Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (1. Kammer) - 1 K 1279/11.TR

Tenor

Der Bescheid vom 13. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung eines Linienverkehrs in ihrem Verbandsgebiet sowie den Ortsgemeinden Raversbeuren und Longkamp.

2

Die Klägerin unterhält einen genehmigten Linienverkehr von Trier nach Bullay (Linie 333).

3

Am 30. Dezember 2010 beantragte die Beigeladene beim Beklagten die Genehmigung eines „Seniorenbusses“ gemäß § 43 i.V.m § 2 Abs. 6 des Personenbeförderungsgesetzes – PBefG- im Wesentlichen in ihrem Verbandsgebiet. Dazu legte sie ein Konzept sowie einen Fahrplan vor, der Fahrten an jeweils zwei Tagen in der Woche auswies. Der Fahrpreis war mit 1,- € pro Fahrt beziffert. Nachfolgend benannte sie den zu befördernden Personenkreis als Senioren ab dem 60. Lebensjahr und Personen mit Schwerbehindertenausweis und erklärte, auch einen Tarif von 2,- € je Fahrt akzeptieren zu wollen.

4

Im Rahmen der nach § 14 PBefG durchgeführten Anhörung erhob neben anderen die Klägerin unter Hinweis auf die von ihr betriebene Linie 333 Einwendungen gegen die von der Beigeladenen geplanten Routen 3 (Burg-Enkirch), 4 (Enkirch-Traben-Trarbach), 6 (Wolf-Traben-Trarbach), den angestrebten Tarif sowie die Genehmigungsform mit Blick auf die Einschränkung des Fahrgastkreises.

5

Die Beigeladene änderte im Verfahren ihren Antrag ihre Fahrpläne betreffend.

6

Mit Bescheid vom 13. April 2011 erteilte der Landesbetrieb Mobilität der Beigeladenen die Genehmigung der Neueinrichtung einer Sonderform des Linienverkehrs nach § 43 i.V.m. § 2 Abs. 6 PBefG als sogenannter Seniorenbus innerhalb des Verbandsgebietes sowie den Ortsgemeinden Raversbeuren und Longkamp entsprechend dem vorgelegten und ergänzten Antrag für den Zeitraum 15. April 2011 bis 30. April 2016. Der Personenkreis wurde auf Senioren ab dem 60. Lebensjahr und Personen mit Schwerbehindertenausweis (Merkmal G) festgelegt. Er stimmte einem einheitlichen Tarif von 2,- € pro Einzelfahrt zu. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der überwiegende Teil des betroffenen Personenkreises erreiche wegen der örtlichen Verhältnisse und der Linienführung des Linienverkehrs diesen nicht. Die Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs würden nicht angefahren. Ein zeitlicher Abstand zum Linienverkehr (ca. eine Stunde) werde eingehalten.

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Die Klägerin erhob unter dem 5. Mai 2011 Widerspruch, den sie mit fehlender Tarifintegration und dem Konkurrenzangebot zum Busverkehr der Linie 333 begründete. Sie regte eine Genehmigung unter der Maßgabe an, dass es der Beigeladenen untersagt werden solle, auf den Abschnitten Burg- Enkirch-Traben, Rißbach-Traben und Wolf Ort- Traben Haltestellen zu bedienen, bei denen nicht ein zeitlicher Abstand von mindestens 60 Minuten zu den Fahrten der Linie 333 eingehalten werden.

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Hierzu äußerte sich die Beigeladene am 31. Mai 2011 und legte Änderungsvorschläge vor.

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Unter dem 17. Juni 2011 hielt die Klägerin an ihrer Rüge fest, der geforderte einstündige Abstand zum Linienverkehr werde nicht durchgängig eingehalten, und bot ihrerseits die Verlegung von Haltestellen an.

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Im Rahmen eines Gespräches u.a. zwischen den Beteiligten konnte die Frage des Tarifs sowie der gerügte zeitliche Abstand zu den Fahrten der Linie 333 und den Routen 4.2. und 3.2. ausweislich des hierzu gefertigten Vermerks des Beklagten nicht ausgeräumt werden.

11

Auf den Widerspruch der Klägerin stimmte der Beklagte den Fahrplänen der Beigeladenen in den geänderten Fassungen zu und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2011 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bisher nicht von einer befriedigenden Bedienung des Verkehrs ausgegangen werden könne, da den besonderen Mobilitätsansprüchen des in Rede stehenden Personenkreises durch den allgemeinen Linienverkehr nur bedingt Rechnung getragen werde. Ein feinteilige Bedienung einzelner Ort an der Verbindung Trier-Bullay existiere nicht. Eine „Betroffenheit“ durch den neu hinzukommenden (Parallel-)Verkehr, der sich nur an eine bestimmte Gruppe von Fahrgästen an wenigen Tagen mit Einzelfahrten auf einer Strecke von 4 bis 5 Kilometern im Vergleich zu einer Gesamtstrecke der Linie von ca. 90 Kilometern richte, sei nicht festzustellen. Eine Ausgestaltung des vorhandenen Verkehrs sei nicht möglich. Dass der Seniorenbus tatsächlich die wirtschaftliche Grundlage des betriebenen Linienverkehrs gefährde, sei weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.

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Die Klägerin hat am 23. September 2001 Klage erhoben. Dazu trägt sie vor, sie sei klagebefugt, weil der genehmigte Verkehr Parallelverkehr zur Linie 333 darstelle. Sie sei nicht zur notwendigen Ausgestaltung aufgefordert worden. Sie könne mit Erfolg vor dem Hintergrund der materiellen Auswirkungen der nunmehr genehmigten Beförderungsentgelte rügen, dass der Verbundtarif des VRT und der Tarif des Nahverkehrsplanes des Zweckverbands VRT nicht angewendet würde. Im Rahmen des Drittschutz vermittelnden § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG berufe sie sich darauf, dass mit dem Angebot für Senioren gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz verstoßen werde, da eine Altersdiskriminierung vorliege. Auch in Bezug auf Senioren bestehe eine befriedigende Verkehrsbedienung. Die Sichtweise des Beklagten verstoße gegen die von § 3 Abs. 4 Nahverkehrsgesetz vorgegebene Integration des Schülerverkehrs in den ÖPNV und werde der in § 8 Abs. 3 PBefG vorgegebenen Aufgabe der verkehrlichen Integration nicht gerecht. Schließlich liege ein Verstoß gegen § 42 PBefG vor, welcher eine Begrenzung des Fahrgastkreises auf eine bestimmte Gruppe von Fahrgästen nicht zulasse. Was die gerügte schlechte Erreichbarkeit ihrer Haltestelle anbelange, habe sie Änderungen angeboten. Sie werde durch das Parallelfahrtenangebot der Beigeladenen auch in bedeutendem Umfang berührt, da im ca. 25 km langen Abschnitt Bullay- Traben-Trarbach (333-3) die Verbindung der zwischenliegenden Moselorte mit den Mittelzentren sowie die Verbindung beider Mittelzentren übernommen werde. Nur einige Fahrgäste führen über Traben-Trarbach hinaus in Richtung Bernkastel-Kues. Die 8,5 km lange Relation Burg-Traben-Trarbach könne gerade nicht als unbedeutend eingestuft werden. Die Prüfung der wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung sei unzureichend, da nicht einbezogen sei, dass es an der tariflichen Integration beim Umstieg von dem Seniorenbus in den ÖPNV mangele, was die Vorteile relativiere. Ungeachtet dessen fehle die Aufforderung zur Ausgestaltung der Verkehre, obgleich sie dies angeboten habe, wobei zu beachten sei, dass einige zu bedienende Orte nicht zu ihrem Konzessionsgebiet gehörten. Es fehle der Beigeladenen nach europarechtlichen Maßstäben an der erforderlichen Zuverlässigkeit, weil den Beschäftigten kein nach §§ 3 bis 7 LTTG vorgesehener Mindestlohn bzw. tariflicher Lohn gezahlt werde.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid vom 13. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Ergänzend führt er aus, es handele sich um eigenwirtschaftlichen Verkehr nach § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG. Eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung i.S.d. Verordnung EG 1370/2007 liege nicht vor. Der Nahverkehrsplan sei lediglich in die Erwägungen einzustellen. Er verhalte sich zudem nur sehr allgemein zu dem Thema Bürger- oder Seniorenbus. Ein Widerspruch hierzu bestehe nicht. Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz vermittle der Klägerin keinen Abwehranspruch. Ein Verstoß gegen § 42 PBefG liege nicht vor, da die Genehmigung auf der Grundlage des § 43 PBefG erteilt sei. Hinsichtlich der Ausstattung mit Haltestellen werde auf die Schwachstellenanalyse verwiesen. Die Voraussetzungen des Parallelbedienungsverbots lägen nicht vor, weil es an ruinösem Wettbewerb fehle. Schließlich sei kein Überstieg in den ÖPNV vorgesehen, da eigenständige Verkehrsaufgaben bewältigt werden sollten. So sei der Tarif zu begründen.

18

Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.

19

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den von den Beteiligten zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen und den Verwaltungsunterlagen des Beklagten, die vorlagen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg.

21

Sie ist zulässig. Auch wenn die Klägerin nicht selbst Adressatin des angefochtenen Genehmigungsbescheides ist, ist sie klagebefugt. Ein vorhandener Verkehrsunternehmer hat ein Klagerecht gegen die einem anderen Unternehmer erteilte Genehmigung, wenn er – wie hier- geltend macht, sein dem öffentlichen Verkehr bereits dienendes Unternehmen werde durch die neue Genehmigung beeinträchtigt; § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG dient auch dem Schutz des vorhandenen Verkehrsangebots und der darin tätigen Unternehmer (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14/09-).

22

Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten.

23

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Linienverkehrsgenehmigung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, Urteil vom 6. April 2000 -3 C 6/99-), hier also des Genehmigungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011. Zu messen ist die angefochtene Linienverkehrsgenehmigung danach am Personenbeförderungsgesetz in der Fassung des Art. 4 des Gesetzes zur bestätigenden Regelung verschiedener steuerlicher und verkehrsrechtlicher Vorschriften des HaushaltsbegleitG 2004 vom 5. April 2001 (BGBl I S. 554).

24

Die Klägerin stützt ihre Einwendungen in erster Linie darauf, dass der Erteilung der Genehmigung an die Beigeladene Versagungsgründe nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG entgegenstünden. Danach ist beim Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen die Genehmigung zu versagen, wenn durch den beantragten Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden, insbesondere

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a) der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden kann,

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b) der beantragte Verkehr ohne eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung Verkehrsaufgaben übernehmen soll, die vorhandene Unternehmer oder Eisenbahnen bereits wahrnehmen,

27

c) die für die Bedienung dieses Verkehrs vorhandenen Unternehmer oder Eisenbahnen die notwendige Ausgestaltung des Verkehrs innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist und, soweit es sich um öffentlichen Personennahverkehr handelt, unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 selbst durchzuführen bereit sind.

28

Die Entscheidung des Beklagten, den von der Beigeladenen beantragten Verkehr gem. § 43 i.V.m. § 2 Abs. 6 PBefG zu genehmigen, ist rechtlich zu beanstanden. Denn der Linienverkehr in Gestalt des „Seniorenbusses“ ist nach dem Personenbeförderungsgesetz nicht genehmigungsfähig und beeinträchtigt von daher bereits öffentliche Verkehrsinteressen.

29

Durch die Wahrung der öffentlichen Verkehrsinteressen soll das „öffentliche Interesse der Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses“ gesichert werden. Maßgebend zur Beurteilung der Beeinträchtigung öffentlicher Verkehrsinteressen ist, ob es im Interesse der Allgemeinheit, also der Öffentlichkeit, geboten erscheint, eben dieses Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung bestimmter Verkehre (Verkehrsarten und –formen) unter einen besonderen gesetzlichen Schutz zu stellen, damit ihr für die Allgemeinheit unentbehrlicher Dienst weder gefährdet noch in Frage gestellt wird (vgl. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, § 13 Rn. 36). Eine Verkehrsform und -art, die nicht nach dem Gesetz genehmigungsfähig ist, beeinträchtigt in diesem Sinne die öffentlichen Verkehrsinteressen. Entsprechende Beförderungsvorgänge sind verboten.

30

Eine Genehmigung für die von der Beigeladenen beantragten Fahrten kommt nur aufgrund von § 2 Abs. 6 PBefG in Betracht, denn es liegt weder Linienverkehr gem. §§ 42, 43 PBefG noch Gelegenheitsverkehr in den nur nach §§ 47 bis 49 PBefG zulässigen Formen vor. Der Prüfung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen ist dabei der im Genehmigungsbescheid näher definierte Verkehr zugrunde zu legen, wonach nur der Personenkreis der Senioren ab 60. Lebensjahr und derjenige mit Schwerbehindertenausweis (Merkmal G) im Linienverkehr befördert werden soll.

31

Linienverkehr setzt gemäß § 42 PBefG voraus, dass eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung besteht, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können. Die Verkehrsbindung muss dabei gerade vom Unternehmer eingerichtet sein, und es muss Fahrgastfreiheit bestehen, d. h. der Verkehr muss einem unbestimmten und unbeschränkten Personenkreis offenstehen (vgl. Bidinger, § 42 Anm. 3 d). Diese Voraussetzungen erfüllt der von der Beigeladenen beabsichtigte Verkehr nicht.

32

Zwar fehlt es nicht an einer vom Unternehmer eingerichteten Verkehrsverbindung. Die Verkehrsverbindung wird auch regelmäßig i. S. von § 42 PBefG durchgeführt. Eine regelmäßige Verkehrsverbindung ist dann gegeben, wenn es sich nicht nur um wiederholte Fahrten, sondern um Fahrten handelt, die im Voraus allgemein festgelegt sind, also nicht nur aus besonderen Anlässen unternommen werden. Die Fahrten müssen in einer erkennbaren zeitlichen Ordnung wiederholt werden, so dass sich das interessierte Publikum auf das Vorhandensein einer Verkehrsverbindung einrichten kann (vgl. Bidinger, § 42 Anm. 3 c). Diese Voraussetzungen liegen unstreitig vor.

33

Der beantragte Verkehr wahrt jedoch nicht den für den allgemeinen Linienverkehr wesentlichen Grundsatz der Fahrgastfreiheit, der verlangt, dass der Verkehr einem unbestimmten und unbeschränkten Personenkreis offensteht und auf der Hin- und Rückfahrt ein ständiger Fahrgastwechsel eintritt oder wenigstens möglich ist (vgl. Bidinger, § 42 Anm. 3 d). Die Beigeladene möchte einen bestimmten Personenkreis unter Ausschluss anderer Fahrgäste befördern.

34

Nach § 43 PBefG gilt als Linienverkehr, unabhängig davon, wer den Ablauf der Fahrten bestimmt, auch der Verkehr, der unter Ausschluss anderer Fahrgäste der regelmäßigen Beförderung von 1. Berufstätigen zwischen Wohnung und Arbeitsstelle (Berufsverkehr), 2. Schülern zwischen Wohnung und Lehranstalt (Schülerfahrten), 3. Personen zum Besuch von Märkten (Marktfahrten) sowie 4. Theaterbesuchern dient.

35

Eine der in § 43 PBefG abschließend (vgl. Fielitz-Grätz, Personenbeförderungsgesetz, § 43 Anm. 5) genannten Sonderformen des Linienverkehrs, die keine Fahrgastfreiheit und verminderte Anforderungen an die Regelmäßigkeit der Verkehrsbedienung voraussetzen, liegt nicht vor.

36

Der beantragte Verkehr erfüllt auch nicht die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der zulässigen Formen des Gelegenheitsverkehres.

37

Nach § 46 Abs. 1 PBefG ist Gelegenheitsverkehr die Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen, die nicht Linienverkehr nach den §§ 42, 43 PBefG ist. Nach Abs. 2 der Bestimmung sind als Formen des Gelegenheitsverkehrs nur zulässig 1. Verkehr mit Taxen (§ 47), 2. Ausflugsfahrten und Ferienziel-Reisen (§ 48) sowie 3. Verkehr mit Mietomnibussen und mit Mietwagen (§ 49).

38

Kraftdroschkenverkehr gemäß § 47 PBefG scheidet aus. Es handelt sich auch weder um Ausflugsfahrten noch um Ferienzielreisen gem. § 48 PBefG. Es liegen auch nicht die Merkmale des Mietomnibusverkehrs bzw. Mietwagenverkehrs vor (§ 49 PBefG).

39

Das gemeinsame Interesse der Reiseteilnehmer erschöpft sich im vorliegenden Fall im gleichgerichteten Wunsch an der Durchführung der Fahrten, d. h. an der Befriedigung eines allgemeinen Verkehrsbedürfnisses. Dieses ist mit der Aufgabe des von der Klägerin betriebenen Linienverkehrs identisch. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit.

40

Schließlich liegen die Voraussetzungen der Verordnung über die Befreiung bestimmter Beförderungsfälle von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes (Freistellungs-Verordnung) vom 30. August 1962 in der Fassung des Artikel 1 der 2. Verordnung zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1989 (BGB. I S. 1273) ersichtlich nicht vor.

41

Der beantragte Verkehr ist auch nicht nach dem Auffangtatbestand des § 2 Abs. 6 PBefG genehmigungsfähig.

42

Beförderungen, die in besonders gelagerten Einzelfällen nicht alle Merkmale einer Verkehrsart oder Verkehrsform des PBefG erfüllen, können gem. § 2 Abs. 6 PBefG nach denjenigen Vorschriften dieses Gesetzes genehmigt werden, die dem beantragten Verkehr am meisten entsprechen.

43

Nach dem Inhalt des Genehmigungsbescheides soll der „Seniorenbus“ im Linienverkehr für den beschränkten Kreis der Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben sowie für diejenigen mit Schwerbehindertenausweis (Merkmal G) in Anlehnung an die Vorschrift des § 43 PBefG, somit im Rahmen einer Sonderform betrieben werden dürfen. Dies ist auch nach Maßgabe des § 2 Abs. 6 PBefG rechtlich nicht zulässig.

44

Wann die Voraussetzungen eines "besonders gelagerten Einzelfalles" im Sinne der Vorschrift gegeben sind, lässt sich dieser nicht entnehmen. Hinsichtlich des hier einzig in Betracht kommenden Linienverkehrs ist jedoch zu beachten, dass § 43 PBefG abschließend die Sonderformen aufzählt und über § 2 Abs. 6 PBefG grundsätzlich nicht ausgedehnt werden kann (vgl. keine Ausdehnung: Fielitz- Grätz § 2 Abs. 6 Rn 27). Was die Annahme eines Ausnahmefalles voraussetzt, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich gesehen. Einigkeit besteht insoweit als zumindest eine „tatsächliche Nähe“ zu den in § 43 PBefG geregelten Fällen vorauszusetzen ist (so angeklungen in Bidinger § 2 Rn. 22 f; durch eine Analogie: OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. September 2007– 2 LC 208/04). Ein Ausnahmefall ist nach den Ausführungen des VG Oldenburg dann anzunehmen, wenn ein Verkehr den in § 43 PBefG geregelten Fällen so nahe kommt, dass eine unterschiedliche Behandlung unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes nicht mehr vertretbar ist (vgl. Urteil vom 16. Juni 2004 – 7 A 508/03- unter Verweis auf FG Neustadt, Urteil vom 1. April 2003 – 2 K 2866/99- betr. Kindergartenfahrten, die wie Schülerfahrten nach § 43 Satz 1 Nr. 2 PBefG behandelt werden; vgl. dazu auch Grätz, § 2 Abs. 6 Rn. 27). Die Bestimmung ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nach der Rechtsprechung des VG Stuttgart jedenfalls in den Fällen anzuwenden, in denen eine neue Beförderungsform, die der Gesetzgeber bisher nicht berücksichtigen konnte, einer der im Personenbeförderungsgesetz zugelassenen Verkehrsformen so ähnlich ist, dass eine Ungleichbehandlung in Anwendung von Artikel 3 GG willkürlich und deshalb unzulässig wäre (vgl. Urteil vom 25. November 1988 – 10 K 2142/87- m.w.N.).

45

Nach alldem muss zumindest von einer Ähnlichkeit des beantragten Verkehrs zu den in § 43 PBefG geregelten Sonderverkehren gegeben sein. Eine solche liegt hier nicht vor.

46

Gegen eine darüber hinausgehende Annahme eines Einzelfalls sprechen Sinn und Zweck des Personenbeförderungsrechts. Der Linienverkehr ist als ein Massenverkehrsmittel charakterisiert, dessen Verkehrsleistungen innerhalb eines räumlich festgelegten Verkehrsnetzes abgewickelt werden. Große Gruppen der Bevölkerung sind auf das Bestehen wie auf das verlässliche und dauerhafte Funktionieren des Linienverkehrs angewiesen. Aus diesen Gründen und im Hinblick auf die Konkurrenz des Linienverkehrs zum Schienenverkehr ist die Zulassung zum Linienverkehr objektiven Genehmigungsvoraussetzungen zu unterwerfen (vgl. Fielitz – Grätz, § 43 Rn. 2). Das Personenbeförderungsrecht beruht aus verkehrsordnenden Gründen auf dem Ausschließlichkeitsprinzip (BVerfG, Beschluss vom 7. April 1964 -1 BvL 12/63-, Prinzip des geschlossenen Kreises). Diese Systematik bewirkt, dass nur die dem sachlichen Geltungsbereich des Gesetze (§ 1) unterliegenden Verkehrsarten und Verkehrsformen (§§ 42,43,46,47,48,49) genehmigt werden dürfen, es sei denn, es handelt sich um Beförderungsfälle, die durch das Gesetz selbst oder die Freistellungs-VO von den Vorschriften des Gesetzes ausgenommen sind. Beförderungsvorgänge, die nicht sämtliche Merkmale der im Gesetz normierten Verkehrsarten und Verkehrsformen aufweisen, sind mithin nicht genehmigungsfähig und damit verboten. Der Gesetzgeber wollte mit § 2 Abs. 6 PBefG den Grundsatz der Ausschließlichkeit bzw. des Typenzwangs nicht aufgeben und stellt mit der Auffangklausel lediglich auf besonders gelagerte Einzelfälle ab (vgl. Fielitz- Grätz, § 2 Rn. 25). Von einem besonders gelagerten Einzelfall kann nach diesem Verständnis nur ausgegangen werden, wenn wegen örtlicher Besonderheiten eine Beförderungsform eingerichtet werden könnte, die allgemein so ungebräuchlich ist, dass sie der Gesetzgeber bei der Erfassung der PBefG-Verkehrsarten und –formen nicht vor Augen haben konnte und deshalb auch im Katalog nicht vorgesehen hat (vgl. Fielitz-Grätz, § 2 Rn. 26).

47

Die Entstehungsgeschichte zu § 43 PBefG spricht ebenfalls für eine restriktive Anwendung des § 2 Abs. 6 PBefG im dargestellten Sinne.

48

Mit der Einführung der Vorgängerregelung des § 59a PBefG durch das Änderungsgesetz vom 24. 8. 1965 (BGBl I, 906) verfolgte der Gesetzgeber vor dem Hintergrund des strengen gesetzlichen Typenzwanges des Personenbeförderungsrechtes das Ziel, "vom Gesetz nicht erfasste Verkehrsformen (grauer Verkehr), an deren Zulassung ein Interesse besteht, im Einzelfall genehmigungsfähig" zu machen (BT-Dr IV/3472). Der Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass den zuständigen Behörden nur in den Fällen eine ausnahmsweise Genehmigung ermöglicht werden sollte, in denen eine wirtschaftliche Konkurrenzsituation mit vorhandenen Verkehrsträgern nicht auftreten konnte, und es in anderen Fällen beim generellen Verbot sog. grauer Verkehre bleiben sollte. Der Gesetzgeber hat die Zuordnung in § 46 PBefG vorgegeben, wonach jede Beförderung von Personen mit Kfz, die nicht Linienverkehr nach den §§ 42 und 43 PBefG ist, Gelegenheitsverkehr ist.

49

Dagegen liegen die den Linienverkehr prägenden und für seine Abgrenzung zum Gelegenheitsverkehr entscheidenden Merkmale der Fahrgastfreiheit in den Sonderformen des § 43 nicht vor.

50

Die Sonderformen in § 43 PBefG hat der Gesetzgeber in bewusster Abweichung von den allgemeinen Abgrenzungskriterien zwischen Gelegenheits- und Linienverkehr für zulässig erklärt und den Voraussetzungen für den Linienverkehr unterworfen. Der Gesetzgeber hat in § 43 PBefG Verkehre aufgenommen, denen zwar bestimmte Merkmale des Linienverkehrs gemäß § 42 PBefG fehlen (vor allem dessen Öffentlichkeit, d.h. das Angebot an einen unbestimmten und unbeschränkten Personenkreis), die aber als Massenverkehr geeignet waren, vorhandenen Unternehmen des Linienverkehrs einen unbilligen Wettbewerb zu bereiten, und dem Linienverkehr abträglich waren (vgl. Fielitz- Grätz, § 43 Anm. 1 ff.). Diese Verkehre sollten den Genehmigungsvoraussetzungen des Linienverkehrs unterworfen werden. Im Regierungsentwurf zu § 43 PBefG war zunächst eine beispielhafte Aufzählung (insbesondere) vorgesehen, dieses Wort ist aber im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen worden (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Urteil vom 19. September 2007- a.a.O.). Dies spricht auch dafür, dass § 43 PBefG eine im Ansatz abschließende Regelung enthält, die nur in besonderen Fällen über § 2 Abs. 6 PBefG erweiterbar ist. Ein solcher Ausnahmefall muss zumindest eine Ähnlichkeit zu den gesetzlich enumerativ aufgezählten Sonderformen aufweisen, damit dem Linienverkehr als Massenverkehrsmittel, auf das weite Teile der Bevölkerung angewiesen sind, nicht die Grundlage entzogen wird.

51

Eine Ausweitung dieser enumerativ aufgezählten Sonderformen durch die Exekutive über § 2 Abs. 6 PBefG ist nach Maßgabe vorstehender Ausführungen hier nicht angängig.

52

Die dargelegten Unterschiede zu den im PBefG geregelten Verkehrsformen sind so erheblich, dass eine Ungleichbehandlung keinen Verstoß gegen das Willkürverbot begründen würde und deshalb auch aus Artikel 3 GG kein Genehmigungsanspruch hergeleitet werden kann. Auch die Mindestanforderung einer Erweiterung über eine Ähnlichkeit oder „tatsächliche Nähe“ der in den Sonderformen geregelten Verkehre ist hier nicht begründbar. Die in § 43 PBefG genannten Sonderformen setzten jeweils einen Beförderungszweck voraus, der über das allgemeine Interesse an einer Beförderungsleistung hinausgeht. Der hier beantragte Verkehr hingegen soll lediglich ein allgemeines Verkehrsbedürfnis besonders komfortabel befriedigen. Dieses Ziel ist mit der Aufgabe des von der Klägerin betriebenen Linienverkehrs identisch. Es soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in der Sonderform betrieben werden, sondern als Aufgabe dem allgemeinen Linienverkehr überlassen bleiben. Vor diesem Hintergrund ist es Sache des Gesetzgebers dem dem Antrag der Beigeladenen zugrundeliegenden allgemeinen Verkehrsbedürfnis Rechnung zu tragen und einen Genehmigungstatbestand zu schaffen, wenn er dessen Befriedigung im Linienverkehr zulassen will.

53

Vorliegend kommt auch keine Genehmigung für den allgemeinen Linienverkehr unter entsprechenden Auflagen in Betracht, welche die Begrenzung des Personenkreises zum Gegenstand hat. Für eine Auflage, die dem Gesetzeszweck – hier ein vom Gesetzgeber bewusst geregeltes Abgrenzungskriterium (vgl. Bidinger, § 42 Rn. 3 d) – entgegensteht, fehlt die rechtliche Grundlage.

54

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.

55

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

56

Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§§ 124, 124 a VwGO).

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