Beschluss vom Bundesgerichtshof (3. Strafsenat) - 3 StR 5/16

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 6. Oktober 2015, auch soweit es den Mitangeklagten B.      betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter "gemeinschaftlicher" räuberischer Erpressung zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die sich hiergegen richtende Revision des Angeklagten, die auf die allgemein erhobene Sachbeschwerde gestützt ist, hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

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Das Landgericht hat das Folgende festgestellt:

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1. Der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte B.      hatten dem Zeugen H.      Ende des Jahres 2013 zur Besorgung von Marihuana je 450 € gegeben, welche dieser jedoch für sich verbrauchte. Nachdem der Zeuge mehreren Aufforderungen der Angeklagten, die Geldbeträge zurückzuzahlen, nicht nachgekommen war, entschlossen sich diese am 26. März 2015, sich "ihr Geld zurückzuholen". Am Abend begaben sie sich daher zu dem Mehrfamilienhaus, in dem sich die Wohnung des Zeugen S.     befand; in dieser wohnte auch der Zeuge H.     . Sie führten in einer Tasche einen Spachtel, ein Brecheisen sowie zwei ungeladene Schreckschusswaffen der Marken Umarex und SM mit sich, verschafften sich mit Hilfe des Spachtels Zugang zum Haus und klingelten an der Wohnung des Zeugen S.     , der daraufhin öffnete. Da sie die Auskunft des S.     , der Zeuge H.      sei nicht anwesend, nicht glaubten, drängte der Mitangeklagte B.     den Zeugen S.   in die Wohnung, wobei er diesem mit der einen Hand an den Hals griff und mit der anderen Hand die Schreckschusswaffe der Marke SM an den Kopf hielt. Da der Zeuge H.      anschließend der Aufforderung der Angeklagten, seine verschlossene Zimmertür zu öffnen, nicht nachkam, brach der Mitangeklagte B. diese mit dem Brecheisen auf. Sodann forderten beide Angeklagte von dem Zeugen - unter Vorhalt der ungeladenen Schreckschusspistole Umarex durch den Angeklagten N.     - die Herausgabe von 1.000 € in bar. Als der Zeuge H.      kein Geld aushändigte, drohten sie ihm, in vier Wochen wiederzukommen und verließen anschließend die Wohnung.

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2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hätte das Landgericht prüfen und erörtern müssen, ob die Angeklagten strafbefreiend von der versuchten Tat zurückgetreten sind; denn sie belegen weder, dass der Versuch fehlgeschlagen war, noch schließen sie es aus, dass die Angeklagten freiwillig vom unbeendeten Versuch der Tat zurückgetreten sind.

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a) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte Taterfolg nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang setzt (s. etwa nur BGH, Urteile vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690, 691 mwN). Die subjektive Sicht des Täters ist auch dann maßgeblich, wenn der Versuch zwar objektiv fehlgeschlagen ist, der Täter dies aber nicht erkennt; zumindest soll ein freiwilliger Verzicht auf weitere Tathandlungen zur Straffreiheit nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB führen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2004 - 5 StR 239/04, NStZ-RR 2005, 70, 71).

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Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe einen fehlgeschlagenen Versuch nicht. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ergibt sich auch daraus, dass die Angeklagten - nach der erfolglosen Forderung an den Zeugen H.     , 1.000 € Bargeld herauszugeben - äußerten, in vier Wochen wiederzukommen, nicht hinreichend, dass zu diesem Zeitpunkt der Taterfolg nicht mehr eintreten konnte und die Angeklagten dies erkannt hatten. Zu den Vorstellungen der Angeklagten in Bezug zu dem von ihnen erstrebten Taterfolg in dem Zeitpunkt, als sie den Zeugen H.      verließen, verhalten sich die Urteilsgründe auch im Rahmen der rechtlichen Würdigung nicht. Sie lassen auch offen, wie sich die Sache weiterentwickelte und aus welchen Gründen es dazu kam, dass die Angeklagten entgegen ihrer Ankündigung nicht zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehrten, um ihr Vorhaben weiter zu verfolgen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 - 3 StR 149/14, NStZ-RR 2015, 8).

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b) Auch für die Frage, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Vorstellung der Täter nach seiner letzten Ausführungshandlung von der Tat hat (sog. Rücktrittshorizont; s. nur BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). Danach liegt ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist; in diesem Fall kann er allein durch das freiwillige Unterlassen weiterer auf den Taterfolg abzielender Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 StGB). Hält er dagegen den Eintritt des Taterfolgs für möglich, so ist der Versuch beendet; der strafbefreiende Rücktritt setzt dann voraus, dass der Täter den Taterfolg freiwillig durch aktives Tun verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB) oder zumindest entsprechende ernsthafte Bemühungen entfaltet, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB; s. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 mwN). Sind an einer Tat mehrere beteiligt, so wird gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Diese Verhinderungsleistung kann indes schon darin zu sehen sein, dass die Beteiligten es einvernehmlich unterlassen, weiter zu handeln (st. Rspr.; s. BGH, Beschlüsse vom 4. April 1989 - 4 StR 125/89, BGHR StGB § 24 Abs. 2 Ver-hinderung 2; vom 19. Juni 1991 - 3 StR 481/90, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Rücktritt 4, sowie Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). Ob darin ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch gesehen werden kann, hängt wiederum entscheidend von dem Vorstellungsbild der Täter nach der letzten von ihnen vorgenommenen Ausführungshandlung ab: Gehen sie zu diesem Zeitpunkt davon aus, noch nicht alles getan zu haben, was nach ihrer Vorstellung zur Herbeiführung des Taterfolgs erforderlich oder zumindest ausreichend ist und liegt mithin ein unbeendeter Versuch vor, so können sie durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten. Lässt sich das Vorstellungsbild der Täter im maßgeblichen Zeitpunkt, das auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung ist, den Feststellungen nicht entnehmen, so hält das Urteil insoweit sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts nicht ermöglicht (BGH aaO, vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12, juris Rn. 3; vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263, und Urteil vom 12. Juni 2014 - 3 StR 154/14, NStZ 2014, 507, 509 mwN).

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So liegt es auch hier. Nach den getroffenen Feststellungen ist bereits ein freiwilliger Rücktritt der Angeklagten vom unbeendeten Versuch nicht ausgeschlossen. Ihnen lässt sich insbesondere nicht entnehmen, welche Vorstellungen sich die Angeklagten vom Erreichen des von ihnen erstrebten Taterfolgs machten, als sie die Wohnung verließen. Die bisherigen Feststellungen  schließen auch die Freiwilligkeit eines Rücktritts nicht aus.

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Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

II.

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1. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Revisionsentscheidung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten B.      zu erstrecken, da insoweit das Urteil auf demselben sachlich-rechtlichen Mangel beruht.

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2. Der neue Tatrichter wird darauf hingewiesen, dass nach der bisherigen Feststellung, es könne über den Betrag von 900 € hinaus ein zusätzlicher Zinsanspruch der Angeklagten bestanden haben (UA S. 8), unklar geblieben ist, welche genaue Geldsumme der Zeuge H.      den Angeklagten schuldete und wovon die Angeklagten insofern ausgegangen sind. Auch wenn sie sich irrig ein Recht auf eigenmächtige Befriedigung ihrer (berechtigten) Geldforderungen nur vorgestellt haben sollten, hätten sie sich im Hinblick auf die räuberische Erpressung gemäß §§ 253, 255 StGB in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum befunden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1962 - 4 StR 346/61, BGHSt 17, 87, 90 f.; Beschlüsse vom 17. Juni 1999 - 4 StR 12/99, StV 2000, 79 und vom 28. August 2003 - 4 StR 318/03, NStZ-RR 2004, 45).

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3. Ferner könnte nach den bisherigen Feststellungen, wonach der Angeklagte N.      infolge eines länger dauernden Konsums von Cannabisprodukten "in einem gewissen Grad abhängig" gewesen sei und "die verfahrensgegenständliche Tat aufgrund dieser Betäubungsmittelabhängigkeit begangen" habe (UA S. 4), Anlass bestehen, die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB - unter Heranziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 StPO) - zu prüfen und zu erörtern.

Becker     

Hubert     

     Schäfer

Gericke     

Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

Becker

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