.12.1997 noch nicht durch eine erteilte Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde belegt war (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.03.2002 - 2 S 2585/01 - BWGZ 2002, 427 m.w. Nachw.). |
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| Im Rahmen der ihr von § 125 Abs. 2 BauGB auferlegten Planungsentscheidung hat sich die Gemeinde an den planungsrechtlichen Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB zu orientieren, wobei ihr eine planerische Gestaltungsfreiheit zur Seite steht. Bei dieser Prüfung nach § 125 Abs. 2 BauGB handelt es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung, sodass eine entsprechende Feststellung des Gemeinderats, die Herstellung z.B. einer Anbaustraße entspreche den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB, erforderlich ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 2 S 1657/06 - ESVGH 58, 165). |
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| Im vorliegenden Fall war sich der Gemeinderat der Beklagten darüber bewusst, dass zur Abrechenbarkeit der Erschließungsanlage Kweg noch eine planersetzende Entscheidung des Gemeinderats notwendig war. Nach den vorliegenden Behördenakten befasste er sich gleich dreimal mit dem Ausbau des Kwegs. In einem ersten Beschluss am 26.11.2014 (Gemeinderatsdrucksache Nr. 047/2014/1) wurde festgelegt, dass der erste planmäßige Ausbau des Kwegs entsprechend dem Ausführungsplan vom 10.05.2010 und Regelquerschnitt des Tiefbauamts vom 16.01.2014 im Zusammenhang mit den erforderlichen Sanierungsarbeiten seitens der Stadtwerke erfolgen solle. Aus der Sitzungsvorlage, der ein Übersichtsplan mit dem handschriftlich vermerkten Datum 10.05.2010 beigefügt war, ergibt sich, dass dem Beschluss folgende Erwägungen zu Grunde lagen: Der geplante neue Straßenquerschnitt habe eine Fahrbahnbreite zwischen 3,30 m und 5,25 m, je nachdem wie viel Fläche zur Verfügung stehe. Als Randbegrenzung sollten Granitbordsteine ausgeführt werden, die mit einem Anschlag von 12 cm versetzt würden. Zur Gewährleistung der Wasserführungen sollte an Überfahrten eine Absenkung auf 4 cm erfolgen. Weiter geht aus der Sitzungsvorlage hervor, dass dies als Grundsatzbeschluss angesehen wurde, auf dessen Basis die Ausbaudetails mit den Anwohnern festgelegt und dem Gemeinderat nochmals vor Ausschreibung zur Beschlussfassung vorgelegt werden sollte. Dies geschah dann in der Sitzung des Gemeinderats vom 16.12.2015 (Gemeinderatsdrucksache Nr. 254/2015), in der beschlossen wurde, dass der erste planmäßige Ausbau des Kwegs entsprechend dem Ausführungsplan und Regelquerschnitt des Tiefbauamts vom 23.11.2015 im Zusammenhang mit den erforderlichen Sanierungsarbeiten seitens der Stadtwerke nun erfolgen solle. Der Sitzungsvorlage zu diesem Gemeinderatsbeschluss war ein Lageplan ohne Datum beigefügt. Der Lageplan unterscheidet sich von dem Lageplan zur vorangegangenen Gemeinderatssitzung dadurch, dass dort lediglich die vorhandene Trasse durch rote, begrenzende Linien wiedergegeben war, und im neueren Lageplan diese Trasse nun (zusätzlich) mit grauer Farbe ausgefüllt und mit Beschriftungen zu den unterschiedlichen Regelquerschnitten versehen war. In einem dritten Gemeinderatsbeschluss mit Sitzungsvorlage vom 22.02.2016 (Gemeinderatsdrucksache Nr. 024/2016), dessen exaktes Datum aus den Akten nicht hervorgeht, erfolgte dann die Vergabe der erforderlichen Bauarbeiten an die Firma S. entsprechend deren Angebot. |
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| Bereits der erste Gemeinderatsbeschluss vom 26.11.2014 stellte eine Abwägungsentscheidung nach § 125 Abs. 2 BauGB dar. Denn mit ihm wurde festgelegt, dass die bisherige Trassenführung des Kwegs trotz der unterschiedlichen Straßenbreite als zur Erschließung ausreichend angesehen und beibehalten werden sollte. Unschädlich ist dabei, dass in dem Gemeinderatsbeschluss und in der Sitzungsvorlage kein ausdrücklicher Bezug auf § 125 Abs. 2 BauGB genommen wurde, denn es kommt allein darauf an, dass der Sache nach eine Festlegung des Straßenverlaufs und damit eine Abwägungsentscheidung nach § 125 Abs. 2 BauGB getroffen wurde. Im Übrigen musste dem Gemeinderat bewusst sein, hier eine Planungsentscheidung zu treffen. Dies geht schon aus der Formulierung „der erste planmäßige Ausbau“ und der Bezeichnung als „Grundsatzbeschluss“ hervor. Zudem wurde spätestens mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 16.12.2015 die planersetzende Entscheidung auch bewusst getroffen. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die drei Gemeinderatsbeschlüsse mit einem gesonderten Hefter in der Behördenakte zum Nachweis der Erfüllung des Planerfordernisses geführt werden. |
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| Unschädlich ist auch, dass es offensichtlich weder dem Gemeinderat noch der hinter den Sitzungsvorlagen stehenden Verwaltung der Beklagten bewusst war, dass mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 26.11.2014 unmittelbar die sachliche Beitragspflicht für die Erschließungsanlage Kweg entstanden ist. Dies ergibt sich aus Folgendem: |
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| b) Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 KAG entsteht die Beitragsschuld, wenn die Erschließungsanlage sämtliche zu ihrer erstmaligen endgültigen Herstellung vorgesehenen Teileinrichtungen im erforderlichen Umfang aufweist und diese den Merkmalen der endgültigen Herstellung (§ 34 Nr. 3 KAG) entsprechen, ihre Herstellung die Anforderungen des § 125 des Baugesetzbuches erfüllt und die Anlage öffentlich genutzt werden kann. |
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| Sämtliche dieser Voraussetzungen lagen hinsichtlich des Kwegs bereits vor dem streitgegenständlichen Ausbau vor. Die nach dem Gemeinderatsbeschluss vorgesehenen drei Teileinrichtungen Fahrbahn, Entwässerung und Beleuchtung waren auf voller Länge vorhanden. Hinsichtlich der Fahrbahn war auch die Merkmalsregelung der Satzung erfüllt, denn sie verfügte nach Aktenlage über eine Deckschicht. Diese war nach den in der Akte befindlichen Bildern zwar an vielen Stellen geflickt. Dies ist nicht verwunderlich, nachdem die Deckschicht nach dem Ergebnis der Erörterung in der mündlichen Verhandlung wohl schon zwischen 1954 und 1957 im Zusammenhang mit der erstmaligen Schaffung einer Straßenentwässerung auf voller Länge des Kwegs aufgebracht wurde. Durch die Planungsentscheidung mit Gemeinderatsbeschluss vom 26.11.2014, durch die der künftige Trassenverlauf des Kwegs entsprechend dem vorhandenen Trassenverlauf festgelegt wurde, wird die bereits in den Fünfziger Jahren aufgebrachte Deckschicht - im Nachhinein - zur erstmaligen endgültigen Herstellung der Teileinrichtung Fahrbahn. Unschädlich ist dabei die fehlende Feststellbarkeit des genauen Zeitpunkts, da sämtliche Erschließungsbeitragssatzungen der Beklagten (im Folgenden EBS) - wenn auch mit unterschiedlicher Formulierung - lediglich das Vorhandensein einer Deckschicht erfordern (vgl. § 13 Abs. 1 EBS vom 22.06.1961, § 10 Abs. 1 Ziffer 1 EBS vom 19.10.1978, sowie i.d.F.v. vom 18.12.1996 und § 4 Abs. 1 Satz 2 Ziffer. 1 EBS vom 18.07.2006). Allen Merkmalsregelungen ist bzw. war gemein, dass sie lediglich auf das äußerlich sichtbare Merkmal - Vorhandensein einer Deckschicht - abstellen. Ob die Fahrbahn sonstigen Ausbaustandards im Untergrund entsprach, ist rechtlich unerheblich, weil dies für den Betrachter nicht erkennbar war und der Kweg optisch der Merkmalsregelung der Satzung entsprach. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wäre es unzulässig, für die Frage einer erstmaligen endgültigen Herstellung auf das Vorhandensein oder die Qualität des Unterbaus abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.05.2013 - 9 C 3/12 -, juris). Der Kweg war somit ab dem 16.11.2014 hinsichtlich sämtlicher Teileinrichtungen erstmalig endgültig hergestellt. |
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| Da der Kweg ausweislich eines vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Stadtplans von 1930 bereits damals öffentlich nutzbar war, stellte der Gemeinderatsbeschluss vom 26.11.2014 als Erfüllung des Planerfordernisses nach § 125 BauGB das letzte noch fehlende Element zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nach § 41 Abs. 1 Satz 1 KAG dar. Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 08.12.2016 erhobene Vorausleistung war somit wegen Verstoßes gegen § 25 Abs. 2 KAG rechtswidrig. |
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| c) Zum für erschließungsbeitragsrechtliche Entscheidungen maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.03.2010 - 2 S 2425/09 -, Rn. 48, juris) ist ein etwaiger Anspruch der Beklagten auf Erhebung eines Erschließungsbeitrags für den Kweg zudem verjährt. |
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| Der Anspruch einer Gemeinde auf Geltendmachung des Erschließungsbeitrags verjährt gemäß den nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG entsprechend anwendbaren Vorschriften der §§ 169 Abs. 2, 170 Abs. 1 AO nach Ablauf von vier Jahren seit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Beitragsforderung entstanden ist. |
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| Der Gemeinderatsbeschluss vom 26.11.2014 führte - wie bereits dargelegt - dazu, dass die einzelnen Teileinrichtungen schon durch frühere Baumaßnahmen erstmalig endgültig hergestellt waren, weshalb auch nur noch insoweit entstandene Kosten als Erschließungsbeitrag hätten veranlagt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.05.2013, aaO). Vorliegend scheidet daher eine Umdeutung des angefochtenen Vorausleistungsbescheids der Beklagten in einen - dann verjährungshemmenden - endgültigen Beitragsbescheid von vornherein aus, da die Beklagte ausdrücklich geschätzte Kosten für künftige Baumaßnahmen als Vorausleistung erheben wollte. Bei der somit von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid beabsichtigten Vorfinanzierung handelt es sich - nicht nur wegen der völlig unterschiedlichen finanziellen Größenordnung - bereits im Wesenskern um etwas Anderes als die Abgeltung eines bereits entstandenen Vorteils. Es kann daher offenbleiben, ob grundsätzlich eine Umdeutung eines Vorauszahlungsbescheids in einen endgültigen Beitragsbescheid unmöglich ist. |
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| Damit ist die sachliche Beitragspflicht für den Kweg vorliegend am 26.11.2014 entstanden und am 31.12.2018 verjährt. |
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| 3. Einer zukünftigen Beitragserhebung - und damit auch dem angefochtenen Vorauszahlungsbescheid - steht zudem im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch § 20 Abs. 5 KAG entgegen. |
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| Mit dem am 12.12.2020 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes und der Gemeindeordnung vom 02.12.2020 (GBl. S. 1095) hat der Landesgesetzgeber zur Anpassung des Kommunalabgabengesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Beitragsvorhersehbarkeit und -klarheit die Regelung des § 20 Abs. 5 KAG in das Kommunalabgabengesetz eingefügt (vgl. hierzu die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drucks. 16/9087, S. 31 ff.). Nach § 20 Abs. 5 Satz 1 KAG ist die Festsetzung eines Beitrags oder einer sonstigen Abgabe zum Vorteilsausgleich ohne Rücksicht auf die Entstehung der Abgabenschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig. |
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| Diese erst nach dem Ergehen des angefochtenen Bescheids in Kraft getretene Neuregelung ist im gerichtlichen Verfahren wegen des maßgeblichen Zeitpunkts der mündlichen Verhandlung (s.o.) zu berücksichtigen (vgl. auch VGH Bad.- Württ., Beschluss vom 09.03.2021 - 2 S 3955/20 -, juris). |
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| Die Neuregelung des § 20 Abs. 5 Satz 1 KAG stellt für den Fristbeginn - den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechend - auf die „Vorteilslage“ ab. Mit diesem Begriff knüpft der Landesgesetzgeber für das Erschließungsbeitragsrecht, wie sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich ergibt (vgl. LT-Drucks. 16/9087 S. 34 f.), an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in den Urteilen vom 19.09.2018 - 2 S 1116/18 - und vom 29.10.2019 - 2 S 465/18 - an. |
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| Dort hatte der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass der Begriff der Vorteilslage aus der Perspektive des objektiven Empfängerhorizonts des Beitragspflichtigen zu bestimmen sei, welcher den Eintritt der Vorteilslage erkennen können müsse. Dies habe zur Konsequenz, dass es auf rein rechtliche Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, die der Beitragspflichtige in der Regel nicht selbst feststellen könne, wie das Bestehen einer wirksamen Erschließungsbeitragssatzung oder das Vorliegen einer Widmung, nicht entscheidend ankommen könne. Abzustellen sei vielmehr auf die äußerlich erkennbaren tatsächlichen Voraussetzungen der sachlichen Beitragspflicht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.11.2017 - 15 A 1812/16 - juris Rn. 47; Bayerischer VGH, Beschluss vom 04.05.2017 - 6 ZB 17.546 - juris Rn. 10; Urteil vom 24.02.2017 - 6 BV 15.1000 - juris Rn. 30; Driehaus, KStZ 2014, 181 <182 f.>). |
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| Maßgeblich für den Eintritt der Vorteilslage ist daher, ob eine beitragsfähige Erschließungsanlage, z.B. eine Anbaustraße (§ 33 Satz 1 Nr. 1 KAG), technisch entsprechend dem (Aus-)Bauprogramm der Gemeinde vollständig und endgültig hergestellt ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.03.2021 - 2 S 3955/20 -, juris). |
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| Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass die Beklagte über eine sehr lange Zeit keine endgültige Planung zum Trassenverlauf des Kwegs und damit auch keine „Definition“ der Vorteilslage vorgenommen hat. Dadurch hätten ihr noch Varianten für eine erstmalige endgültige Herstellung des Kwegs offen gestanden. Als sich der Gemeinderat mit seinem Beschluss vom 26.11.2014 jedoch - nach Aktenlage um die Anlieger nicht mit zu hohen Kosten zu belasten - dazu entschlossen hat, die Straße nur auf der bisherigen Trasse unter Beibehaltung der Straßenentwässerung technisch herzustellen, hat sie gleichzeitig mit der planersetzenden Entscheidung nach § 125 Abs. 2 BauGB auch die Vorteilslage „bestimmt“. Da diese im Nachhinein der erstmaligen endgültigen Herstellung aus den Fünfziger Jahren entspricht, ist die Frist des § 20 Abs. 5 KAG von 20 Jahren nach Eintritt der Vorteilslage im vorliegenden Fall somit mehr als erreicht. Die Rechtsfolge, dass eine Beitragserhebung für den Kaffeebergeweg daher auch aus diesem Grund verwehrt ist, entspricht auch der Intention des Gesetzgebers und insbesondere der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Belastungsvorhersehbarkeit und -klarheit. Denn vorliegend stellt der geplante Ausbau des Kwegs trotz eines vollständig neuen Unterbaus nach dem optischen Eindruck eine bloße Sanierung eines bereits lange bestehenden Ausbaustandards dar. |
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| 4. Da die angefochtene Beitragserhebung bereits dem Grunde nach rechtswidrig ist, bedurfte es keiner Entscheidung zu den vom Kläger aufgeworfenen Fragen zur Höhe der erhobenen Vorausleistung. |
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