Urteil vom Arbeitsgericht Bonn - 2 Ca 93/22
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird gesondert zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die bei ihr Beschäftigten E-Mails des Klägers u.a. mit Informationen für die Betriebsratswahl 2022 zum Zwecke der direkten Ansprache zu übersenden.
3Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen. Der Kläger ist ein nicht tariffähiger Berufsverband, der sich nach seiner Satzung die Unterstützung und Beratung von Arbeitnehmern und die Vertretung von Beamten in Betrieben der Berufssparten Telekommunikation und Informationstechnik zum Ziel gesetzt hat.
4Bei der Beklagten gilt seit dem 01.05.2016 ein Telearbeits-Tarifvertrag für die Mitglieder des Z. (im Folgenden: TV Telearbeit), welcher - soweit vorliegend relevant - die nachfolgenden Regelungen enthält:
5„§ 6 Gewerkschaftliche Informationen
6(…)
7(2) Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft erhält die Möglichkeit, in autonomer inhaltlicher Verantwortung gewerkschaftliche Informationen im Intranet des Arbeitgebers zu hinterlegen, auf die die Telearbeiter grundsätzlich zugreifen können.
8(3) Das Leistungsangebot nach Absatz 2 umfasst die Möglichkeit, dass Telearbeiter ihre E-Mailadresse hinterlegen können, um damit spezifische und weitergehende Informationen von der A. zu erhalten.
9(4) Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft hat das Recht und die Möglichkeit über den Arbeitgeber E-Mails an alle angeschlossenen Telearbeiter (gemäß Anlage 1 bis 3 dieses Tarifvertrages) zu versenden. Der Inhalt der derart versendeten E-Mails ist beschränkt auf Hinweise auf das inhaltliche elektronische Angebot und die jeweilige Adresse. Der Arbeitgeber leitet die E-Mails unverzüglich weiter, ohne auf den Inhalt Einfluss genommen zu haben. Die elektronischen Empfängeradressen werden nicht an den Absender weitergegeben.“
10Der Kläger wandte sich mit einem Schreiben vom 14.04.2021 an die Beklagte und führte hierin auszugsweise wie folgt aus:
11„(…) Da sich aktuell die Mitarbeiter/innen überwiegend im Homeoffice oder im Außendienst befinden, sind diese für uns kaum zu erreichen. Die Kommunikation hat sich inzwischen weitgehend auf die arbeitgeberseitigen elektronischen Medien verlagert. Informationsveranstaltungen, Betriebsversammlungen etc. finden nur online, also ebenfalls ohne Zugangsmöglichkeiten für uns statt.
12Wir müssen feststellen, dass wir unsere Aufgaben als Berufsverband nur noch sehr eingeschränkt wahrnehmen können und die existentielle Mitgliederwerbung für uns nicht mehr möglich ist. Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist ebenfalls eine werbende Ansprache von Betriebsratskandidaten und nachfolgend eine faire Durchführung der Betriebsratswahlen bzw. der Wahlkampf etc. nicht machbar. Um diesen uns betreffende essentielle Nachteile abzuhelfen, haben wir folgende Bitte:
13Um an alle Konzern-Beschäftigten Informationsmails mit dem Hinweis auf die Tätigkeit der B., unsere Homepage / F.-Seite usw. senden zu können, möchten wir gerne vierteljährlich Werbung und Informationen mittels der im Konzern vorhandenen IT-Dienste und –Netze verteilen (insbesondere per E-Mail).
14Die so durchgeführte E-Mail-Werbung soll in ihrer funktionalen Wirkung nichts anderes als ein „virtuelles Betreten“ des Betriebs darstellen. Zu zukünftig stattfindenden Betriebsratswahlkämpfen können wir uns ebenfalls vorstellen auf diese Weise zu verfahren.
15(…)“
16Auf das Schreiben des Klägers vom 14.04.2021 (Bl. 46 d.A.) wird Bezug genommen.
17Die Beklagte reagierte auf das Schreiben des Klägers nicht.
18Die Arbeitnehmer der Beklagten waren pandemiebedingt seit dem 2. Quartal 2020 verstärkt im Home-Office tätig. Die HomeOffice-Nutzung war sodann in den Sommermonaten leicht rückläufig. Mit einer Information der Beklagten vom 01.12.2021 wurden die bei ihr Beschäftigten gebeten, die Bürotätigkeit bis auf weiteres ins HomeOffice zu verlagern, sofern nicht zwingende betriebliche oder persönliche Gründe dem entgegenstehen. Derzeit kehren die Arbeitnehmer der Beklagten unter der Aktion „Zurück zum Arbeitsplatz“ péu-á-péu zurück zum Arbeitsplatz; unter dem Projekt „New Work“ werden jedoch auch Telearbeit und HomeOffice weiterhin möglich sein.
19Mit E-Mail vom 01.12.2021 erinnerte der Kläger die Beklagte an das Schreiben vom 14.04.2021 und setzte eine Frist zur Rückäußerung bis zum 03.12.2021. Der Kläger verwies nochmals darauf, dass die gegenwärtigen HomeOffice-Vorgaben die Ansprache potentieller Betriebsratskandidaten ohne die Nutzung der dienstlichen E-Mailadressen unmöglich mache. Auf die E-Mail des Klägers vom 01.12.2021 (Bl. 45 d.A.) wird Bezug genommen.
20Die Beklagte erwiderte mit E-Mail vom 03.12.2021, dass sie als Arbeitgeberin zur Neutralität in Bezug auf die Betriebsratswahlen verpflichtet sei. Sie könne weder zu Gunsten einzelner Interessenten/Bewerber für eine Betriebsratstätigkeit noch einzelner Berufsverbände eine Absprache treffen, welche eine Bevorzugung gegenüber anderen vergleichbaren Personen oder Gruppen bewirke. Auf die E-Mail der Beklagten vom 03.12.2021 (Bl. 11 d.A.) wird Bezug genommen.
21Bei der Beklagten wird eine intranetbasiere Kommunikationsplattform, dass sog. F.-United Portal betrieben, welche den Beschäftigten der Beklagten zugänglich ist. Der Kläger hat auf dem F.-United Portal der Beklagten eine eigene Seite, auf der er Inhalte einstellen, auf seinen Internetauftritt und seine Inhalte verweisen sowie Kontaktdaten veröffentlichen kann.
22Mit Kommunikation vom 19.01.2022 wies die Beklagte im Vorfeld zu den Betriebsratswahlen im Jahr 2022 im F.-United Portal darauf hin, dass dort als digitale Alternative zusätzlich zu den analogen Werbemitteln ein virtuelles schwarzes Brett arbeitgeberseitig ermöglicht werde. Hier seien Wahlbewerber berechtigt, Wahlwerbung zu betreiben. Es wird zudem erläutert, wie man auf die Seite der Werbung zur Betriebsratswahl gelangt.
23Der Kläger behauptet, dass er vor dem Hintergrund, dass sich die Mitarbeiter der Beklagten derzeit überwiegend im HomeOffice oder im Außendienst befänden und Informationsveranstaltungen und Betriebsversammlungen nur noch online stattfänden, er seine Aufgaben als Berufsverband nur noch eingeschränkt wahrnehmen könne und eine Mitgliederwerbung nicht mehr möglich sei. Er sei weder in der Lage, auf sich und seine Inhalte aufmerksam zu machen, noch potentielle Kandidaten für eine Tätigkeit im Betriebsrat unter den Mitarbeitern der Beklagten anzusprechen und für sich zu gewinnen. Er sei daher insbesondere im Rahmen der bevorstehenden Betriebsratswahlen darauf angewiesen, dass ihm gestattet werde, Informationen zur Betriebsratswahl 2022 per E-Mail an die Beschäftigten zu versenden.
24Der Kläger ist der Ansicht, dass er einen Anspruch gegen die Beklagte darauf habe, dass diese E-Mails mit Informationen, welche er in autonomer inhaltlicher Verantwortung der Beklagten zur Verfügung stelle, an alle bei ihr Beschäftigen versende.
25Der Kläger könne sich als Arbeitnehmervereinigung auf Art. 9 Abs. 3 GG berufen. Hierbei sei es unerheblich, dass ihm die für eine Qualifizierung als Gewerkschaft erforderliche Verbandsmacht und Durchsetzungsfähigkeit und damit die Tariffähigkeit fehle. Der Kläger sei eine Koalition i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG. Die Mitgliederwerbung und Information von Arbeitnehmern sei Teil der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten koalitionsspezifischen Betätigungsfreiheit. Dies umfasse auch die Entscheidung, auf welche Art und Weise Werbung betrieben werde. Soweit hierfür Eigentum bzw. Betriebsmittel der Beklagten erforderlich seien, kollidiere dies zwar mit deren Rechtspositionen aus Art. 14 Abs. 1 GG; diese Rechte könnten jedoch eingeschränkt werden. Die Beeinträchtigung der Rechte der Beklagten seien äußert gering und dem stünde auf Seiten des Klägers ein geschütztes Interesse von erheblichem Gewicht gegenüber. Dass hierdurch der Betriebsfrieden nicht gewahrt werde oder ein störungsfreier Betriebsablauf nicht gewährleistet sei, sei nicht ersichtlich. Es sei für die Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften von großer und immer weiter zunehmender Bedeutung, dass sie mit den Arbeitnehmern auf dem immer üblicher werdenden Weg des E-Mailverkehrs in Kontakt treten könne. Dies gelte insbesondere angesichts der weit verbreiteten Auflösung des klassischen betrieblichen Arbeitsplatzes zugunsten von häuslicher Telearbeit und angesichts flexibler Arbeitszeitmodelle ohne feststehende und für Außenstehende absehbare Arbeitszeiten. Gerade in der derzeitigen Situation einer weltweiten Pandemielage sei es für den Kläger unabdingbar, von den bei der Beklagten bestehenden technisch eröffneten Möglichkeiten der Kontaktaufnahme per E-Mail Gebrauch zu machen. Zudem sei es technisch mit einfachsten Mitteln möglich, die von dem Kläger begehrten E-Mails über eine neutrale E-Mailadresse zu versenden, bei der die Distanz zum Arbeitgeber sofort ersichtlich sei.
26Aus Datenschutzgründe verlange der Kläger gerade nicht die Weitergabe der betrieblichen E-Mailadressen der Beschäftigten unmittelbar an ihn, sondern begehre den Versand der E-Mail über die Beklagte.
27Insoweit sei es nicht ausreichend, Informationen in dem F.-United Portal der Beklagten einzustellen, da die Auffindbarkeit solcher Intranet-Inhalte von einer aktiven Suche abhängig sei. Aufgrund der Systemänderung des Social-Networks der Beklagten liefen die bisherigen Verlinkungen des Klägers ins Leere.
28Zudem habe der Kläger im Vergleich zu der A. einen erheblichen Nachteil, da diese aufgrund des TV Telearbeit E-Mails an alle angeschlossenen Beschäftigten versenden und auf ihr elektronisches Angebot und ihre jeweiligen Adressen aufmerksam machen könne. Hierdurch verletze die Beklagte ihre Neutralitätspflicht. Die Beklagte leite gemäß § 6 Abs. 4 TV Telearbeit E-Mails der A. unverzüglich an die Beschäftigten weiter, ohne auf den Inhalt Einfluss genommen zu haben. Dies richte sich nicht nur an die Mitglieder der Gewerkschaft, da der Tarifvertrag normativ und kollektivrechtlich gelte. Hiermit sei eine generelle Informationsverteilung an alle Beschäftigten im HomeOffice gestattet. Demgemäß habe der Kläger auch einen Anspruch auf Gleichbehandlung.
29Mit der am 11.01.2022 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenen Klage hat der Kläger den streitgegenständlichen Anspruch auf ein digitales Zugangsrecht via E-Mailversand gegen die Beklagte geltend gemacht.
30Der Kläger beantragt,
31die Beklagte zu verurteilen, ihm in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmervereinigung zu gestatten, während der aufgrund der derzeitigen Pandemielage verminderten Möglichkeit, Beschäftigte vor Ort in den Betriebsgebäuden zu erreichen, in autonomer inhaltlicher Verantwortung über die Beklagte zum Zwecke der direkten Ansprache von Beschäftigten E-Mails mit Informationen, insbesondere für die Betriebsratswahl 2022, zu versenden.
32Die Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Klageantrag schon nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 ZPO genüge. Die Reichweite des Klagebegehrens sei aus dem Antrag nicht eindeutig zu ermitteln.
35Weiterhin ist die Beklagte der Ansicht, dass der Kläger keinen Anspruch auf den von ihm begehrten E-Mailversand über sie an alle Beschäftigten habe.
36Es bestehe kein Anspruch auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 BetrVG. Dieses Recht stehe nur tariffähigen Gewerkschaften, nicht hingegen jeder Arbeitnehmerkoalition zu.
37Die von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit kollidiere vorliegend mit dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht der Beklagten, frei über das Eigentum an ihren Betriebsmitteln zu verfügen. Dies führe zu einer Güterabwägung im Einzelfall. Hierbei sei zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger um eine nicht tariffähige Koalition handele, bei der die Verhältnismäßigkeitsprüfung eher dazu führe, dass der Arbeitgeber eine Beeinträchtigung nicht hinnehmen müsse. Bei einer möglichen Verpflichtung des Arbeitgebers, E-Mails der Gewerkschaften aus seinem E-Mailsystem an die Arbeitnehmer weiterzuleiten, müsse er für die Gewerkschaft tätig werden und würde somit in den Dienst der Gewerkschaft genommen. Hingegen sehe auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nur eine Duldungs-, aber keine Handlungspflicht vor. Die Gründe gegen das Begehren des Klägers lägen insbesondere in einem störungsfreien Betriebsablauf, der Wahrung des Betriebsfriedens und dem Gebot der strikten Neutralität des Arbeitgebers im Rahmen von Belegschaftswahlen. Zudem sei unter Kostengesichtspunkten der drohende Arbeitszeitverlust zu berücksichtigen. Die Verteilung von materiellen Werbeunterlagen während der Arbeitszeit sei nicht von Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt; die elektronische Übermittlung von Informationen geschehe jedoch in aller Regel während der Arbeitszeit. Insoweit sei es praxisfern anzunehmen, die Arbeitnehmer würden diese erst nach dem Ende der Arbeitszeit lesen.
38Jedenfalls fehle es an der Verhältnismäßigkeit, da dem Kläger mit der Nutzung der internen Kommunikationsplattform F.-United Portal im Intranet der Beklagten eine gleich wirksame Maßnahme zur Verfügung stehe, um die Beschäftigten der Beklagten zu erreichen. Mit Blick auf die Betriebsratswahlen habe die Beklagte im F.-United Portal eine eigenständige Kategorie einschließlich der Möglichkeit der Wahlwerbung zur Verfügung gestellt. Damit treffe die Behauptung des Klägers, dass er nicht in der Lage sei, auf sich und seine Inhalte aufmerksam zu machen, nicht zu.
39Die Beklagte geht weiterhin davon aus, dass dem geltend gemachten Anspruch die Regelungen der DSGVO und des BDSG entgegenstünden. Eine Weitergabe der E-Mailadressen aller Mitarbeiter ohne deren vorheriger Einwilligung sei nicht zulässig. Auch der Weiterleitung von Informationen und Werbemaßnahmen einer Gewerkschaft ohne Einverständnis der Arbeitnehmer stehe eine datenschutzrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung entgegen. Insoweit gehe das Interesse der Arbeitnehmer auf Wahrung ihrer personenbezogenen Daten und ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung dem von dem Kläger geltend gemachten Anspruch vor.
40Auch unter Berücksichtigung des TV Telearbeit sei der geltend gemachte Anspruch des Klägers nicht berechtigt. Der Anspruch der Gewerkschaft nach § 6 Abs. 4 TV Telearbeit beschränke sich auf die angeschlossen Telearbeiter und mithin auf Mitglieder der Gewerkschaft. Zudem sei die Information auf Hinweise über das elektronische Angebot und die jeweilige Adresse beschränkt. Die weiterzuleitenden E-Mails dürfen dementsprechend keine weitergehenden Informationen oder Werbemaßnahmen enthalten. Insoweit könne die Beklagte auch prüfen, ob die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 TV Telearbeit eingehalten werden und andernfalls eine entsprechende E-Mail nicht weiterleiten. Damit enthalte der TV-Telearbeit weniger Rechte, als der Kläger selbst begehre.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle verwiesen.
42Entscheidungsgründe
43I. Die erhobene Klage ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versand von E-Mails an alle Beschäftigten der Beklagten mit von ihm in autonomer inhaltlicher Verantwortung bestimmten Inhalten.
441. Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG eröffnet. Nach dieser Vorschrift sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen tariffähigen Parteien, soweit es sich um Fragen der Vereinigungsfreiheit handelt (vgl. BAG, Urteil vom 14.02.1978 – 1 AZR 280/77, juris, Rn. 14). Eine Angelegenheit der Vereinigungsfreiheit i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG liegt auch dann vor, wenn zur Entscheidung steht, ob sich eine aus Arbeitnehmern bestehende Koalition in bestimmter, von ihr in Anspruch genommener Weise mit dem Ziele der Mitgliederwerbung der gewerkschaftlichen Information und der gewerkschaftlichen Betreuung betätigen darf (BAG, Urteil vom 14.02.1978 – 1 AZR 280/77, juris, Rn. 14). Der Kläger macht vorliegend als Vereinigung i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG Ansprüche betreffend der Mitgliederwerbung bei der Beklagten geltend. Damit ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten vorliegend nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG eröffnet. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 12, 17 ZPO, da die Beklagte ihren Geschäftssitz in Bonn hat.
45Weiterhin ist der Klageantrag auch hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es handelt sich um einen sog. Globalantrag, mit welchem eine Handlungsverpflichtung der Beklagten für eine Vielzahl künftiger Fallkonstellationen verfolgt wird. Einem solchen Antrag steht das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht deshalb entgegen, weil ein solcher Antrag alle denkbaren Fallgestaltungen und Möglichkeiten umfasst. Vielmehr ist die Frage, ob der in dem Globalantrag beschriebene Anspruch in jeder denkbaren Sachverhaltskonstellation zusteht, eine Frage der Begründetheit (vgl. hierzu BAG, Beschluss vom 26.05.2021, 7 ABR 17/20, juris, Rn. 16).
462. Die Klage ist in der Sache nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese von ihm inhaltlich autonom verantwortete E-Mails mit Informationen an alle bei ihr Beschäftigten versendet.
47a. Es besteht kein Anspruch des Klägers auf Versand von E-Mails an alle bei der Beklagten Beschäftigten auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 GG.
48Nach Art. 9 Abs. 3 GG ist das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Dass der Kläger als Vereinigung trotz fehlender Tarifmächtigkeit unter den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG fällt, ist zwischen den Parteien unstreitig.
49Art. 9 Abs. 3 GG schützt gewerkschaftliche Koalitionen in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihrer Betätigung, sofern diese der Wahrung oder Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007 – 1 BvR 978/05, juris, Rn. 21; BAG, Urteil vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08, juris, Rn. 38). Die Wahl der Tätigkeiten und der Mittel, mit denen die Koalitionen diesen Zweck erreichen wollen, überlässt Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen selbst (BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007 – 1 BvR 978/05, juris, Rn. 21; BAG, Urteil vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08, juris, Rn. 38). Zu den geschützten Tätigkeiten, die dem Erhalt und der Sicherung einer Koalition dienen, zählt u.a. auch die Mitgliederwerbung. Ohne Werbung um neue Mitglieder besteht die Gefahr, dass der Mitgliederbestand einer Gewerkschaft im Laufe der Zeit in einem Umfang zurückgeht, dass sie ihrer Aufgabe, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern, nicht mehr sachgemäß nachkommen kann. Zu den geschützten Tätigkeiten zählt ferner die Information von Mitgliedern und Nichtmitgliedern über Aktivitäten der Vereinigung, die der Erreichung des Koalitionszwecks, etwa der Verbesserung der Arbeitsbedingungen dienen sollen. Die freie Darstellung organisierter Gruppeninteressen ist Bestandteil der Betätigungsfreiheit, die Art. 9 Abs. 3 GG den Koalitionen gewährleistet. Sie ist erforderlich für die weitere Unterstützung von Seiten der Mitglieder und deren Mobilisierung und dient zugleich der Werbung von Nichtmitgliedern (vgl. insgesamt BAG, Urteil vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08, juris, Rn. 38; LAG Köln, Urteil vom 16.09.2016 – 10 Sa 328/16, juris, Rn. 41). Der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG erstreckt sich demgemäß grundsätzlich auch auf die Wahl der Art und Weise, in der eine Koalition Werbung betreiben und Informationen erteilen will (BAG, Urteil vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08, juris, Rn. 39; LAG Köln, Urteil vom 16.09.2016 – 10 Sa 328/16, juris, Rn. 41).
50Ist die Gewerkschaft jedoch bei der von ihr gewählten Art und Weise der Mitgliederwerbung und Information auf die Inanspruchnahme von Eigentum oder Betriebsmitteln des Arbeitgebers angewiesen, kollidiert dies mit dessen Rechtspositionen aus Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG in Gestalt des Rechts auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit (BAG, Urteil vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08, juris, Rn. 40; LAG Köln, Urteil vom 16.09.2016 – 10 Sa 328/16, juris, Rn. 45). Zum Schutz von gleichermaßen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen kann die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit, obwohl ohne Gesetzesvorbehalt verbürgt, eingeschränkt werden. Allerdings dürfen dem Betätigungsrecht der Koalition nur solche Schranken gezogen werden, die im konkreten Fall zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter von der Sache her geboten sind. Die dazu erforderliche Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit durch die Rechtsordnung obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber. Sieht dieser hiervon ab, ist es Sache der Gerichte, den mit Art. 9 Abs. 3 GG verbundenen staatlichen Schutzauftrag bei der Normauslegung und ggf. im Wege der Rechtsfortbildung wahrzunehmen. Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie trotz ihres Gegensatzes, für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. hierzu insgesamt BAG, Urteil vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08, juris, Rn. 40; BAG, Beschluss vom 15.10.2003 – 1 ABR 31/12, juris, Rn. 36; BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007 – 1 BvR 978/05, juris, Rn. 23).
51Demgemäß bedarf es vorliegend einer Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers an einer möglichst umfassenden Information der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer mit dem Interesse der Beklagten an einem störungsfreien Betriebsablauf und der Vermeidung der übermäßigen Inanspruchnahme ihrer Ressourcen.
52Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist eine tarifzuständige Gewerkschaft auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich jedenfalls berechtigt, E-Mails auch ohne Einwilligung des Arbeitgebers und ohne vorherige Aufforderung seitens der Arbeitnehmer an die betrieblichen E-Mailadressen ihrer Mitglieder zu versenden (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08, juris, Rn. 34 ff; anders: zum Zwecke eines Wahlkampfaufrufs: BAG, Beschluss vom 15.10.2013 – 1 ABR 31/12, juris). Ausdrücklich offen gelassen hat das Bundesarbeitsgericht hierbei jedoch bislang, ob dies auch für den Versand von E-Mails an Nichtmitglieder der Gewerkschaft gilt (BAG, Urteil vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08, juris, Rn. 53). In der Rechtsliteratur ist bereits die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Duldung der Übersendung von E-Mails an die betriebliche E-Mailadresse aller Arbeitnehmer äußert umstritten (befürwortend: Hjort/Mamerow, NZA 2021, 1758 ff; ablehnend: Göpfert/Stöckert, NZA 2021, 1209 ff; Dumke, RdA 2009, 77 ff; vgl. ferner Picker, NZA-Beilage, 2021, 4 ff).
53Der Kläger begehrt vorliegend jedoch nicht alleine eine Duldung der Beklagten dahingehend, dass er an die ihm bekannten betrieblichen E-Mailadressen seiner eigenen Mitglieder Informationen zur Betriebsratswahl 2022 versendet. Der Antrag des Klägers ist vielmehr darauf gerichtet, dass die Beklagte verpflichtet wird, ihr von dem Kläger zur Verfügung gestellte E-Mails ohne eigene Prüfung an alle bei ihr Beschäftigten zu versenden.
54Aus Sicht der Kammer besteht jedoch zwischen der Duldung der Nutzung der bereits bekannten betrieblichen E-Mailadressen von Gewerkschaftsmitgliedern durch eine Gewerkschaft und der Verpflichtung der Beklagten zum Versenden von E-Mailinhalten an alle bei ihr Beschäftigten ein gewichtiger Unterschied. Dies gilt zum einen, da die Beklagte verpflichtet wird, eigene Ressourcen aufzuwenden, um eine Weiterleitung der ihr zur Verfügung gestellten E-Mail an alle Beschäftigten zu veranlassen. Sie trifft damit nach dem streitgegenständlichen Klageantrag – trotz gegebenenfalls gegenläufiger eigener Interessen – eine aktive Handlungspflicht zugunsten der Koalitionen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG. Bereits aufgrund des Begehrens einer aktiven Handlungspflicht der Beklagten anstelle der bislang von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes angenommenen Duldungspflicht überwiegt das Recht der Beklagten auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG.
55Da der Kläger darüber hinaus keine Beschränkung dahingehend trifft, wie viele E-Mails an welchen Adressatenkreis versendet werden soll, überschreitet auch der zeitliche Aufwand für die Beklagte und die zeitliche Inanspruchnahme der Arbeitnehmer deutlich den bisher vom Bundesarbeitsgericht zugestandenen Anspruch auf Duldung der Nutzung der betrieblichen E-Mailadressen. Die Beklagte wäre gezwungen, einen entsprechenden E-Mailverteiler einzurichten, diesen betreffend aller bei ihr im Konzern beschäftigten Arbeitnehmer immer auf einem aktuellen Stand zu halten und schließlich Ressourcen zum Versand der ihr zur Verfügung gestellten E-Mails bereitzuhalten. Mangels Eingrenzung des Klageantrags dahingehend, wie oft der Kläger Informationen an die Beschäftigten übersenden darf, wäre dieser nicht gehindert, die Beschäftigten der Beklagten täglich mit Informationen versorgen zu wollen. Die Beklagte müsste dann täglich Arbeitszeit eines Mitarbeiters zum Empfang, Prüfung und Versand der E-Mail des Klägers an alle Beschäftigten aufwenden. Weiterhin würden die Beschäftigten der Beklagten täglich Arbeitszeit aufwenden, um die E-Mail der Beklagten, die im Auftrag des Klägers versandt wurde, zur Kenntnis zu nehmen. Damit aber wäre der ungestörte Betriebsablauf der Beklagten erheblich beeinträchtigt.
56Auch differenziert der Antrag nicht danach, ob die Beschäftigten, an welche die E-Mail versandt werden soll, überhaupt von dem persönlichen Geltungsbereich der Vereinigung des Klägers gemäß § 1 der Satzung erfasst werden. Damit aber würden von der E-Mail des Klägers auch solche Beschäftigte erfasst, die z.B. mangels Arbeitnehmereigenschaft, überhaupt nicht unter den persönlichen Geltungsbereich der Satzung des Klägers fallen. Zudem beschränkt der Kläger seinen Antrag zwar dahingehend, dass dieser sich auf die Dauer der derzeitigen Pandemielage beschränkt, jedoch beschränkt der Kläger seinen Anspruch nicht auf diejenigen Beschäftigten bei der Beklagten, die tatsächlich vor Ort in den Betriebsgebäuden nicht zu erreichen sind. Für die Beschäftigten vor Ort besteht jedoch aufgrund der derzeitigen Pandemielage keine Einschränkung in deren Erreichbarkeit. Damit geht der klägerseits gestellte Antrag insoweit über das geltend gemachte Begehren hinaus.
57Schließlich erhält die zu versendende E-Mail mit Informationen des Klägers durch die Versendung seitens der Beklagten als Arbeitgeberin ein anderes Gewicht. Zwar mag sich die Beklagte inhaltlich bei der Weiterleitung der E-Mail von den übersendeten Inhalten distanzieren. Dennoch wird ein Arbeitnehmer der von dem eigenen Arbeitgeber übersandten E-Mail regelmäßig ein anderes Gewicht beimessen als von einer von einer Arbeitnehmervereinigung übersandten E-Mail.
58Das von dem Kläger verlangte Begehren ist schließlich zur wirksamen Wahrnehmung seiner grundrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG nicht erforderlich. Denn die Beklagte hat dem Kläger – wie allen anderen Gewerkschaften – über die unternehmensinterne, intranetbasierte Kommunikationsplattform F.-United Portal bereits die Möglichkeit eröffnet, Informationsmaterial und Mitgliederwerbung auf dem bei der Beklagten üblichen Kommunikationsforum zu veröffentlichen. Damit kann der Kläger alle – auch im HomeOffice beschäftigten Arbeitnehmer – wirksam erreichen. Die Nutzung der betrieblichen E-Mailadressen der Beklagten und der Versand der E-Mails durch die Beklagte als Arbeitgeberin sind damit zur Wahrnehmung der gewerkschaftsrechtlichen Betätigungsfreiheit nicht erforderlich.
59Dem steht auch nicht entgegen, dass diese Inhalte nur von interessierten Arbeitnehmern gesucht und gefunden werden können. Denn auch eine Serien-E-Mail an alle Arbeitnehmer eines Betriebes wird nur von den interessierten Arbeitnehmern zur Kenntnis genommen werden. Selbiges gilt zudem für die Verteilung von Werbe- und Informationsmaterial auf dem Betriebsgelände. Auch dieses wird nur von interessierten Arbeitnehmern zur Kenntnis genommen werden. Damit besteht für den Kläger kein Nachteil in der Erreichbarkeit der Arbeitnehmer aufgrund deren Beschäftigung im HomeOffice für die Dauer der derzeitigen Pandemielage.
60Unter Abwägung der wechselseitigen Interessen ist die Beklagte nicht zum Versand von E-Mails mit autonom verantwortetem Inhalt des Klägers an alle bei ihr Beschäftigten verpflichtet. Durch eine aktive Verpflichtung der Beklagten zur Mitwirkung an der Informationsverteilung und Werbung von Mitgliedern wird die Beklagte erheblich in ihrem Grundrecht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Demgegenüber kann der Kläger sein Recht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG über die Nutzung des betrieblichen F.-United Portals der Beklagten zur Erreichung aller auch im HomeOffice beschäftigten Arbeitnehmer hinreichend wirksam ausüben. Es besteht kein Anspruch des Klägers aus Art. 9 Abs. 3 GG auf Versand von E-Mails mit autonom verantworteten Informationen durch die Beklagte an alle bei ihr Beschäftigten.
61b. Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Versand von E-Mails mit autonom verantworteten Informationen an alle Beschäftigten bei der Beklagten auf der Grundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG. Der streitgegenständliche Anspruch des Klägers kann sich nicht aus einer Gleichbehandlung auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 GG mit der Gewerkschaft G. nach Maßgabe von § 6 Abs. 4 TV-Telearbeit ergeben. Denn der mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Anspruch des Klägers geht über die tarifvertragliche Regelung von § 6 Abs. 4 TV-Telearbeit weit hinaus.
62Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 21.03.2018 – 10 AZR 34/17, juris, Rn. 44). Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfG, Urteil vom 07.05.2013 – 2 BvR 909/06 u.a., juris, Rn. 76; BAG, Urteil vom 21.03.2018 – 10 AZR 34/17, juris, Rn. 44).
63Es kann vorliegend zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er einen Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG mit den bei der Beklagten vertretenen Gewerkschaften und damit einen Anspruch nach Maßgabe von § 6 Abs. 4 TV-Telearbeit hat. Denn die Regelung von § 6 Abs. 4 des TV-Telearbeit umfasst nicht den streitgegenständlich geltend gemachten Anspruch.
64Nach § 6 Abs. 4 TV-Telearbeit hat die G. das Recht und die Möglichkeit, über den Arbeitgeber an alle angeschlossenen Telearbeiter E-Mails zu versenden. Der Inhalt der E-Mails ist hierbei jedoch beschränkt auf Hinweise auf das inhaltliche elektronische Angebot und die jeweilige Adresse. Demgemäß bestehen nach § 6 Abs. 4 TV-Telearbeit drei wesentliche Einschränkungen gegenüber dem klägerseitig geltend gemachten Anspruch. Zunächst beschränkt sich das Recht auf den Versand von E-Mailadressen auf die „angeschlossenen“ Arbeitnehmer und mithin Mitglieder der Gewerkschaft G.. Weiterhin werden von § 6 Abs. 4 TV-Telearbeit nicht alle bei der Beklagten Beschäftigten, sondern nur Telearbeiter i.S.d. Anlagen I bis III erfasst. Schließlich dürfen die E-Mails selbst keine eigenständigen, gewerkschaftlichen Informationen enthalten, sondern nur auf das elektronische Angebot und die jeweilige Adresse hinweisen. Die Regelung von § 6 Abs. 4 TV-Telearbeit ist demgemäß wesentlich weniger weitgehend als der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch.
65Der Kläger kann nicht auf der Grundlage des Gleichbehandlungsgebotes nach Art. 3 Abs. 1 GG den Versand von E-Mails mit von ihm autonom verantworteten Inhalten an alle bei der Beklagten Beschäftigten verlangen.
66c. Der Kläger kann den von ihm geltend gemachten Anspruch schließlich nicht auf § 2 Abs. 2 BetrVG stützen.
67Nach § 2 Abs. 2 BetrVG ist den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften nach Unterrichtung des Arbeitgebers Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht u.a. unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs entgegenstehen. Dieses Zugangsrecht erstreckt sich auf den Zugang zum Zwecke der Mitgliederwerbung und Information. Jedoch ist der Begriff der Gewerkschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 BetrVG nicht identisch mit einer Koalition i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG und setzt vielmehr Tariffähigkeit voraus (Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, § 2 BetrVG, Rn. 32; vgl. ferner Göpfert/Stöckert, Digitaler Zugang der Gewerkschaft zum Betrieb, NZA 2021, 1209, 1209). Dies erfordert auch bei Beamtenverbänden jedenfalls, dass diese tarifmächtig sind, d.h. eine hinreichende Mächtigkeit bzw. Durchsetzungsfähigkeit besitzen (Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, § 2 BetrVG, Rn. 37; vgl. ferner Richardi-Maschmann, 17. Aufl. 2022, § 2 BetrVG, Rn. 56). Dies müsse aufgrund aller Umstände des Einzelfalls festgestellt werden.
68Der Kläger ist nicht tariffähig bzw. hinreichend tarifmächtig und fällt damit nicht unter den Geltungsbereich des § 2 Abs. 2 BetrVG. Damit kann der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch auch nicht auf dieser Grundlage durchsetzen.
69Die Klage war daher abzuweisen.
70II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 91 Abs. 1 ZPO.
71Die Festsetzung des Streitwerts im Urteil erfolgte gemäß den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO in Höhe des dreifachen Regelsatzes.
72Die Berufung war vorliegend gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 1ArbGG aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gesondert zuzulassen.
73J.
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Referenzen
- ArbGG § 46 Grundsatz 2x
- 10 AZR 34/17 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 253 Klageschrift 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 17 Allgemeiner Gerichtsstand juristischer Personen 1x
- § 6 Abs. 4 TV 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 12 Allgemeiner Gerichtsstand; Begriff 1x
- 1 AZR 515/08 2x (nicht zugeordnet)
- 10 AZR 34/17 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 61 Inhalt des Urteils 1x
- ZPO § 495 Anzuwendende Vorschriften 1x
- BetrVG § 2 Stellung der Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber 8x
- 1 AZR 515/08 6x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x
- 1 BvR 978/05 1x (nicht zugeordnet)
- 10 Sa 328/16 3x (nicht zugeordnet)
- 1 AZR 280/77 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 978/05 2x (nicht zugeordnet)
- 1 ABR 31/12 2x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 4 TV 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 909/06 1x (nicht zugeordnet)
- 7 ABR 17/20 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 2 Zuständigkeit im Urteilsverfahren 1x