Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (6. Kammer) - 6 K 4124/17.TR

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner Versorgungsbezüge.

2

Der 1961 geborene Kläger stand als Berufssoldat, zuletzt im Rang eines Oberstabsbootsmannes, im Dienst der Beklagten.

3

Mit Urteil des Amtsgerichts ... vom 20. März 1995 wurde die erste Ehe des Klägers geschieden. Im Rahmen des gleichzeitig durchgeführten Versorgungsausgleichs wurden zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Klägers bei dem Wehrbereichsgebührnisamt III auf dem Versicherungskonto seiner geschiedenen Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 182,90 DM, bezogen auf den 30. September 1994, begründet. Diese Entscheidung ist seit dem 29. April 1995 rechtskräftig und wirksam.

4

Mit Ablauf des 31. August 2013 wurde der Kläger nach § 2 Abs. 1 S. 2 des Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetzes (SKPersStruktAnpG) vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

5

Mit Bescheid vom 02. September 2013 wurden seine Versorgungsbezüge nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) festgesetzt. Mit weiterem Bescheid vom 03. September 2013 wurden seine Versorgungsbezüge ab dem 01. September 2013 wegen des durchgeführten Versorgungsausgleichs um monatlich 124,85 Euro gemäß § 55c SVG gekürzt. Gegen diesen Bescheid wurde in der Folgezeit kein Rechtsbehelf eingelegt.

6

Unter dem 09. Januar 2017 beantragte der Kläger die Neuberechnung des Auszahlungsbetrags seines Ruhegehaltes unter Aussetzung der Kürzung des Versorgungsausgleichs bis zum Erreichen der in § 5 des Bundespolizeibeamtengesetzes (BPolBG) bestimmten Altersgrenze sowie die Erstattung der sich daraus ergebenden Versorgungsleistungen rückwirkend ab dem 01. September 2013, jedenfalls aber für den noch nicht verjährten Zeitraum. Zur Begründung führte er aus, durch das Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz (BwAttraktStG) sei § 55c Abs. 1 S. 3 SVG dahingehend geändert worden, dass bei Soldaten, die wegen Überschreitens der für sie festgesetzten besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden seien, die Kürzung des Versorgungsausgleichs bis zum Erreichen der in § 5 BPolBG festgesetzten Altersgrenze ausgesetzt werde. Soweit die Regelung auf die nach den Vorschriften des SKPersStruktAnpG bzw. des Personalanpassungsgesetzes (PersAnpassG) zur Ruhe gesetzten Soldaten nicht angewendet werde, liege hierin eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung sowie eine Verletzung der Verpflichtung des Dienstherrn zur amtsangemessenen Alimentation.

7

Der Antrag wurde mit Bescheid der Generalzolldirektion – Service-Center ... – vom 16. Januar 2017 abgelehnt.

8

Gegen den Bescheid erhob der Kläger fristgerecht Widerspruch.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 02. März 2017 wies die Generalzolldirektion – Service-Center ... – den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die durch das BwAttraktStG vorgenommene Neuregelung des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG betreffe Soldaten, die wegen Überschreitens der für sie geltenden besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden seien. Die Vorschrift finde im Fall des Klägers keine Anwendung, da er nicht wegen Überschreitens der besonderen Altersgrenze gemäß § 44 Abs. 2 Soldatengesetz (SG), sondern nach dem SKPersStruktAnpG und somit vor Erreichen der besonderen Altersgrenze in den Ruhestand getreten sei. In der Gesetzesbegründung werde unter anderem darauf abgestellt, dass der Dienstherr eine Berufssoldatin oder einen Berufssoldaten nach § 44 Abs. 2 SG nach Überschreiten der für sie oder ihn geltenden besonderen Altersgrenze einseitig durch Verwaltungsakt in den Ruhestand versetzen könne. Die Zurruhesetzung des Klägers sei jedoch mit seinem Einverständnis vorzeitig erfolgt. Ein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsätze sei nicht erkennbar.

10

Der Kläger hat am 27. März 2017 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er könne sich auf die auch in seinem Fall anzuwendende Ausnahmeregelung des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG berufen. Der Gesetzeswortlaut beziehe sich nicht ausdrücklich auf die in § 45 Abs. 2 SG benannten Altersgrenzen, sondern vielmehr allgemein auf die „festgesetzten besonderen Altersgrenzen“. Solche fänden sich aber auch in den Vorschriften des SKPersStruktAnpG sowie des PersAnpassG. Darüber hinaus werbe der Dienstherr nach wie vor damit, dass Berufssoldaten, die nach Vollendung des 50. bzw. 52. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt würden, die Versorgung bezögen, die ihnen auch bei regulärem Ausscheiden zugestanden hätte. Der Intention des Gesetzgebers – die Verminderung der für die Berufssoldaten frühzeitig eintretenden Belastung infolge des früheren Ruhestandseintritts und der damit verbundenen Kürzung der Versorgungsbezüge – könne nur entsprochen werden, wenn die Vorschrift auch für Soldaten gelte, die nach § 2 Abs. 1 SKPersStruktAnpG oder § 1 PersAnpassG in den Ruhestand versetzt worden seien, da gerade bei diesen die im Gesetzesentwurf beschriebenen Effekte deutlich früher einträten und noch wesentlich länger andauerten. Die Nichterstreckung der Ausnahmeregelung des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG auf ihn sei wegen des darin liegenden Verstoßes gegen das sich aus der EU-Richtlinie 2000/78/EG bzw. dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ergebenden Verbotes der Altersdiskriminierung europarechtswidrig und damit unwirksam. Sofern sowohl eine direkte als auch eine analoge Anwendung der Vorschrift auf seinen Fall ausscheide, sei die Regelung wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie der sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation verfassungswidrig.

11

Der Kläger beantragt,

12

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Generalzolldirektion – Service-Center ... – vom 16. Januar 2017 in Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 02. März 2017 zu verpflichten, den Bescheid der Bundesfinanzdirektion ... – Service-Center ... – über die Kürzung der Versorgungsbezüge vom 03. September 2013 aufzuheben, seit dem 01. Juni 2015 nach § 55c SVG einbehaltene Kürzungsbeträge zu erstatten und ihm Versorgungsbezüge zukünftig ohne Kürzung nach § 55c SVG bis zum Erreichen der in § 5 BPolBG bestimmten Altersgrenze zu gewähren,

13

hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Versorgungsbezüge ohne Kürzung nach § 55c SVG bis zum Erreichen der in § 5 BPolBG bestimmten Altersgrenze zu gewähren.

14

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Zur Begründung bezieht sie sich vollumfänglich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (1 Band Versorgungsakte, 1 Band Versorgungsausgleichsakte und 1 Band Widerspruchsakte) verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

19

I. Die Klage ist hinsichtlich der von dem Kläger gestellten Hauptanträge zwar zulässig, aber nicht begründet.

20

1. Die Klage ist im Hinblick auf die gestellten Hauptanträge zulässig.

21

a. Im Hinblick auf die begehrte Verpflichtung der Beklagten auf Aufhebung des Kürzungsbescheides vom 03. September 2013 ist die Klage als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft.

22

Bei dem Kürzungsbescheid handelt es sich entsprechend der eindeutigen Formulierung „mit Wirkung vom 01.09.2013“ um einen Dauerverwaltungsakt, der für die Zukunft verbindlich regelt, dass eine Kürzung nach § 55c Abs. 1 des Soldatenversorgungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. September 2009 (BGBl. I S. 3054), zuletzt geändert durch Artikel 90 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626) – SVG – vorgenommen wird. Gegen diesen Kürzungsbescheid hat der Kläger kein Rechtsmittel respektive Widerspruch gemäß § 87 Abs. 2 SVG i.V.m. § 126 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz – BBG –, §§ 68 ff. VwGO eingelegt. Mit Ablauf der Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO ist der Kürzungsbescheid bestandskräftig geworden und damit die Kürzungsregelung gemäß § 55c SVG für den Kläger unanfechtbar festgestellt. Die weitere Dynamisierung des Kürzungsbetrages nach § 55c Abs. 2 S. 3 SVG tritt kraft Gesetzes ein und wird üblicherweise nicht mit fortlaufenden Bescheiden aktualisiert (vgl. VG München, Urteil vom 28. Februar 2014 – M 21 K 12.2290 –, juris).

23

Vor diesem Hintergrund geht die Kammer zugunsten des Klägers davon aus, dass es sich bei seinem Antrag vom 09. Januar 2017 auf Neuberechnung des Auszahlungsbetrages seines Ruhegehalts unter Aussetzung der Kürzung des Versorgungsausgleichs zugleich um einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens handelt. Diesen hat die Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar 2017 konkludent abgelehnt. Zwar ist insoweit streitig, ob – nach Durchführung des Vorverfahrens – sogleich Klage auf Verpflichtung der Behörde auf Aufhebung oder Abänderung des Verwaltungsaktes, gegen den sich der Wiederaufnahmeantrag richtet, erhoben werden kann oder zunächst nur auf Verpflichtung zur Wiederaufnahme des Verfahrens. Für die Zulässigkeit einer Klage unmittelbar auf die erstrebte Sachentscheidung spricht hier aber jedenfalls die Prozessökonomie, da es sich bei der Kürzungsregelung des § 55c Abs. 1 SVG um eine gebundene Entscheidung handelt und die Beklagte im Übrigen bereits zu erkennen gegeben hat, dass eine Wiederaufnahme ihrerseits nicht zu der vom Kläger gewünschten Sachentscheidung führen wird (vgl. hierzu: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage 2016, § 51 Rn. 53 f.).

24

b. Hinsichtlich der erstrebten Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge bis zum Erreichen der in § 5 Bundespolizeibeamtengesetz – BPolBG – bestimmten Altersgrenze ist die Klage ebenfalls als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO statthaft.

25

c. Soweit der Kläger darüber hinaus die Verurteilung der Beklagten begehrt, seit dem 01. Juni 2015 nach § 55c SVG einbehaltene Kürzungsbeträge zu erstatten ist die Klage als allgemeine Leistungsklage statthaft.

26

2. Die Klage ist hinsichtlich der Hauptanträge jedoch nicht begründet.

27

Der Bescheid der Generalzolldirektion – Service-Center ... – vom 16. Januar 2017 in Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 02. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Aufhebung des Bescheides der Bundesfinanzdirektion ... über die Kürzung der Versorgungsbezüge vom 03. September 2013 noch auf zukünftige Gewährung ungekürzter Bezüge bis zum Erreichen der in § 5 BPolBG bestimmten Altersgrenze oder auf Erstattung der nach § 55c SVG einbehaltenen Versorgungsbezüge seit dem 01. Juni 2015 zu.

28

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger überhaupt einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hat, sodass dem Begehren des Klägers nicht bereits die Bestandskraft des ursprünglichen Kürzungsbescheides vom 03. September 2013 entgegensteht. Denn ungeachtet dessen könnte der Kläger – einen zulässigen und begründeten Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens unterstellt – keine für ihn günstige Sachentscheidung verlangen. Die Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers ist rechtlich nicht zu beanstanden.

29

a. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 55c Abs. 1 S. 1 SVG. Hiernach werden die Versorgungsbezüge der ausgleichspflichtigen Person und ihrer Hinterbliebenen nach Wirksamkeit einer Entscheidung des Familiengerichts, durch welche Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung übertragen oder begründet worden, nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften um den nach § 55c Abs. 2 oder 3 SVG zu berechnenden Betrag gekürzt.

30

Nach dem Urteil des Amtsgerichts ... vom 20. März 1995 sind zugunsten der geschiedenen Ehefrau des Klägers Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 182,90 DM, bezogen auf den 30. September 1994, begründet worden. Die Entscheidung ist am 29. April 1995 rechtskräftig geworden und ist damit seitdem wirksam. Die Voraussetzungen des § 55c Abs. 1 S. 1 SVG lagen somit vor.

31

Gegen die Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Fall bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die für Beamte geltende, der Norm des § 55c SVG entsprechende Vorschrift des § 57 Beamtenversorgungsgesetz – BeamtVG – ist sowohl unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums als auch hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den Grundrechten (u.a. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz – GG –) sowie hinsichtlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes mehrfach verfassungsgerichtlich überprüft worden. Danach ist der Eingriff in die versorgungsrechtliche Position des Ausgleichsverpflichteten, der in dem sofortigen und endgültigen Vollzug des Versorgungsausgleichs bei Eintritt des ausgleichspflichtigen Beamten in den Ruhestand liegt, durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 2 GG legitimiert und insgesamt verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 – 1 BvL 17/77 u. a. –, BVerfGE 53, 257, und Beschluss vom 09. November 1995 – 2 BvR 1762/92 –, DÖV 1996, 247; BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 – 2 C 48/13 –, NVwZ-RR 2016, 467). Auf die Begründungen dieser Entscheidungen nimmt die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

32

b. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers steht ihm auch nach § 55c Abs. 1 S. 3 SVG in der derzeitigen, seit dem 01. Juni 2015 geltenden Fassung ein Anspruch auf ungekürzte Versorgungsbezüge nicht zu.

33

Durch Artikel 10 Nr. 8 a) des Bundeswehrattraktivitätssteigerungsgesetzes vom 23. Mai 2015 (BGBl. I S. 706) – BwAttraktStG – wurde § 55c SVG dahingehend geändert, dass – entsprechend des neu eingefügten Satzes 3 – bei Soldaten, die wegen Überschreitens der für sie festgesetzten besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden sind, die Kürzung der Versorgungsbezüge nach Satz 1 bis zum Ende des Monats, in dem sie die Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit (§ 5 des Bundespolizeibeamtengesetzes – BPolBG –) erreichen, ausgesetzt wird. Nach Art. 13 Abs. 4 BwAttraktStG ist diese Regelung am 01. Juni 2015 in Kraft getreten.

34

Die Vorschrift ist auf den Fall des Klägers jedoch nicht anwendbar.

35

Einer unmittelbaren Anwendung der Vorschrift steht bereits ihr eindeutiger Wortlaut entgegen. Denn der Kläger wurde nicht „wegen Überschreitens der für ihn festgesetzten besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt“. Vielmehr erfolgte die Zurruhesetzung des Klägers auf Grundlage von § 2 Abs. 1 S. 2 des Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetzes vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1583) – SKPersStruktAnpG –.

36

Dabei nimmt die Ausnahmeregelung des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG ersichtlich auf die in § 45 Abs. 2 des Soldatengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl. I S. 1482), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 08. Juni 2017 (BGBl. I S. 1570) – SG – geregelte besondere Altersgrenze für Berufssoldaten Bezug. Dies ergibt sich bereits aus der Gesetzesbegründung des BwAttraktStG zu Artikel 10 Nr. 8 a). Hier heißt es:

37

„Berufssoldatinnen und Berufssoldaten werden im Verhältnis zu anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Grund der für sie geltenden besonderen Altersgrenzen nach § 45 Absatz 2 und § 96 des Soldatengesetzes wesentlich früher in den Ruhestand versetzt.“

(BT-Drucks. 18/3697, S. 61).

38

Im Folgenden wird weiter ausgeführt:

39

„Die betroffenen Soldatinnen und Soldaten haben auch keine Möglichkeit, ihre Einkommenssituation durch längeres Dienen zu verbessern. Nach § 44 Absatz 2 des Soldatengesetzes kann der Dienstherr eine Berufssoldatin oder einen Berufssoldaten nach Überschreiten der für sie oder ihn geltenden besonderen Altersgrenze einseitig durch Verwaltungsakt mit Ablauf eines Monats in den Ruhestand versetzen. In der Praxis erfolgt die Zurruhesetzung regelmäßig nach Überschreiten der besonderen Altersgrenze.“ (BT-Drucks. 18/3697, S. 62).

40

Die Zugrundelegung der in dem Soldatengesetz bestimmten besonderen Altersgrenze entspricht daher der mit Einfügung des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG verbundenen Intention des Gesetzgebers. Denn hierdurch sollten entsprechend der vorstehend zitierten Gesetzesbegründung nur die unvermeidbaren Nachteile der Berufssoldatinnen und Berufssoldaten gegenüber anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ausgeglichen werden, die diese dadurch erleiden, dass sie infolge gesetzlich bestimmter besonderer Altersgrenzen einseitig in den Ruhestand versetzt werden und dann nur noch über eine gekürzte Versorgung verfügen können. Die Möglichkeit, die Einkommenssituation durch Verlängerung der Dienstzeit zu verbessern, besteht insoweit nicht.

41

Entgegen der Auffassung des Klägers enthalten die Vorschriften des Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetzes bzw. des Personalanpassungs-gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 4013, 4019) zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 07. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2807) – PersAnpassG – hingegen keine „besonderen Altersgrenzen“ im Sinne des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG. Denn eine Versetzung in den Ruhestand nach § 2 Abs. 1 SKPersStruktAnpG bzw. § 1 Abs. 1 PersAnpassG kann nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschriften nur mit Zustimmung der Berufssoldatin bzw. des Berufssoldaten erfolgen. Insoweit besteht aber ein entscheidender Unterschied zu denjenigen Soldatinnen und Soldaten, die nach § 44 Abs. 2 SG wegen Überschreitens der nach § 45 Abs. 2 SG festgesetzten besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt werden. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob eine Zurruhesetzung aufgrund der vorgenannten Bestimmungen nach Überschreiten der besonderen Altersgrenze auch regelmäßig erfolgt, denn entscheidend ist allein, dass eine solche jedenfalls einseitig durch Verwaltungsakt erfolgen kann, ohne dass den Betroffenen eine Möglichkeit zur Verfügung steht, ihre Einkommenssituation durch Verlängerung der Dienstzeit zu verbessern.

42

Darüber hinaus kommt auch eine analoge Anwendung des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG auf Soldaten, die aufgrund von Personalanpassungsmaßnahmen in den Ruhestand versetzt worden sind, nicht in Betracht. Denn ungeachtet dessen, dass im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Intention des Gesetzgebers bereits nicht von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen ist, mangelt es jedenfalls an einer vergleichbaren Interessenlage. Während bei Überschreiten der gesetzlich festgesetzten besonderen Altersgrenze eine Zurruhesetzung einseitig und zwangsweise erfolgen kann, sind Zurruhesetzungen nach dem Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetz bzw. dem Personalanpassungs-gesetz gegen den Willen der Betroffenen ausgeschlossen. Insoweit sind die Soldatinnen und Soldaten, die aufgrund von Personalanpassungsmaßnahmen in den Ruhestand versetzt worden sind, nicht in gleichem Maße schutzbedürftig. Sie konnten vor der Berufung auf diese Möglichkeit im Rahmen einer Versorgungsauskunft ermitteln, ob die zu erwartenden Versorgungsbezüge ausreichend sind und auf dieser Basis eine freiwillige Entscheidung treffen.

43

Auch eine analoge Anwendung für den Zeitraum ab Erreichen der besonderen Altersgrenze nach § 45 Abs. 2 SG ist nicht geboten. Denn auch für den Zeitraum nach Überschreiten der gesetzlich festgesetzten besonderen Altersgrenze besteht jedenfalls insoweit ein Unterschied zwischen denjenigen Soldatinnen und Soldaten, die aufgrund von Personalanpassungsmaßnahmen in den Ruhestand versetzt worden sind, gegenüber denjenigen, die wegen Überschreitens der besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden sind, als dass erstere die Vorteile einer kürzeren Dienstzeit nutzen konnten, die letzteren gerade verwehrt blieben.

44

Hieran vermag auch der Vortrag des Klägers, sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst sei vordergründig durch seinen Dienstherrn veranlasst worden, nichts zu ändern. Denn dessen ungeachtet wäre eine vorzeitige Zurruhesetzung nach dem Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetz ohne die Zustimmung des Klägers nicht möglich gewesen. Aus welchen Beweggründen heraus der Kläger die entsprechende Zustimmung letztendlich erteilt hat, ist nicht entscheidend.

45

Unbeachtlich ist es in diesem Zusammenhang auch, wenn der Kläger vorträgt, der Dienstherr werbe nach wie vor damit, dass Berufssoldaten, die nach Vollendung des 50. bzw. des 52. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt werden, die Versorgung bezögen, die ihnen auch bei regulärem Ausscheiden zugestanden hätte. Denn der Kläger konnte die ihm zustehenden Versorgungsbezüge vor seiner Zurruhesetzung nach dem Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetz ermitteln und auf dieser Basis freiwillig über seine Zustimmung zu einer solchen entscheiden. Zu diesem Zeitpunkt war die durch Art. 10 Nr. 8 a) BwAttraktStG eingeführte Sonderregelung des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG noch nicht In Kraft getreten. Der Kläger konnte seine Entscheidung insoweit aber nicht darauf stützen, dass sich die Rechtslage künftig zu seinen Gunsten ändern werde.

46

c. Die Nichtanwendung der Vorschrift auf den Kläger begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere verstößt dies nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

47

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von lockeren, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (BVerfG, Beschluss vom 07. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 –, BVerfGE 130, 240-262 und juris).

48

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung hier nicht darin zu sehen, dass für Soldaten, die aufgrund der Überschreitung der besonderen Altersgrenze in den Ruhestand treten, eine durch Art. 10 Nr. 8 a) BwAttraktStG eingeführte Sonderreglung gilt, auf die sich der Kläger nicht berufen kann, weil er zu der Gruppe der Berufssoldaten gehört, die freiwillig auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt worden sind. Dabei bedarf es keiner näheren Prüfung, an welchen Maßstäben diese Ungleichbehandlung zu messen ist, da die streitgegenständliche Regelung des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG auch strengeren verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Die Differenzierung beruht entsprechend der vorstehenden Ausführungen auf einem sachlichen Grund. Denn die Versetzung in den Ruhestand wegen Überschreitens der festgesetzten besonderen Altersgrenze erfolgt einseitig durch Entscheidung des Dienstherrn, sodass für die Betroffenen keine Möglichkeit besteht, die insoweit frühzeitig eintretende Kürzung der Versorgungsbezüge durch längeres Dienen zu verbessern. Demgegenüber erfolgt die Zurruhesetzung aufgrund von Personalanpassungsmaßnahmen nach dem Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetz bzw. dem Personalanpassungsgesetz freiwillig und erfordert stets die Zustimmung der Betroffenen. Unverhältnismäßige Nachteile ergeben sich insoweit nicht, da die Soldatinnen und Soldaten vor der Inanspruchnahme der Möglichkeit einer vorzeitigen Ruhestandsversetzung ermitteln können, ob die zu erwartenden Versorgungsbezüge ausreichend sind (im Ergebnis ebenso: VG Aachen, Urteil vom 13. Oktober 2016 – 1 K 1935/15 –, juris).

49

Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung des allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 S. 16) – Gleichbehandlungsrichtlinie – sowie gegen das zur Umsetzung dieser Richtlinie ergangene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) – AGG – vor. Eine unzulässige Altersdiskriminierung ist nicht erkennbar. Die (Neu-) Regelung des § 55c Abs. 1 S. 3 SVG knüpft weder unmittelbar noch mittelbar an das Lebensalter der betreffenden Person an. Das maßgebliche und zulässige Unterscheidungskriterium ist vielmehr der Anlass der Ruhestandsversetzung. Insoweit ist es aber – entsprechend vorstehender Ausführungen – ein die Unterscheidung rechtfertigender Grund, ob die Zurruhesetzung zwangsweise wegen Überschreitens der festgesetzten besonderen Altersgrenze oder einverständlich aufgrund von Personalanpassungsmaßnahmen erfolgt.

50

Die Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers ist mithin auch für den Zeitraum nach Inkrafttreten der Neuregelung in § 55c Abs. 1 S. 3 SVG am 01. Juni 2015 zu Recht erfolgt. In der Folge kann der Kläger weder die Aufhebung des ursprünglichen Kürzungsbescheides vom 03. September 2013 noch die künftige Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge bis zum Erreichen der in § 5 BPolBG bestimmten Altersgrenze oder die rückwirkende Erstattung einbehaltener Kürzungsbeträge verlangen.

51

II. Die Klage hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg.

52

1. Die Klage ist im Hilfsantrag zulässig. Sie ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Vorrang der Leistungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO greift nicht, da keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden können, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Dies gilt auch dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit der insoweit maßgeblichen Rechtslage in Frage gestellt wird. In einem solchen Fall ist eine Feststellungsklage zu erheben, die ihrem Inhalt nach darauf gerichtet ist, festzustellen, das Einkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen (VG München, Urteil vom 20. Februar 2017 – M 21 K 15.5707 –, juris).

53

2. Die Klage ist jedoch auch insoweit nicht begründet.

54

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, da ihm ein Anspruch auf künftige Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge bis zum Erreichen der in § 5 BPolBG bestimmten Altersgrenze nicht zusteht. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

55

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

56

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, Zivilprozessordnung – ZPO –.

57

Die Berufung ist zuzulassen, da der Frage, ob § 55c Abs. 1 S. 3 SVG auch auf diejenigen Soldaten anzuwenden ist, die aufgrund von Personalanpassungsmaßnahmen nach dem Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetz oder dem Personalanpassungsgesetz in den Ruhestand versetzt worden sind bzw. ob die Nichtanwendung der Vorschrift auf vorbenannte Personengruppe gegen die Verfassung verstößt und gleichheitswidrig ist, grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt.

Beschluss

58

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6039,74 € festgesetzt.

Gründe

59

Der nach § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – festzusetzende Streitwert setzt sich zusammen aus einem Betrag von 3293,04 € im Hinblick auf die beantragte Verpflichtung zur künftigen Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge (§ 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziff. 40.1 und 10.4 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs, NVwZ-Beilage 2013, S. 58 – Streitwertkatalog –) sowie weiteren 2746,70 € im Hinblick auf die beantragte Rückerstattung einbehaltener Versorgungsbezüge seit dem 01. Juni 2015 (§ 52 Abs. 1 GKG), wobei die Werte zu addieren sind (Ziff. 1.1.1 des Streitwertkatalogs).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen