Urteil vom Arbeitsgericht Hamburg (7. Kammer) - 7 Ca 236/17

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 3.677,63 festgesetzt.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten die zutreffende Vergütung der Klägerin.

2

Die am ... 1973 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 12.11.1992 bei der Beklagten als Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt.

3

Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-AVH und die ihn ergänzenden Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung. Die Klägerin ist in die Entgeltgruppe S4 gem. Abschnitt Z/3 - Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst in Kindertagesstätten bei Mitgliedern der AVH des Anhangs zur Anlage C - Kitas zu § 101 Abs. 1 des Tarifvertrags für die Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V. (TV-AVH - besonderer Teil Verwaltung - BT-V) vom 19.09.2005 eingruppiert.

4

Durch den Tarifabschluss vom 05.11.2015 kam es zum einen zum Änderungstarifvertrag Nr. 9 zum Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten von Mitgliedern der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e. V. in den TV-AVH (Anlage K 8, Bl. 30 d.A.) und zur Regelung des Übergangsrechts", zum anderem zum „Änderungstarifvertrag Nr. 20 zum Tarifvertrag für die Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e. V. - besondere Teil Verwaltung" (Anlage K 4, Bl. 10 d.A.). Der Änderungstarifverträge Nr. 20 regelte eine Veränderung des Stufenaufstiegs, des Entgeltstufensystems und Erhöhungen der Entgelthöhen in einzelnen Entgeltstufen. Er sah insbesondere eine Änderung der Entgelttabelle (Anlage 1 zu § 101 Anlage C Kitas) zum 01.01.2016 vor. Im Änderungstarifvertrag Nr. 9 wurde geregelt, wie die Veränderungen des Änderungstarifvertrages Nr. 20 auf die übergeleiteten Beschäftigten anzuwenden sind. Die nächst höhere Stufe der Entgeltgruppe S4 ist für die Klägerin die Stufe 5. In dieser Stufe der Entgeltgruppe S5 erhöht sich das Entgelt durch den Tarifabschluss von € 2.779,22 auf € 2.874,00 brutto, mithin um 3,41%.

5

Das Vergleichsentgelt gem. § 26b Abs. 3 S. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten von Mitgliedern der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. (TVÜ KAH), nach dem die Beklagte die Klägerin vergütet (in der Abrechnung als Tarifgruppe S4 / 4+ bezeichnet), betrug im Dezember 2015 € 2.238,58 brutto und lag damit unterhalb der höchsten Entwicklungsstufe der Entgelttabelle für die Stufe S4 (€ 3.030,34 brutto).

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Die allgemeinen Tariferhöhungen zum März 2016 und zum Februar 2017, die nicht Gegenstand der oben aufgeführten Tarifverträge war, hat die Beklagte an die Klägerin weitergegeben.

7

Die Klägerin meint, dass ihr Gehalt seit dem 01.01.2016 um 3.41%, mithin um € 73,34 auf € 2.314,92, zu erhöhen sei. Dies ergebe sich aus § 26b Abs. 4 S. 7 TVÜ KAH. Die Klägerin habe nach dieser Regelung Anspruch auf Erhöhung des gebildeten Vergleichsentgelts in demselben Umfang wie die nächst höhere Stufe.

8

Die Klägerin weist auf die identisch formulierte Regelung für die individuelle Endstufe in § 6 Abs. 4 S. 6 TVÜ KAH hin, die bestimmt, dass die individuelle Endstufe sich in demselben Umfang verändert wie die höchste Stufe der jeweiligen Entgeltgruppe. Damit hätten die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass diese individuelle Endstufe dynamisch ausgestaltet sei und nicht abschmelzen solle.

9

Darauf, dass für die Klägerin eine individuelle Zwischenstufe gebildet wurde, komme es nicht an: Der Wortlaut des § 26b Abs. S. 7, 1. HS TVÜ-KAH verändere das Vergleichsentgelt als Ganzes.

10

§ 27b Abs. 3 S. 2 finde auf den Fall der Klägerin keine Anwendung. Diese Regelung enthalte nur den Sonderfall der individuellen Endstufe im Anwendungsbereich der Absätze 1 und 2, die jedoch ganz andere Sachverhalte zum Gegenstand haben.

11

Weiter habe die Klägerin einen Anspruch auf eine Einmalzahlung in Höhe von € 397,39 brutto, der in der Tarifeinigung vom April 2016 (Anlage K 7, Bl. 29 d.A.) vereinbart wurde. Wegen der Berechnung dieses Betrages wird auf S. 5 der Klagschrift verwiesen.

12

Schließlich stehe der Klägerin ein Verzugsschaden in Höhe von je € 40,00 für die Monate Januar 2016 bis einschließlich April 2017 (=16 Monate), insgesamt also € 640,00 netto, zu.

13

Mit der am 06.06.2017 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Klage beantragt die Klägerin,

14

1. festzustellen, dass sich das Grundentgelt der Klägerin ab dem 01.01.2016 um 3,41 % erhöht hat.

15

2. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 397,39 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 zu zahlen.

16

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Betrag in Höhe von € 640,00 netto als Verzugsschaden gem. § 288 Abs. 5 BGB zu zahlen.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Die Beklagte entgegnet, dass die Klägerin auf die begehrte Erhöhung keinen Anspruch habe, weil nur individuelle Endstufen, nicht aber individuelle Zwischenstufen zu erhöhen seien.

20

Der Änderungstarifvertrag Nr. 20 stelle keine allgemeine Lohnerhöhung dar, sondern eine Strukturmaßnahme. Gehälter seien weitestgehend nicht erhöht worden.

21

Für die Mitarbeiter, die – wie die Klägerin – eine individuelle Zwischenstufe beziehen, ergibt die Rechtsfolgen aus dem Änderungstarifvertrag Nr. 9, nämlich, Abs. 3 S. 2 des neu eingefügten § 27b. Aus dessen Verweisung auf § 6 Abs. 4 S. 4 TVÜ-KAH ergebe sich, dass nur Mitarbeiter mit individueller Endstufe eine Anpassung erfahren, nicht aber solchen, die einer individuellen Zwischenstufe zugeordnet sind.

22

Da die Klägerin nach dem Änderungstarifvertrag Nr. 9 keinen Anspruch auf eine Entgeltgruppenerhöhung habe, stehe ihr auch keine Einmalzahlung zu (§ 2 Abs. 1 S. 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 9 i.V.m. § 27b Abs. 2 TVÜ-AVH).

23

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 06.11.2017 hat die Klägerin nach der Kammerverhandlung weitere Ausführungen gemacht. Auf den Tatsachenvortrag der Parteien in ihren Schriftsätzen und Anlagen sowie in ihren protokollierten Erklärungen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet.

25

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass das Grundentgelt der Klägerin ab dem 01.01.2016 um 3,41 % erhöht ist.

26

a. Die Regelung des 26b Abs. 4 S. 7 TV-Ü, auf die sich die Klägerin für den geltend gemachten Anspruch beruft, findet vorliegend keine Anwendung. Vielmehr wird diese Regelung verdrängt durch die spezielle Regelung des § 27b Abs. 3 S. 2 TVÜ.

27

§ 26b Abs. 4 S. 7 TVÜ gehört zu den Regelungen, die der Überleitung von Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst in Kindertagesstätten bei Mitgliedern der AVH in die Anlage C-Kitas zum 01.11.2009 dienten. Hierzu gibt es in § 27b TVÜ besondere Regelungen für am 31.12.2015 nach dem Anhang zur Anlage C zu § 101 BT-V eingruppierte Beschäftigte, zu denen auch die Klägerin gehört.

28

Dabei enthält § 27b Abs. 1 Regelungen für die Überleitung von Beschäftigten der früheren Entgeltgruppe S8 und S11. § 27b Abs. 2 enthält Regelungen für sonstige Beschäftigte, die zum 01.01.2016 eine Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe als am 31.12.2015 erhalten. Beide Regelungen, dies ist auch zwischen den Parteien unstreitig, finden auf die Klägerin keine Anwendung. § 27b Abs. 3 enthält in dessen Satz 1 Regelungen für Beschäftigte, die zum 01.01.2016 entweder aus einer individuellen Endstufe nach Abs. 1 in der höheren Entgeltgruppe zugeordnet oder nach Abs. 2 höhergruppiert werden. Auch diese Regelung betrifft die Klägerin nicht.

29

§ 27b Abs. 3 Satz 2 hingegen betrifft den Fall der Klägerin. Diese Regelung gilt für Fälle, in denen sich zum 01.01.2016 allein die Tabellenwerte der Entgeltgruppe erhöhen. Dies ist bei der Klägerin der Fall: Die Klägerin bleibt zum 01.01.2016 in die Entgeltgruppe S4 eingeordnet, deren Tabellenwerte sich zu diesem Zeitpunkt jedoch erhöhen.

30

Dass, wie die Klägerin meint, diese Regelung auf den Fall der Entgeltgruppe S 4 keine Anwendung finde, weil dies bereits zuvor ausdrücklich geregelt war, sodass es bei der ursprünglichen Regelung des § 26b Abs. 4 Satz 7 TVÜ verbleibe, überzeugt nicht. Vielmehr enthält § 27b Abs. 3 TVÜ Regelungen für Beschäftigte, die nach Abs. 1 oder nach Abs. 2 höheren Entgeltgruppen zugeordnet werden (hierfür gilt der erste Satz des § 27b Abs. 3 TVÜ) und solchen, die wie die Klägerin, einer Entgeltgruppe zugeordnet sind, in denen sich allein die Tabellenwerte erhöhen (hierfür gilt Satz 2 der Regelung). Eine andere Interpretation lässt der Wortlaut der Regelung nicht zu.

31

b. Dass die Änderung des Tarifvertrages zum 01.01.2016 eine generelle Anhebung der Bezüge zum Inhalt habe, wie die Klägerin meint, kann die Kammer ebenfalls nicht nachvollziehen, weil es auch Entgeltgruppen gibt, die von der Tarifänderung keine Veränderung erfahren (z.B. S7, S13). Ungeachtet dessen ist auch nicht ersichtlich, welche Schlussfolgerungen ein solcher Umstand für Beschäftigte hätte, die nicht nach der Tabelle vergütet werden, sondern eine individuelle Zwischenstufe beziehen.

32

c. Soweit es – wie die Klägerin meint - Ziel der Tarifbewegung gewesen sein sollte, eine Aufwertung für alle Beschäftigten zu erhalten, so ist dieses Ziel jedenfalls aufgrund oben beispielhaft aufgeführten nicht veränderten Entgeltgruppen nicht durchgängig erreicht worden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich aus dieser nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Behauptung Schlussfolgerungen ziehen ließen, die zu einer anderen Bewertung der Sache führten.

33

d. Es ist somit festzuhalten, dass für die Klägerin die Rechtsfolgen der Tarifänderung aus § 27b Abs. 3 S. 2 TVÜ abzuleiten sind. Dieser verweist auf § 6 Abs. 4 S. 4 TVÜ. Nach dessen Regelung erhöhte sich nur eine individuelle Endstufe, eine Regelung für eine Erhöhung einer individuellen Zwischenstufe findet sich dort hingegen nicht, sodass der Klägerin im Ergebnis für ihr Begehren keine Anspruchsgrundlage zur Verfügung steht.

34

2. Da die Klägerin damit nicht zu denjenigen Beschäftigten gehört, für die sich nach dem Änderungstarifvertrag Nr. 9 eine Entgeltgruppenerhöhung ergibt, steht ihr auch die Einmalzahlung nicht zu. In §2 Abs. 1 S.2 des „Änderungstarifvertrages Nr. 9" vom 05.11.2015 in Verbindung mit §27 b Abs. 2 TVÜ - AVH ist ausdrücklich geregelt, dass nur die Beschäftigten einen Anspruch auf die Einmalzahlung haben, die auch eine Entgeltgruppenerhöhung erfahren haben. Da dies bei der Klägerin nicht der Fall ist, hat auch eine Einmalzahlung zu unterbleiben.

35

3. Da die Beklagte der Klägerin die mit den Anträgen zu 1. und 2. begehrten Zahlungen nicht zu leisten hat, kommt auch die Zahlung eines Verzugsschadens (Antrag zu 3.) nicht in Betracht.

36

4. Das Vorbringen der Klägerseite in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 06.11.2017 gab keinen Anlass die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO wieder zu eröffnen, weil die darin angesprochenen Aspekte keine andere Entscheidung der Kammer rechtfertigen würden.

II.

37

1. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG).

38

2. Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festgesetzte Wert des Streitgegenstandes (Urteilsstreitwert) richtet sich nicht nach den Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes, sondern nach den für die Ermittlung des Beschwerdewertes maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung (BAG, Beschl. v. 04.06.2008 – 3 AZB 37/08). Der Urteilsstreitwert entspricht für den Antrag zu 1. auf wiederkehrende Leistungen dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges (§ 9 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG), der um die Zahlungsanträge (Anträge zu 2. und 3.) zu erhöhen war (§ 3 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG). Daraus ergibt sich der tenorierte Betrag.

39

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 64 Abs. 2 lit. a) ArbGG, 64 Abs. 3 ArbGG liegen vor, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

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