Beschluss vom Bundesgerichtshof (7. Zivilsenat) - VII ZB 57/12

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Streithelferin gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2012 wird zurückgewiesen.

Die Streithelferin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist ein Zwischenstreit über die Zulässigkeit einer Nebenintervention in einem selbständigen Beweisverfahren.

2

Die Antragstellerin beauftragte die Antragsgegnerin zu 1 mit der Planung und Bauüberwachung und die Antragsgegnerin zu 2 mit der schlüsselfertigen Errichtung des Neubaus einer in einer Kaserne in D. gelegenen Werkhalle.

3

Zwischen der Antragstellerin und ihrer Streithelferin besteht ein hiervon unabhängiges Rechtsverhältnis, aufgrund dessen die Antragstellerin der Streithelferin die Werkhalle zur Verfügung zu stellen hat und diese sie zur Instandsetzung von Fahrzeugen und Waffensystemen, unter anderem auch zur Wartung von Panzern, nutzt.

4

An der Oberschicht der Bodenplatte der Werkhalle sind Abplatzungen aufgetreten, über deren Umfang und Ursache Streit besteht. Die Antragsgegnerin zu 2 behauptet, die aufgetretenen Schäden seien ausschließlich darauf zurückzuführen, dass es in der Halle zu einer vom ursprünglichen Vertragszweck abweichenden Nutzung eines Luftkissentransportsystems komme.

5

Die Antragstellerin hat ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Antragsgegnerinnen eingeleitet mit dem Ziel, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens den Umfang der Abplatzungen, die technische Verantwortlichkeit hierfür sowie die erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen klären zu lassen.

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Die Streithelferin hat ihren Beitritt auf Seiten der Antragstellerin erklärt. Sie macht geltend, dass das streitige Rechtsverhältnis zwischen den Parteien des selbständigen Beweisverfahrens für ihre eigene rechtliche Beziehung zur Antragstellerin vorgreiflich sei. Eine Feststellung der Mangelhaftigkeit der erbrachten Bau- bzw. Planungs- und Überwachungsleistungen bedeute zugleich, dass die Antragstellerin ihren Leistungspflichten im Verhältnis zur Streithelferin nicht gerecht werde. Die Streithelferin beabsichtige, die Antragstellerin wegen der gutachterlich festzustellenden Mängel am Hallenboden in Regress zu nehmen. Für die Streithelferin bestehe die Gefahr, dass in dem selbständigen Beweisverfahren ein Gutachten erstellt werde, durch welches Tatsachen festgestellt werden könnten, die sich im Falle einer Anwendung von § 411a ZPO in einem nachfolgenden Rechtsstreit zwischen ihr und der Antragstellerin nachteilig auf ihre Rechtsposition auswirken könnten.

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Die Antragsgegnerin zu 1 hat beantragt, die Nebenintervention zurückzuweisen. Das Landgericht hat den Beitritt der Streithelferin durch Zwischenurteil zugelassen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 hat das Beschwerdegericht die Beitrittserklärung der Streithelferin als unzulässig zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Streithelferin die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

II.

8

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Beitrittserklärung der Streithelferin sei nur dann zulässig, wenn sie ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO an dem "Obsiegen" der Antragstellerin in dem zwischen ihr und den Antragsgegnerinnen anhängigen selbständigen Beweisverfahren habe. Die in einem Rechtsstreit geltenden Grundsätze zur Auslegung des Begriffs des rechtlichen Interesses seien ohne weiteres und ohne Modifikation auf eine Nebenintervention im selbständigen Beweisverfahren anzuwenden. Gemessen hieran sei ein rechtliches Interesse der Streithelferin an einem Beitritt zu verneinen. Die Hoffnung der Streithelferin, im selbständigen Beweisverfahren könnten alle aufgeworfenen Beweisfragen im Sinne der Antragstellerin bewiesen werden, und die damit verbundene Erwartung, in einem späteren Verfahren zwischen ihr und der Antragstellerin könne ein dann zuständiges Gericht das Beweisergebnis übertragen, begründe kein rechtliches Interesse an der Nebenintervention. Das Ergebnis der erstrebten Sicherung von Beweisen wirke sich allenfalls in tatsächlicher und wirtschaftlicher, nicht jedoch in rechtlicher Hinsicht auf das Verhältnis der Streithelferin zur Antragstellerin aus.

10

2. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

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a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Vorschriften über die Nebenintervention und die Streitverkündung (§§ 66 ff. ZPO) im selbständigen Beweisverfahren entsprechend anzuwenden sind (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - VII ZB 9/12, BGHZ 194, 68 Rn. 6 m.w.N.). Damit ist auch entsprechend § 71 ZPO im selbständigen Beweisverfahren über einen Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention durch Beschluss zu entscheiden.

12

b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, die Streithelferin habe kein rechtliches Interesse am Obsiegen der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 entsprechend § 66 Abs. 1, § 71 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht.

13

aa) Der Begriff des rechtlichen Interesses in § 66 Abs. 1 ZPO ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 - I ZB 63/09, NJW-RR 2011, 907 Rn. 10; vom 17. Januar 2006 - X ZR 236/01, BGHZ 166, 18 Rn. 7). Aus dem Erfordernis eines rechtlichen Interesses folgt jedoch, dass ein rein wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse für die Zulässigkeit einer Nebenintervention nicht ausreicht. Es ist erforderlich, dass der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 - I ZB 63/09, NJW-RR 2011, 907 Rn. 10; vom 24. April 2006 - II ZB 16/05, WM 2006, 1252 Rn. 8; vom 17. Januar 2006 - X ZR 236/01, BGHZ 166, 18 Rn. 7). Der bloße Wunsch eines Nebenintervenienten, der Rechtsstreit möge zugunsten einer Partei entschieden werden, und die Erwartung, dass die damit befassten Gerichte auch in einem künftigen eigenen Rechtsstreit mit einer Partei an einem einmal eingenommenen Standpunkt festhalten und zu einer ihm günstigen Entscheidung gelangen, stellen lediglich Umstände dar, die ein tatsächliches Interesse am Obsiegen einer Partei zu erklären vermögen. Das genügt ebenso wenig wie der denkbare Umstand, dass in beiden Fällen dieselben Ermittlungen angestellt werden müssen oder über gleichgelagerte Rechtsfragen zu entscheiden ist (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 - I ZB 63/09, NJW-RR 2011, 907 Rn. 10; vom 24. April 2006 - II ZB 16/05, WM 2006, 1252 Rn. 12).

14

bb) In einem selbständigen Beweisverfahren kann § 66 Abs. 1 ZPO nur entsprechend angewandt werden, weil es ein "Obsiegen" im engeren Sinne hier nicht gibt.

15

Bei der Prüfung eines rechtlichen Interesses ist nicht auf ein Obsiegen in einem gedachten Hauptsacheprozess abzustellen. Eine derartige hypothetische Prüfung ist in diesem Stadium eines Verfahrens schon deshalb nicht möglich, weil noch nicht feststeht, mit welchen Anträgen ein solches Hauptsacheverfahren durchgeführt werden würde. Ein Antragsteller "obsiegt" in einem selbständigen Beweisverfahren vielmehr dann, wenn die von ihm behaupteten Mängel und deren Verursachung durch den Antragsgegner festgestellt werden. Insoweit besteht sein rechtliches Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO gegenüber dem Antragsgegner an der Feststellung des Zustandes einer Sache und der Ursache eines Sachmangels, für den eine Haftung des Antragsgegners ihm gegenüber in Betracht kommt.

16

Mithin kommt es darauf an, ob der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens in diesem Sinne in einem Rechtsverhältnis steht, auf welches das Ergebnis der in dem selbständigen Beweisverfahren stattfindenden zulässigen Beweiserhebung unmittelbar oder mittelbar rechtlich einwirkt.

17

cc) Das ist nach diesen Maßstäben nicht der Fall. Das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens und ein Obsiegen der Antragstellerin wirken nicht rechtlich auf ein Rechtsverhältnis der Streithelferin ein.

18

(1) Ein Regressanspruch der Streithelferin im Sinne eines Rückgriffs gegen die Antragstellerin ist entgegen ihrer Auffassung nicht ersichtlich. Die Streithelferin hat nichts dafür dargelegt, dass sie in Anspruch genommen werden und sich bei der Antragstellerin hierfür schadlos halten könnte.

19

(2) Tatsächlich kommt nur ein Anspruch der Streithelferin aufgrund von Mängeln am Hallenboden aus den Leistungspflichten der Antragstellerin im Verhältnis zur Streithelferin in Betracht. Auf dieses Rechtsverhältnis wirkt ein Obsiegen der Antragstellerin im selbständigen Beweisverfahren weder unmittelbar noch mittelbar rechtlich ein.

20

Das Ergebnis des Beweisverfahrens hat für einen etwaigen Folgeprozess der Streithelferin gegen die Antragstellerin keine materiellen oder prozessualen Rechts-, insbesondere keine Bindungswirkungen.

21

Ein für die Streithelferin günstiges Beweisergebnis bindet weder ohne noch mit einem Beitritt die Antragstellerin im Verhältnis zur Streithelferin. Denn eine entsprechend § 68 ZPO eintretende Bindung wirkt nie zu Lasten der unterstützten Partei. Die Streithelferin muss auch nicht beitreten, um ein für sie negatives Beweisergebnis zu verhindern. Ohne ihren Beitritt gibt es mangels Streitverkündung (§ 72, § 74 Abs. 3, § 69 ZPO) keine Bindungswirkung zu ihren Lasten. Ein Beitritt bringt der Streithelferin daher rechtlich allenfalls einen Nachteil in Form einer möglichen Bindungswirkung zu ihren Lasten, jedoch keinen Vorteil. Die Streithelferin kann sich nur darauf berufen, in ihrem Rechtsverhältnis zur Antragstellerin stellten sich teilweise dieselben tatsächlichen Fragen wie im vorliegenden selbständigen Beweisverfahren. Das genügt nicht, um ein rechtliches Interesse im Sinne von § 66 Abs. 1 ZPO zu begründen (vgl. zum Beitritt in einem Rechtsstreit BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011 - I ZB 63/09, NJW-RR 2011, 907 Rn. 10).

22

Auch die von der Streithelferin geltend gemachte Gefahr, dass in dem selbständigen Beweisverfahren ein Gutachten erstellt werde, dessen Ergebnis sich im Falle einer Anwendung von § 411a ZPO nachteilig auf ihre Rechtsposition auswirken könnte, stellt keinen hinreichenden Interventionsgrund im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO dar. Die bloße Möglichkeit der späteren Gutachtenverwertung begründet kein rechtliches Interesse an dem Beitritt (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2009, 963). Eine nur vage und ungewisse Betroffenheit des Dritten kann die mit der Nebenintervention für die Gegenpartei verbundenen Nachteile in der Prozessführung nicht rechtfertigen (vgl. Wieczorek/Schütze/Mansel, ZPO, 3. Aufl., § 66 Rn. 36 sowie Rn. 5 a.E.). Diese Möglichkeit stellt auch keine ausreichende Gefahr einer erschwerten Prozessführung des Dritten dar. Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens nach § 411a ZPO ersetzt eine schriftliche Begutachtung und ist dieser nach der gesetzlichen Konzeption gleichwertig. Die Parteien haben in gleicher Weise wie bei einer erstmaligen Beweisaufnahme Gelegenheit, auf das Beweisergebnis Einfluss zu nehmen.

III.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick                               Halfmeier                               Kartzke

               Jurgeleit                                  Sacher

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