Beschluss vom Verwaltungsgericht Würzburg - W 8 E 20.854

Tenor

I. Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Antragsgegnerin bis spätestens 30. September 2020 über den Antrag der Antragsteller auf Grundsteuererlass vom 1. Juni 2020 zu entscheiden hat.

II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 3.146,05 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich im Wege des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Vollstreckung aus einem Grundsteuerbescheid betreffend ein im gemeinsamen Eigentum der Antragsteller stehendes Grundstück in der B.-Straße in Gemünden am Main bzw. begehren eine Sachentscheidung über einen von ihnen gestellten Antrag auf Grundsteuererlass.

Mit Grundsteuerbescheid vom 29. März 2016 setzte die Antragsgegnerin die Grundsteuer ausgehend vom Grundsteuermessbescheid des Finanzamtes Lohr vom 24. Februar 2016 auf jährlich 4.218,73 EUR für das Grundstück der Antragsteller fest. Die Antragsteller beglichen in der Folgezeit Grundsteuerforderungen in Höhe von insgesamt 4.576,33 EUR nicht, woraufhin die Antragsgegnerin am 14. November 2019 die Vollstreckung beim Amtsgericht Gemünden am Main sowie die Abgabe einer Vermögensauskunft und Erlass eines Haftbefehls im Falle der Nichtabgabe beantragte. Die Antragstellerin zu 2) erschien zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht. Am 10. März 2020 erließ das Amtsgericht Gemünden am Main den beantragten Haftbefehl (* * …*).

Am 2. Juli 2020 legten die Antragsteller einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ein und beantragten sinngemäß:

a) Den von uns am 26. Februar 2019 eingereichte Antrag auf reduzierte Grundsteuer infolge Umbaumaßnahmen zu Objekt - ... unter Setzung einer Frist (Vorschlag: 30. September 2020) zu bearbeiten und einen neuen Grundsteuerbescheid auszustellen.

b) Den Grundsteuerbescheid vom 29. März 2016 abzuändern und getrennt zu 50% an den Antragsteller zu 1) und zu 50% an die Antragstellerin zu 2) auszustellen.

c) Den gegenüber der Antragstellerin ergangenen Haftbefehl des Amtsgerichts Gemünden vom 10. März 2020 aufzuheben.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen: Die Antragsteller hätten das in Rede stehende Gebäude im Dezember 2015 erworben und bereits im Kaufvertrag sei es als in desolatem Zustand beschrieben worden. Das Gebäude sei weder nutzbar noch vermietbar. In den Jahren 2016 und 2017 seien im Gebäude erste Abbrucharbeiten vorgenommen und sämtliche Heizkörper und Wasserleitungsrohre entfernt worden. Erst im Frühjahr 2019 sei dem Antragsteller zu 1) aufgefallen, dass die Grundsteuer für das Objekt mit 100% angesetzt worden sei. Bei Objekten dieser Art sei eine Minderung der Grundsteuer während Sanierungsarbeiten üblich. Am 26. Februar 2019 habe der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Minderung rückwirkend auf drei Jahre gestellt, der weder von der Antragsgegnerin noch vom Finanzamt bearbeitet worden sei. Das Thema sei im Herbst 2018 mit der Antragsgegnerin telefonisch besprochen worden und man sei auf einen Antrag beim Finanzamt verwiesen worden. Seit 2018 lebten die Antragsteller zudem getrennt und würden steuerlich getrennt veranlagt, was im aktuellen Grundsteuerbescheid nicht berücksichtigt werde. Aufgrund des fehlerhaften Grundsteuerbescheids und des nicht bearbeiteten Antrags auf Reduzierung der Grundsteuer sei der Haftbefehl aufzuheben.

Am 17. Juli 2020 ließ die Antragsgegnerin beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wird mit weiteren Schriftsätzen vom 21. Juli und 17. August 2020 im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei weder zulässig noch begründet. Der Grundsteuerbescheid vom 29. März 2020 sei bestandskräftig. Der Antrag auf Reduzierung der Grundsteuer vom 26. Februar 2019 habe der Antragsgegnerin bis zum 3. Juni 2020 nicht vorgelegen. Es fehle deshalb schon ein Rechtsschutzbedürfnis für den gerichtlichen Antrag, da nicht zuvor erfolglos ein Antrag bei der Vollstreckungsbehörde gestellt worden sei. Der Antrag vom 26. Februar 2019 richte sich zudem an das Finanzamt Lohr und die Bearbeitung entziehe sich daher der Zuständigkeit der Antragsgegnerin.

Mit Beschluss vom 2. Juli 2020 trennte das Gericht das Antragsbegehren ab, soweit es auf die Aufhebung des Haftbefehls vom 10. März 2020 gerichtet war, führte dieses unter dem Aktenzeichen W 8 E 20.855 fort und verwies das Verfahren insoweit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 11. August 2020 (W 8 E 20.855) an das Landgericht Würzburg.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte und die Akte des Amtsgerichts Gemünden am Main im Verfahren * * … verwiesen.

II.

Bei verständiger Würdigung (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) der gestellten Anträge und des Vorbringens der Antragsteller ist ihr Begehren dahingehend auszulegen, dass sie sich zum einen gegen die weitere Vollstreckung rückständiger Grundsteuerbeträge auf Grundlage des Grundsteuerbescheids vom 29. März 2016 wehren sowie eine Entscheidung über einen Antrag auf Grundsteuererlass durch die Antragsgegnerin und eine entsprechende Abänderung des Grundsteuerbescheides begehren. Ferner begehren sie eine Abänderung des Grundsteuerbescheids dahingehend, dass die Antragsteller in diesem als Steuerschuldner je zur Hälfte ausgewiesen werden.

Der so verstandene Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig, aber unter Beachtung der im Tenor niedergelegten Maßgabe nicht begründet, da die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.

Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor.

Die Vollstreckung aus dem bestandskräftigen Grundsteuerbescheid vom 29. März 2016 ist nicht zu beanstanden, da die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Es drängt sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht ohne weiteres auf, dass den Antragstellern mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Erlass der Grundsteuer aus § 34 Abs. 1 Grundsteuergesetz (GrStG) oder § 227 der Abgabenordnung (AO) zusteht. Weiter besteht kein Anordnungsanspruch im Hinblick auf die begehrte Abänderung des Grundsteuerbescheids in der Form, als dass die Antragsteller je zur Hälfte als Steuerschuldner ausgewiesen werden.

Im Einzelnen:

1. Der Antrag auf Aussetzung der weiteren Vollziehung der aufgrund des Grundsteuerbescheides der Antragsgegnerin vom 29. März 2016 erhobenen und noch nicht beglichenen Grundsteuerforderungen ist nicht bereits wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, das auch für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlich ist, ist zwar in der Regel zu verneinen, wenn sich der Antragsteller vor der Anrufung des Gerichts nicht an die zuständige Verwaltungsbehörde gewandt und noch keinen entsprechenden Antrag bei der Behörde gestellt hat.

Ausweislich der beigezogenen Behördenakte (Bl. 30 f.) hat sich der Antragsteller zu 1) jedoch mit Schreiben vom 1. Juni 2020 - bei der Antragsgegnerin eingegangen am 3. Juni 2020 - vor Einreichung des vorliegenden Antrags bei Gericht am 2. Juli 2020 mit einem „Antrag auf rückwirkende Minderung der Grundsteuer“ gewandt und um „Anpassung des Grundsteuerbescheides“ gebeten. Auch wenn er hierzu auf den beigefügten Antrag an das Finanzamt Lohr vom 26. Februar 2019 verweist, ist dem Schreiben bei verständiger Würdigung auch unter Berücksichtigung des Inhalts des Antrags an das Finanzamt Lohr zu entnehmen, dass der Antragsteller zu 1) den Erlass der Grundsteuer für das streitgegenständliche Grundstück von der Antragsgegnerin begehrt.

Über diesen Antrag hat die Antragsgegnerin bislang nicht förmlich entschieden. § 75 VwGO steht der Zulässigkeit des Antrags nach § 123 VwGO nicht entgegen, da zwar seit der Stellung des Antrags auf Erlass der Grundsteuer noch keine drei Monate vergangen sind, diese Vorschrift aber unmittelbar nur für das Klageverfahren gilt und die Antragsteller im Übrigen ausweislich ihres Antragsbegehrens insbesondere auch eine Entscheidung durch die Antragsgegnerin über den gestellten Antrag und nicht lediglich einen Erlass der Grundsteuer unmittelbar begehren.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da die Antragsteller hinsichtlich ihrer Antragsbegehren jeweils keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben.

Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.

Eine solche Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs liegt ungeachtet der Frage der Eilbedürftigkeit jedenfalls nicht vor.

a.) Soweit die Antragsteller sich gegen die weitere Vollstreckung der nicht beglichenen Grundsteuerforderungen durch die Antragsgegnerin wenden, fehlt es an einem Anordnungsanspruch, da sie keinen Anspruch auf Aussetzung der weiteren Vollstreckung glaubhaft gemacht haben.

Die allgemeinen (Art. 19 VwZVG) und besonderen (Art. 23 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.

Der Grundsteuerbescheid vom 29. März 2016 ist ebenso bestandskräftig wie der Grundsteuermessbescheid des Finanzamtes Lohr vom 24. Februar 2016, da die Antragsteller hiergegen keine Rechtsbehelfe eingelegt haben (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwVZVG).

Des Weiteren wurde die Zahlung der noch ausstehenden Grundsteuerbeträge aus den Jahren 2018 und 2019 gegenüber den Antragstellern gemäß Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 VwVZVG angemahnt (Bl. 5 und 6 der Behördenakte) und die Vollstreckung beim Amtsgericht Gemünden am Main wurde beantragt (Bl. 7 der Behördenakte). Gegen dieses Vorgehen bestehen keine rechtlichen Bedenken.

Darüber hinaus haben die Antragsteller bei summarischer Prüfung nach derzeitigem Sachstand jedenfalls nicht zwingend einen Anspruch auf Erlass der Grundsteuer nach § 34 Abs. 1 GrStG oder § 227 AO, weshalb sich auch aus diesem Grund kein Anspruch auf (vorläufige) Aussetzung der Vollstreckung aufdrängt und als glaubhaft gemacht anzusehen ist.

Nach § 34 Abs. 1 GrStG i.V.m. § 35 GrStG wird die Grundsteuer in Höhe von 25 Prozent erlassen, wenn bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 50 Prozent gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat; beträgt die Minderung des normalen Rohertrags 100 Prozent, ist die Grundsteuer in Höhe von 50 Prozent zu erlassen. Normaler Rohertrag ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 GrStG bei bebauten Grundstücken die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresmiete. Gemäß § 35 Abs. 1 GrStG wird der Erlass jeweils nach Ablauf eines Kalenderjahres für die Grundsteuer ausgesprochen, die für das Kalenderjahr festgesetzt worden ist (Erlasszeitraum), wobei für die Entscheidung über den Erlass die Verhältnisse des Erlasszeitraums maßgeblich sind. Der Antrag ist bis zu dem auf den Erlasszeitraum folgenden 31. März zu stellen (§ 35 Abs. 2 Satz 2 GrStG). Der Steuerpflichtige ist nach § 90 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet; er hat insbesondere die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen und die ihm bekannten Beweismittel anzugeben (BVerwG, U.v. 14.05.2014 - Az. 9 C 1/13 - juris Rn. 19; B.v. 03.12.2014 - 9 B 73/14 - juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 08.12.2016 - 4 ZB 16.1583 - Rn. 13; VG Bayreuth U. v. 21.2.2018 - 4 K 17.173 - juris). Ein Steuerpflichtiger hat die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereichs liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können (BVerwG, U. v. 25.6.2008 - 9 C 8/07 - NVwZ-RR 2008, 814/815; BayVGH, B. v. 18.1.2010 - 4 ZB 09.1962 - juris). Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand bedingt, hat sie der Steuerpflichtige nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat (BFH, U.v. 20.10.2007 - II R 5/05 - juris). Der Begriff des Vertretenmüssens ist weit auszulegen und greift weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit in Bezug auf die zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Bei der Auslegung des § 34 GrStG ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, die mit Rücksicht auf die Eigenart der Grundsteuer als grundsätzlich ertragsunabhängige Objektsteuer eng auszulegen ist. Je schwieriger ein Objekt zu vermieten ist, desto intensiver und nachhaltiger haben die Vermietungsbemühungen zu sein (VG Augsburg, U.v. 30.10.2013 - Au 6 K 13.596 - juris). Maßgeblich für die Bewertung sind dabei die Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Im Einzelnen können etwa der Objektcharakter, das jeweilige Marktsegment sowie die Marktsituation vor Ort berücksichtigt werden (BVerwG, B.v. 13.2.2017 - 9B 37/16 - juris). Ein (zeitweiser) Leerstand aufgrund von Umbauarbeiten liegt im Risikobereich des Eigentümers (BayVGH, U.v. 31.3.2005 - 4 B 01.1818 - juris Rn. 18).

Ausgehend hiervon ist anhand der in der Behördenakte befindlichen Korrespondenz der Antragsteller mit der Antragsgegnerin nicht ersichtlich, dass den Antragstellern mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Erlass der Grundsteuer nach § 34 Abs. 1 GrStG zusteht, insbesondere da sie weder gegenüber der Antragsgegnerin noch im gerichtlichen Verfahren entsprechende Unterlagen vorgelegt haben, um die wesentliche Ertragsminderung ihres Grundstücks nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen. Auch der genaue Zustand des in Rede stehenden Gebäudes, ob eine Vermietung desselbigen in jeden Fall auszuscheiden hat bzw. tatsächlich keinerlei Nutzungsmöglichkeit vorliegt, bleibt ebenso offen wie die Frage, ob die Antragsteller die Ertragsminderung gegebenenfalls zu vertreten haben. Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bedurfte es nicht, zumal die Entscheidung über den Erlass der Grundsteuer in der Zuständigkeit der Antragsgegnerin liegt und auch die Frist aus § 75 Satz 2 VwGO im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht abgelaufen ist.

Vorstehendes gilt auch für einen Erlass nach §§ 163, 227 AO, da im Falle der Ertragsminderung die sachliche Unbilligkeit abschließend in den §§ 32 ff. GrStG geregelt ist (vgl. VG Greifswald, U.v. 19.2.2003 - 3 A 2650/00 - juris, Rn. 24 m.w.N.; Schneider, GrStG, Stand: Januar 2019, § 33 S. 23). eine persönliche Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche und persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernsthaft gefährden würde (BFH, U.v. 26.2.1987 - IV R 298/84 - BStBl. II S. 612). Hierfür sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Nach alledem ist die Weiterbetreibung der Vollstreckung durch die Antragsgegnerin rechtlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl ist durch die klarstellende Maßgabe im Tenor dem Umstand Rechnung getragen, dass die Antragsgegnerin bislang nicht über den Antrag der Antragsteller auf Erlass der Grundsteuer vom 1. Juni 2020 unter Berücksichtigung der hierfür einschlägigen Voraussetzungen förmlich entschieden hat. Auch wenn die Frist aus § 75 Satz 2 VwGO ausgehend vom Eingang des Antrags auf Erlass der Grundsteuer bei der Antragsgegnerin bereits am 3. September 2020 abläuft, erscheint der im Tenor und im Übrigen auch von den Antragstellern so vorgeschlagene Zeitraum auch in Anbetracht der durch das vorliegende gerichtliche Verfahren verstrichenen Zeit für eine Entscheidung der Antragsgegnerin über den Antrag auf Grundsteuererlass sachgerecht aber auch als ausreichend bemessen.

Den Antragstellern verbleibt unbenommen, in diesem Zeitraum durch Vorlage entsprechender Unterlagen das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Steuererlass (siehe oben) zu belegen.

b.) Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch in Bezug auf eine Abänderung des Grundsteuerbescheides vom 29. März 2016 dahingehend glaubhaft gemacht, dass dieser die Antragsteller je zur Hälfte als Steuerschuldner ausweist. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.

Nach § 10 Abs. 2 GrStG sind die Antragsteller als Miteigentümer Gesamtschuldner bezüglich der Grundsteuerverpflichtung. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz AO schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung. Vor diesem Hintergrund haben die Antragsteller schon keinen Anspruch auf die begehrte Abänderung des rechtskräftigen Grundsteuerbescheides vom 29. März 2016 ungeachtet dessen, ob eine solche Abänderung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch das erkennende Gericht überhaupt ausgesprochen werden könnte. Dass die Antragsteller getrennt leben und getrennt zur Einkommensteuer veranlagt werden, ändert hieran aufgrund der Objektbezogenheit (vgl. § 2 GrStG) der Grundsteuer nichts.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Ablehnung des Antrages mit der oben genannten Maßgabe stellt kein auch nur teilweises Obsiegen der Antragsteller in der Sache dar, das zu einer Kostenteilung Anlass geben könnte (§ 155 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. In Streitigkeiten um öffentliche Abgaben ist nach Nr. 3.1 des Streitwertkatalogs der Wert der streitigen Abgabe maßgeblich, bei wiederkehrenden Leistungen der dreifache Jahresbetrag, soweit nicht die voraussichtliche Belastungsdauer geringer ist. Mit dem Grundsteuerbescheid vom 29. März 2016 wurde die Grundsteuer auf jährlich 4.218,73 EUR festgesetzt. Zu beachten ist, dass die Antragsteller ausgehend von ihrem schriftsätzlichen Vorbringen den Erlass der Grundsteuer um 50% nach § 34 Abs. 1 GrStG begehren. Mithin ist der hälftige Betrag der jährlichen Grundsteuer (2.109,37 EUR) als Grundlage für die Verdreifachung nach Nr. 3.1 des Streitwertkatalogs heranzuziehen (6.328,10 EUR). Dieser Wert ist für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren und der Streitwert deshalb letztlich auf 3.164,05 EUR festzusetzen.

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