Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 1 S 1224/22

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2022 - 16 K 1533/22 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

1. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), geben dem Senat - auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Antragstellerin im Schriftsatz vom 04.07.2022 - keinen Anlass, über den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abweichend vom Verwaltungsgericht zu entscheiden.
a) Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 16.03.2022 gegen den Bescheid des Landratsamts ... - Gesundheitsamt - vom 03.03.2022 wiederherzustellen, mit dem das Landratsamt unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Beauftragungen der Antragstellerin als Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 TestV vom 17.03.2021 für den mobilen Testbus und vom 12.01.2022 für die Standorte ... in ... und ...straße x und xx in ... widerrufen hat, zu Recht abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin ist unbegründet.
b) Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 LVwVfG kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf - wie hier in § 6 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 6 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 TestV - durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 TestV können als weitere Leistungserbringer i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 2 TestV weitere Anbieter nur beauftragt werden, wenn sie unter Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen, medizinprodukterechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Anforderung eine ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 TestV gewährleisten (Nr. 1), die erforderliche Zuverlässigkeit aufweisen sowie einer Geheimhaltungspflicht nach § 203 des Strafgesetzbuches oder einer vertraglich vereinbarten Geheimhaltungspflicht unterliegen (Nr. 2). § 6 Abs. 2 Satz 3 TestV bestimmt, dass die Beauftragung aufgehoben werden kann, wenn die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 TestV bei der Beauftragung nicht vorgelegen haben oder nachträglich entfallen sind.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass es der Antragstellerin aller Voraussicht nach an der erforderlichen Zuverlässigkeit fehlt und dass die Ermessenausübung durch den Antragsgegner nicht zu beanstanden ist. Auf die zutreffende Begründung des Verwaltungsgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
c) Ohne Erfolg bringt die Antragstellerin vor, sie habe die Beanstandungsgründe des Antragsgegners stets umgehend beseitigt und das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht streitige Beanstandungsgründe als unstreitig behandelt. Dem Vorbringen, die Antragstellerin habe stets umgehend Beanstandungsgründe des Antragsgegners beseitigt, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Antragsgegner monierte ausweislich der Verwaltungsakte bei den Begehungen der Teststellen ...straße xx in ... am 08.11.2021, ... x in ... am 15.11.2021, ...straße xx in ... vom 22.11.2021 und ... in ... am 22.11.2021 jeweils, dass die Identitätsprüfung der Testperson über einen Lichtbildnachweis erfolgen muss (Verwaltungsakte Bl. 69 ff.). Eine umgehende Beseitigung dieses Mangels ist mithin nicht erkennbar, vielmehr musste der Antragsgegner den Mangel wiederholt feststellen. Verstöße bei der Identitätsprüfung bei Testungen auf das Coronavirus sind besonders gravierend, da Fehler bei der Identitätsfeststellung erhebliche negative Auswirkungen auf die Eindämmung der Pandemie haben können. Konkrete Anhaltspunkte, dass diese Mängel von dem Antragsgegner zu Unrecht festgestellt wurden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr teilte der Geschäftsführer J. im Verwaltungsverfahren dem Antragsgegner mit Mail vom 25.11.2021 insoweit mit, eine erneute Anweisung an die Mitarbeiter sei erfolgt (Verwaltungsakte Bl. 78), bestritt mithin diese Verstöße zumindest damals nicht. Auch mahnte der Antragsgegner ausweislich der Verwaltungsakte bei den Begehungen der Teststellen ...straße xx in ... am 08.11.2021, ...  in ... am 15.11.2021 und ... x in ... am 22.11.2021 jeweils an, dass zur Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m an der Teststelle bzw. dem Wartebereich Markierungen anzubringen sind und dass durch Markierungen zu vermeiden ist, dass es am Ein- und Ausgang der Teststelle zu engem Kontakt zwischen den einzelnen Personen kommt (Verwaltungsakte Bl. 69 ff.). Die wiederholte Mängelrüge zeigt, dass die Antragstellerin Mängel nicht umgehend abstellte. Auch dieser Mangel ist besonders gravierend, da die Einhaltung der Mindestabstände zur Eindämmung der Pandemie von essenzieller Bedeutung ist. Konkrete Anhaltspunkte, dass diese Mängel von dem Antragsgegner zu Unrecht festgestellt wurden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr teilte der Geschäftsführer J. im Verwaltungsverfahren dem Antragsgegner mit Mail vom 25.11.2021 insoweit mit, man habe „jetzt“ ein Absperrband und Bodenbodenmarkierungen angebracht (Verwaltungsakte Bl. 78). Auch in weiteren Kernbereichen der Aufgabenerfüllung eines Testcenters, so im Bereich der Hygiene und der Aufklärung getesteter Personen, traf der Antragsgegner mehrfach identische Mängelfeststellungen, für deren Unrichtigkeit nichts ersichtlich ist und die der Geschäftsführer J. im Verwaltungsverfahren nicht als sachlich falsch bezeichnete; diese betrafen z.B. die Notwendigkeit, die Schutzausrüstung nach TRBA250 auch während der Müllentsorgung vollständig zu tragen und die Mülleimer geschlossen zu halten, und die Verpflichtung, positiv getesteten Personen das Merkblatt „Mein Test ist positiv“ auszuhändigen (vgl. Verwaltungsakte Bl. 69 ff., 78).
Bei der Begehung der Teststellen ... in ... und ...straße xx in ... vom 16.02.2022 stellte der Antragsgegner ausweislich der Verwaltungsakte u.a. - zum Teil nur für eine der beiden Teststellen - fest, dass Identitätsprüfungen nicht anhand eines amtlichen Lichtbildausweises vorgenommen werden, dass das Merkblatt „Mein Test ist positiv“ zwar vorliegt, aber nach Aussage der Mitarbeitenden selten ausgehändigt und insoweit lediglich mündlich aufgeklärt wird, dass ein persönlicher Schutzanzug nach TRB250 während der Testung nicht ordnungsgemäß vollständig getragen wird, dass Mülleimer nicht geschlossen gehalten werden, dass kritischer Müll nicht unter Vollschutz entsorgt wird und dass keine Markierungen zur Einhaltung des Mindestabstands am Eingang der Teststelle angebracht sind (Verwaltungsakte Bl. 113a ff.). Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass diese Feststellungen - und weitere Ergebnisse der Begehungen im hygienischen Bereich, z.B. zu nicht ausreichenden Desinfektionsmitteln und unzureichender Abnahme von Abstrichen - zu Unrecht erfolgten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Das pauschale Bestreiten aller Mängelfeststellungen (S. 36 ff. der Beschwerdebegründung) zeigt konkrete Umstände, dass und aus welchen Gründen die Feststellungen falsch sein sollen, zur Überzeugung des Senats nicht auf. Diese Feststellungen, die im Wesentlichen dieselben Punkte wie bei den Begehungen im November 2021 betreffen, zeigen nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung auch unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Antragstellerin und der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen, dass die Antragstellerin beharrlich, mehrfach und gravierend gegen ihre Pflichten im Kernbereich ihrer Aufgabenerfüllung verstieß. Sie tragen daher voraussichtlich, ohne dass es auf die weiteren streitigen Verstöße ankommt, die Prognose fehlender Zuverlässigkeit der Antragstellerin zum Betreiben von Teststellen nach der Testverordnung.
d) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, das Verwaltungsgericht habe das Recht der Antragstellerin auf rechtliches Gehör verletzt. Dieser Einwand vermag der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil im Beschwerdeverfahren ausreichend Gelegenheit zum Vortrag besteht und ein etwaiger erstinstanzlicher Gehörsverstoß (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch geheilt würde (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.05.2015 - 10 S 835/15 - juris; Beschl. v. 12.04.2005 - 4 S 439/05 - VBlBW 2006, 59).
Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang vorbringt, das Verwaltungsgericht habe seinen Beschluss zu Unrecht auf den Inhalt der Verwaltungsakte gestützt und damit gegen das Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, ist das auch in der Sache verfehlt. Die nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO von der Behörde zwingend vorzulegende Verwaltungsakte war Gegenstand der Akteneinsicht durch die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in erster Instanz. Die Antragstellerin hatte mithin Kenntnis von allen Umständen, die in der Akte dokumentiert sind. Es ist in keiner Weise rechtlich zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf die Akte gestützt hat. Entscheidungen in einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergehen typischerweise aufgrund des Akteninhalts, des Vorbringens der Beteiligten und von den Beteiligten glaubhaft gemachter Umstände und überwiegender Wahrscheinlichkeiten (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.11.2013 - 5 S 2037/13 - NVwZ-RR 2014, 265; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 80 Rn. 125 m.w.N.; Kuhla, Beck OK VwGO, § 123 Rn. 68 m.w.N.). Auch ist ein Gericht im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, vorab auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 08.04.2004 - 1 B 199.03 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 77, Beschl. v. 28.12.1999 - 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51).
e) Unbegründet ist daher auch der Einwand der Antragstellerin, es liege eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht vor. Die von der Antragstellerin insoweit in Anspruch genommene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft nur den Grundsatz unzulässiger Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren und besagt daher im vorliegenden Zusammenhang nichts rechtlich Erhebliches. Auch die Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bei offenen Erfolgsaussichten eine reine Interessenabwägung stattfindet, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht nicht von offenen Erfolgsaussichten ausgegangen. Der Umstand, dass die Antragstellerin tatsächliche Feststellungen des Antragsgegners bestreitet und über die streitigen Tatsachen keine Beweisaufnahme stattgefunden hat, führt nicht per se dazu, dass offene Erfolgsaussichten anzunehmen sind. Denn, wie bereits dargelegt, wird im einstweiligen Rechtsschutzverfahren typischerweise aufgrund des Akteninhalts, des Vorbringens der Beteiligten und von den Beteiligten glaubhaft gemachter Umstände und überwiegender Wahrscheinlichkeiten entschieden.
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f) Auch der von der Antragstellerin geltend gemachte Umstand, dass die Bejahung der Unzuverlässigkeit durch das Verwaltungsgericht auf Tatsachen gestützt ist, auf die die Feststellung der Unzuverlässigkeit im angefochtenen Bescheid nicht gründet, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Die Frage, ob eine Zuverlässigkeit im Sinne von § 6 Abs. 2 TestV zu verneinen ist, unterliegt der vollständigen gerichtlichen Nachprüfung mit der Folge, dass die gerichtlichen Feststellungen den Inhalt der Verwaltungsakte auch dann berücksichtigen können, wenn der angefochtene Bescheid hierauf nicht eingeht. Rechtlich erhebliche Unterschiede können sich insoweit allenfalls bei der Ermessensausübung ergeben, da Tatsachen, die die Verneinung der Zuverlässigkeit mitbegründen, typischerweise in der Ermessensausübung nicht berücksichtigt waren, wenn sie nicht Gegenstand des Bescheides sind. Eine Rechtswidrigkeit der Ermessensausübung kann sich hieraus im vorliegenden Fall jedoch nicht ergeben. Denn die Ermessensausübung des Antragsgegners, die Beauftragung der Antragstellerin zu widerrufen, wird nicht dadurch rechtswidrig, dass weitere, im Bescheid nicht berücksichtigte Gesichtspunkte auch die mangelnde Zuverlässigkeit der Antragstellerin begründen.
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Das Vorbringen hierzu ist auch in der Sache unbehelflich. Es zielt auf die Feststellung des Verwaltungsgerichts, ein Pflichtenverstoß der Antragstellerin liege auch darin, dass sie Teststellen ohne Beauftragung betrieben habe. Die Antragstellerin macht insoweit geltend, sie sei am 17.03.2021 mit der Einrichtung von Testmöglichkeiten in einem oder mehreren Testzentren beauftragt worden. Der Antragsgegner hält dem entgegen, diese Beauftragung habe sich, wie sich aus weiterem Schriftverkehr ergebe, von vornherein nur auf den Testbus der Antragstellerin, nicht auf weitere Teststellen bezogen. Hierauf kommt es bereits nicht an. Denn die gravierenden Mängel im Bereich der Hygiene, der Identitätsprüfung und der Aufklärung zu testender Personen tragen voraussichtlich bereits die Prognose fehlender Zuverlässigkeit. Hinzu kommt, dass ausweislich der Verwaltungsakte die Antragstellerin selbst von der Notwendigkeit einer gesonderten Beauftragung weiterer Teststellen ausging (vgl. nur Verwaltungsakte Bl. 184).
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g) Aus diesen Gründen kommt es auf die Fragen der Fachkundenachweise und Zertifikate, fehlerhafter Abrechnungen und fehlerhafter Datenmeldungen ebenfalls nicht entscheidend an. Die Feststellungen zu Hygienemängeln, fehlerhafter Identitätsüberprüfung und mangelnder Aufklärung zu testender Personen tragen voraussichtlich bereits die Prognose mangelnder Zuverlässigkeit.
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h) Unbegründet ist das Vorbringen der Antragstellerin, die angefochtene Entscheidung sei rechtswidrig, da Mängel bei dem Betrieb der Testzentren der Antragstellerin auf das bewusste, die Antragstellerin schädigende Verhalten des Wettbewerbers N. und das Verhalten von Mitarbeitern, die N. bei der Antragstellerin eingeschleust habe, zurückzuführen seien. Für diese Behauptung beruft sich die Antragstellerin im Wesentlichen auf zwei in der Verwaltungsakte befindliche Mails von N. und eidesstattliche Versicherungen des Geschäftsführers der Antragstellerin. Wie das Verwaltungsgericht vermag der Senat tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass N. in der vorgetragenen Weise gehandelt hat, nicht festzustellen. Die in der Verwaltungsakte befindlichen Mails von N. an den Antragsgegner belegen im Wesentlichen nur, dass N., der beim Betrieb der Teststellen der Antragstellerin deren Kooperationspartner war, sich zu Beginn des Jahres 2022 von diesem abgrenzen und mit diesem nichts mehr zu tun haben wollte. Die eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der Antragstellerin zum Verhalten von N. bleiben vollkommen im Ungefähren. Konkrete Tatsachen, die nachvollziehbar den Schluss auf ein manipulatives Verhalten von N. zulassen, werden in den eidesstattlichen Versicherungen nicht mitgeteilt.
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Zudem kann das von der Antragstellerin behauptete Verhalten von N. und der von ihm angeblich eingeschleusten Mitarbeiter eine Vielzahl der von dem Antragsgegner - nach der einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung - zu Recht festgestellten Mängel beim Betrieb der Teststellen der Antragstellerin nicht erklären. Denn das Verhalten dieser Personen soll sich nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht auf alle Bereiche erstreckt haben, in denen der Antragsgegner Mängel feststellte. So soll das von der Antragstellerin behauptete Verhalten von N. im Wesentlichen darin bestanden haben, dass er die von der Antragstellerin verwendete Software manipuliert habe; das von der Antragstellerin behauptete Verhalten der von N. bei der Antragstellerin eingeschleusten Mitarbeiterin soll darin bestanden haben, bei der Begehung durch die Antragsgegnerin am 16.02.2022 einen ungünstigen Eindruck zu machen und Fehler bei der Datenerfassung gemacht zu haben. Daher fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass beispielsweise Mängel bei der Desinfizierung in den Teststellen, Mängel bei der Vorhaltung ausreichender Hygieneprodukte, Mängel bei der Entsorgung von klinischem Abfall, Mängel bei der Anbringung von Abstandsmarkierungen und Mängel bei der Identifizierung zu testender Personen anhand von amtlichen Lichtbildausweisen auf N. oder von diesem eingeschleuste Mitarbeiter zurückzuführen sein sollen. Unbeschadet dessen ist angesichts des Umstandes, dass die Antragstellerin in ihren Teststellen über 50 Mitarbeiter beschäftigte, nicht ersichtlich, dass die in der Verwaltungsakte dokumentierten erheblichen, bei Begehungen über mehrere Monate festgestellten Mängel ausschließlich auf N. und vier von diesem eingeschleuste Mitarbeiter zurückzuführen sein sollen.
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Ohne Erfolg macht die Antragstellerin in diesem Zusammenhang geltend, bei den von N. eingeschleusten Mitarbeitern handele es sich nicht um Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 BGB, sondern um Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB, sodass ihr, die sie bei Auswahl und Überwachung der Mitarbeiter stets die erforderliche Sorgfalt beachtet habe, deren Fehlverhalten nicht zugerechnet werden dürfe. Auf die zivilrechtlichen Kategorien des Erfüllungsgehilfen und des Verrichtungsgehilfen kommt es entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin nicht an. Bei der Beurteilung der Unzuverlässigkeit einer juristischen Person ist auf das Verhalten der gesetzlich vertretungsberechtigten Personen abzustellen. Dabei ist auch die Unzuverlässigkeit von Stellvertretern und Betriebsleitern der juristischen Person zuzurechnen. Denn die juristische Person erweist sich selbst als unzuverlässig, wenn sie unzuverlässigen Dritten maßgeblichen Einfluss auf die Führung der Geschäfte einräumt (vgl. bereits Senat, Beschl. v. 15.12.2021 - 1 S 3449/21 - juris mit Hinweis auf Ennuschat, in: Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl., § 35 Rn. 95 ff.). Eine Unzuverlässigkeit der Antragstellerin als juristische Person ergibt sich im Hinblick auf die sehr gewichtigen, bei jeder Begehung in erheblichem Umfang festgestellten Hygienemängel, die den Kern der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung von Teststellen betreffen, daraus, dass der Geschäftsführer J. der Antragstellerin nach eigenen Angaben gegenüber dem Antragsgegner der Hygieneverantwortliche der Antragstellerin ist (Verwaltungsakte Bl. 182 ff.). Zudem führen Feststellungen gravierender Mängel im Kernbereich der Aufgabenerfüllung - hier betreffend Identitätsprüfung und Aufklärung zu testender Personen - spätestens bei der hier gegebenen Kenntnis des Geschäftsführers von den Mangelfeststellungen der Behörde zu dessen Pflicht, diese gravierenden Mängel abzustellen, und bei einer Verletzung dieser Pflicht zur Verantwortlichkeit des Geschäftsführers hierfür.
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i) Das Beschwerdevorbringen, zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen, wie sich der Antragsgegner bei anderen Beauftragungen verhalten habe und weiterhin verhalte, ist unbegründet. Für den geltend gemachten Ermessensfehler ist nichts ersichtlich. Das zur Begründung Vorgetragene, dass die Antragstellerin weit über sechs Monate auf die offizielle Beauftragung des Teststandorts ...straße x, ... habe warten müssen, lässt eine fehlerhafte Verwaltungspraxis des Antragsgegners nicht erkennen. Dessen Vorbringen, eine Beauftragung sei angesichts der bei mehreren Begehungen festgestellten Mängeln in anderen Standorten der Antragstellerin erst nach endgültiger Abstellung aller Mängel in Betracht gekommen, ist für den Senat in jeder Hinsicht nachvollziehbar.
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j) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung des § 80 Abs. 3 VwGO einen unzutreffenden Maßstab angelegt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass aus der Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 VwGO hervorgehen muss, dass sich die Behörde ihres rechtlichen Ausnahmecharakters und damit der Notwendigkeit eines besonderen Vollzugsinteresses bewusst gewesen ist, wobei dieses im Bereich des Gefahrenabwehrrechts mit dem Interesse am Erlass des Grundverwaltungsakts identisch sein kann. Die Begründung hat auch den Zweck, die Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollziehungsanordnung veranlasst haben, die Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags auf Grundlage von § 80 Abs. 4 und 5 VwGO abzuschätzen (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.06.2018 - 5 S 548/18 - juris; Beschl. v. 20.09.2011 - 10 S 625/11 - juris; ebenso W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 84). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht bejaht, dass diese Voraussetzungen hier gegeben sind und eine einzelfallbezogene Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO vorliegt.
18 
k) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht eine Besorgnis der Befangenheit der Mitarbeiterin des Antragsgegners, die den Bescheid erlassen hat, verneint. Die von der Antragstellerin problematisierten Formulierungen eines Dritten in einer Mail an den Antragsgegner können die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen, da der Antragsgegner für diese Formulierungen keine Verantwortung trägt. Die Behauptung der Antragstellerin, aus dem Bereich des Antragsgegners seien Informationen an die Presse lanciert worden, ist spekulativ und nicht belegt. Auch der Schriftsatz der Antragstellerin vom 04.07.2022 zeigt keine im Hinblick auf § 21 LVwVfG relevanten Umstände auf.
19 
l) Das Vorbringen, das Verwaltungsgericht lasse unberücksichtigt, dass der Antragsgegner trotz der von ihm aufgezeigten und behaupteten vielen Beanstandungen die Antragstellerin dann doch noch als Teststelle beauftragt habe, genügt bereits nicht dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 VwGO. Denn das Verwaltungsgericht hat ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen hier trotz der Beauftragung vom 12.01.2022 keine Verwirkung eingetreten ist. Hiermit setzt sich die Beschwerde bereits nicht auseinander.
20 
m) Auch das Beschwerdevorbringen, dass das Verwaltungsgericht dem von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten vom 08.04.2022 nicht das notwendige Gewicht beigemessen habe, genügt bereits nicht dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass das Gutachten zwar nunmehr die Einführung ordnungsgemäßer hygienischer Abläufe in den Teststellen der Antragstellerin attestierte, dass das Gericht aber erhebliche Zweifel daran habe, ob die im Gutachten beschriebenen Abläufe auch tatsächlich in Zukunft umgesetzt würden, dass erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der Antragstellerin bestünden, die nicht allein durch die Beibringung eines Gutachtens zur Verbesserung hygienischer Mängel ausgeräumt werden könnten und dass das Gericht erhebliche Zweifel an der Sachkunde des Gutachters für die Beurteilung der maßgeblichen Fragen des Infektionsschutzes habe. Die Beschwerde bringt insoweit lediglich vor, das Verwaltungsgericht verkenne, dass die angeblichen Falschmeldungen nicht von der Antragstellerin, sondern von anderen Betrieben stammten, dass der Gutachter auf dem Gebiet der Hygiene eine Koryphäe sei, dass das Verwaltungsgericht gar keine Sachkunde zur Beurteilung der Sachkunde des Sachverständigen habe und dass das Gutachten klar darauf hinweise, dass keine Gefahr mehr einer Nichteinhaltung von Hygienebestimmungen bestehe. Dies genügt bereits deswegen nicht dem Darlegungsgebot, da sich die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung mit den Zweifeln des Verwaltungsgerichts, ob das im Gutachten beschriebene neue Konzept tatsächlich umgesetzt werde, und den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass die erheblichen Zweifel an der Zuverlässigkeit der Antragstellerin nicht allein durch die Beibringung eines Gutachtens ausgeräumt werden könnten, nicht auseinandersetzt.
21 
Unbeschadet des Vorliegens eines Darlegungsmangels ist das diesbezügliche Vorbringen der Antragstellerin auch in der Sache unbegründet. Zwar zeigt das Gutachten ein Konzept, eine Teststelle in einer Art zu betreiben, dass zumindest zu testende Personen die Räume der Teststelle nicht mehr betreten müssen, und damit eine Möglichkeit auf, Infektionsrisiken deutlich zu reduzieren. Angesichts der gravierenden Mängel bei dem Betrieb der bisherigen Teststellen z.B. in den Kernbereichen der Identitätsfeststellung und der Aufklärung zu testender Personen ist allein die Vorlage eines Konzepts, wie eine Teststelle betrieben werden könnte, nicht geeignet, die Prognose mangelnder Zuverlässigkeit hinreichend zu erschüttern.
22 
n) Ohne Erfolg beanstandet die Antragstellerin die Interessenabwägung durch das Verwaltungsgericht. Das Beschwerdevorbringen, es sei stets eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und eine Gefährdungsprognose bezogen auf den Zeitraum zwischen dem beabsichtigten Vollzug und Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorzunehmen, geht ins Leere. Das Verwaltungsgericht hat eine diesen Maßgaben entsprechende, nicht zu beanstandende Gesamtabwägung vorgenommen (BA, S. 25).
23 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs.
24 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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