Beschluss vom Bundesgerichtshof (Senat für Anwaltssachen) - AnwZ (Brfg) 5/16

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Berufungsbegründung wird abgelehnt.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er verlangt Einsicht in seine Personalakte. Der Anwaltsgerichtshof hat die Beklagte unter Aufhebung eines ablehnenden Bescheides verurteilt, dem Kläger Einsicht in seine vollständige Personalakte einschließlich sämtlicher Sach- und Disziplinarakten zu gewähren, unabhängig davon, ob sie in Papierform oder in elektronischer Form geführt würden, und hat die Berufung zugelassen.

2

Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs vom 30. Oktober 2015 ist der Beklagten am 30. Dezember 2015 zugestellt worden. Die Berufung ist am 28. Januar 2016 beim Anwaltsgerichtshof eingegangen. Am 1. März 2016 ist beim Bundesgerichtshof ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eingegangen. Die Beklagte ist darauf hingewiesen worden, dass der Antrag nach Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung eingegangen ist. Am 16. März 2016 hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Eine Berufungsbegründung war diesem Antrag nicht beigefügt. Die Beklagte ist darauf hingewiesen worden, dass die versäumte Begründung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt werden müsse. Am 31. März 2016 hat die Beklagte die Berufung begründet.

II.

3

Der Senat entscheidet in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung. Der anwaltliche Beisitzer Rechtsanwalt Dr. L.       ist nicht gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 54 Abs. 2 VwGO von der Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter ausgeschlossen. An dem Verwaltungsverfahren über das Gesuch des Klägers auf Akteneinsicht war er nicht beteiligt. Ein Ausschlussgrund nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 54 Abs. 1 VwGO, § 41 ZPO ist ebenfalls nicht gegeben. Ein Ablehnungsgesuch gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 54 Abs. 1 VwGO, § 44 ZPO wurde nicht gestellt. Die Voraussetzungen einer Ablehnung nach § 42 ZPO, die gegebenenfalls von Amts wegen zu berücksichtigen wären, sind nicht erfüllt. Es liegt kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Der Umstand, dass Rechtsanwalt Dr. L.       bis 2007 Mitglied des Vorstandes der Beklagten war, reicht insoweit nicht aus. Das Akteneinsichtsgesuch, um welches es hier geht, stammt aus dem Jahre 2014. Konkrete Vorgänge, an denen der Richter in seiner Zeit als Mitglied des Vorstands der Beklagten beteiligt gewesen sein könnte und die nun Gegenstand der Akteneinsicht sein könnten, haben weder der Richter noch der Kläger benannt.

III.

4

Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht in der Frist des § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 3 VwGO begründet worden ist. Ist die Berufung  wie hier  vom Anwaltsgerichtshof zugelassen worden, ist sie innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Da das Urteil am Mittwoch, den 30. Dezember 2015 zugestellt worden ist, endete die Frist von zwei Monaten am Montag, den 29. Februar 2016. Eine nach Monaten bestimmte Frist endet im Falle des § 187 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt des Fristbeginns (hier: der Tag der Zustellung) fällt. Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist gemäß § 188 Abs. 3 BGB mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

IV.

5

Wiedereinsetzung in die versäumte Frist kann der Beklagten nicht gewährt werden. Gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht auf ein Verschulden ihres Geschäftsführers zurückzuführen ist.

6

1. Nach glaubhaft gemachter Darstellung der Beklagten hat die Sachbearbeiterin, eine erfahrene und stets zuverlässige Rechtsanwaltsfachgehilfin, die Begründungsfrist falsch berechnet und notiert und es zudem weisungswidrig unterlassen, die Fristberechnung vom Geschäftsführer der Beklagten, einem Rechtsanwalt, abzeichnen zu lassen. Der Sachbearbeiterin sind danach Fehler unterlaufen. Diese werden der Beklagten jedoch nicht zugerechnet. Das Verschulden von nicht vertretungsbefugten Bediensteten wird einer Behörde nicht zugerechnet (OVG Lüneburg, NJW 1994, 1299, 1300; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., § 60 Rn. 23). Anhaltspunkte dafür, dass die Sachbearbeiterin nicht sorgfältig ausgewählt, hinreichend angeleitet und hinreichend überwacht worden ist, liegen nicht vor.

7

2. Das Verschulden ihres Geschäftsführers, der sie in dieser Angelegenheit vor dem Anwaltsgerichtshof vertreten hat, muss sich die Beklagte dagegen zurechnen lassen (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO). An den Geschäftsführer, der Rechtsanwalt ist, können keine geringeren Anforderungen gestellt werden als an einen sonstigen Prozessbevollmächtigten einer Partei. Ein Verschulden des Geschäftsführers kann nach dem Vorbringen der Beklagten und dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers und der Sachbearbeiterin nicht ausgeschlossen werden.

8

Die Sachbearbeiterin hatte eine Vorfrist auf den 26. Februar 2016 notiert. Weder sie noch der Geschäftsführer haben erklärt, dass die Akte nicht an diesem Tag vorgelegt worden sei. Der Geschäftsführer mag nicht gehalten gewesen sein, die Akte sofort am Tag der Vorfrist zu bearbeiten. Es gereicht einem Rechtsanwalt nicht zum Verschulden, wenn er bei Vorlegung einer ausdrücklich als Vorfristsache gekennzeichneten Akte sowohl die Bearbeitung als auch die gebotene Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten ist, nicht bereits am Tag der Vorlage, sondern erst am nächsten Tag vornimmt (BGH, Beschluss vom 17. Juni 1999 - IX ZB 32/99, NJW 1999, 2680; vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366 unter II.1c). Dazu, was mit der Akte nach der Vorlage beim Geschäftsführer geschehen ist, hat sich die Beklagte jedoch nicht erklärt. Hätte der Geschäftsführer die Akte unbearbeitet und ohne weitere Verfügung zurückgegeben, hätte er seinen Prüfungspflichten jedenfalls nicht genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 1999, aaO). Seiner eigenen eidesstattlichen Erklärung zufolge hat der Geschäftsführer die Akte jedoch im Zeitraum zwischen der Vorlage am 26. Februar 2016 und dem Fristablauf am 29. Februar 2016 bearbeitet. Er hat sich nämlich darauf berufen, die Sachbearbeiterin habe "den besprochenen Fristverlängerungsantrag" erst am 1. März 2016 zur Unterschrift vorgelegt. Die gebotene eigenverantwortliche Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt worden ist (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 17. Februar 2009 - VI ZB 33/07, juris Rn. 9), hat er jedoch unterlassen. Sollte der Geschäftsführer vom 26. Februar 2016 bis zum 1. März 2016 untätig geblieben sein, entlastet ihn dies ebenfalls nicht.

V.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                         Lohmann                         Remmert

                   Schäfer                             Lauer

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