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| Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit mit Blick auf den von der Antragsgegnerin ab dem 01.09.2020 nachgewiesenen Ganztagsbetreuungsplatz für den Antragsteller für die Zeit ab diesem Tag in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und der vorinstanzliche Beschluss gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO für wirkungslos zu erklären. |
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| Im Übrigen, d.h. hinsichtlich des Rechtsschutzbegehrens in Bezug auf den Zeitraum bis zum 31.08.2020, bleibt die fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30.04.2020 ohne Erfolg. |
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| 1. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig - bis zur Entscheidung in der Hauptsache - einen Betreuungsplatz zur Förderung entsprechend dem individuellen Bedarf ab 20.04.2020 im örtlichen Zuständigkeitsbereich nachzuweisen, abgelehnt. |
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| Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht unter anderem ausgeführt: Der Antragsteller habe bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Zwar dürfte ihm ein Anspruch auf Zuweisung eines Betreuungsplatzes in einer wohnortnahen Kindertageseinrichtung gegenüber der Antragsgegnerin zustehen, da er am 30.06.2018 drei Jahre alt geworden sei und ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Förderung in einer Tageseinrichtung erfülle. Mangels Schuleintritts sei der Anspruch auch noch nicht erloschen. Allerdings sei der Anspruch derzeit nicht fällig. Zwar fehle eine landesrechtliche Regelung für die Anmeldefrist für Kinder, die das dritte Lebensjahr im Sinne von § 24 Abs. 3 SGB VIII vollendet hätten. Allerdings könnten Kommunen in diesem Fall weitere Rahmenbedingungen, insbesondere Anmeldefristen zur bestmöglichen Gewährleistung des Vergabeverfahrens, auf Grundlage ihrer Satzungsautonomie nach Art. 28 Abs. 2 GG per Satzung regeln. Hierbei sei dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der Planung auch ein Bedarf, der aus einem vom Personensorgeberechtigten nicht zu vertretenden Grund kurzfristig zu decken sei, berücksichtigt werde. Die Mutter des Antragstellers, die mit ihrer Bedarfsmeldung vom 10.03.2020 die der Internetseite der Antragsgegnerin zu entnehmende Anmeldefrist für das laufende Kitajahr 2019/2020 versäumt habe, habe trotz eines gerichtlichen Hinweises nicht glaubhaft gemacht, dass ein besonderer Ausnahmefall vorliege. Ihr Vortrag enthalte keinerlei Ausführungen, weshalb eine Anmeldung des Antragstellers erst am 10.03.2020 möglich gewesen sei. |
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| Im Übrigen sei zweifelhaft, ob das Vorbringen des Antragstellers den Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes genüge. Es sei unklar, ob nur die Mutter umziehe und wann das der Fall (gewesen) sei. Außerdem könnten ihrem Vorbringen nicht der konkrete Betreuungsbedarf und die Zeiten der beruflich bedingten Abwesenheit der Betreuungspersonen entnommen werden. Es sei nicht ersichtlich, weshalb eine tägliche Betreuung von neun Stunden erforderlich sei. |
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| Darüber hinaus dürfte dem Antragsteller, unabhängig davon, dass er seinen individuellen Bedarf bislang nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe, kein einklagbarer Anspruch auf eine ganztägige Betreuung in einer Kindertageseinrichtung, sondern lediglich ein Anspruch auf halbtägige Förderung zustehen. Dass im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin tatsächlich Ganztagsplätze in zumutbarer Entfernung zum Wohnort des Antragstellers zum beantragten Zeitpunkt zur Verfügung stünden und ihm zu Unrecht, nämlich in einer den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Weise vorenthalten worden seien, habe er weder vorgetragen noch sei dies ersichtlich. Die nach § 24 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII mögliche Förderung eines drei Jahre alten Kindes in Kindertagespflege bei besonderem Bedarf oder ergänzend werde vom Antragsteller nicht geltend gemacht. |
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| 2. Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts im vorläufigen Rechtsschutz beschränkt. Danach prüft der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nur die in der Beschwerdebegründung innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erfordert, dass die Begründung im Einzelnen darstellen muss, weshalb die Entscheidung unrichtig sein soll, und dass sie sich dabei mit der Entscheidung konkret auseinandersetzt. Der Begriff des Darlegens erfordert eine substanzielle Erörterung des relevanten Streitstoffs, wobei Maßstab und Bezugspunkt immer die angefochtene Entscheidung ist. Zu leisten ist eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und somit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer darf sich nicht darauf beschränken, die Punkte zu benennen, in denen der Beschluss angegriffen werden soll. Er muss vielmehr zusätzlich darlegen, aus welchen Gründen er die Entscheidung in diesen Punkten für unrichtig hält (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 02.07.2019 - 12 S 953/19 -, juris Rn. 7, und vom 09.03.2017 - 5 S 2546/16 -, juris Rn. 6; Rudisile, Rechtsprechung zum Beschwerderecht der VwGO, NVwZ 2019, S. 1, 8 ff.; Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22b; Guckelberger in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 71 ff.). |
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| Ausgehend hiervon zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts, soweit er den noch anhängigen Anspruch für den Zeitraum bis zum 31.08.2020 betrifft, zu ändern wäre. |
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| a) Der Antragsteller macht mit seiner Beschwerde geltend, weder die Anspruchsnorm des § 24 Abs. 3 SGB VIII noch eine aufgrund von § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII erlassene Landesnorm sehe vor, dass die Ansprüche aus § 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII nur im Rahmen eines „Kitajahres“ zu erfüllen und einer Anmeldefrist jeweils zum 15.02. unterworfen seien. Eine entsprechende Satzungsnorm der Antragsgegnerin, sollte es sie geben, stünde daher im Widerspruch zu § 24 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 SGB VIII. Die Einrichtung von Anmeldefristen obliege allein dem Landesgesetzgeber, nicht den Kommunen. Selbst wenn die Satzungsautonomie es einer Kommune erlauben sollte, das „Wie“ der Nutzung zu regeln, wäre davon eine mit einer Anmeldefrist für ein „Kitajahr“ verbundene Zugangsbeschränkung nicht mehr gedeckt. Angesichts einer ausdrücklich nicht geregelten Anmeldefrist sei ein Zeitraum von zwei Wochen ausreichend, um auf eine Anmeldung hin einen Platz nachzuweisen. Diese Vorlauffrist sei am 20.04.2020 abgelaufen gewesen. Eine bereits vor dem 10.03.2020 erfolgte Anmeldung habe die Antragsgegnerin pflichtwidrig zurückgewiesen. Im Übrigen hätten besondere Gründe für eine Verkürzung der Frist vorgelegen, weil der Zuzug des Antragstellers und seiner Mutter sowie deren Arbeitsplatzsuche eine frühere Anmeldung unmöglich gemacht hätten. Soweit das Verwaltungsgericht der Auffassung sei, der Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden, sei auf den Tatsachenvortrag zu verweisen. Die Mutter des Antragstellers habe erst am ... das Vorstellungsgespräch gehabt, der Arbeitsvertrag sei am ... unterschrieben worden. Sobald bekannt gewesen sei, wo der Antragsteller und seine Mutter in ... eine Wohnung haben würden, habe sich die Mutter um einen Betreuungsplatz bemüht. Die Eltern des Antragstellers hätten sich im Oktober 2019 getrennt, der Vater sei im ... geblieben. Wer die dritte Person sei, spiele keine Rolle. Der Antragsteller könne vom Lebensgefährten der Mutter abgeholt werden, der zwar ebenfalls zwischen 06:00 bis 18:00 Uhr voll berufstätig sei, aber Absprachen mit Kollegen treffen könne. Dass die Mutter mit dem Antragsteller allein umziehe und im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts bereits umgezogen sei, sei erkennbar gewesen. |
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| Auch der Anspruch aus § 24 Abs. 3 SGB VIII sei als unbedingter, kapazitätsunabhängiger Individualanspruch ausgestaltet, bei dem der Bedarf allein durch den Betreuungswunsch der Eltern bestimmt werde. Dies könne nicht nach § 24 Abs. 2 SGB VIII lediglich für Kinder ab der Vollendung des ersten Lebensjahres bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres gelten. Anderenfalls käme es zu dem widersinnigen Ergebnis, dass Eltern - insbesondere Mütter -, die aufgrund des Anspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII voll erwerbstätig sein könnten, mit der Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes ihre Erwerbstätigkeit wieder reduzieren müssten, weil dieser einen Ganztagsanspruch gemäß dem individuellen Bedarf nicht vorsehe. Da § 24 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII regele, dass das Kind [...] bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden könne, gebe es den Anspruch auf Förderung nach dem individuellen Bedarf an sich auf jeden Fall, dieser sei bestenfalls hinsichtlich der Betreuungsform eingeschränkt. Der Anspruch für Kinder ab dem dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt nach dem individuellen Bedarf müsse im Umfang eines Halbtagsplatzes in der besonderen Betreuungsform des Kindergartens erfüllt werden, im weitergehenden Umfang bis hin zum individuellen kind- und elternbezogenen Bedarf solle er vorrangig in einer Kindertageseinrichtung, könne aber auch in jeder anderen Betreuungsform erfüllt werden, sei aber auf jeden Fall zu erfüllen. Nur diese zurückhaltende Einschränkung werde vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch dem Ziel gerecht, welches § 24 Abs. 2 SGB VIII verwirklichen solle, nämlich es Eltern zu ermöglichen, ihrer Erwerbstätigkeit im erforderlichen Umfang nachkommen zu können. Es bestehe daher ein einklagbarer Individual-Anspruch nach § 24 Abs. 3 SGB VIII in einer Kindertageseinrichtung ganztags, wenn ein solcher Platz frei sei, falls nicht, in einer Kindertageseinrichtung halbtags zuzüglich eines Tagespflegeplatzes halbtags. Dem trage die nunmehr klargestellte Antragstellung Rechnung. |
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| b) Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts, soweit er den noch anhängigen Anspruch für den Zeitraum bis zum 31.08.2020 betrifft, zu ändern wäre. |
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| aa) Es erscheint allerdings fraglich, ob das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Anspruch des Antragstellers nicht fällig gewesen sei. Zu Recht weist der Antragsteller insoweit darauf hin, dass es keine gesetzliche Regelung gibt, die eine Anmeldung jeweils nur zu einem festen Stichtag für das kommende Kitajahr vorsieht. Eine Anmeldefrist, innerhalb derer die erforderlichen Tatsachen dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe unterbreitet werden müssen, ist bundesrechtlich nicht vorgegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 - 5 C 19.16 -, juris Rn. 51). Nach § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII kann Landesrecht bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen. Eine solche Bestimmung enthält § 3 Abs. 2a des Gesetzes über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege (Kindertagesbetreuungsgesetz - KiTaG) vom 19.03.2009 (GBl. S. 161), zuletzt geändert durch Artikel 28 des Gesetzes zum Abbau verzichtbarer Formerfordernisse vom 11.02.2020 (GBl. S. 37, 41). Nach Satz 1 dieser Vorschrift haben die erziehungsberechtigten Personen die Gemeinde und bei einer gewünschten Betreuung durch eine Tagespflegeperson den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Inanspruchnahme einer Leistung nach Absatz 2 in Kenntnis zu setzen. Satz 2 sieht vor, dass die Gemeinde und der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe dabei im Rahmen ihrer Planung zu berücksichtigen haben, dass auch ein Bedarf gedeckt werden kann, der aus einem vom Personensorgeberechtigten nicht zu vertretenden Grund kurzfristig entsteht. Diese Regelung bezieht sich indes nur auf Leistungen nach § 3 Abs. 2 KiTaG. Dort ist in Satz 1 geregelt, dass die Gemeinden unbeschadet der Verpflichtung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach § 24 Abs. 1 SGB VIII auf ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege für Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, hinzuwirken haben. Sie haben nach Satz 2 ferner darauf hinzuwirken, dass für Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres für deren frühkindliche Förderung ein Platz in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege nach § 24 Abs. 2 SGB VIII zur Verfügung steht. Für die Inanspruchnahme der Leistung nach § 24 Abs. 3 SGB VIII sieht das Kindertagesbetreuungsgesetz, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, eine Anmeldefrist hingegen nicht vor. Damit wird der Anspruch aus § 24 Abs. 3 SGB VIII - vorbehaltlich einer Bedarfsanmeldung - gemäß § 41 SGB I grundsätzlich mit Erreichen der Altersgrenze fällig (vgl. VG Mainz, Beschluss vom 09.03.2020 - 1 L 76/20.MZ -, juris Rn. 10). |
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| Es spricht einiges dafür, dass es den Kommunen zur Gewährleistung eines bedarfsgerechten und funktionsfähigen Vergabeverfahrens auf der Grundlage ihrer Satzungsautonomie nach Art. 28 Abs. 2 GG gestattet ist, per Satzung angemessene Vorlauffristen für die Bedarfsanmeldung festzulegen (ebenso Winkler in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck OK SozR SGB VIII, 56. Edition 2020, § 24 Rn. 53; Roland Kaiser in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 24 Rn. 40). Die satzungsmäßige Festlegung eines „Kitajahres“, für das die Kinder mindestens sechs Monate vorher zu einem festen Stichtag anzumelden sind, dürfte jedoch ohne entsprechende Ermächtigung durch ein Landesgesetz mit § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII nicht zu vereinbaren sein. Erheblichen Bedenken begegnet es zudem, wenn die Festlegung der Vorlauffristen nicht in der Satzung selbst erfolgt, sondern für die Anmeldung, Platzvergabe und Aufnahme von Kindern in städtischen Tageseinrichtungen für Kinder pauschal auf die jeweils aktuellen Regelungen des Jugendamts verwiesen wird, wie es die Antragsgegnerin in § 2 Abs. 2 ihrer Satzung über die Benutzung von städtischen Tageseinrichtungen für Kinder vom 28.06.2018 bestimmt hat. |
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| Einer abschließenden Entscheidung über die Reichweite der satzungsmäßigen Regelungsbefugnis der Kommunen bedarf es indes im vorliegenden Verfahren nicht. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung selbständig tragend darauf gestützt, dass dem Antragsteller kein Anspruch auf ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung zustehen dürfte. Diese Erwägung wird durch die Beschwerdeeinwände nicht entkräftet. |
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| bb) Dem Antragsteller dürfte kein Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach dem individuellen Bedarf im Umfang von neun Stunden in der Zeit von 07:00 Uhr bis 17.30 Uhr zustehen. |
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| Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hat ein Kind, das - wie der Antragsteller - das dritte Lebensjahr vollendet hat, bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Satz 2 dieser Vorschrift sieht vor, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe darauf hinzuwirken haben, dass für die Altersgruppe ab dem vollendeten dritten Lebensjahr ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII folgt, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Bereitstellung von Ganztagsplätzen lediglich eine objektiv-rechtliche Pflicht statuiert hat (BVerwG, Urteil vom 14.11.2002 - 5 C 57.01 -, juris Rn. 21; siehe auch OLG Frankfurt, Urteil vom 17.05.2018 - 1 U 171/16 -, juris Rn. 6). Denn die Regelung einer Hinwirkungspflicht wäre sinnlos, wenn auf eine Ganztagsbetreuung bereits ein subjektiver Anspruch bestünde (Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 24.07.2019 - 10 ME 154/19 - und vom 19.12.2018 - 10 ME 395/18 -, jeweils juris m.w.N.). Dies bedeutet, dass § 24 Abs. 3 SGB VIII zwar einen subjektiven Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung begründet, aber nur im Rahmen einer halbtägigen Betreuung (Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 19.12.2018 - 10 ME 395/18 -, juris Rn. 9; VG München, Beschluss vom 06.08.2019 - M 18 E 19.3248 -, juris Rn. 26; Roland Kaiser in: Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII 7. Aufl. 2018, § 24 Rn. 35; Struck in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 24 Rn. 58; Winkler in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck OK SozR SGB VIII, 56. Edition 2020, § 24 Rn. 43; Lakies/Beckmann in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 47; Tillmanns in: Münchener Kommentar zum BGB, SGB VIII § 24 Rn. 5). |
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| Dem Begriff der Tageseinrichtung lässt sich nicht entnehmen, dass der Rechtsanspruch auf Förderung ganztägig zu erfolgen hat. Denn in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist lediglich festgelegt, dass Tageseinrichtungen Einrichtungen sind, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden. In welchen Betriebsformen die Tageseinrichtungen betrieben werden, ist im jeweiligen Landesrecht geregelt. In Baden-Württemberg sind zwar nach § 1 Abs. 5 KiTaG neben vor- oder nachmittags geöffneten Gruppen (Halbtagsgruppen) (Nr. 1), vor- und nachmittags jeweils mehrere Stunden geöffneten Gruppen (Regelgruppen) (Nr. 2) und Gruppen mit verlängerten Öffnungszeiten (Nr. 3) auch Gruppen mit durchgehend ganztägiger Betreuung (Nr. 4) vorgesehen. Ein über § 24 Abs. 3 SGB VIII hinausgehender Anspruch auf Förderung in einer Ganztagsgruppe, der gemäß § 24 Abs. 6 SGB VIII als weitergehendes Landesrecht unberührt bliebe, wird damit aber nicht begründet. |
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| Entgegen der Annahme des Antragstellers lässt sich auch aus § 24 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII, wonach das Kind bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden kann, kein Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach dem individuellen Bedarf - also hier für die als notwendig angesehenen neun Stunden - herleiten. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sich aus dieser Vorschrift ergibt, dass ein Anspruch - im Sinne eines subjektiven Rechts - auf Förderung nach dem individuellen Bedarf, wenn auch beschränkt auf die Betreuungsform, „an sich“ bestünde. Denn auf eine Förderung in der Kindertagespflege bei besonderem Bedarf oder ergänzend besteht gerade kein Rechtsanspruch, diese Förderung steht, wie der Wortlaut „kann“ deutlich macht, vielmehr im Ermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 19.12.2018 - 10 ME 395/18 -, juris Rn. 9, und vom 22.06.2017 - 4 PA 128/17 -, juris Rn. 10; OVG Brandenburg, Beschluss vom 28.09.2015 - 6 S 41.15 -, juris Rn. 4; Lakies/Beckmann in: Münder u.a., Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 24 Rn. 53). Erst recht lässt sich dieser Vorschrift nicht im Ansatz entnehmen, dass gemäß § 24 Abs. 3 SGB VIII eine Förderung nach dem individuellen Bedarf über die Regelungen in Satz 1 und 2 hinaus vorrangig in einer Kindertageseinrichtung in Form einer Ganztagsbetreuung erfolgen „soll“. |
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| Entgegen der Behauptung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ergibt sich nichts anderes aus der von ihm angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts. Den von ihm zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.10.2018 (- 5 C 15.17 -, juris) betreffend eine Kostenerstattungsstreitigkeit und vom 26.10.2017 (- 5 C 19.16 -, juris) betreffend den Anspruch der Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben, nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege, deren Umfang sich gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 SGB VIII nach dem individuellen Bedarf richtet, lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass entgegen dem klaren Wortlaut des § 24 Abs. 3 SGB VIII ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, einen Anspruch auf ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung haben soll. Dass es rechtspolitisch möglicherweise wünschenswert wäre, wenn auch Kindern ab dem dritten Lebensjahr ein Anspruch auf Betreuung nach dem individuellen Bedarf zustünde, um zu vermeiden, dass Eltern, die aufgrund der durch § 24 Abs. 2 SGB VIII gewährleisteten ganztägigen Betreuung voll erwerbstätig sind, ihre Erwerbstätigkeit reduzieren müssen, wenn ihr Kind das dritte Lebensjahr vollendet, vermag angesichts des klaren Gesetzeswortlautes des § 24 Abs. 3 SGB VIII keine andere Auslegung zu rechtfertigen. Nichts anderes folgt aus den vom Antragsteller zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.05.1993 (- 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 -, juris) betreffend die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine für das gesamte Deutschland geltende Regelung des Schwangerschaftsabbruchs und vom 10.11.1998 (- 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 -, juris) betreffend den Familienlastenausgleich, da diese keine Hinweise darauf enthalten, dass der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet wäre, eine ganztägige Betreuung für Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, in einer Kindertageseinrichtung zu schaffen. |
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| Fehlt es für Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, an einem einklagbaren Rechtsanspruch nach § 24 Abs. 3 SGB VIII auf eine ganztägige Betreuung in einer Kindertageseinrichtung, dürfte dem Antragsteller, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, lediglich im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten auf der Grundlage der Selbstbindung der Verwaltung i.V.m. dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ein Anspruch auf gleichmäßige Berücksichtigung bei der Vergabe freier Plätze zustehen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass dem Antragsteller zum beantragten Zeitpunkt keine in zumutbarer Entfernung zum Wohnort des Antragstellers vorhandenen Ganztagsplätze in einer den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Weise vorenthalten worden seien, greift die Beschwerde nicht an. Angesichts der weitgehenden Schließung der Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege im Zuge der Corona-Pandemie durch die Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 17.03.2020 (GBl. 2020, 120) spricht auch wenig dafür, dass freie Kapazitäten vorhanden gewesen sind. |
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| cc) Soweit der Antragsteller sein Begehren im Beschwerdeverfahren dahingehend „klargestellt“ hat, dass er beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig - bis zur Entscheidung in der Hauptsache - einen Betreuungsplatz zur Förderung gemäß § 24 Abs. 3 SGB VIII entsprechend dem individuellen Bedarf ab 20.04.2020 im örtlichen Zuständigkeitsbereich nachzuweisen, handelt es sich um eine im Beschwerdeverfahren unzulässige Antragsänderung. Mit diesem Antrag, der sich nach dem Wortlaut nur durch die Bezugnahme auf § 24 Abs. 3 SGB VIII von seinem bisherigen Antrag unterscheidet, begehrt er nach der Beschwerdebegründung nunmehr eine - vorläufige - Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm für den Fall, dass kein Ganztagsplatz verfügbar ist, hilfsweise einen Halbtagsplatz in einer Kindertageseinrichtung zuzüglich eines Kindertagespflegeplatzes halbtags nachzuweisen. |
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| Zwar könnte der erstinstanzlich formulierte Antrag nach seinem Wortlaut auch diesen weitergehenden Inhalt zulassen, da nur auf den individuellen Betreuungsbedarf von neun Stunden Bezug genommen wird. Der Antragsteller hat im erstinstanzlichen Verfahren in seiner Antragsschrift vom 09.04.2020 aber ausdrücklich ausgeführt, dass der Antragsteller einen Platz in einer Kindertageseinrichtung begehre und einen Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung habe. Zudem rügt er ausdrücklich, dass ein Kindertagespflegeplatz den Anspruch nicht erfülle, sondern lediglich ergänzende Funktion habe, und betont, dass der Anspruch nur durch Förderung in einer Kindertageseinrichtung erfüllt werden könne. Für die Auslegung, dass sich sein Antragsbegehren auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung beschränkte, spricht zudem, dass er mit der zeitgleich eingereichten Klage (...) ebenfalls ausschließlich einen Platz in einer Kindertageseinrichtung geltend macht. Entsprechend hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers übersehe, dass ein drei Jahre altes Kind nach § 24 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden könne, was hier jedoch vom Antragsteller nicht begehrt werde. Diese Annahme des Verwaltungsgerichts greift die Beschwerde nicht an. Der Antragsteller trägt insbesondere nicht vor, dass das Verwaltungsgericht seinen Antrag missverstanden habe. |
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| Für eine Beschwerde mit einem Antrag, der - wie hier - in erster Instanz so nicht gestellt und daher vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss nicht beschieden wurde, ist grundsätzlich kein Raum. Denn das Beschwerdeverfahren dient ausschließlich der rechtlichen Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung. Dies ergibt sich aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, wonach eine Beschwerde nur zulässig ist, wenn sie die Gründe darlegt, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.05.2019 - 2 M 49/19 -, juris Rn. 8; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 23.11.2018 - 10 ME 372/18 -, juris Rn. 5; Bayerischer VGH, Beschluss vom 07.05.2018 - 10 CE 18.464 -, juris Rn. 5; Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 25; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 146 Rn. 33). Zwar kann ausnahmsweise und in engen Grenzen im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes oder der Prozessökonomie etwas anderes gelten, insbesondere dann, wenn mit der Antragserweiterung keine wesentliche Änderung der zu prüfenden Gesichtspunkte einhergeht (Bayerischer VGH, Beschluss vom 07.05.2018 - 10 CE 18.464 -, juris Rn. 5; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 07.09.2017 - 12 ME 249/16 -, a.a.O. m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.01.2006 - 11 S 1455/05 -, juris Rn. 7; weitergehend wohl OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.01.2018 - 9 B 1540/17 -, juris Rn. 13; OVG Hamburg, Beschluss vom 02.08.2019 - 4 Bs 219/18 -, juris Rn. 10 und 13). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. |
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| Über den ursprünglichen Antrag des Antragstellers, ihm einen ganztägigen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung nachzuweisen, der in der ersten Instanz allein geltend gemacht wurde, ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - von der Antragsgegnerin nur im Rahmen freier Kapazitäten unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu entscheiden. Dass bei der Antragsgegnerin vor dem 01.09.2020 freie Kapazitäten vorhanden waren, die dem Antragsteller gleichheitswidrig vorenthalten wurden, ist weder mit der Beschwerde vorgetragen noch sonst ersichtlich. |
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| Bei dem mit der Antragsänderung hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Nachweis eines halbtägigen Betreuungsplatzes in einer Kindertageseinrichtung handelt es sich um einen kapazitätsunabhängigen Anspruch, d.h. er ist zu erfüllen, ohne dass für die Antragsgegnerin die Möglichkeit besteht, sich auf fehlende Kapazitäten zu berufen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.07.2019 - 7 B 10851/19 -, juris Rn. 6; Winkler in: Rolfs u.a., Beck OK SozR SGB VIII, 56. Edition 2020, § 24 Rn. 40; vgl. zu § 24 Abs. 2 SGB VIII BVerwG, Beschluss vom 26.10.2017 - 5 C 19.16 -, juris Rn. 35; Senatsbeschluss vom 18.07.2018 - 12 S 643/18 -, juris Rn. 16). Mit Erreichen der Altersgrenze ist dem Antragssteller grundsätzlich ein Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung nachzuweisen. Eine wesentliche Änderung der zu prüfenden Gesichtspunkte ergäbe sich insoweit aller Voraussicht nach nicht. Insbesondere die Beschränkungen aufgrund der Corona-Verordnung dürften in beiden Fällen zu beachten sein. |
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| Auf eine halbtägige Gruppenbetreuung in Tageseinrichtungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, auf den der Gesetzgeber - anders als bei der frühkindlichen Förderung nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII - den Rechtsanspruch für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum Schuleintritt bewusst begrenzt hat (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.09.2015 - 6 S 41.15 -, juris, Rn. 4; VGH Kassel, Beschluss vom 04.02.2014 - 10 B 1973/13 -, juris Rn. 9), beschränkt sich der Hilfsantrag indes nicht. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, dass der Antragsteller den Halbtagsplatz in der Kindertageseinrichtung nur in Verbindung mit einer ergänzenden Förderung auf einer halbtägigen Tagespflegestelle zur Anschlussbetreuung geltend macht, weil nur so der individuelle Bedarf gedeckt werden könne. Damit aber wird die Prüfung auf wesentlich andere Gesichtspunkte erweitert. |
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| Nach § 24 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII kann das Kind bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden. Ob von der Alternative einer ergänzenden Betreuung in der gruppenunabhängigen Kindertagespflege Gebrauch gemacht wird, die nach der Gesetzesbegründung vor allem dann zum Tragen kommt, wenn die Öffnungszeiten noch nicht bedarfsgerecht ausgestaltet sind (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 15), ist eine Entscheidung, die im Ermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe steht (VG Augsburg, Beschluss vom 19.02.2020 - Au 3 E 19.2161 -, juris Rn. 19). Besteht daher für den Antragsteller allenfalls ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, kommt ein Anspruch auf die begehrte halbtägige Betreuung in der Kindertagespflege nur im Falle einer Ermessensreduktion auf Null in Betracht (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19.12.2018 - 10 ME 395/18 -, juris Rn. 9). Zur Klärung des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs sind daher zunächst bisher nicht erfolgte Ermittlungen zu den vorhandenen Kapazitäten in der vielfach von freien Trägern der Jugendhilfe angebotenen Tagespflege anzustellen. Darüber hinaus lässt die Entscheidung über eine ergänzende Betreuung in der Kindertagespflege dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe Raum für Erwägungen auf der Grundlage der in § 22 Abs. 2 SGB VIII niedergelegten Ziele, die beim Betrieb von Tageseinrichtungen zu berücksichtigen sind. Wie die Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 02.07.2020 zeigt, wird vor allem insoweit mit dem Hilfsantrag ein wesentlich anderer Streitstoff in das Beschwerdeverfahren eingeführt. Denn sie macht in Bezug auf das Kindeswohl (vgl. § 22 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII) pädagogische Bedenken hinsichtlich einer kombinierten Förderung in Kindertagesstätte und Kindertagespflege für jeweils einen halben Tag geltend. Im Hinblick auf die vom Antragsteller insoweit gerügte mangelnde Angabe wissenschaftlicher Grundlagen wären weitere Ermittlungen erforderlich, die wesentlich andere Gesichtspunkte betreffen als der bisherige Streitstoff. |
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| Die Antragsänderung ist auch nicht deshalb ausnahmsweise zulässig, weil die Antragsgegnerin bereits aufgrund der Bedarfsanzeige der Mutter des Antragstellers verpflichtet gewesen wäre, die Möglichkeit der ergänzenden Betreuung in der Kindertagespflege zu prüfen, wenn der begehrte Ganztagsplatz in der Kindertageseinrichtung nicht nachgewiesen werden kann. Denn die Mutter des Antragstellers hat - wie der von der Antragsgegnerin vorgelegte Screenshot zeigt - im Rahmen der Anmeldung nur die dringende Notwendigkeit eines Ganztagskindergartenplatzes geltend gemacht. Dass sie auch damals schon in Erwägung gezogenen hat, eine Kombination von Kindertageseinrichtung und ergänzender Kindertagespflege in Anspruch zu nehmen, ist den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen. Gegenteiliges trägt auch der Antragsteller mit seiner Beschwerde nicht vor. |
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| c) Abgesehen davon fehlt es zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats an einem entsprechend § 123 Abs. 3 VwGO i. V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemachten Anordnungsgrund (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt Funke-Kaiser in: Quaas u.a., Prozesse in Verwaltungssachen. 3. Aufl. 2018, § 4 Rn. 487). |
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| Die Kinderbetreuung, die - trotz Rechtsanspruchs auf zumindest einen halbtägigen Betreuungsplatz gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII - nicht für den Zeitraum gewährt wird, für den sie - hier noch bis zum 31.08.2020 - begehrt wird, lässt sich nicht verschieben, sondern bleibt für diesen Zeitraum in irreversibler Weise unerfüllt. Der Anspruch auf Zuweisung eines real verfügbaren Platzes erledigt sich durch Zeitablauf mit jedem Tag, an dem die Antragsgegnerin ihrer Verpflichtung aus § 24 Abs. 3 SGB VIII nicht nachkommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.09.2013 - 5 C 35.12 -, juris Rn. 38; Senatsurteil vom 08.12.2016 - 12 S 1782/15 -, juris Rn. 36 jew. m.w.N.). Aus dem nicht erfüllten Primäranspruch resultieren Sekundäransprüche wie etwa Aufwendungsersatz für selbst organisierte Betreuung (BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 - 5 C 19.16 -, juris, und Beschluss vom 20.12.2017 - 5 B 9.17 -, juris) oder Schadensersatzansprüche (zum Amtshaftungsanspruch der Eltern für entgangenen Verdienst bei Nichtgewährung eines gesetzlich garantierten Kita-Platzes BGH, Urteil vom 20.10.2016 - III ZR 278/15 -, juris; siehe auch Grube in: Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 24 Rn. 40 ff.; Schwede, Der Streit um den KiTa-Platz - welcher Rechtsweg ist der beste?, NZFam 2017, 200). |
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| Für den Anordnungsgrund genügt allerdings nicht allein die irreversible Nichterfüllung des unaufschiebbaren Anspruchs des Antragstellers auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung (Senatsbeschluss vom 18.07.2018 - 12 S 643/18 -, juris Rn. 20; VG Mainz, Beschluss vom 27.04.2018 - 1 L 279/18.MZ - juris Rn. 11; a.A. Sächsisches OVG, Beschluss vom 07.06.2017 - 4 B 100/17 -, juris Rn. 10). Der Anordnungsgrund würde seine im System der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO gesetzlich angelegte eigenständige Bedeutung verlieren, wenn immer dann, wenn der Anordnungsanspruch in qualifiziertem Maße bejaht würde, an das Vorliegen des Anordnungsgrundes keine besonderen Anforderungen mehr gestellt würden (Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 123 Rn. 26; zur Beziehung zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund auch Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 95 ff.). Zwar ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes von Verfassungs wegen gleichsam indiziert, wenn Grundrechtspositionen von Gewicht fortschreitend endgültig vereitelt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.09.2009 - 1 BvR 1702/09 -, juris). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor. Ob die Zuweisung eines Betreuungsplatzes für den Antragsteller in einer Weise dringlich ist, dass ihm ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist, ist aufgrund einer Abwägung aller konkreten Umstände des Falles zu entscheiden, wobei der Betreuungsbedarf des Kindes mit Blick auf die Arbeitssituation der Eltern eine besondere Rolle spielt (vgl. Senatsbeschluss vom 18.07.2018 - 12 S 643/18 -, juris Rn. 20; siehe insoweit auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.05.2018 - 6 S 16.18 -, juris). |
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| Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass in der Zeit bis zum 31.08.2020 ein Dringlichkeitsinteresse für den Erlass einer weitergehenden einstweiligen Anordnung bestünde. Mit seiner Beschwerde legt er zwar den Arbeitsvertrag vor, den seine alleinerziehende Mutter nach ihrem Umzug nach ... am ... bzw. ... abgeschlossen hat und der ihre Einstellung als Rechtsanwaltsfachangestellte zum 16.04.2020 sowie konkrete, teilweise flexibilisierte Arbeitszeiten vorsieht. Entgegen der Ansicht des Antragstellers genügen diese Angaben zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes jedoch nicht. Denn er hat trotz konkreter Aufforderung auch im Beschwerdeverfahren nicht angegeben, ob seine Mutter die vorgesehene Beschäftigung so, wie in dem Vertrag geregelt, auch tatsächlich zu diesem Termin aufgenommen hat, und wie der Antragsteller in dieser Zeit bis heute betreut worden ist. Mit Blick auf den wegen der Corona-Pandemie verhängten Lockdown, der vielfach zu Kurzarbeit und Freistellung von Beschäftigten geführt hat, ist nicht ohne Weiteres zu unterstellen, dass die Mutter des Antragstellers ihre Erwerbstätigkeit tatsächlich aufgenommen hat bzw. vor dem 31.08.2020 aufnehmen wird. Sollte dies indes der Fall sein, bleibt völlig offen, wie der Antragsteller derzeit betreut wird und ob eine Fortführung dieser Betreuung bis zum 31.08.2020 zumutbar wäre. |
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| Die Kostenentscheidung ergibt sich, soweit der Rechtsstreit streitig zu entscheiden war, aus § 154 Abs. 2 VwGO. Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Hier entspricht es der Billigkeit, die Kosten in beiden Instanzen ebenfalls dem Antragsteller aufzuerlegen. Denn auch hinsichtlich des erledigten Teils wäre der Antragsteller, dem ein einklagbarer Rechtsanspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz nach § 24 Abs. 3 SGB VIII auch nach dem 31.08.2020 nicht zustehen dürfte und der auch insoweit keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, aller Voraussicht nach unterlegen. Zur Klarstellung erfasst die Kostenentscheidung beide Instanzen. |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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