Urteil vom Bundesgerichtshof (4. Strafsenat) - 4 StR 496/15

Tenor

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. April 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit in den Fällen II.1, 2 und 5 der Urteilsgründe die Angeklagten S.      und H.    freigesprochen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Im Übrigen werden die Revisionen verworfen.

3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels hinsichtlich des Angeklagten R.   und die diesem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten S.      wegen einer Steuerstraftat zu einer Geldstrafe verurteilt und ihn – ebenso wie den Angeklagten H.    – in vier weiteren Fällen vom Vorwurf des täterschaftlichen bzw. als Teilnehmer begangenen (gewerbs- und bandenmäßigen) Betrugs freigesprochen. Den Angeklagten R.   hat es im Fall VII. der Urteilsgründe ebenfalls freigesprochen; in den Fällen II.1, 2 und 5 hat es das Verfahren gegen ihn eingestellt. Mit Ausnahme des Steuervergehens des Angeklagten S.      wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen gegen dieses Urteil. Hinsichtlich der Angeklagten S.      und H.    erzielen die Rechtsmittel den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweisen sich die Revisionen als unbegründet.

I.

2

Nach den Feststellungen wettete der Angeklagte R.   von den Niederlanden aus auf die Ergebnisse der Fußballspiele des     P.   gegen den     M.     am 18. Mai 2008 (Fall II.1 der Urteilsgründe), Ha.       gegen     P.   am 26. September 2008 (Fall II.2 der Urteilsgründe) und     M.     gegen     P.   am 23. November 2008 (Fall II.5 der Urteilsgründe). Vor der ersten Wette hatten die Angeklagten S.     , damals Berufsfußballspieler bei dem     P.   , und H.    dem Angeklagten R.   bei einem Treffen in den Niederlanden vorgespiegelt, S.      werde zusammen mit zwei Abwehrspielern für eine Niederlage seines Vereins sorgen; hierfür zahlte R.   30.000 € an S.      und H.   , die das Geld untereinander aufteilten. Mindestens den gleichen Betrag erhielten S.      und H.    in der Woche nach dem 18. Mai 2008 als Vorschuss „für das nächste Spiel“. Einige Tage vor dem 26. September 2008 rief H.    in Absprache mit S.      R.   an und teilte ihm mit, dass die Begegnung Ha.       gegen     P.   „das nächste Spiel“ sei. Auch vor der erneuten Begegnung des     M.     gegen     P.   am 23. November 2008 rief H.    R.   in den Niederlanden an und gab vor, dass S.      und drei weitere Spieler auf eine Niederlage ihres Vereins hinwirken würden. R.   war aber nicht mehr bereit, im Vorfeld des Spiels Geld zu zahlen. H.    sagte S.      , dass sie mit Sicherheit nach dem Spiel Geld bekommen würden, wenn R.   seine Wette gewinnen würde.

3

In allen drei Fällen setzten R.   und ein Geschäftspartner – im Vertrauen auf die Ernsthaftigkeit der Manipulationszusage – bei in Asien ansässigen Wettanbietern jeweils mindestens 100.000 € auf eine Niederlage des     P.   . Sie verteilten die Platzierungen auf verschiedene Internet-Wettkonten, weil die Wettanbieter zur Vorbeugung vor Wettbetrug in den Datenverarbeitungsprogrammen Höchstgrenzen für Wetteinsätze festgelegt hatten, bei deren Überschreitung die Wette nicht mehr automatisiert, sondern erst nach einer persönlichen Kontrolle durch einen Mitarbeiter erfolgen durfte. Die Wetten wurden daher von den asiatischen Anbietern maschinell – ohne Prüfung – und in Unkenntnis der Manipulationszusage angenommen. In den ersten beiden Fällen trafen die Wetten zu und R.   sowie sein Geschäftspartner erhielten mindestens das 1,8-fache ihrer jeweiligen Wetteinsätze als Gewinn ausbezahlt. Im Fall II.5 der Urteilsgründe ging die Wette verloren.

4

Im Fall VII. der Urteilsgründe hatte die Staatsanwaltschaft den Angeklagten zur Last gelegt, bereits die Manipulation des Spiels     P.   gegen A.         am 11. Mai 2008 verabredet zu haben. In diesem Fall hat das Landgericht die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

II.

5

1. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sind wirksam auf die Fälle II.1, 2 und 5 sowie VII. der Urteilsgründe beschränkt.

6

2. Die Revisionen sind unbegründet, soweit sie sich gegen den Freispruch der Angeklagten im Fall VII. der Urteilsgründe wenden. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Aufhebungsanträge zwar auf diesen Fall erstreckt. Sie hat aber die Rechtsmittel insoweit – entgegen Nr. 156 Abs. 2 RiStBV – lediglich mit der allgemeinen Sachrüge begründet. Die Rechtsmittel sind in diesem Umfang offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO; vgl. hinsichtlich des Angeklagten R.   zum Vorrang des Freispruchs vor der Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses KK-StPO/Ott, 7. Aufl., § 260 Rn. 50a mwN; Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Einl. Abschn. K Rn. 43; Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 260 Rn. 38; HK-StPO/Julius, 5. Aufl., § 260 Rn. 8).

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3. Erfolg hat die Staatsanwaltschaft hingegen, soweit sie sich mit ihren Rechtsmitteln gegen den Freispruch der Angeklagten S.      und H.    in den Fällen II.1, 2 und 5 der Urteilsgründe wendet.

8

a) Zwar ist die Wertung des Landgerichts, S.      und H.    hätten sich an den Haupttaten des R.   lediglich als Anstifter oder Gehilfen (UA 24) beteiligt, unter Berücksichtigung des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums (vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 1998 – 5 StR 501/97, NStZ-RR 1998, 136, und vom 17. Januar 2002 – 4 StR 482/01) vertretbar. Seine Annahme, R.   habe im Fall II.1 der Urteilsgründe lediglich einen untauglichen Versuch des Computerbetrugs und in den Fällen II.2 und 5 jeweils einen untauglichen Versuch des banden- und gewerbsmäßigen Computerbetrugs begangen und die Angeklagten S.      und H.    hätten dies gewusst (vgl. zur Straflosigkeit der Teilnahme in dieser Konstellation BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2006 – 3 StR 392/06, NStZ 2007, 531, 532, und vom 28. Mai 2013 – 3 StR 68/13, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 11), erweist sich indes als rechtsfehlerhaft.

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aa) Zu den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe

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(1) Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2012 (4 StR 580/11, Rn. 57 ff., NJW 2013, 1017 f.) eine Strafbarkeit des Wettenden wegen – ggf. vollendeten – Computerbetrugs gemäß § 263a StGB beim „Sportwettenbetrug“ in den Fällen des Abschlusses von Wettverträgen über das Internet bejaht. Danach sind die Voraussetzungen der Tatmodalität des unbefugten Verwendens von Daten im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB erfüllt (betrugsspezifische Auslegung). Die Täuschungsäquivalenz ist in Fällen wie den vorliegenden, in denen die Wetten über das Internet automatisiert abgeschlossen werden, jedenfalls dann zu bejahen, wenn – wie hier – die Datenverarbeitungsprogramme durch die Festlegung von Höchstgrenzen für Wetteinsätze den Willen der Wettanbieter dokumentieren, Wetten auf manipulierte Spiele gar nicht oder jedenfalls nicht zu den gegebenen Wettquoten zuzulassen. Daraus ergibt sich auch, dass der Wettanbieter Wetten auf manipulierte Spiele nicht angenommen hätte, und zwar selbst dann nicht, wenn der Bestochene tatsächlich nicht bereit oder in der Lage war, auf das Spielergebnis Einfluss zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 580/11, Rn. 62, aaO).

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(2) In den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe, in denen die Wettanbieter den entsprechend der vereinbarten Quote berechneten Gewinn ausbezahlt und dadurch für sich einen Vermögensverlust in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn herbeigeführt haben, ist jeweils Vollendung mit einem Schaden in dieser Höhe eingetreten (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 580/11, Rn. 63, aaO; vgl. auch zu § 263 StGB BGH, Urteile vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 55/12, Rn. 22 ff., BGHSt 58, 102, 108 ff., und 4 StR 125/12, Rn. 35, wistra 2013, 186, 189).

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(3) Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts vermag nicht zu überzeugen. Es hat in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe lediglich eine Versuchsstrafbarkeit von R.   angenommen; einer Vollendung stünde entgegen, dass die Spiele in Wahrheit nicht manipuliert gewesen seien. Seine Annahme (UA 23 f.), der Senat habe die vorliegende Konstellation lediglich vorgetäuschter Manipulationsbereitschaft noch nicht entschieden, beruht indes auf einem Missverständnis des Senatsbeschlusses vom 20. Dezember 2012 (4 StR 580/11).

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Dort hatte der Senat die damals vom Landgericht Bochum getroffenen Feststellungen zugrunde zu legen: Bei den Wetten gingen die Wettenden von der Ernsthaftigkeit der gegen Zahlung teilweise hoher Geldbeträge erhaltenen Zusagen von Spielern oder Schiedsrichtern aus. Die tatsächliche Bereitschaft dieser Geldempfänger zur Manipulation konnte indes ebenso wenig sicher festgestellt werden wie deren Einflussnahme auf den Spielverlauf (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 580/11, Rn. 5, NJW 2013, 1017). Gleichwohl hat der Senat die Verurteilung der damals Angeklagten wegen vollendeten Computerbetrugs in den Fällen, in denen die Wetten Erfolg hatten, unter dem Gesichtspunkt des „Erfüllungsbetrugs“ bestätigt. In den Fällen, in denen die Wetten verloren gingen, hat der Senat das Urteil zur Feststellung eines Vermögensschadens unter dem Gesichtspunkt des „Eingehungsbetrugs“ aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen. An der Auffassung, dass der Bereitschaft der Geldempfänger zur Manipulation oder zu einer tatsächlichen Einflussnahme auf den Spielverlauf keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt, hält der Senat fest.

14

(4) Mit der vom Landgericht gegebenen Begründung kann daher eine Teilnahmestrafbarkeit der Angeklagten S.      und H.    in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe nicht verneint werden; dass eine solche aus sonstigen Gründen von vornherein ausscheidet, ist nicht ersichtlich.

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bb) Zum Fall II.5 der Urteilsgründe

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In diesem Fall hat das Landgericht zwar nach § 154a Abs. 2 StPO „ein(en) etwaige(n) Quotenschaden“ (und damit die Frage der Vollendung der Haupttat) von der Strafverfolgung ausgenommen. Der verbleibende Versuch ist aber nach dem vorstehend Ausgeführten ein tauglicher, sodass sich auch in diesem Fall die vom Landgericht angenommene Straflosigkeit der Angeklagten S.      und H.    als rechtsfehlerhaft erweist.

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b) Die Sache bedarf daher in den Fällen II.1, 2 und 5 der Urteilsgründe neuer Verhandlung und Entscheidung; einem Schuldspruch durch den Senat steht entgegen, dass die Angeklagten S.      und H.    sich nicht gegen die sie belastenden Feststellungen des angefochtenen Urteils zur Wehr setzen konnten.

18

Auf die vom Generalbundesanwalt aufgeworfene Frage, ob sich die Angeklagten S.      und H.    wegen Betrugs zum Nachteil des Mitangeklagten R.   strafbar gemacht haben, kommt es für die Entscheidung des Senats nicht an. Daher bedarf es auch keiner Entscheidung, ob dieser rechtliche Gesichtspunkt von den Anklagen umfasst ist.

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4. Die Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten R.   in den Fällen II.1, 2 und 5 der Urteilsgründe weist keinen Rechtsfehler auf.

20

In diesen Fällen steht der Verfolgung des Angeklagten R.   , eines niederländischen Staatsangehörigen, das Fehlen der deutschen Strafgerichtsbarkeit und damit ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1986 – 3 StR 472/85, BGHSt 34, 1, 3 f.; Beschluss vom 12. Juli 2001 – 1 StR 171/01, NJW 2001, 3717 f.). R.   hat in den genannten Fällen den Computerbetrug zum Nachteil der asiatischen Wettanbieter von den Niederlanden aus begangen. Ein inländischer Tatort im Sinne der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ist den Feststellungen nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass als Erfolgsort auch der Ort sogenannter Zwischenerfolge in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2012 – 1 StR 154/12, StraFo 2013, 73, zu § 263 StGB; SSW-StGB/Satzger, 2. Aufl., § 9 Rn. 5 mwN). Aus den Handlungen der Angeklagten S.      und H.    kann sich für R.   schon deswegen kein inländischer Tatort ergeben, weil deren Verhalten R.   nicht nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann (vgl. oben Ziff. II.3.a).

21

Das deutsche Strafrecht ist auch nicht über § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB anwendbar, schon weil der Angeklagte R.   nicht im Inland betroffen wurde (vgl. LK-StGB/Werle/Jeßberger, 12. Aufl., § 7 Rn. 94). Außerdem wurde ein Auslieferungsersuchen „innerhalb angemessener Frist“ (vgl. dazu MüKoStGB/Ambos, 2. Aufl., § 7 Rn. 29) nicht gestellt.

III.

22

Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird auch die Art der Beteiligung der Angeklagten S.      und H.    neu zu bewerten und ggf. die Frage der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts im Fall II.1 der Urteilsgründe näher zu prüfen haben.

Sost-Scheible                           Roggenbuck                        Cierniak

                        Mutzbauer                              Bender

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