Beschluss vom Bundesgerichtshof (1. Zivilsenat) - I ZR 102/15

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg - 3. Zivilsenat und Kartellsenat - vom 14. April 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 37.927,48 € festgesetzt.

Gründe

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I. Die Klägerin ist nach ihrer Behauptung Verkehrshaftpflichtversicherer der G.     Internationale Spedition GmbH (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Die Versicherungsnehmerin wurde 2010 als Subunternehmerin mit dem Transport von Computern und Zubehör nach Schweden beauftragt. Den Transport führte die Beklagte durch. Nachdem der Fahrer der Beklagten das Transportgut in Regensburg übernommen hatte, wurde in der Nacht vom 30. auf den 31. August 2010 auf einem Parkplatz in Schweden aus dem unverschlossenen LKW ein Teil der Ladung im Wert von 24.056 € entwendet.

2

Der Transportversicherer der Versenderin hat die Hauptfrachtführerin vor dem Landgericht Regensburg gestützt auf Art. 17, 29 CMR erfolgreich auf Schadensersatz in Höhe von 24.056 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. In diesem Prozess sind die Versicherungsnehmerin und die Beklagte dem Rechtsstreit auf Seiten der Hauptfrachtführerin als Streithelfer beigetreten.

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Die Klägerin, die nach ihrer Behauptung die im Vorprozess titulierte Hauptforderung nebst Zinsen an die Hauptfrachtführerin sowie die Prozesskosten bezahlt hat, beansprucht von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit die Zahlung eines Betrags in Höhe von 37.927,48 € zuzüglich Zinsen.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (OLG Nürnberg, TranspR 2015, 194). Mit der angestrebten Revision möchte die Klägerin ihren Klageantrag weiter verfolgen.

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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden gegen die Beklagte keine Ansprüche zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

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Nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme habe zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten kein Frachtvertrag bestanden, sondern ein Lohnfuhrvertrag. Ansprüche aus Art. 17 Abs. 1, 23, 29 CMR schieden deshalb aus. Da die Versicherungsnehmerin als Auftraggeberin berechtigt gewesen sei, unmittelbar verbindliche Weisungen zu erteilen, die die Arbeitnehmer der Beklagten zu befolgen hatten, habe die Beklagte das zu befördernde Gut nicht selbst in ihren Besitz genommen. Vielmehr sei die Versicherungsnehmerin durch das von der Beklagten zur Verfügung gestellte Personal Besitzerin geworden. Seien die Fahrer der Beklagten als Besitzdiener der Auftraggeberin anzusehen, scheide eine Obhutspflicht der Beklagten und damit eine Haftung in analoger Anwendung der §§ 425 ff. HGB aus. Eine Haftung der Beklagten wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Lohnfuhrvertrag gemäß den §§ 280, 278 BGB komme allein unter dem Gesichtspunkt des Auswahlverschuldens in Betracht. Hierzu habe die Klägerin nichts vorgetragen. Ein Anspruch aus § 831 BGB bestehe nicht, weil die Fahrer der Beklagten als Verrichtungsgehilfen der Versicherungsnehmerin anzusehen seien.

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2. Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO).

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a) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht im Anschluss an die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass die Parteien miteinander keinen Frachtvertrag, sondern einen Lohnfuhrvertrag abgeschlossen haben.

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aa) Es gibt keinen rechtlich eindeutig festgelegten Begriff des Lohnfuhrvertrags. Diese Verträge können Dienstverträge, Dienstverschaffungsverträge, bürgerlich-rechtliche Werkverträge, Mietverträge oder gemischte Verträge sein (BGH, Urteil vom 17. Januar 1975 - I ZR 119/73, NJW 1975, 780). Es handelt sich um einen Vertrag, der sowohl Elemente eines Mietvertrags als auch der Dienstverschaffung enthält, wenn für ihn kennzeichnend ist, dass ein Fahrzeug mit Fahrer zur beliebigen Ladung und Fahrt nach Weisung des Auftraggebers zur Verfügung gestellt wird (BGH, Beschluss vom 26. April 2007 - IX ZB 160/06, ZIP 2007, 1330 Rn. 8). Ist der Auftragnehmer allerdings verpflichtet, den Transporterfolg herbeizuführen, wird er zum Frachtführer (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juli 1977 - I ZR 18/76, TranspR 1980, 47; BGH, ZIP 2007, 1330). Die Fragen, wie ein Lohnfuhrvertrag rechtlich einzuordnen ist und welche rechtliche Konsequenzen diese Einordnung für den Fuhrunternehmer hat, der für andere Unternehmen Fahrten durch eigenes Personal ausführen lässt, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beantworten.

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bb) Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die Umstände des Streitfalls angenommen, es liege kein Frachtvertrag vor. Zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten habe seit Jahren ein Vertrag bestanden, in dessen Rahmen mehrere Fahrzeuge fest an die Versicherungsnehmerin verchartert worden seien. Das hierfür eingesetzte Personal sei ausschließlich für die Versicherungsnehmerin gefahren. Diese habe dem Fahrer ohne vorherige Information der Beklagten Anweisungen erteilt, welche Fahraufträge in welcher Weise auszuführen seien. Die Beklagte habe ihre Vertragspflichten mit der Überlassung des Fahrers und des LKW erfüllt. Eine Haftung für den Eintritt des Transporterfolgs habe sie nicht übernommen. Aus dem Umstand, dass die Klägerin die Beklagte in Abhängigkeit von den gefahrenen Kilometern vergütet und die Beklagte den Fahrer bezahlt habe, könne das Vorliegen eines Frachtvertrags nicht hergeleitet werden. Diese Umstände seien für ein Mietverhältnis und eine Dienstverschaffung typisch. Mit dieser Beurteilung sind dem Berufungsgericht keine die Zulassung der Revision rechtfertigende Rechtsfehler unterlaufen.

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b) Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht weiche mit seiner Annahme, die frachtrechtlichen Vorschriften seien im Streitfall nicht analog anzuwenden, von einer Entscheidung des OLG Hamm und von der Rechtsprechung des Senats ab.

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aa) Die Entscheidung des OLG Hamm (TranspR 2000, 366), auf die sich die Beschwerde beruft, steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Berufungsgerichts.

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(1) Das OLG Hamm ist in dem ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall aufgrund der von ihm festgestellten Umstände zu der Auffassung gelangt, auf das zwischen den dortigen Parteien bestehende Rechtsverhältnis sei Frachtrecht anzuwenden. Zwar habe der Kläger der Beklagten mit Fahrern besetzte Fahrzeuge zur Verfügung gestellt, die Fahrer hätten jedoch weiter der Weisung des Klägers unterstanden. Es handele sich nicht um eine Kombination aus Dienstverschaffung und Miete. Vielmehr bestehe eine große Nähe zum Frachtvertrag, so dass die Anwendung von Frachtrecht sachgerecht erscheine.

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(2) So liegt der Streitfall nicht. Vielmehr hat sich die Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen im vorliegenden Fall ihres Weisungsrechts über ihre Fahrer begeben. Deshalb weist der hier zur Beurteilung stehende Lohnfuhrvertrag keine Nähe zum Frachtvertragsrecht auf.

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(3) Im Übrigen hatte das OLG Hamm in der genannten Entscheidung nicht zu prüfen, ob das Haftungsregime des Frachtrechts für den ihm zur Beurteilung vorliegenden Vertrag anzuwenden ist. Es hat allein angenommen, dass für das zwischen den dortigen Parteien bestehende Rechtsverhältnis die kurzen frachtrechtlichen Verjährungsfristen gelten.

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bb) Das Berufungsgericht ist nicht von der Senatsentscheidung vom 17. Januar 1975 (I ZR 119/73, NJW 1975, 780) abgewichen.

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(1) Diese Entscheidung ist noch zur Zeit der Geltung des Güterkraftverkehrsgesetzes ergangen. Die Regelung des § 48 GüKG in der für den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt maßgeblichen Fassung gestattete ein Anmieten von Kraftfahrzeugen mit Fahrern unter Eingliederung in den eigenen Betrieb zwecks Durchführung von Transporten nicht (BGH, NJW 1975, 780 f.). Daher mussten im Rahmen von Lohnfuhrverträgen die Fuhrunternehmer bei der Durchführung der Transporte als selbständige Unternehmer des Güterfern- oder Güternahverkehrs tätig werden, wenn nicht die Vereinbarung gegen die Vorschriften des Güterkraftverkehrsgesetzes verstoßen sollte (BGH, NJW 1975, 780, 781). Vor diesem Hintergrund hat der Senat einen Lohnfuhrvertrag als Dienstvertrag angesehen und entschieden, dass der Fuhrunternehmer, der die Erbringung von Diensten durch von ihm zur Verfügung zu stellende Fahrer schuldet, nach § 278 BGB für deren Verschulden haftet. Der Senat hat die rechtliche Einordnung des Vertrags als Dienstvertrag damit begründet, dass diese Qualifizierung nicht nur dem Güterkraftverkehrsgesetz, sondern auch der Interessenlage entspricht.

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(2) Mit diesem Sachverhalt ist der Streitfall nicht vergleichbar. Das Berufungsgericht ist angesichts des Ergebnisses der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, es liege kein Dienstvertrag, sondern ein mit einem Mietvertrag kombinierter Dienstverschaffungsvertrag vor. Es hat im Einzelnen begründet, dass angesichts der Weisungsbefugnis der Versicherungsnehmerin gegenüber den Fahrern der Beklagten und im Hinblick darauf, dass diese der Versicherungsnehmerin den Besitz an dem zu befördernden Gut vermitteln, eine Haftung der Beklagten für ihre Fahrer entsprechend § 425 HGB nicht angemessen ist. Diese Beurteilung ist angesichts der Umstände des Streitfalls nicht zu beanstanden (vgl. auch Koller, TranspR 2013, 140, 145).

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cc) Soweit die Beschwerde darzulegen versucht, dass keine vollständige Ausgliederung des Personals und der Fahrzeuge aus dem Unternehmen der Beklagten stattgefunden habe, sondern dass die Fahrer gegenüber der Beklagten weiterhin weisungsgebunden gewesen seien, zeigt sie keinen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf, sondern setzt in revisionsrechtlich unzulässiger Weise ihre Sicht der Dinge an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts, das in nicht zu beanstandender Weise die Beweiswürdigung des Landgerichts gebilligt hat.

21

dd) Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde auf § 9 der Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs-, Speditions- und Logistikunternehmer (VGBL). In dessen Absatz 2 heißt es zwar, dass auf den Lohnfuhrvertrag die frachtrechtlichen Regelungen dieser Vertragsbedingungen entsprechende Anwendung finden. § 27 VGBL enthält außerdem Regelungen, die § 425 HGB und § 431 Abs. 1 HGB entsprechen. Allerdings waren die VGBL, wie die Beschwerde selbst zugesteht, zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten nicht vereinbart.

22

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher                         Schaffert                               Kirchhoff

                   Löffler                            Schwonke

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