Urteil vom Amtsgericht Halle (Saale) - 10 C 1126/12

Tenor

1.) Dem Beklagten wird aufgegeben es zu unterlassen, öfter als fünf Mal im Kalenderjahr auf seiner Terrasse oder auf der zum Sondernutzungsrecht des Beklagten gehörenden Rasenfläche zu grillen.

2.) Den Beklagten wird aufgegeben, die Absicht zu grillen den Klägern jeweils 24 Stunden vorher bekanntzugeben.

3.) Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

4.) Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsausspruch in Ziffer 1. ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 5.000,00 € oder Ordnungshaft bis zu einem Monat angedroht.

5.) Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben; die Beigeladenen tragen ihre Auslagen selbst.

Beschluss

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

a) Antrag zur Grillfrequenz:

1.000,00 €,

b) Antrag zur Grillankündigung:       

500,00 €,

c) Antrag zur Jalousienutzung:

500,00 €,

d) Gesamtstreitwert:

2.000,00 €.

Tatbestand

1

Die Parteien sind - ebenso wie die Beigeladenen J. - Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft O. in Halle. Die Wohnungseigentümergemeinschaft wird durch die weitere Beigeladene verwaltet.

2

Seit 2007 schwelt ein Streit zwischen den Klägern und den anderen Wohnungseigentümer über die auf dem Grundstück erlaubte Grillfrequenz. Das Objekt weist sechs Einheiten auf. Die klägerische Einheit befindet sich im 1. Stockwerk über derjenigen des Beklagten auf einer Endseite des Gebäudes (Fotos Blatt 31). Früher ging es (auch) um verschiedene Grillaktivitäten der Wohnungseigentümer auf der Terrasse. Inzwischen findet das streitgegenständliche Grillen an der Giebelwand des Hauses statt (Foto Blatt 31 unten rechts).

3

Im Mai 2010 wurde auf Initiative der Kläger ein Antrag zur Änderung der Hausordnung zu Beschluss gestellt (Blatt 30R). Danach sollte es jedem Wohnungseigentümer aufgegeben werden, etwaiges Grillen 48 Stunden zuvor anzuzeigen. Für jede Einheit sollten sich die Grillaktivitäten auf höchstens fünf Mal im Jahr begrenzen. Der Beschluss wurde nicht angenommen. Im Jahre 2011 grillte der Beklagte 11 Mal, im Jahre 2012 13 Mal. Es wird jeweils Holzkohle verwendet.

4

Ursprünglich hatten die Kläger noch einen Antrag zum Jalousiegebrauch des Beklagten angekündigt (Blatt 2 der Akte) diesen aber im Verhandlungstermin am 16.11.2012 zurückgenommen (vgl. Protokollniederschrift).

5

Die Kläger fühlen sich durch die Grillaktivitäten der Miteigentümer belästigt. Sie stehen auf dem Standpunkt, bei der gegebenen räumlichen Nähe sei sowohl eine vorherige Ankündigung des Grillens erforderlich, wie eine anzahlmäßige Begrenzung.

6

Die Kläger beantragen noch,

7

1. dem Beklagten wird aufgegeben, es zu unterlassen, öfter als fünf Mal im Jahr beschränkt auf je vier Stunden auf seiner Terrasse bzw. auf der unter der Wohnung der Kläger liegenden und zum Sondereigentum des Beklagten gehörenden Rasenfläche zu grillen,

8

2. dem Beklagten wird aufgegeben, die Absicht zu grillen den Klägern jeweils 48 Stunden vorher unter Angabe der voraussichtlichen Zeit bekannt zu geben.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Diesem Antrag schließen sich die Beigeladenen - mit Ausnahme der Verwalterin - an (Blatt 93a).

12

Sie meinen, die begehrte lange Vorlaufzeit widerspreche dem Charakter des Grillens. Im Übrigen halte sich die Beeinträchtigung der Kläger aufgrund der Giebellage der Grillstelle in hinzunehmbaren Grenzen. Die Beigeladenen sehen die zulässige Anzahl der Grilltage bei 219 Terminen im Jahr (Rechenweg Blatt 95).

13

Ergänzend werden für den Sachvortrag der Parteien die wechselseitig eingereichten Schriftsätze samt Anlagen in Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage hat teilweise Erfolg.

15

1. Dem Grunde nach besteht ein Unterlassungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB), soweit die Duldungsgrenze (des § 1004 Abs. 2 BGB) überschritten wird. Das ist der Fall, wenn der Beklagte öfter als fünf Mal im Jahr grillt.

16

Dabei kommt der von den Beigeladenen zitierten Geruchsimmissionsrichtlinie (in der Fassung vom 29.02.2008 der Ergänzungen vom 10.09.2008 - GIRL 2008) nur die Rolle eines Gesichtspunktes im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu. Dieses Regelwerk enthält technische Normen, welche keine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ersetzen kann (vgl. OVG NRW Urteil vom 20.09.2007 - 7 A 1434/06).

17

Dabei ergeben sich vorliegend besondere Rücksichtnahmepflichten aus dem auch rechtlich relevanten Näheverhältnis der Parteien zueinander, die allesamt derselben Wohnungseigentümergemeinschaft angehören. Bereits allgemein leitet das Gesetz aus rechtlichen Sonderverbindungen einen erhöhten Pflichtenstandard ab (§ 241 Abs. 1 und 2 BGB). Noch spezieller ergibt sich dies aus dem Wohnungseigentumsgesetz. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von seinem Eigentum in einer solchen Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst (§ 14 Nr. 1 WEG).

18

Einen Nachteil stellt jegliche Grillaktivität des Beklagten auf der Giebelseite des Hauses auch unter Berücksichtigung des Beklagten- und Beigeladenenvorbringens dar. Selbstredend mag im Einzelfall der Wind so stehen, dass jegliche Geruchsbelästigungen ausgeschlossen sind. Bei einer Entfernung des Grills von fünf bis sechs Metern zu den Fenstern der klägerischen Wohnung und der verwendeten Holzkohle bedarf es aber keiner Ortsbesichtigung oder Sachverständigerbegutachtung dafür, dass ein Grillvorgang in der Wohnung der Kläger bei offenen Fenstern ohne Weiteres als störend wahrgenommen werden kann. Damit stellt sich im Wesentlichen noch die Frage der zumutbaren Frequenz. Wie die Beklagtenseite zutreffend anmerkt, ist das Grillen in bundesdeutschen Vorgärten als sozial üblich einzuschätzen. Weiter ist die gestattete Anzahl der Grillvorgänge so auszulegen, dass - auch angesichts der Rechtskraftwirkung für alle Beteiligten, § 48 Abs. 3 WEG - dadurch eine tragbare Lösung für sämtliche Wohnungseigentümer gefunden wird.

19

Das Gericht geht von einer normalerweise auf März bis Oktober beschränkten Grillzeit aus. Es sieht dem Recht auf ausgewogene Nutzung des Grundstücks durch die Mitwohnungseigentümer insgesamt Genüge getan, wenn drei Mal pro Monat gegrillt werden darf. Das sind 24 Grillvorgänge. Aufgeteilt auf die sechs Parteien des Objekts fielen auf jede Wohnungseigentümerpartei vier Grillvorgänge. Da liegt der klägerische Antrag (sogar) noch darüber (§ 308 I 1 ZPO).

20

2. Aus dem bereits aufgezeigten Sonderrechtsverhältnis zwischen den Parteien (§ 241 BGB, § 14 Nr. 1 WEG) leitet sich auch die - für das Gegenüber hilfreiche - Verpflichtung der grillaktiven Parteien ab, die Gemeinschaft vorher von ihren Plänen in Kenntnis zu setzen. Andererseits darf dies nicht so weit gehen, den (ja auch) spontanen Charakter des Grillens komplett zu untergraben. Auch ist den Unvorhersehbarkeiten des Wetters Rechnung zu tragen. Unter Berücksichtigung all dessen hält das Gericht eine Vorwarnzeit von 24 Stunden für ausreichend, aber auch erforderlich.

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3. Die Androhung bezüglich der Unterlassungsverpflichtung war antragsgemäß auszusprechen (§ 890 Abs. 2 ZPO). Für auferlegte unvertretbare Handlungen (Tenor Ziffer 2) ist eine Androhung nicht vorgesehen (§ 888 ZPO).

22

4. Der Streitwert hat das Gericht festgesetzt nach § 49a GKG. Das Interesse der Parteien und der Beigeladenen hat es dabei geschätzt (§ 287 ZPO). Der Kostenausspruch basiert auf § 92 ZPO (soweit in der Hauptsache zu entscheiden war) und auf § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO (für die Teilrücknahme). Die Kostenaufhebung gilt wegen des Teilerfolgs der Klage auch für die Beigetretenen (§§ 101 Abs. 1, 92, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO).


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