Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 2 S 585/12

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. März 2012 - 1 K 2464/11 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 89,26 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6.3.2012 zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verpflichten, das Widerspruchsverfahren gegen den Abwassergebührenbescheid vom 27.1.2000 förmlich einzustellen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Einstellung des Widerspruchsverfahrens und der Erlass einer Kostengrundentscheidung zugunsten der Klägerin komme gemäß § 80 Abs. 1 S. 5 VwVfG nur dann in Betracht, wenn sich der Widerspruch auf andere Weise erledigt hätte, ohne dass sich an das Widerspruchsverfahren ein verwaltungsgerichtliches Klageverfahren angeschlossen hätte. Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Dem gegen den Bescheid vom 27.1.2000 erhobenen Widerspruch der Klägerin habe die Beklagte teilweise abgeholfen und den angefochtenen Bescheid teilweise geändert. Nach Zurückweisung des aufrechterhaltenen Widerspruchs durch den Bescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.4.2006 habe die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben, worauf das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25.3.2009 den Teilabhilfebescheid vom 12.7.2001 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts aufgehoben habe. Das Urteil sei dahin zu verstehen, dass nicht der Bescheid vom 12.7.2001 als solcher, sondern der Bescheid der Beklagten vom 27.1.2000 in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 12.7.2001 aufgehoben worden sei. Für die von der Klägerin begehrte Einstellung des Widerspruchsverfahrens und den Erlass einer Kostengrundentscheidung sei danach von vornherein kein Raum.
Gegen diese Auffassung wendet sich die Klägerin ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage schon deshalb zu Recht abgewiesen, weil der Beklagten für das Begehren der Klägerin die erforderliche Passivlegitimation fehlt. Unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen liegt die Annahme nahe, dass die Beklagte beim Erlass ihres Bescheids vom 12.7.2001 die Absicht hatte, den Gebührenbescheid vom 27.1.2000 zu ändern, und ihn nicht aufheben und durch einen neuen Bescheid ersetzen wollte. Hierauf hat der Senat bereits in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 8.11.2011 (2 S 2064/11) hingewiesen. Der dagegen gerichtete Einwand der Klägerin, eine solche Verfahrensweise widerspreche der Rechtsordnung, weil sie allein darauf gerichtet sei, den Widerspruchsführer um den zu erwartenden Kostenausspruch zu bringen, ist offensichtlich verfehlt. Die Beklagte hat hiervon ausgehend mit dem Bescheid vom 12.7.2001 dem gegen den Bescheid vom 27.1.2000 eingelegten Widerspruch der Klägerin nur teilweise abgeholfen. Wie der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 15.2.1991 - 8 C 83.88 - BVerwGE 88, 41; Urt. v. 18.12.1975 - V C 47.74 - Buchholz 424.01 § 147 FlurbG Nr. 3) wiederholt entschieden hat, ist in den Fällen einer solchen bloßen Teilabhilfe durch die Ausgangsbehörde die Entscheidung über die Kosten der Widerspruchsbehörde vorbehalten (vgl. u.a. Beschl. v. 2.6.2008 - 2 S 1129/08 -). Für das Begehren der Kläger ist deshalb das Land Baden-Württemberg als Träger der Widerspruchsbehörde und nicht die Beklagte passiv legitimiert.
Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen das Bestehen des von der Klägerin erhobenen Anspruchs zu Recht verneint. Die Klägerin stützt den geltend gemachten Anspruch auf § 80 Abs. 1 S. 5 LVwVfG. Erledigt sich der Widerspruch auf andere Weise, so wird nach dieser Vorschrift über die Kosten nach billigem Ermessen entschieden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, hat sich der von der Klägerin erhobene Widerspruch nicht auf andere Weise erledigt. Ein Fall des § 80 Abs. 1 S. 5 LVwVfG liegt somit nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird das Widerspruchsverfahren mit der wirksamen Zustellung des Widerspruchsbescheids abgeschlossen (BVerwG, Urt. v. 11.5.1979 - 6 C 70.78 - BVerwGE 58, 105; ebenso VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.12.1994 - 9 S 653/93 -NVwZ-RR 1995, 476; Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im öffentlichen Recht, 12. Aufl., § 27 Rn. 14 mit weiteren Nachweisen). Von diesem Zeitpunkt an besitzt die Widerspruchsbehörde keine Befugnis mehr, über die Sache weiter zu befinden, insbesondere kann sie den Widerspruchsbescheid nicht mehr sachlich ändern. Eine Erledigung des Widerspruchsverfahrens „auf andere Art und Weise“ im Sinne des § 80 Abs. 1 S. 5 LVwVfG kann demnach nur dadurch eintreten, dass das Widerspruchsverfahren vor seinem förmlichen Abschluss durch das Ergehen eines Abhilfe- oder Widerspruchsbescheids anders als durch den Erlass eines solchen Bescheids gegenstandslos wird. Bei Anfechtungswidersprüchen ist das der Fall, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt erledigt, indem sein Geltungsanspruch anders als durch das Ergehen eines Abhilfe- oder Widerspruchsbescheids erlischt und alle seine in Zukunft gerichteten Rechtswirkungen entfallen (Pietzner/Ronellenfitsch, aaO, Rn. 19).
Wie bereits dargelegt, liegt unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen die Annahme nahe, dass die Beklagte die Absicht hatte, den Gebührenbescheid vom 27.1.2000 zu ändern, und ihn nicht aufheben und durch einen neuen Bescheid ersetzen wollte. Das dem vorliegenden Rechtsstreit vorangegangene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25.3.2009 (1 K 962/06) ist auf der Grundlage dieser Annahme dahin zu verstehen, dass nicht der Bescheid vom 12.7.2001 als solcher, sondern der Bescheid der Beklagten vom 27.1.2000 in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 12.7.2001 aufgehoben werden sollte. Auch hierauf hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 8.11.2011 hingewiesen. Der Bescheid vom 27.1.2000 hat sich danach nicht schon während des Widerspruchsverfahrens, sondern erst durch das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25.3.2009 erledigt. Ein Fall des § 80 Abs. 1 S. 5 LVwVfG liegt somit nicht vor.
2. Die Rechtssache besitzt keine grundsätzliche Bedeutung. Die von der Klägerin als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob der Erlass eines Änderungsbescheids ohne ausdrückliche Aufhebung des angegriffenen Bescheids auch dann dessen Erledigung bewirkt, wenn die Ausgangsbehörde den angegriffenen Bescheid lediglich ändern und nicht aufheben und durch einen neuen Bescheid ersetzen wollte, ist ohne weiteres zu verneinen. Zu ihrer Klärung bedarf es daher nicht erst der Durchführung eines Berufungsverfahrens.
3. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Der geltend gemachte Verstoß gegen § 108 Abs. 1 S. 2 VwGO liegt nicht vor.
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Nach dieser Vorschrift sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Sinn dieser Regelung ist es zum einen, die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten, und zum anderen, dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht zu ermöglichen. Nicht mit Gründen versehen im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung deshalb nur, wenn sie so mangelhaft begründet ist, dass die Entscheidungsgründe ihre doppelte Funktion nicht mehr erfüllen können (BVerwG, Beschl. v. 5.6.1998 - 9 B 412/98 - NJW 1998, 3290; Beschl. v. 9.6.2008 - 10 B 149.07 - Juris). Ein solcher Fall ist hier ersichtlich nicht gegeben. Das Verwaltungsgericht hat im Anschluss an den erwähnten Beschluss des Senats vom 8.11.2011 angenommen, dass die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 12.7.2001 dem gegen den Bescheid vom 27.1.2000 eingelegten Widerspruch der Klägerin nur teilweise abgeholfen habe. Wie ausgeführt, hat sich hiervon ausgehend der Bescheid vom 27.1.2000 nicht schon durch den Bescheid vom 12.7.2011, sondern erst durch das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25.3.2009 erledigt. Auf diese Zusammenhänge musste das Verwaltungsgericht nicht über die von ihm gemachten Ausführungen hinaus eingehen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar.

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