Urteil vom Arbeitsgericht Düsseldorf - 16 Ca 5427/20
Tenor
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- 3.
Streitwert: 6.632,91 €.
- 4.
Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
1
Beglaubigte Abschrift
Verkündet am 22.06.2021 Q. Regierungsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
||
Arbeitsgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes Urteil In dem Rechtsstreit |
V.
4Klägerin
5Prozessbevollmächtigte
6A.
7gegen
8H.
9Beklagter
10Prozessbevollmächtigte
11G.
12hat die 16. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf
13auf die mündliche Verhandlung vom 22.06.2021
14durch den Richter am Arbeitsgericht P. als Vorsitzenden
15und den ehrenamtlichen Richter X.
16und die ehrenamtliche Richterin T.
17für Recht erkannt:
18- 1.19
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.21
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- 3.23
Streitwert: 6.632,91 €.
- 4.25
Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
T a t b e s t a n d:
27Die Parteien streiten über die betriebsbedingte Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
28Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. (im Folgenden Schuldnerin). Die Klägerin ist seit dem 02.05.1989 als Flugbegleiterin mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 2.210,97 für die Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt.
29Bei der Schuldnerin handelte es sich um eine Fluggesellschaft mit Sitz in Berlin, die Stationen an verschiedenen Flughäfen hatte. Die Schuldnerin beschäftigte mit Stand August 2017 mehr als 6.000 Arbeitnehmer, davon 1.318 Cockpitmitarbeiter, 3.362 Beschäftigte in der Kabine und 1.441 Mitarbeiter am Boden. Sie bediente im Linienflugverkehr Ziele in Europa, Nordafrika, Israel sowie in Nord- und Mittelamerika und unterhielt Stationen an den Flughäfen Berlin-Tegel, Düsseldorf, München, Frankfurt am Main, Stuttgart, Hamburg, Köln, Paderborn, Nürnberg und Leipzig. Die Langstreckenflüge wurden in erster Linie von den Drehkreuzen in Berlin-Tegel und Düsseldorf aus durchgeführt.
30Das fliegende Personal trat am sog. Stationierungsort (home base bzw. Heimatbasis) seinen Dienst an und beendete ihn dort. Soweit Personal auf Flügen von anderen Flughäfen als dem vereinbarten Dienstort eingesetzt wurde, erfolgte dies in Form des sog. proceeding. Das Personal fand sich dabei zunächst am Dienstort ein und wurde von dort zum Einsatzflughafen gebracht. Der Dienstort der Klägerin war zuletzt Düsseldorf.
31In Berlin war der Leiter des Flugbetriebs („Head of Flight Operations“) ansässig. Diesem oblag die gesamte Leitung des Flugbetriebs im operativen Geschäft. Ihm unterstellt waren ua. die Abteilungen Cabin Crew sowie Crew Operations. Die Einsatzplanung für das Kabinenpersonal wurde seit Mitte 2017 in Berlin für den gesamten Flugbetrieb erstellt (Crew Planning). Dies umfasste die Urlaubsplanung und die Planung der Kabinencrew-Verkehre zwischen den einzelnen Stationen.
32Der Leitung der Abteilung Cabin Crew oblag die Durchsetzung, Kontrolle und Einhaltung aller Betriebsregeln im Bereich Kabine sowie die Personalplanung des gesamten Kabinenpersonals einschließlich der Begründung, Beendigung oder Änderung von Arbeitsverhältnissen. Ausweislich des sog. „Operations Manual Part A“ (OM/A, Stand 20.07.2017), welches die Organisationsstruktur des Flugbetriebs abbildete, waren der Leitung des Kabinenpersonals („PX-OK Cabin Crew“) ua. zwei Regional Manager unterstellt.
33Die Regional Manager waren als Flugbegleiter angestellt und in der Regel auch im operativen Flugbetrieb eingesetzt. Sie hatten keine eigenen Entscheidungskompetenzen. Das OM/A beschreibt die Aufgaben des ua. für die Station Düsseldorf zuständigen Regional Manager West wie folgt:
34„Der Regional Manager West ist für die Stationen DUS und PAD verantwortlich in disziplinarischen Fragen und Personalangelegenheit, einschließlich persönlicher Angelegenheiten.
35Er/sie nimmt an den Flugbetriebssitzungen teil und führt in Absprache mit der Leitung Kabinenpersonal Projekte durch. Er/sie ist täglich mit den Gewerkschaften und Betriebsräten in Kontakt.
36Aufgaben und Verantwortungsbereiche
37• Aufsicht über alle Aktivitäten im Bereich der Passagierbetreuung zur Erzielung eines optimalen professionellen, sicheren und freundlichen Services für die Passagiere
38• Überwachung der Einhaltung aller internen Richtlinien durch das Kabinenpersonal (z.B. Compliance, Datenschutz, interne Vorgaben)
39• Austausch von Informationen in allen sicherheitsrelevanten und Dienstleistungsangelegenheiten sowie in persönlichen Angelegenheiten mit den Regional Managern und der Leitung für das Kabinenpersonal
40• Durchführung von Stationssitzungen an den entsprechenden Stationen
41• Umsetzung von Feedback, Lob, persönlichem Austausch usw. in besonderen Fällen für alle Mitglieder des Kabinenpersonals an den entsprechenden Stationen
42• Er/Sie ist Mitglied des Health Management Team (BEM).
43• Überwachung der Einhaltung aller Dienstpläne an den entsprechenden Stationen. Vorgabe von Richtlinien und Spezifikationen für die Kabinenpersonalplanung, den Einsatzplan und Crewkontakt.
44• Regelmäßige Besetzung der Hotline für das Kabinenpersonal (24/7) als diensthabender Manager
45• Personalbeschaffung für alle Positionen im Bereich Kabinenpersonal
46• Verhandlung mit Gewerkschaften und Betriebsräten“
47Den Regional Managern waren sog. Area Manager Kabine („Area Manager Cabin“) untergeordnet. Deren Aufgaben und Kompetenzen sind ebenfalls im OM/A dargestellt. Ausweislich Ziff. 1.3.8.1.1 OM/A hatte der Area Manager Kabine alle Aspekte der Leistung des Kabinenpersonals zu verwalten, um sicherzustellen, dass ein gleichbleibend hohes Niveau an Sicherheit und Gastfreundlichkeit aufrechterhalten wird. Er wurde als Vorgesetzter aller Mitglieder des Kabinenpersonals bezeichnet, der Disziplinarverantwortung trage. Er hatte ua. die Aufgabe, Probleme zu ermitteln und zu beheben, um einheitliche Prozesse sicherzustellen. Auch hatte er Konflikte innerhalb des Kabinenpersonals bzw. zwischen Kabinen- und Cockpitpersonal in enger Abstimmung mit der Abteilung Flight Operations und dem Regional Manager zu deeskalieren.
48Für das Cockpitpersonal war gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG durch Abschluss des „Tarifvertrags Personalvertretung (TVPV) für das Cockpitpersonal der S.“ eine Personalvertretung (PV Cockpit) gebildet. Für das Kabinenpersonal wurde durch den „Tarifvertrag Personalvertretung (TVPV Kabine) für das Kabinenpersonal der S.“ die Personalvertretung Kabine (PV Kabine) errichtet. Beide Gremien hatten ihren Sitz in Berlin. Das Bodenpersonal vertraten die regional zuständigen Betriebsräte (Boden Nord, West und Süd) und der Gesamtbetriebsrat. § 74 TVPV sieht die Anhörung der PV Cockpit vor Ausspruch einer beabsichtigten Kündigung vor.
49Die von der Schuldnerin eingesetzten Flugzeuge standen nicht in deren Eigentum, sondern waren geleast. Seit Anfang des Jahres 2017 führte die Schuldnerin neben dem eigenwirtschaftlichen Flugbetrieb auch noch Flüge im sog. Wet Lease für Unternehmen der C.-Gruppe, insbesondere für die F. (iF.: F.), durch. Die Schuldnerin stellte dabei die von ihr selbst geleasten Flugzeuge (sog. Head Lease) F. als weiterer Leasingnehmerin (sog. Sub Lease) mit Besatzung, Wartung und Versicherung zur Verfügung. Die vertraglichen Abreden wurden als ACMIO-Vereinbarung bezeichnet. ACMIO steht für „Aircraft, Crew, Maintenance, Insurance, Overhead“. Die Personalplanung verblieb dementsprechend bei der Schuldnerin. Die für F. eingesetzten Flugzeuge wurden mit dem F.-Logo versehen und entsprechend lackiert. Das fliegende Personal trug jedenfalls teilweise im Wet-Lease-Einsatz Uniformen der F.. Der Wet-Lease-Flugbetrieb wurde an den einzelnen Flughäfen mit Start- und Landerechten für bestimmte Zeitspannen (Slots) der F. durchgeführt.
50Am 14.02.2017 schloss die Schuldnerin für das Cockpitpersonal mit der PV Cockpit einen „Rahmen-Interessenausgleich zur Umstrukturierung der Z. für das Cockpitpersonal“. Darin hieß es, die Organisationsstruktur des Flugbetriebs müsse geändert werden. Es sollte die Ausgliederung des Touristikgeschäfts, die Bereederung von Flugzeugen im Rahmen der mit der C.-Gruppe (C. AG, F. und Y.) getroffenen Wet-Lease-Vereinbarung (ACMIO-Operation) und eine Neuausrichtung der verbleibenden Kapazitäten im Rahmen des Programms „New K.“ erfolgen. Die Anlage 1 zu diesem Rahmen-Interessenausgleich lautet auszugsweise:
51„§ 1
52Die Zuordnung zur ACMIO-Operation ergibt sich bei ausschließlichen ACMIO-Stationen aus der entsprechenden Stationierung. An ‚gemischten Stationen‘ erfolgt eine individuelle Zuordnung erst, sobald die ‚dedicated crew‘ Operation aufgenommen wird. Mitarbeiter, die vor diesem Zeitpunkt an einer ‚gemischten Station‘ stationiert sind, werden bis dahin in beiden Operationen eingesetzt. […]
53§ 6
54Auch nach der Zuordnung der Mitarbeiter zur ausschließlichen Operation (ACMIO-Operation bzw. ‚New K.‘) verbleiben alle Mitarbeiter im einheitlichen Flugbetrieb der K.. Die Durchlässigkeit zwischen ‚New K.‘ und der ‚ACMIO-Operation‘ wird gewährleistet, z.B. durch Ausschreibung von Stellen und Umschulungen sowie die weiterhin gültige einheitliche Betriebszugehörigkeits-, Senioritäts- und Wechselwunschliste. [...]“
55Bis zu 38 Flugzeuge der Schuldnerin flogen im Wet Lease. Zumindest einige Flugzeuge waren umlackiert, die Crews trugen die Uniform des Vertragspartners. Die Stationen Stuttgart, Köln und Hamburg waren als reine Wet-Lease-Stationen vorgesehen und die Stationen Düsseldorf und München als gemischte Stationen; von den Stationen Berlin und Frankfurt sollte nur eigenwirtschaftlich geflogen werden.
56Unter dem 15.08.2017 beantragte die Schuldnerin beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen bei Eigenverwaltung. Das Gericht ordnete mit Beschluss vom gleichen Tag (Az. 36a IN 4295/17) zunächst die vorläufige Eigenverwaltung an. Der Beklagte wurde am 16.08.2017 zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Es wurde ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt. Danach wurde von der Schuldnerin eine Investorensuche eingeleitet, die eine Fortführung des Geschäftsbetriebs im Rahmen einer übertragenden Sanierung ermöglichen sollte. Nach Ablauf der Angebotsfrist am 15.09.2017 lag kein annahmefähiges Angebot vor. Daraufhin wurde beschlossen, weitere Verhandlungen mit der C.-Gruppe und der britischen Fluggesellschaft L. (L.) zu führen.
57Am 12.10.2017 unterzeichneten der Executive Director der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin, der Generalbevollmächtigte der Schuldnerin und der Beklagte für die Schuldnerin eine Erklärung. Diese lautet auszugsweise wie folgt:
58„Erklärung der S.
59[…] Es ist beabsichtigt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 26. Oktober 2017 beim Insolvenzgericht anzuregen.
60- 61
I. Die Liquiditäts- und Fortführungsplanung hat ergeben, dass eine Fortführung des Geschäftsbetriebs im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund haben die Geschäftsführung, der Generalbevollmächtigte, das Management Board sowie die Board of Directors der Z. die Entscheidung getroffen, die erforderliche Betriebsänderung (Stilllegung) - vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses und unter Wahrung der Beteiligungsrechte des Wirtschaftsausschusses sowie des Betriebsrates/Gesamtbetriebsrats bzw. der Personalvertretungen - durchzuführen.
[…]
63- 64
II. Die Unterzeichner dieses Beschlusses stimmen daher darin überein, dass beabsichtigt ist, den Geschäftsbetrieb der Z. Flüge einzustellen. Die Einstellung und Stilllegung des Geschäftsbetriebs der S. soll wie folgt umgesetzt werden:
1. Beendigung der Flugzeug-Leasingverträge der S. als Leasingnehmer durch Kündigung bzw. Abschluss von Aufhebungsverträgen und Rückgabe der Flugzeuge sukzessive bis zum 31.01.2018.
662. Einstellung des operativen Geschäftsbetriebs der S.. Dabei wird mit Ablauf des 28. Oktober 2017 der operative Flugverkehr im Namen und auf Rechnung der S. eingestellt. Flugbuchungen für Flüge nach dem 28. Oktober 2017 sind nicht mehr möglich.
673. Erbringung der Dienstleistungen gegenüber F. im Rahmen des sog. ‚Wet Lease‘ für den Zeitraum bis maximal zum 31. Januar 2018. Dies betrifft 13 Flugzeuge.
684.a) Derzeit verfügen 6.054 Arbeitnehmer/-innen über ein Arbeitsverhältnis und 8 Auszubildende (nachfolgend Arbeitnehmer) über ein Ausbildungsverhältnis mit der S.. Die S. beabsichtigt, sämtliche Arbeitsverhältnisse unter Einhaltung der individuell maßgeblichen Kündigungsfrist, begrenzt auf die maximale Frist von drei Monaten zum Monatsende gemäß § 113 Satz 1 InsO, soweit gesetzlich zulässig, nach Durchführung der Interessenausgleichs- sowie Massenentlassungsanzeigeverhandlungen (§ 17 KSchG) und nach Durchführung der Anhörungsverfahren mit den Mitbestimmungsgremien (Betriebsräte/Personalvertretungen) zu kündigen. Die S. wird - soweit erforderlich - eine Zustimmung für Arbeitnehmer mit etwaigem Sonderkündigungsschutz (z.B. SGB IX, BEEG, MuSchG) beantragen und auch diese Arbeitsverhältnisse zeitnah kündigen. Es werden auch Sozialplanverhandlungen geführt werden.
69[…]
707. Die Gesamtabwicklung des Geschäftsbetriebs der S. soll nach derzeitiger Planung zum 31. Januar 2018 abgeschlossen sein, so dass im Anschluss daran die Stilllegung erfolgt.“
71Mit weiterem Schreiben vom 12.10.2017 wandte sich die Schuldnerin an die PV Kabine. Das Schreiben entspricht inhaltlich der vorstehend wiedergegebenen Erklärung vom selben Tag. Es sei beabsichtigt, die durch die Betriebsstilllegung bedingten Kündigungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Laufe des Monates Oktober 2017, voraussichtlich ab 26.10.2017, unter Wahrung der gegebenenfalls durch § 113 InsO begrenzten Kündigungsfrist zu erklären. Wegen der Beendigung aller Arbeitsverhältnisse sei eine Sozialauswahl nicht erforderlich. Da es sich um eine anzeigepflichtige Massenentlassung iSd. § 17 Abs. 1 KSchG handle, werde das Konsultationsverfahren hiermit gemäß § 17 Abs. 2 KSchG eingeleitet.
72Mit Ablauf des 16.10.2017 stellte die Schuldnerin das Langstreckenflugprogramm ein.
73Am 24.10.2017 beschloss der vorläufige Gläubigerausschuss die vollständige Betriebseinstellung zum 31.01.2018 und wies die vorläufige Eigenverwaltung an, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen.
74Der letzte im Namen der Schuldnerin durchgeführte Flug landete am 27.10.2017 auf dem Flughafen Berlin-Tegel. Danach wurden nur noch Flugleistungen im Wet Lease erbracht. Dies erfolgte von den Stationen Hamburg, Köln und Stuttgart aus. Sofern erforderlich, wurde durch proceeding das Personal der Station Frankfurt am Main eingesetzt. Im Oktober und November 2017 wurden 13 Airbus A320 für das Wet Lease mit F. weiter genutzt. Im Dezember 2017 waren es noch bis zu acht Flugzeuge.
75Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 01.11.2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Es wurde Eigenverwaltung angeordnet und der Beklagte zum Sachwalter bestellt. Dieser zeigte noch am gleichen Tage gegenüber dem Insolvenzgericht gemäß § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO eine drohende Masseunzulänglichkeit an.
76Auch die Arbeitsverhältnisse des nicht in eine hierzu gegründete Transfergesellschaft gewechselten Bodenpersonals wurden gekündigt.
77Zum 31.12.2017 stellte die Schuldnerin die Durchführung von Flügen im Wet Lease ein. Nach diesem Zeitpunkt wurden nur noch 26 Arbeitnehmer im Rahmen der Abwicklungsarbeiten für den Beklagten tatsächlich tätig. Ihre Arbeitsverhältnisse wurden wie die der anderen Arbeitnehmer gekündigt. Sodann wurden sachgrundbefristete Arbeitsverträge mit ihnen abgeschlossen.
78Hinsichtlich der beabsichtigten Kündigung des Kabinenpersonals fanden umfangreiche Verhandlungen statt. Nach Sondierungen mit der PV Kabine am 14.09.2017 unterrichtete die Schuldnerin diese mit Schreiben vom 02.10.2017 über eine noch nicht beschlossene, aber mögliche Stilllegung zum 31.01.2018 und bat um die Aufnahme von Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Die PV Kabine verwies mit Schreiben vom 09.10.2017 auf eine Regelung im TV Pakt, wonach zunächst eine tarifliche Einigung zu treffen sei. Das Schreiben enthielt außerdem einen umfangreichen Fragenkatalog. Mit E-Mail vom 10.10.2017 übermittelte die Schuldnerin der PV Kabine ihre Antworten sowie Entwürfe für einen Interessenausgleich, einen Sozialplan sowie eine Betriebsvereinbarung zur Errichtung einer Transfergesellschaft. Am 11.10.2017 fand eine Videokonferenz der Schuldnerin mit Vertretern der PV Kabine statt. Die PV Kabine übermittelte der Schuldnerin mit Schreiben vom 12.10.2017 einen weiteren Fragenkatalog. Hierauf antwortete die Schuldnerin mit Schreiben vom 13.10.2017. Letztlich erklärten die Schuldnerin sowie der Beklagte mit Schreiben vom 30.11.2017 gegenüber der PV Kabine die Verhandlungen über einen Interessenausgleich aber für gescheitert.
79Mit Formular und Begleitschreiben vom 12.01.2018 erstattete die Schuldnerin bei der Agentur für Arbeit Berlin-Nord eine Massenentlassungsanzeige bezüglich des Kabinenpersonals.
80Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 17.01.2018 wurde die Eigenverwaltung aufgehoben und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestimmt.
81Mit Schreiben vom 19.01.2018 hörte der Beklagte die PV Kabine und die Schwerbehindertenvertretung Bord zur beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung sämtlicher in einer Anlage 2 benannten Beschäftigten des Kabinenpersonals an. Mit Schreiben vom 26.01.2018 widersprach die PV Kabine den beabsichtigten Kündigungen.
82Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 27.01.2018. Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage wandte sich die Klägerin gegen die Kündigung vom 27.01.2018. Das Verfahren wurde vor dem Bundesarbeitsgericht unter dem Az.: 6 AZR 648/19 geführt.
83Die für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs der Schuldnerin erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen erloschen mit Ablauf des 31.01.2018.
84Am 30.04.2019 und 27.05.2020 zeigte der Beklagte eine erneute Masseunzulänglichkeit an.
85Bereits zuvor leitete der Beklagte aufgrund der stattgebenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts in gleichgelagerten Fällen, durch Schreiben vom 17.04.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 12) erneute Konsultationsverfahren mit dem für das Bodenpersonal zuständigen Betriebsrat Boden Nord, der PV Cockpit und der PV Kabine ein.
86Mit Schreiben vom 20.05.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 14) wurde den Arbeitnehmervertretungen fehlende 66 Arbeitnehmer nachgemeldet und diese aufgefordert, diese Arbeitnehmer in die Beratungen einzubeziehen.
87Mit E-Mail vom 05.06.2020 wurden ein weiteres Arbeitsverhältnis nachgemeldet und die Arbeitnehmervertretungen aufgefordert, dieses in die Beratungen einzubeziehen.
88Die PV Cockpit schloss am 04.07.2020 mit dem Beklagten ua. einen Insolvenzsozialplan gem. § 123 InsO ab (Anlage B 2.1) sowie eine Vereinbarung zur einvernehmlichen Beendigung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG (Anlage B 2.2). Hierin wurde festgestellt, dass das Konsultationsverfahren durchgeführt und am 04.07.2020 abgeschlossen worden ist.
89Seitens des Betriebsrats Boden-Nord wurde dem Beklagten unter dem 03.08.2020 mitgeteilt, dass dieser im Konsultationsverfahren keinen weiteren Erörterungs- oder Verhandlungsbedarf hat.
90Die PV Kabine übermittelte dem Beklagten mit Schreiben vom 04.06.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 28) einen Fragenkatalog, betreffend „I. Betriebsänderung/mögliche Stilllegung“, „II. Mögliche Sozialauswahl“ und „III. Mildere Mittel“. Dazu nahm der Beklagte mit Schreiben vom 17.06.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 29) Stellung.
91Am 02.07.2020 fand zwischen der PV Kabine und dem Beklagten eine Telefonkonferenz statt. Hier sollten etwaige Alterativen der PV Kabine besprochen werden, um die von dem Beklagten beabsichtigten Massenentlassungen zu vermeiden, zu beschränken oder abzumildern. Die PV Kabine vertrat die Auffassung, dass es zu einem Betriebsteilübergang gekommen sei. Der Beklagte ging demgegenüber davon aus, dass eine vollständige Betriebsstilllegung vorliege. Die Fragen der PV Kabine vom 04.06.2020 sowie ergänzende Fragen wurde erörtert und seitens des Beklagten beantwortet. Die Massesituation der Schuldnerin wurde besprochen. Der Beklagte erklärte, dass kurzfristig nicht mit einem Massezufluss zu rechnen sei. Es wurde der Abschluss eines Insolvenzsozialplans nach § 123 InsO erörtert sowie weitergehende, teilweise noch offene Fragen zur Verwertung von Assets der Schuldnerin, zur Thematik der Slots, Nutzung von Slots und etwaigen Flughandbüchern. Die PV Kabine bat abschließend um Beantwortung von drei weiteren Fragen.
92Mit Schreiben vom 10.07.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 30) übersandte der Beklagte Antworten auf die drei aufgeworfenen Fragen.
93Mit Schreiben vom 20.07.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 31) teilte die PV Kabine mit, dass die bisher gestellten Fragen nur unzureichend beantwortet worden seien und stellte erneut Fragen, die der Beklagte beantworten sollte. Die Fragen dienten nach der Formulierung des Schreibens der Klärung eines Betriebsteilübergangs.
94Der Beklagte reagierte hierauf mit Schreiben vom 27.07.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 32) und teilte mit, dass die zweckdienlichen Fragen im Rahmen des Konsultationsverfahrens nach seiner Auffassung umfassend beantwortet worden seien. Er fügte diesem Schreiben eine Liste aller von der Entlassung betroffenen Mitarbeiter nach Stationen bei, die seit 2017 im Wet Lease der Schuldnerin im sog. ACMIO tätig waren. Er bot der PV Kabine eine gemeinsame Erörterung am 03. oder 04.08.2020 an.
95Nachdem die PV Kabine hierauf nicht reagierte, teilte ihr der Beklagte mit Schreiben vom 05.08.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 33) mit, dass auch auf Grundlage der bisherigen Erörterungen keine Wiedereröffnung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin geplant sei und es deshalb bei den beabsichtigten Kündigungen verbleiben müsse. Gleichzeitig erklärte er das Konsultationsverfahren gegenüber der PV Kabine für beendet.
96Die PV Kabine widersprach der Beendigung mit Schreiben vom 07.08.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 34).
97Mit Schreiben vom 07.08.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 24), den Arbeitnehmervertretungen jeweils am 10.08.2020 zugegangen, wurden der Betriebsrat Boden Nord, die PV Cockpit und die PV Kabine zu den geplanten Entlassungen angehört.
98Mit Schreiben vom 13.08.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 37) führte die PV-Kabine aus, sie sei nicht ausreichend informiert worden. Hierauf reagierte der Beklagte mit Schreiben vom 17.08.2020 (Teil der Anlage B2, dort Anlage 38a) und erläuterte die geplanten Entlassungen erneut. Die PV Kabine übersandte als Reaktion unter dem 21.08.2020 ein mit dem Schreiben vom 13.08.2020 inhaltsgleiches Schreiben.
99Unter dem 18.08.2020 (Anlage B2) erstattete der Beklagte zuvor eine Massenentlassungsanzeige für die der Station Düsseldorf zugeordneten Arbeitnehmer bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf. Der Massenentlassungsanzeige war ein Anschreiben beigelegt, dass den Sachverhalt darlegte, insbesondere den Stand des Konsultationsverfahrens mit den verschiedenen Arbeitnehmervertretungen.
100Den Eingang der Massenentlassungsanzeige bestätigte die Agentur für Arbeit Düsseldorf mit Schreiben vom 21.08.2020.
101Weitere Massenentlassungsanzeigen wurden erstattet bei der Agentur für Arbeit Berlin-Nord, Frankfurt am Main, Freising, Hamburg, Nürnberg und Oschatz für die jeweils diesen Stationen zugeordneten Arbeitnehmern.
102Mit Schreiben vom 27.08.2020 (Bl. 31 ff. dA.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin erneut unter Berufung auf § 113 InsO, nunmehr zum 30.11.2020.
103Mit ihrer am 14.09.2020 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage, dem Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses (Bl. 41 d. A.) am 23.09.2020 zugestellt, wendet die Klägerin sich gegen die Kündigung vom 27.08.2020. Nachdem der Beklagte die Kündigungen des Beklagten vom 21.10.2020 (Bl. 53 ff. d. A.) und 28.01.2021 erhielt, erweiterte sie die Klage um hieran anknüpfende Kündigungsschutzanträge.
104Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass der Beklagte sich dazu entschlossen habe, den Betrieb nicht wieder zu eröffnen, die Kündigungen der noch nicht rechtskräftig beendeten Arbeitsverhältnisse der Schuldnerin zu wiederholen bzw. höchst vorsorglich nochmals zu kündigen.
105Die Klägerin ist insbesondere der Auffassung, dass der Beklagte vor Ausspruch der angegriffenen Kündigungen keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige erstattet habe.
106Der Beklagte habe die Massenentlassungsanzeige nicht wie geschehen in Düsseldorf, sondern in Berlin erstatten müssen. Die Massenentlassungsanzeige sei bei der zuständigen Behörde zu erstatten. Dies sei diejenige am Betriebssitz. Für die neuerliche Massenentlassungsanzeige vom 18.08.2020 seien die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Erstattung dieser Massenentlassungsanzeige im Jahre 2020 maßgeblich. Da der Betrieb der Insolvenzschuldnerin seit Beginn 2018 eingestellt sei, dürfe nun nicht mehr auf die jeweilige Heimatbasis als Betrieb der Massenentlassungsrichtlinie abgestellt werden. Denn nach eigenen Angaben des Beklagten sei eine Organisationsstruktur, die vormals dazu geführt habe, dass von verschiedenen Betriebssitzen auszugehen war, bei der Insolvenzschuldnerin durch die Stilllegung des Flugbetriebs seit über zwei Jahren nicht mehr vorhanden. Eine örtliche Leitung, die bei der ersten Kündigungswelle im Jahre 2017 noch existiert habe, habe nach Angaben des Beklagten aufgrund der Stilllegung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden.
107Auch die in Berlin-Nord, Frankfurt am Main, Freising, Hamburg, Nürnberg und Oschatz erstatteten Massenentlassungsanzeigen seien bei der örtlich unzuständigen Agentur für Arbeit erstattet worden. Auch an diesen ehemaligen Stationen gebe es keinen Betrieb mehr; infolge der Betriebsstillegung existiere vielmehr nur noch ein einheitlicher Betrieb. Der Beklagte habe die Massenentlassungsanzeige auch nicht zugleich mit sofortiger Wirksamkeit bei sämtlichen für die frühere Betriebsstätte möglicherweise zuständigen Arbeitsagenturen eingereicht.
108Zudem sei bezogen auf die Arbeitnehmer der Station Köln gar keine Massenentlassungsanzeige erstattet worden. Hierzu wäre der Beklagte aber selbst dann verpflichtet gewesen, wenn die einzelnen Stationen die maßgeblichen Betriebe iSd. Massenentlassungsrichtlinie gebildet hätten. Eine Massenentlassungsanzeige sei zu erstatten, wenn die Schwellwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG erreicht würden. Dies sei in Bezug auf Köln auch im Jahr 2020 der Fall gewesen, da nicht nur auf die Arbeitnehmer abzustellen sei, deren Arbeitsverhältnisse noch nicht beendet seien. Vielmehr hätten auch die Arbeitnehmer der ersten Kündigungswelle insgesamt für die Berechnung des Schwellenwertes nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG berücksichtigt werden müssen. Da die Zahl der in Köln stationierten Arbeitnehmer den Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG zum Zeitpunkt der ersten Kündigungswelle überschritten habe, habe auch für die nachfolgenden Kündigungen der in Köln stationierten Arbeitnehmer eine Massenentlassungsanzeige erstattet werden müssen. Auch für die in Dresden, Paderborn/Lippstadt und Stuttgart stationierten Arbeitnehmer habe nach dieser Maßgabe eine Massenentlassungsanzeige erstattet werden müssen, was der Beklagte unterlassen habe.
109Die Massenentlassungsanzeige vom 18.08.2020 an die Agentur für Arbeit Düsseldorf sei auch inhaltlich falsch gewesen. So sei einmal angegeben worden, dass eine Stellungnahme des Betriebsrats vorhanden sei und einmal, dass die Stellungnahme nicht vorhanden sei, der Betriebsrat aber gemäß § 17 Abs. 2 KSchG schriftlich informiert worden sei. Dies sei widersprüchlich.
110Entgegen der Angaben des Beklagten in der Massenentlassungsanzeige vom 18.08.2020 habe die Station Düsseldorf aufgrund der Stilllegung auch keine arbeitstechnische Leitung mehr gehabt. Auch sei die Angabe der regelmäßig Beschäftigten und der zu entlassenden Arbeitnehmer falsch angegeben, da eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Stationen nicht hätte vorgenommen werden dürfen. Es hätte auch nicht auf die Arbeitnehmer mit den noch anhängigen Kündigungsschutzverfahren abgestellt werden dürfen, sondern auf die Belegschaftsstärke im Zeitpunkt des Stilllegungsbeschlusses. Der Beklagte habe den jeweiligen Agenturen für Arbeit auch nicht mitgeteilt, in welchem Zuständigkeitsbereich zuletzt die meisten der zu entlassenden Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien.
111Da der Beklagte mit der PV Cockpit unstreitig vereinbart hatte, dass die Massenentlassungsanzeige erst nach Abschluss des Konsultationsverfahrens auch mit der PV Kabine stattzufinden habe, wirkten sich Verstöße im Bereich der § 17 Abs. 3 bzw. Abs. 1 KSchG und § 17 Abs. 2 KSchG im Konsultationsverfahren mit der PV Kabine auch auf die Wirksamkeit der Kündigungen der Cockpitmitarbeiter aus:
112Der Beklagte habe in dem Konsultationsverfahren mit der PV Kabine die zweiwöchige Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht eingehalten. Die Massenentlassungsanzeige sei bereits am 18.08.2020 bezogen auf die Agentur für Arbeit Düsseldorf erfolgt. Nach seinem eigenen Vortrag sei das Konsultationsverfahren mit der PV Kabine aber mit Schreiben vom 14.08.2020, frühestens aber mit Schreiben vom 05.08.2020 für beendet erklärt worden, so dass die Massenentlassungsanzeige vor Ablauf der Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erstattet worden sei. Die Klägerseite ist außerdem der Auffassung, dass der Beklagte kein ordnungsgemäßes Konsultationsverfahren iSd. § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt habe. Der Beklagte habe das Konsultationsverfahren mit der PV Kabine nicht mit Schreiben vom 05.08.2020 für beendet erklären dürfen, da es aufgrund der nicht beantworteten Fragen der PV Kabine noch nicht beendet gewesen sei. Die Fragen hätten sich auf die Kriterien, nach denen die 26 sachgrundbefristeten Arbeitnehmer ausgesucht worden seien, bezogen, sowie auf die Kosten, die durch die Beauftragung des Generalbevollmächtigten verursacht worden seien. Die PV Kabine habe zudem eine fehlende soziale Auswahl und die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit geltend gemacht.
113Zudem sei kein ordnungsgemäßes Konsultationsverfahren betreffend die Arbeitnehmer der Station Köln durchgeführt worden.
114Die Klägerin bestreitet letztlich mit Nichtwissen, dass die für ihn zuständige Personalvertretung Cockpit vor Ausspruch der angegriffenen Kündigungen ordnungsgemäß iSd. § 74 TVPV angehört wurde. Der Beklagte habe die PV Cockpit auch nicht darüber informiert, dass eine Massenentlassungsanzeige für die vormals in Köln stationierten Arbeitnehmer nicht zu erstatten sei, und damit auch die Verpflichtung, ein Konsultationsverfahren für die vormals in Köln stationierten Arbeitnehmer durchzuführen, nicht notwendig sei. Zudem sei die PV Cockpit im Rahmen der Anhörung gemäß § 74 TVPV irreführend darüber informiert worden, dass die Arbeitnehmer der Station Köln im Bereich Cockpit alle First Officers gewesen wären. Zumindest bei einem Arbeitnehmer, dem Flugkapitän Christian Schepers, sei dies nicht der Fall.
115Die Klägerin beantragt,
116- 1.117
festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. nicht durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 27.08.2020, zugegangen am 28.08.2020, aufgelöst wird.
- 2.119
Hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1):
Festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. nicht durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 21.10.2020, zugegangen am 29.10.2020, aufgelöst wird.
121- 3.122
Hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1) und 2):
Festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. nicht durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 28.01.2021, zugegangen am 29.01.2021, aufgelöst wird.
124Der Beklagte beantragt,
125die Klage abzuweisen.
126Der Beklagte trägt vor, er habe sich dazu entschlossen, den Betrieb der Schuldnerin nicht wieder zu eröffnen und am ursprünglich getroffenen Stilllegungsbeschluss festzuhalten. Er sehe keine Möglichkeit der Wiedereröffnung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin in tatsächlicher Hinsicht, ua. weil dieser Ende 2017 zum Erliegen gekommen sei. Es liege auch kein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 TV Pakt und auch nicht gegen § 15 Abs. 3 MTV Kabine LTU vor.
127Auch die Massenentlassungsanzeige vom 18.08.2020 sei ordnungsgemäß erstattet worden. Insbesondere sei diese bei der für die Klägerin zuständigen Agentur für Arbeit Düsseldorf zu erstatten gewesen. Nach Maßgabe der Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts vom 14.05.2020 (Az. 6 AZR 235/19) bezogen auf die Kündigung vom 27.01.2018 und die hierzu erstattete Massenentlassungsanzeige, bildeten die einzelnen Stationen der Schuldnerin Betriebe iSd. Richtlinie 98/59/EG, so dass hier der für die Erstattung einer Massenentlassungsanzeige maßgebliche Betriebssitz liege. Die Auffassung der Klägerin, wonach nunmehr ein einheitlicher Betrieb bestehe, widerspreche dieser Rechtsprechung. Vielmehr sei im Falle einer Betriebsstilllegung regelmäßig nur ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke und damit verbunden auch auf die bisherige Betriebsstruktur zulässig. Würde der Argumentation der Klägerin gefolgt, müsse davon ausgegangen werden, dass überhaupt kein Betrieb mehr vorhanden sei und daher gar kein Erfordernis einer erneuten Massenentlassungsanzeige oder eines erneuten Konsultationsverfahrens bestanden hätte. Mangels Erreichen der Schwellenwerte seien für die den Stationen Köln/Bonn, Dresden, Paderborn/Lippstadt und Stuttgart zugeordneten Arbeitnehmer keine Massenentlassungsanzeigen erforderlich gewesen.
128Auch inhaltlich sei die Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere sei nicht widersprüchlich angegeben worden, dass eine Stellungnahme des Betriebsrats vorhanden sei bzw. nicht vorhanden sei. Da drei Arbeitnehmervertretungen zu beteiligen waren, seien deren unterschiedliche Reaktionen im Formblatt angegeben und diese im Anschreiben erklärt und dargelegt worden.
129Der Beklagte meint, auch das Konsultationsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. Er habe sich mit den Fragen und Argumenten der PV Kabine eingehend auseinander gesetzt. Da diese aber unverändert und fortwährend die Beantwortung von bereits beantworteten Fragen für weitere Verhandlungen verlangte, habe er davon ausgehen dürfen, dass keine weiteren Ansätze für Verhandlungen bestanden hätten. Unrichtig sei, dass er kein Konsultationsverfahren für die Arbeitnehmer in Köln durchgeführt habe. Obwohl bezogen auf die Station Köln die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht erreicht worden seien, habe er diese in das Konsultationsverfahren mit den jeweiligen Arbeitnehmervertretungen einbezogen.
130Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12.02.2021 Bezug genommen.
131E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
132I.
133Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
1341. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, wonach ihr Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten nicht durch die Kündigung vom 27.08.2020 aufgelöst wurde.
135Die Kammer macht sich die umfassenden und rechtlich zutreffenden Ausführungen der 1. Kammer des Arbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 12.02.2021, Az.: 1 Ca 5430/20) in einem Parallelverfahren zu eigen:
136„1. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 1 iVm. Abs. 2 KSchG.
137a. Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin entgegenstehen, bedingt.
138aa. Die Stilllegung des gesamten Betriebs oder eines Betriebsteils durch den Arbeitgeber gehört zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können (st. Rspr., vgl. BAG 14.05.2020 – 6 AZR 235/19, NZA 2020, 1092, Rn. 90 ff.; 27.02.2020 – 8 AZR 215/19, NZA 2020, 1303, Rn. 73; 21.05.2015 – 8 AZR 409/13, AP Nr. 462 zu § 613a BGB, Rn. 51; 26.05.2011 – 8 AZR 37/10, NZA 2011, 1143, Rn. 25). Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen (BAG 27.02.2020 – 8 AZR 215/19, aaO.; 21.05.2015 – 8 AZR 409/13, aaO.; 16.02.2012 – 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465, Rn. 37).
139bb. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Betrieb der Insolvenzschuldnerin mit dem 31.12.2017 stillgelegt wurde und derzeit nur noch Abwicklungsarbeiten stattfinden. Arbeitsvolumen für fliegendes Personal besteht nicht. Soweit der Kläger mit Nichtwissen bestreitet, dass der Beklagte sich dazu entschlossen habe, den Betrieb nicht wieder zu eröffnen, die Kündigungen der noch nicht rechtskräftig beendeten Arbeitsverhältnisse der Schuldnerin zu wiederholen bzw. höchst vorsorglich nochmals zu kündigen, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte an dieser Stelle falsch vorgetragen hat. Dies will auch der Kläger nicht behaupten. Anlässlich der unstreitigen Stilllegung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin hätte es dem Kläger oblegen, Indizien dafür vorzutragen, dass dieser wieder aufgenommen werden soll. Dies ist nicht geschehen, so dass zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass der Betrieb der Insolvenzschuldnerin geschlossen ist und geschlossen bleiben soll (§ 286 Abs. 1 ZPO).
140b. Die Kündigung ist auch nicht wegen einer fehlerhaften sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG unwirksam.
141aa. Der Arbeitgeber hat diejenigen Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen, die objektiv miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die – bezogen auf die Merkmale des Arbeitsplatzes – sowohl aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse als auch nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 271/12, NZA 2013, 837; 22.03.2012 – 2 AZR 167/11, NZA 2012, 1040; 15.12.2011 – 2 AZR 42/10, BAGE 140, 169).
142bb. Nachdem der Kläger die fehlerhafte soziale Auswahl pauschal gerügt hat, hat der Beklagte unbestritten vorgetragen, dass sämtlichen Arbeitnehmern gekündigt worden sei. Auch den 26 sachgrundbefristeten Arbeitnehmern, die zur Abwicklung der Insolvenzschuldnerin beschäftigt werden, wurde im Rahmen der ersten Kündigungswelle gekündigt. (…) Vor diesem Hintergrund oblag es nunmehr dem Kläger substantiiert vorzutragen, inwiefern dennoch eine soziale Auswahl möglich gewesen wäre. Dieser Vortragslast ist er nicht nachgekommen.
1432. (…)
1443. (…)
1454. Die Kündigung ist nicht gemäß § 17 Abs. 1 bzw. Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam.
146a. Der Beklagte war aufgrund des Erreichens der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG an der ehemaligen Station Düsseldorf verpflichtet, für diese Station eine Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit in Düsseldorf abzugeben. Mit der am 18.08.2020 bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf eingegangenen Massenentlassungsanzeige hat der Beklagte seine Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG erfüllt.
147aa. Nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie, im Folgenden MERL) hat der Arbeitgeber der „zuständigen“ Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich anzuzeigen. Bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist das die für den Betriebssitz örtlich zuständige Agentur für Arbeit (BAG 14.05.2020 – 6 AZR 235/19, aaO., Rn. 123; 13.02.2020 – 6 AZR 146/19, NZA 2002, Rn. 76 ff.). Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob man die zuständige Agentur für Arbeit anhand einer richtlinienkonformen Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG oder des § 327 Abs. 4 SGB III bestimmt (offen gelassen auch von BAG 13.02.2020 – 6 AZR 146/19, aaO., Rn. 79).
148bb. Der vom EuGH sehr weit verstandene Begriff des „Betriebs“ iSd. MERL bezeichnet nach Maßgabe der Umstände die Einheit, der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgabe angehören. Es muss sich um eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität handeln, die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern sowie über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt. Nicht erforderlich ist, dass die Einheit rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle, verwaltungsmäßige oder technologische Autonomie aufweist. Der Betrieb iSd. MERL muss auch keine Leitung haben, die selbstständig Massenentlassungen vornehmen kann. Vielmehr reicht es aus, wenn eine Leitung besteht, die die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeit und die Kontrolle des Gesamtbetriebs der Einrichtungen der Einheit sowie die Lösung technischer Probleme im Sinne einer Aufgabenkoordinierung sicherstellt. An die erforderliche Leitungsstruktur sind damit keine hohen organisatorischen Anforderungen zu stellen. Der unionsrechtliche Begriff der „Leitungsmacht“ ist insoweit deutlich offener und weiter als nach dem nationalen betriebsverfassungsrechtlichen Verständnis (BAG 14.05.2020 – 6 AZR 235/19, aaO., Rn. 116; 13.02.2020 – 6 AZR 146/19, aaO., Rn. 33, 49 mwN.).
149cc. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.05.2020 – bezogen auf die Kündigung des Beklagten vom 27.01.2018 – ausgeführt, dass die Station Düsseldorf der für die dort beschäftigten Arbeitnehmer der maßgebliche Betrieb iSd. MERL gewesen sei (BAG 14.05.2020 – 6 AZR 235/19, aaO., Rn. 123). Hierzu hat der 6. Senat des BAG (Urteil vom 14.05.2020 – 6 AZR 235/19 , aaO., Rn. 118 – 119), wie folgt ausgeführt:
150„cc) Nach diesem Betriebsbegriff stellte die Station der Schuldnerin am Flughafen Düsseldorf für die Klägerin den Betrieb iSd. MERL und damit des § 17 KSchG dar. Das hat der Senat für das Cockpitpersonal der Schuldnerin bereits entschieden (BAG 13. Februar 2020 - 6 AZR 146/19 - Rn. 35 ff.). Für das fliegende Personal in der Kabine gilt insoweit nichts anderes. Insbesondere verfügte die Station in Düsseldorf über eine „Gesamtheit von Arbeitnehmern“ iSd. Begriffsbestimmung des Gerichtshofs, bestehend aus dem fliegenden Personal und dem Bodenpersonal (ausführlich BAG 13. Februar 2020 - 6 AZR 146/19 - Rn. 38 ff.). Auch bestand dort eine Leitung, die die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeit und die Kontrolle des Gesamtbetriebs der Einrichtungen der Einheit sowie die Lösung technischer Probleme im Sinne einer Aufgabenkoordinierung sicherstellte. Sie war für die Besatzungsmitglieder mit der Kompetenzzuweisung an den Area Manager Cockpit und den Regional Manager Kabine gegeben, für das Bodenpersonal mit den Kompetenzen der unter Ziff. 1.1.4.3 im gerichtskundigen (Rn. 72) OM/A für Düsseldorf ausgewiesenen Person (ausführlich BAG 13. Februar 2020 - 6 AZR 146/19 - Rn. 48 ff.). Darüber hinaus war nach dem Betriebshandbuch die Position des Area Managers Kabine eingerichtet, mit der ausweislich Ziff. 1.3.8.1.1 OM/A dem Area Manager Cockpit vergleichbare Aufgaben verbunden waren. So hatte der Area Manager Kabine alle Aspekte der Leistung des Kabinenpersonals zu verwalten, um sicherzustellen, dass ein gleichbleibend hohes Niveau an Sicherheit und Gastfreundlichkeit aufrechterhalten wurde. Er wurde als Vorgesetzter aller Mitglieder des Kabinenpersonals bezeichnet, der Disziplinarverantwortung trage. Er hatte ua. die Aufgabe, Probleme zu ermitteln und zu beheben, um einheitliche Prozesse sicherzustellen. Auch hatte er Konflikte innerhalb des Kabinenpersonals bzw. zwischen Kabinen- und Cockpitpersonal in enger Abstimmung mit der Abteilung Flight Operations und dem Regional Manager zu deeskalieren.
151Dass die Leitungsfunktion nicht von einer Person, sondern getrennt für das Cockpit- und das Kabinenpersonal wahrgenommen wurde, steht der Einordnung der Station Düsseldorf als Betrieb iSd. MERL ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die für die Station Düsseldorf zuständigen Area Manager Cockpit und Regional Manager Kabine West auch für die Station Paderborn verantwortlich waren (BAG 13. Februar 2020 - 6 AZR 146/19 - Rn. 53). Auch ist es entgegen der Annahme des Beklagten zu 1. nicht erforderlich, dass die Einheit den ihr zugewiesenen Teilzweck eigenständig erfüllen kann. Erst recht muss sie nicht autark agieren können (BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 - Rn. 49).“
152dd. Diese Beurteilung gilt nach wie vor und hat sich infolge der weiteren Ereignisse nach Ausspruch der Kündigung vom 27.01.2018 nicht geändert. Dies gilt unabhängig davon, auf welchen Zeitpunkt man abstellt, um den maßgeblichen Betrieb iSd. MERL zu bestimmen.
153(1) Bereits zum Zeitpunkt der ersten Massenentlassungsanzeige vom 12.01.2018 war die Betriebsstruktur der Insolvenzschuldnerin nicht mehr vorhanden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2017 stillgelegt wurde und nach diesem Zeitpunkt keine Flüge, auch nicht mehr im Wet Lease, durchgeführt wurden. Zwar waren die Arbeitsverhältnisse noch nicht gekündigt; Tätigkeiten, insbesondere Tätigkeiten mit Leitungsfunktion, wie sie im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.05.2020 (6 AZR 235/19, aaO., Rn. 118) als Begründung für die Station Düsseldorf als Betrieb iSd. MERL herangezogen wurden, wurden aber schon damals nicht mehr ausgeübt. Ausdrücklich führt der 6. Senat denn auch aus, dass die innerbetrieblichen Organisationsstrukturen für die Feststellung des maßgeblichen Betriebssitzes nicht deswegen irrelevant seien, weil die Station Düsseldorf bei Erstattung der Massenentlassungsanzeige bereits durch Stilllegung untergangenen war (BAG 14.05.2020 – 6 AZR 235/19, aaO, Rn. 125). Grundlage der Entscheidung des 6. Senat und seiner Ausführungen zum maßgeblichen Betriebssitz war also die bereits damals aufgelöste Betriebsstruktur. Trotz der im Zeitpunkt der Erstattung der Massenentlassungsanzeige vom 12.01.2018 durch die Einstellung des Geschäftsbetriebs und der Freistellung des gesamten Personals faktisch bereits aufgelösten Betriebsstruktur, ist der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts davon ausgegangen, dass die Station Düsseldorf für die dort beschäftigten Arbeitnehmer der maßgebliche Betrieb iSd. MERL sei. Der bloße Ausspruch der Kündigung vom 27.01.2018 und der erneute Ausspruch der im hiesigen Verfahren streitgegenständlichen Kündigungen haben an den tatsächlichen Verhältnissen, die nach wie vor denjenigen zum Zeitpunkt der Erstattung der Massenentlassungsanzeige vom 12.01.2018 entsprechen, nichts geändert, so dass die Ausführungen des 6. Senats nach wie vor maßgeblich sind.
154(2) Eine andere Beurteilung wäre lediglich dann erforderlich, wenn Grundlage der Ausführungen des 6. Senats der Zeitpunkt der ersten unternehmerischen Entscheidung aus Oktober 2017 war. Zu diesem Zeitpunkt war die Betriebsstruktur noch intakt. Insbesondere konnten an der Station Düsseldorf noch tatsächlich Direktionsrechte durch die Regional Manager und die Area Manager ausgeübt werden. Unabhängig davon, dass der 6. Senat ausdrücklich auf die aufgelöste Betriebsstruktur abgestellt hat und diese zum Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung eben noch nicht aufgelöst war, war Grundlage der Kündigung vom 27.08.2020 genau dieselbe unternehmerische Entscheidung, die auch der Kündigung vom 27.01.2018 zugrunde lag. Der Beklagte hat keine neue unternehmerische Entscheidung getroffen. Vielmehr hat er sich lediglich dazu entschlossen, an der ursprünglichen unternehmerischen Entscheidung festzuhalten. So wie der Arbeitgeber für den Ausspruch von Folgekündigungen nicht verpflichtet ist, den Betrieb wieder zu eröffnen (BAG 20.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO., Rn. 38), ist er auch nicht verpflichtet, eine neue unternehmerische Entscheidung zu treffen. Es ist ausreichend, wenn er es bei der erfolgten Betriebsstilllegung belassen will (BAG 20.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO., Rn. 38). Ist aber keine neue unternehmerische Entscheidung zu treffen, kann es – sollte der Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung für die Bestimmung des maßgeblichen Betriebs iSd. MERL – nur auf die einzige unternehmerische Entscheidung ankommen, die jemals getroffen wurde. Dies ist hier die im Oktober 2017 getroffene Entscheidung, die ebenfalls Grundlage der Entscheidung des 6. Senats war.
155ee. Dieses Ergebnis – die Verpflichtung zur Erstattung der Massenentlassungsanzeige für die in Düsseldorf beschäftigten Arbeitnehmer bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf – entspricht auch dem Sinn und Zweck der durch die MERL und § 17 Abs. 1 KSchG konstituierten Anzeigepflicht. Dieser liegt darin, die sozioökonomischen Auswirkungen von Massenentlassungen dort zu mildern, wo sie typischerweise auftreten (BAG 14.05.2020 – 6 AZR 235/19, aaO. Rn. 124; 13.02.2020 – 6 AZR 146/19, aaO., Rn. 33, 81; 20.01.2016 – 6 AZR 601/14, BAGE 154, 53, Rn. 27). Durch das Anzeigeverfahren soll die Agentur für Arbeit rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung unterrichtet werden, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können (BAG 13.02.2020 – 6 AZR 146/19, aaO., Rn. 71 mwN.; 20.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO., Rn. 24; 20.01.2016 – 6 AZR 601/14, aaO.; 13.04.2000 – 6 AZR 215/99, NZA 2001, 144). Wäre entsprechend dem Vortrag des Klägers der Beklagte verpflichtet gewesen, die Massenentlassungsanzeige am Sitz des vermeintlich einzig noch vorhandenen Betriebs der Insolvenzschuldnerin in Berlin zu erstatten, wäre die dortige Agentur für Arbeit nicht in der Lage gewesen, für die der Station Düsseldorf zugehörigen Arbeitnehmer Maßnahmen vorzubereiten, um die sozioökonomischen Auswirkungen der Massenentlassung aufzufangen.
156ff. Letztlich steht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts 14.05.2020 (Az. 6 AZR 235/19) auch ansonsten dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen.
157Hiernach kann der Arbeitgeber seiner Anzeigepflicht auch mit einer sog. Sammelanzeige nachkommen (BAG 14.05.2020 – 6 AZR 235/19, aaO., Rn. 126, übereinstimmend BAG 13.02.2020 – 6 AZR 146/19, aaO., Rn. 83 jeweils mit Bezug auf BAG 22.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO., Rn. 70), wenn die betriebliche Einheit bereits bei Erstattung der Massenentlassungsanzeige durch Stilllegung untergegangen war und die in Frage kommenden Kündigungen nur vorsorglich ausgesprochen werden sollten.
158Allerdings hat der 6. Senat mitnichten ausgeführt, dass dies die einzige dem Arbeitgeber zur Verfügung stehende Möglichkeit ist, um in einem solchen Fall eine wirksame Massenentlassungsanzeige abzugeben. Der Senat hat vielmehr unter Bezug auf die Rechtsprechung des 2. Senats eine Möglichkeit aufgezeigt, die dem Arbeitgeber jedenfalls zur Verfügung steht. Der 2. Senat führt aber ausdrücklich aus, dass in einem solchen Fall, der Arbeitgeber die Anzeige zugleich bei sämtlichen möglicherweise zuständigen Agenturen einreichen „kann“ (BAG 22.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO., Rn. 70).
159b. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte auch eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit in Köln hätte erstatten müssen und ob der Beklagte eine solche für die in Dresden, Paderborn/Lippstadt und Stuttgart stationierten Arbeitnehmer erstattet hat. Der Kläger gehört dem Betrieb Düsseldorf an, so dass eine pflichtwidrig unterlassene Massenentlassungsanzeige in Köln keine Auswirkung auf ihn gehabt hätte. Die für den Kläger zuständige Agentur für Arbeit Düsseldorf wurde durch die vermeintlich pflichtwidrig unterlassene Massenentlassungsanzeige in Köln, Dresden, Paderborn/Lippstadt und Stuttgart nicht in ihrer Prüfung für die durch die Massenentlassung aufgeworfenen Probleme in Düsseldorf behindert. Nach dem Sinn und Zweck der MERL und des § 17 Abs. 3 KSchG sollen die zuständigen Behörden in die Lage versetzt werden, die Folgen der Massenentlassung vor Ort zu mildern oder zu beheben (BAG 13.02.2020 – 6 AZR 146/19, aaO. Rn. 54). Wurde an einem anderen Betriebssitz eine fehlerhafte oder gar keine Massenentlassungsanzeige erstattet, hat dies auf die Behörde, an der richtigerweise eine Massenentlassungsanzeige erstattet wurde, keine Auswirkungen. Sie wird nicht in ihrer Prüfung behindert; ihre Bemühungen, die Folgen der Massenentlassung vor Ort zu mildern oder zu beheben, werden nicht beeinflusst. Dem entspricht, dass sich ein Arbeitnehmer nicht auf die Fehlerhaftigkeit von Muss-Angaben iSd. § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG berufen kann, wenn er durch diese nicht betroffen ist (BAG 13.02.2020 – 6 AZR 146/19, aaO., Rn. 109; vgl. auch BAG 22.03.2001 – 8 AZR 565/00, NZA 2002, 1349; Moll in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 5. Aufl. 2017, § 17 KSchG Rn 133; Kiel in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2019, § 17 KSchG, Rn 35a; LAG Düsseldorf 24.01.2019 – 13 Sa 411/18 – Rn. 236).
160c. Die Massenentlassungsanzeige vom 18.08.2020 lässt auch keine inhaltlichen Fehler erkennen.
161Insbesondere hat der Beklagte im Anschreiben vom 18.08.2020 den Stand der Beratungen mit den jeweiligen Arbeitnehmervertretungen zutreffend dargelegt (vgl. zu diesem Erfordernis BAG 22.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO., Rn. 69).
162Der Beklagte hat auch die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer nicht falsch angegeben. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sind nicht die insgesamt noch beschäftigten Arbeitnehmer anzugeben, sondern die den einzelnen Betrieben zugeordneten. Der Beklagte musste auch nicht die Zahl der ehemals an der Station Düsseldorf beschäftigten Arbeitnehmer angeben. Die Agentur für Arbeit wird tätig, um sich auf die von der aktuellen Kündigungsentscheidung betroffenen Arbeitnehmer vorzubereiten und für diese Vermittlungstätigkeiten zu entfalten. Auf die bereits nach Erstattung der ersten Massenentlassungsanzeige vom 12.01.2018 ausgeschiedenen Arbeitnehmer muss die örtliche Agentur für Arbeit sich nicht mehr vorbereiten. Nach dem Sinn und Zweck der Massenentlassungsanzeige sind folglich nur diejenigen Arbeitnehmer aufzuführen, für die noch sozioökonomische Auswirkungen abgemildert werden können. Dies hat der Beklagte getan.
163Der Beklagte musste den jeweiligen Agenturen für Arbeit auch nicht mitteilen, in welchem Zuständigkeitsbereich zuletzt die meisten der zu entlassenden Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sind. Dies wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn der Beklagte nach Maßgabe der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts vorgegangen wäre und eine Sammelanzeige bei sämtlichen möglicherweise zuständigen Arbeitsagenturen eingereicht hätte (vgl. insoweit BAG 22.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO., Rn. 70).
164Soweit der Beklagte im Formblatt für die Anzeige der Massenentlassung einmal angegeben hat, dass eine Stellungnahme des Betriebsrats vorhanden sei und einmal, dass eine Stellungnahme nicht vorhanden sei, ist dies unter Berücksichtigung des Anschreibens zur Massenentlassungsanzeige nicht widersprüchlich. Das Formblatt berücksichtigt nicht, dass bei einem Arbeitgeber drei zeitgleich für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen zuständige Arbeitnehmervertretungen bestehen. Der Beklagte hat die unterschiedlichen Reaktionen der Arbeitnehmervertretungen in dem Formblatt berücksichtigt und diese in dem Anschreiben erklärt und zutreffend dargestellt. Die Agentur für Arbeit hat anhand dessen ohne weiteres prüfen können, ob und wie die jeweiligen Arbeitnehmervertretungen sich eingelassen haben. Insoweit hätte es nur nicht ausgereicht, wenn der Beklagte es der Agentur für Arbeit ohne Erläuterung im Anschreiben überlassen hätte, den Sachstand selbst durch Lesen der Anlagen zu ermitteln (vgl. hierzu BAG 14.05.2020 – 6 AZR 235/19, aaO., Rn. 132).“
165d. Letztlich liegt kein Verstoß gegen die Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG vor.
166aa. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG legt lediglich den Zeitraum fest, den der Arbeitgeber verstreichen lassen muss, bevor er eine Anzeige ohne Stellungnahme des Betriebsrats erstatten darf (BAG 09.06.2016 – 6 AZR 405/15, BAGE 155, 245, Rn. 36). Vorliegend hatten der Beklagte und die PV Cockpit bereits am 04.07.2020 vereinbart, dass das Konsultationsverfahren durchgeführt wurde und am 04.07.2020 abgeschlossen worden ist.
167bb. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte mit der PV Cockpit vereinbart hatte, dass die Massenentlassungsanzeige erst nach Abschluss des Konsultationsverfahrens auch mit der PV Kabine stattzufinden habe. Auch im Bereich der PV Kabine ist die Frist des §§ 17 Abs. 3 S. 3 KSchG eingehalten worden.
168Nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist für den Fristanlauf nicht auf das Ende des Konsultationsverfahrens abzustellen, sondern auf dessen Beginn, da es nur auf die Unterrichtung ankommt. Das Konsultationsverfahren mit der PV Kabine erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 05.08.2020 für beendet und damit mehr als zwei Wochen nach der letzten Meldung über ein im Rahmen der Konsultation zu berücksichtigendes Arbeitsverhältnis vom 05.06.2020.
1695. Der Beklagte hat die bei der Insolvenzschuldnerin zuletzt bestehenden Arbeitnehmervertretungen rechtzeitig und ordnungsgemäß iSd. § 17 Abs. 2 KSchG vor Ausspruch der Kündigung vom 27.08.2020 beteiligt.
170a. Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren rechtzeitig eingeleitet. Den vorsorglich ins Auge gefassten Kündigungen lag die Absicht zugrunde, es bei der zum 31.12.2017 erfolgten Betriebsstilllegung zu belassen. In diesem Planungsstadium genügte es, das Konsultationsverfahren vor Ausspruch der das Festhalten an dem Stilllegungsentschluss exekutierenden - zweiten - Kündigungen einzuleiten (EuGH 10.09.2009 – C-44/08, Slg. 2009, I-8163, Rn. 38, 41 und 49; BAG 22.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO., Rn. 38). Die Beklagte musste nicht etwa zunächst den Betrieb „wieder eröffnen“ (BAG 22.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO.).
171b. Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren mit der PV Cockpit auch ordnungsgemäß eingeleitet und durchgeführt. Insoweit werden erneut die Ausführungen der 6. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf (6 Ca 5392/20) zur Begründung herangezogen.
172aa. Der Arbeitgeber unterliegt im Konsultationsverfahren keinem Einigungszwang. Es reicht aus, wenn er mit dem ernstlichen Willen zur Einigung in die Verhandlung geht (BAG 28.06.2012 – 6 AZR 780/10, BAGE 142, 202, Rn. 57) und ggf. bereit ist, abweichende Vorschläge der Arbeitnehmervertretung ins Kalkül zu ziehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen (EUArbR/Spelge RL 98/59/EG Art. 2 Rn. 22). Eine absolute Verhandlungsmindestdauer ist weder nach nationalem noch nach Unionsrecht vorgegeben (BAG 16.05.2007 – 8 AZR 693/06, aaO., Rn. 42). Die Konsultationen sind ohne Einigung der Betriebsparteien beendet, wenn der Arbeitgeber annehmen darf, es bestehe kein Ansatz für weitere, zielführende Verhandlungen (BAG 26.02.2015 – 2 AZR 955/13, BAGE 151, 83, Rn. 29). Dem Arbeitgeber kommt in diesem Rahmen eine Beurteilungskompetenz zu, wann er den Beratungsanspruch des Betriebsrats als erfüllt ansieht. Das setzt indes voraus, das er dem Betriebsrat zuvor alle zweckdienlichen Auskünfte iSd. § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KSchG erteilt hat, wobei es sich nach dem Verlauf der Beratungen richtet, welche Angaben des Arbeitgebers – noch oder nunmehr – als zweckdienlich anzusehen sind (BAG 14.05.2020 – 6 AZR 235/19, aaO., Rn.143; 22.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO., Rn. 50, 53).
173bb. Hier ist der Beklagte mit Schreiben vom 17.04.2020 an die Arbeitnehmervertretungen herangetreten und hat diese zu Beratungen gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG aufgefordert. Das Schreiben vom 17.04.2020 enthielt die Gründe für die geplanten Entlassungen (Teil der Anlage B2, dort Anlage 12, Seite 4 - 20, 23 - 24), konkret die Betriebsstilllegung wegen der Einstellung des Geschäftsbetriebs zu Ende 2017 und das Erfordernis erneuter Massenentlassung infolge der ergangenen und sich abzeichnenden höchstrichterlichen Entscheidungen zu den vorherigen Kündigungen des Flugpersonals.
174Des Weiteren waren dort (Seite 25 - 34) die Zahlen und Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer genannt. Die Angaben wurden mit Schreiben vom 20.05.2020 ergänzt (Teil der Anlage B2, dort Anlage 14), wobei unschädlich ist, dass die Unterrichtung im Verlauf des Verfahrens vervollständigt wurde (vgl. BAG 13.06.2019 – 6 AZR 459/18, BAGE 167, 102, Rn. 41; 26.02.2015 – 2 AZR 955/13, aaO., Rn. 29; EuGH 10.09.2009 – C-44/08 – [Keskusliitto] Rn. 53, NZA 2009, 1083).
175Das Schreiben vom 17.04.2020 (Seite 34) enthielt weiter den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollten. Damals wurde „ab Ende des Monats Mai“ prognostiziert, wobei es sich in dem Schreiben zur Einleitung des Konsultationsverfahrens notwendigerweise um eine Planung handelte. Der PV Kabine gelangte unmittelbar zur Kenntnis, dass sich der Zeitraum insbesondere wegen des fortdauernden Konsultationsverfahrens verschob.
176Schließlich hat der Beklagte im Schreiben vom 17.04.2020 (Seite 35) hinsichtlich der für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehener Kriterien auf einen abzuschließenden Insolvenzsozialplan verwiesen und dessen Entwurf angefügt. Bereits mit einem Verweis auf einen noch abzuschließenden Sozialplan ist der Unterrichtungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KSchG genügt (BAG 28.05.2009 – 8 AZR 273/08, NZA 2009, 1267, Rn. 57; 18.09.2003 – 2 AZR 79/02, NZA 2004, 375).
177Ein solcher Insolvenzsozialplan wurde mit der PV Cockpit am 04.07.2020 abgeschlossen (Anl. B 2.1).
178Im Ergebnis kann auch dahinstehen, ob sich Verstöße im Bereich des 17 Abs. 2 KSchG im Konsultationsverfahren mit der PV Kabine auf das hier maßgebliche Konsultationsverfahren mit dem der PV Cockpit bzw. auf die Wirksamkeit der Kündigung der Cockpitmitarbeiter auswirkten. Bedenken hinsichtlich der Durchführung des Konsultationsverfahrens mit der PV Kabine bestehen nicht (vgl. ArbG Düsseldorf, 6 Ca 5392/20):
179cc. Erbetene relevante Informationen hat der Beklagte vollständig nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 1 bis 6 KSchG erteilt und so gezeigt, dass er mit dem ernstlichen Willen zu einer Einigung in die Beratungen gegangen ist (vgl. BAG 13.06.2019 – 6 AZR 459/18, aaO.; 22.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO., Rn. 50). Dem steht die anderweitige Auffassung der PV Kabine nicht entgegen.
180(1) Die Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung soll es dieser ermöglichen, Einfluss auf die Willensbildung des Arbeitgebers zu nehmen und konstruktive Vorschläge zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassungen sowie zur Milderung der Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen zu unterbreiten (BAG 13.06.2019 – 6 AZR 459/18, aaO., Rn. 41; 13.12.2012 – 6 AZR 752/11, AP Nr. 44 zu § 17 KSchG 1969, Rn. 42; 20.09.2012 – 6 AZR 155/11, BAGE 143, 150, Rn. 60 mwN.; ErfK/Kiel, 21. Aufl., § 17 KSchG Rn. 21). Welche Informationen dazu erforderlich sind, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Hat die Arbeitnehmervertretung, etwa durch Verhandlungen über den Interessenausgleich oder auf andere Weise, schon Kenntnisse über die Umstände der beabsichtigten Massenentlassung erlangt, genügen auch schlagwortartige Informationen (BAG 13.06.2019 – 6 AZR 459/18, aaO.). Fragen der Arbeitnehmervertretung muss der Arbeitgeber beantworten, wenn dadurch nicht in seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingegriffen wird und die Fragen auf das Unterbreiten sinnvoller Vorschläge zielen. Angeforderte weitergehende Informationen kann der Arbeitgeber verweigern, wenn er sie für nicht zielführend hält (Spelge, EuZA 2018, 67 (81 f.).
181(2) Der Beklagte hat sich mit den Fragen und Argumenten der PV Kabine hinreichend auseinander gesetzt.
182Soweit die PV Kabine in ihrem Schreiben vom 04.06.2020 erstmals nach den Kriterien, nach denen die sachgrundbefristeten Arbeitnehmer ausgewählt worden seien, gefragt hat, hat der Beklagte mit Schreiben vom 17.06.2020 ausgeführt, dass diese Arbeitnehmer über spezielle interne Kenntnisse verfügten, die zur Abwicklung der Insolvenzschuldnerin benötigt wurden. Er habe zudem Wert auf eine entsprechende Berufserfahrung gelegt, wohingegen nicht ausschließlich die Qualifikation der Mitarbeiter für ihn maßgeblich gewesen sei. Dies hat die PV Kabine im weiteren Verlauf auch nicht in Zweifel gezogen, sondern schlicht weiter auf die angebliche Nichtbeantwortung ihrer Frage bestanden. Indem der Beklagte auf die Kenntnisse und Erfahrungen abgestellt hat, nach denen er die sachgrundbefristeten Arbeitnehmer des Restabwicklungsteams ausgesucht hat, hatte er diese Frage der PV Kabine aber schon längst beantwortet.
183Soweit der Kläger vorträgt, die von der PV Kabine gestellte Frage nach den Kosten des Generalbevollmächtigten sei nicht beantwortet worden, ist dies nicht zutreffend. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 17.06.2020 ausgeführt, dass die Kosten noch nicht abschließend feststehen. Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage durch den Beklagten, hätte er überhaupt keine Antwort geben müssen. Im Rahmen des Konsultationsverfahrens geht es um die Verhinderung oder Milderung avisierter Beendigungen von Arbeitsverhältnissen. Hierzu war die bei dem Beklagten zur Verfügung stehende Masse relevant, aus der er ggf. finanzielle Ansprüche hätte bedienen können. Diese Frage hat der Beklagte eindeutig beantwortet: Es war keine Masse vorhanden. Vielmehr war es zuletzt am 27.05.2020 erforderlich, Neumasseunzulänglichkeit anzuzeigen. Im Rahmen der Telefonkonferenz vom 02.07.2020 hat er außerdem erklärt, dass auch kurzfristig keine neuen Massezuflüsse zu erwarten seien. Ob durch die Beauftragung des Generalbevollmächtigten weitere Kosten, die die Masse belastet hätten, entstanden sind, konnte daher dahinstehen. Es war für die Frage der finanziellen Belastbarkeit der Masse irrelevant. Soweit die PV Kabine dagegen evtl. Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten aus dieser Information ableiten wollte, wäre auch dies irrelevant gewesen. Solche Ansprüche sind nicht Inhalt des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG und dienen nicht der Verhinderung oder Milderung der Folgen von beabsichtigten Beendigungen.
184Soweit der Kläger vorträgt, die PV Kabine habe eine fehlerhafte Sozialauswahl und bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten angeführt, wurden alle relevanten Fragen durch den Beklagten beantwortet. Fragen zur Sozialauswahl wurden lediglich im Zusammenhang mit den sachgrundbefristeten Arbeitnehmern des Restabwicklungsteams gestellt. Hier hat der Beklagte klargestellt, dass auch diese Arbeitnehmer zunächst gekündigt wurden und eine Sozialauswahl wegen der zum damaligen Zeitpunkt alle Arbeitnehmer betreffenden Kündigungen nicht vorzunehmen war.
185Der Kläger geht fehl darin, dass die PV Kabine im Rahmen des Konsultationsverfahrens Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt hätte. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten iSd. § 1 Abs. 3 KSchG hat die PV Kabine in keinem ihrer Schreiben im Rahmen des Konsultationsverfahrens dargestellt. Zwischen den Beteiligten war vielmehr zu jedem Zeitpunkt unstreitig, dass der Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin von dieser über den 31.12.2017 hinaus nicht weiter betrieben worden ist. Soweit hiermit die 26 sachgrundbefristeten Arbeitnehmer gemeint gewesen sind, hat der Beklagte erklärt, nach welchen Kriterien er sie ausgesucht hat.
186dd. Nachdem die PV Kabine unverändert und fortwährend die Beantwortung von bereits beantworteten oder irrelevanten Fragen für weitere Verhandlungen verlangte, hat der Beklagten zu Recht davon ausgehen dürfen, dass keine weiteren Ansätze für Verhandlungen bestanden haben (vgl. BAG 22.09.2016 – 2 AZR 276/16, aaO.) und durfte das Konsultationsverfahren mit Schreiben vom 05.08.2020 für beendet erklären.
1876. Die Kündigung ist auch nicht unwirksam, weil die für den Kläger zuständige Arbeitnehmervertretung – die PV Cockpit– nicht ordnungsgemäß nach § 74 TVPV Kabine vor Ausspruch der Kündigung informiert worden wäre.
188a. Die Informationspflicht nach § 74 TVPV ist derjenigen nach § 102 Abs. 1 BetrVG nachgebildet. Die für die Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG geltenden Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn eine durch Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gebildete Arbeitnehmervertretung vor Ausspruch der Kündigung anzuhören ist (vgl. BAG 26.04.2007 – 8 AZR 695/05, AP Nr. 4 zu § 125 InsO; ausdrücklich LAG Düsseldorf 24.01.2019 – 13 Sa 411/18 – Rn. 197).
189Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Nach Satz 3 der Norm ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Eine Kündigung ist dabei nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat überhaupt nicht beteiligt, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausführlich genug nachgekommen ist (BAG 06.10.2005 – 2 AZR 316/04, NZA 2006, 990).
190b. Nach Vorlage der Anhörung der PV Cockpit vom 07.08.2020 war es daher Sache des Klägers, Unwirksamkeitsgesichtspunkte innerhalb der Anhörung aufzuzeigen (vgl. zu § 102 BetrVG: BAG 24.04.2008 – 8 AZR 268/07, NZA 2008, 1314; 22.01.2004 – 2 AZR 111/02, AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 Namensliste). Die von dem Kläger behaupteten Mängel der Anhörung führen nicht dazu, dass angenommen werden könnte, der Beklagte hätte die PV Cockpit nicht richtig beteiligt.
191aa. Soweit der Kläger vorträgt, der Beklagte habe die PV Cockpit nicht darüber informiert, dass eine Massenentlassungsanzeige für die vormals in Köln stationierten Arbeitnehmer nicht zu erstatten sei, und damit auch die Verpflichtung, ein Konsultationsverfahren für die vormals in Köln stationierten Arbeitnehmer durchzuführen, nicht notwendig sei, war die Erstattung dieser Massenentlassungsanzeige für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nach Maßgabe der obigen Ausführungen unter I. 4. b. der Gründe objektiv unerheblich und unter Berücksichtigung der unter I. 6. b. aa. (2) der Gründe dargestellten Grundsätze der subjektiven Determination auch ansonsten nicht vom Beklagten darzustellen. Da er die Erstattung einer Massenentlassungsanzeige in Köln nicht für erforderlich hielt, hat es für ihn bei Ausspruch der Kündigung auch keine Rolle gespielt. Gleiches gilt für die Frage der ausschließlichen Beschäftigung von First Officers an der Station Köln.
192bb. Im Übrigen hat der Kläger keine Mängel der Anhörung aufgezeigt, so dass von ihrer Richtigkeit auszugehen war.“
1932. Aufgrund des Unterliegens mit ihrem Antrag zu 1) standen die weiteren ausdrücklich als Hilfsanträge formulierten Anträge nicht mehr zur Entscheidung der Kammer an.
194II.
1951. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Klägerseite trägt als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits.
1962. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO.
1973. Die Berufung war nicht gemäß § 64 Abs. 3a ArbGG gesondert zuzulassen. Ein besonderer Zulassungsgrund iSd § 64 Abs. 3 ArbGG ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
198Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
199Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
200Landesarbeitsgericht Düsseldorf
201Ludwig-Erhard-Allee 21
20240227 Düsseldorf
203Fax: 0211 7770-2199
204eingegangen sein.
205Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
206Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
207Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
208- 209
1. Rechtsanwälte,
- 210
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 211
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
213* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
214P.
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