Urteil vom Bundesgerichtshof (9. Zivilsenat) - IX ZR 104/17

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. April 2017 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen, der auch die notwendigen Kosten der Streithelfer zu tragen hat.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis zu 6.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem am 20. Februar 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der D.                 GmbH, deren Geschäftsführer der Streithelfer zu 1 war. Dieser hatte bei der beklagten Lebensversicherungsgesellschaft im Jahr 2002 eine selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen.

2

Der Kläger betreibt aus einem rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid die Zwangsvollstreckung gegen den Streithelfer zu 1. Er erwirkte am 17. August 2007 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Dieser nennt Grund und Höhe der zu vollstreckenden Forderungen, derentwegen die Ansprüche des Schuldners gegen "Lebensversicherungen", darunter die Beklagte, "aus Versicherungsvertrag einschließlich der Ansprüche auf Zahlung der Versicherungssumme und der Gewinnanteile, auf Auszahlung des bei Aufhebung oder Kündigung des Vertrages sich ergebenden Rückkaufswerts, auf Kündigung und Umwandlung der Versicherung und auf Bestimmung, Widerruf oder Änderung des Bezugsberechtigten gepfändet" und dem Kläger zur Einziehung überwiesen wurden. Der Beschluss, der am 7. September 2007 der Beklagten als Drittschuldnerin zugestellt wurde, enthält keine weiteren Anordnungen zu den gepfändeten Ansprüchen, insbesondere keinen Zusatz über die Anordnung der Pfändung gemäß § 850b Abs. 2 ZPO. Die Beklagte wies die Pfändung mit Drittschuldnererklärungen vom 19. September 2007 und vom 8. Februar 2016 als unwirksam zurück. Für den Schuldner werde unter der Lebens-/Rentenversicherungsnummer …       eine Versicherung geführt, aus der ausschließlich Leistungen für den Fall der Berufsunfähigkeit versichert seien. Derartige Versicherungen seien grundsätzlich unpfändbar. Seit dem 27. März 2008 zahlte die Beklagte eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente an den Streithelfer zu 1 aus.

3

Im Jahr 2004 hatte der Streithelfer zu 1 zugunsten seiner Ehefrau, der Streithelferin zu 2, ein notarielles Schuldanerkenntnis abgegeben und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen. Die Streithelferin zu 2 erwirkte am 28. Februar 2014 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit welchem die Forderungen des Streithelfers zu 1 gegen die Beklagte gepfändet wurden und der mit Beschluss vom 2. Mai 2014 dahingehend ergänzt wurde, dass die Pfändung gemäß § 850b Abs. 2 ZPO nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften (§§ 850c ff ZPO) erfolge. Nach Zustellung auch des Ergänzungsbeschlusses vom 2. Mai 2014 an die Beklagte am 15. Mai 2014 zahlt diese seit 1. Juni 2014 Beträge in Höhe von 160,83 € monatlich aus der Berufsunfähigkeitsrente an die Streithelferin zu 2.

4

Unter dem 27. Juli 2016 erwirkte der Kläger einen weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschluss betreffend die Forderung des Streithelfers zu 1 gegen die Beklagte, in dem die Pfändung antragsgemäß nach § 850b Abs. 2 ZPO nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften angeordnet war. Diesen Beschluss hob das Landgericht auf (sofortige) Beschwerde des Streithelfers zu 1 mit Beschluss vom 6. Dezember 2016 auf und führte zur Begründung aus, wegen des bereits bestehenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 17. August 2007 fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis für eine erneute Pfändung. Dem Kläger bleibe der bereits beschrittene Weg, gegen die Drittschuldnerin im Klageweg vorzugehen.

5

Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung der an die Streithelferin zu 2 als Pfandgläubigerin ausgekehrten Pfändungsbeträge sowie die Feststellung, dass die Beklagte zur Zahlung der pfändbaren Beträge aus der Berufsunfähigkeitsversicherung des Streithelfers zu 1 an ihn verpflichtet sei. Seine Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger könne weder Zahlung bisher fällig gewordener Monatsbeträge aus der Berufsunfähigkeitsrente des Streithelfers zu 1 verlangen, noch stünden ihm künftige Zahlungen aus diesem Versicherungsverhältnis zu. Er habe kein gegenüber dem Pfändungspfandrecht der Streithelferin zu 2 vorrangiges Pfandrecht erworben.

8

Zwar sei der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. August 2007 hinreichend bestimmt. Trotz der Falschbezeichnung der Versicherung als "Lebensversicherung" sei eine Zuordnung der Pfändung zur einzig bei der Beklagten bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung des Streithelfers zu 1 unzweifelhaft möglich. Jedoch sei die Pfändung unter Verstoß gegen § 850b ZPO erfolgt; der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. August 2007 enthalte nicht die - konstitutive - Anordnung nach § 850b Abs. 2 ZPO. Aus der Erklärung des Streithelfers zu 1, einer Pfändung durch seine Ehefrau zuzustimmen, könne der Kläger nichts zu seinen Gunsten - etwa im Wege einer teleologischen Reduktion des § 850b ZPO - herleiten, denn § 850b ZPO sei eine auch für den Schuldner unverzichtbare Regelung und eine Entscheidung nach § 850b Abs. 2 ZPO setzte eine umfassende Würdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls voraus. Eine Nachholung der Billigkeitspfändung durch das Prozessgericht im Erkenntnisverfahren, die ohnedies nur ex nunc wirken könne, sei nicht möglich, zuständig sei allein das Vollstreckungsgericht im Vollstreckungsverfahren. Auch dessen Entscheidung könne, wenn sie nachträglich herbeigeführt werde, nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückwirken.

9

Folge des Verstoßes gegen § 850b ZPO sei, dass ein Pfändungspfandrecht an der Forderung des Streithelfers zu 1 gegen die Beklagte zugunsten des Klägers nicht entstanden sei. Pfändungstheorien, die ein Entstehen des Pfändungspfandrechts unabhängig von der materiell-rechtlichen Rechtslage befürworteten, sei nicht zu folgen. Hier fehle es an einer materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Entstehung eines Pfändungspfandrechts jedenfalls insoweit, als nach §§ 1204, 1274 Abs. 2 BGB ein Pfandrecht an einem Recht nicht bestellt werden könne, das nicht übertragbar sei, und gemäß § 400 BGB unpfändbare Forderungen nicht abgetreten werden könnten. Ferner sei § 850b ZPO eine so wesentliche Verfahrensvorschrift, dass sie der Entstehung eines Pfändungspfandrechts an einer unpfändbaren Forderung entgegenstehe.

II.

10

Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Allerdings fehlt dem Kläger die Aktivlegitimation bereits deswegen, weil der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. August 2007, auf den sich der Kläger zur Begründung des geltend gemachten Einziehungsanspruchs beruft, die Ansprüche aus der nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur bedingt pfändbaren Berufsunfähigkeitsversicherung des Streithelfers zu 1 bei der Beklagten nicht umfasst.

11

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst geprüft, ob die Forderung, die der Kläger mit Vorrang gegenüber der Streithelferin zu 2 gepfändet wissen will, vom Inhalt des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 17. August 2007 erfasst und hinreichend bestimmt bezeichnet ist. Nur eine Forderung, die Gegenstand der Vollstreckungsmaßnahme ist, kann den Kläger gegenüber dem Drittschuldner zur Einziehung berechtigen; die Zustellung eines Pfändungsbeschlusses gemäß § 829 Abs. 3 ZPO kann eine Pfändung nur hinsichtlich solcher Forderungen bewirken, die der Beschluss erfasst. Inhalt und Umfang eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sind dabei - soweit sich dies nicht aus dessen Wortlaut eindeutig ergibt - durch Auslegung zu ermitteln. Als gerichtlicher Hoheitsakt unterliegt ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der selbständigen Auslegung durch das Revisionsgericht, die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung ist im Revisionsrechtszug frei nachprüfbar (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 - IX ZR 151/87, NJW 1988, 2543, 2544; vom 14. Januar 2000 - V ZR 269/98, NJW 2000, 1268, 1269; vom 20. Januar 2012 - V ZR 95/11, WM 2012, 1786 Rn. 5; vom 27. April 2017 - IX ZR 192/15, WM 2017, 1256 Rn. 6).

12

2. Die Auslegung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 17. August 2007 ergibt, dass dieser die Forderung des Streithelfers zu 1 aus dem Versicherungsvertrag mit der Nummer …       nicht erfasst.

13

a) Der Pfändungsbeschluss muss aus Gründen der Rechts- und Verkehrssicherheit die gepfändete Forderung oder die gepfändeten Forderungen und ihren rechtlichen Grund so genau bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll (BGH, Urteil vom 28. April 1988, aaO; vom 20. Januar 2012, aaO Rn. 5; vom 27. April 2017, aaO Rn. 7). Dabei genügt es nicht, dass der Pfändungsbeschluss die gepfändete Forderung aus Sicht der unmittelbar Beteiligten, also des Pfändungsgläubigers, des Schuldners und des Drittschuldners hinreichend deutlich bezeichnet (BGH, Urteil vom 28. April 1988 aaO; vom 27. April 2017 aaO). Unerheblich ist im Interesse des sicheren Rechtsverkehrs auch, dass Gläubiger, Schuldner und Drittschuldner übereinstimmend wissen, der Schuldner verfüge nur über eine einzige Forderung gegen den Drittschuldner (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2005 - IX ZR 258/01, WM 2005, 1037, 1038 mwN). Auslegungsgrundlage ist allein der objektive Inhalt des Pfändungsbeschlusses, weil auch für andere Personen als die unmittelbar Beteiligten - insbesondere für weitere Gläubiger - allein aus dem Pfändungsbeschluss erkennbar sein muss, welche Forderung gepfändet worden ist. Umfang und Bestimmbarkeit des Pfändungsgegenstands müssen sich bei einer nach § 133 BGB vorzunehmenden, nicht am buchstäblichen Sinne haftenden Auslegung des Beschlusses aus diesem selbst ergeben. Ganz offenkundige Tatsachen können für die Auslegung oder zur Ergänzung des Beschlusses herangezogen werden (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 510 mwN), nicht jedoch außerhalb des Beschlusses liegende Umstände (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2017, aaO Rn. 7 mwN).

14

b) Die Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ergibt, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. August 2017 hinreichend bestimmt lediglich Forderungen aus allen Versicherungsverträgen des Streithelfers zu 1 bei der Beklagten umfasst, die uneingeschränkt pfändbar sind. Hingegen enthält der Beschluss keine ausreichende Grundlage, dass auch solche Forderungen gepfändet werden sollten, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht oder - wie hier hinsichtlich der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitsversicherung - nur nach Maßgabe des § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO pfändbar waren.

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aa) Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. August 2007 soll zunächst die Forderungen des Streithelfers zu 1 aus allen Versicherungsverträgen bei der Beklagten pfänden. Das der Pfändung zu Grunde liegende Rechtsverhältnis wird hierzu in ausreichender Form bezeichnet, Bedenken gegen die Wirksamkeit des Pfändungsbeschlusses ergeben sich insoweit nicht.

16

(1) Ein Pfändungsbeschluss muss, um hinreichend bestimmt zu sein, regelmäßig auch den Rechtsgrund der Forderung wenigstens in allgemeinen Umrissen bezeichnen. Fehlende Angaben zum Rechtsgrund schaden ebenso wie die nichtssagenden Bezeichnungen "aus jedem Rechtsgrund" oder "aus Verträgen oder sonstigen Rechtsgründen", die der Bundesgerichtshof im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichgerichts bereits früh für unzureichend gehalten hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1954 - IV ZR 160/53, BGHZ 13, 42, 43 f; vom 7. April 2005 - IX ZR 258/01, WM 2005, 1037, 1038 mwN). Jedenfalls die der Nennung der Drittschuldner folgende Aufzählung macht deutlich, dass der Beschluss auf die Pfändung von Ansprüchen "aus Versicherungsvertrag" abzielt, dass mithin also die auf Zahlung unter anderem der Versicherungssumme gerichteten Ansprüche und Rechte aus allen Versicherungen, die der Streithelfer zu 1 bei der Beklagten hatte, gepfändet sind und die Einziehung insoweit angeordnet ist. Das genügt dem Bestimmtheitserfordernis, an das ohnedies keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden dürfen, weil der Vollstreckungsgläubiger die Verhältnisse des Vollstreckungsschuldners meist nur in den Umrissen oder nur oberflächlich kennen kann und kennt. Kleinere Ungenauigkeiten sind unschädlich; die Angabe einer Vertragsnummer ist zur Identifizierung der gepfändeten Rechte nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 26. Januar 2012 - IX ZR 191/10, NJW 2012, 1510 Rn. 24).

17

(2) Für die Wirksamkeit der Pfändung spielt es keine Rolle, ob die Bedingungen für die Ansprüche aus etwaigen Versicherungsverträgen zum Zeitpunkt der Pfändung bereits eingetreten waren. Auch bedingte, betagte und künftige Forderungen können wirksam gepfändet werden. Deshalb können sämtliche Rechte aus einer (Lebens-)Versicherung gepfändet werden, ohne dass es darauf ankommt, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten oder die Versicherung gekündigt ist (BGH, Urteil vom 26. Januar 2012, aaO Rn. 26).

18

(3) Der Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 17. August 2007 steht auch nicht entgegen, dass er keine Angaben dazu enthält, welche von möglicherweise mehreren Forderungen in welcher Höhe, gegebenenfalls auch in welcher Reihenfolge, von der Pfändung erfasst sein sollten. Eine Forderungspfändung in Höhe des Anspruchs des Gläubigers hat regelmäßig die Bedeutung einer Teilpfändung, wenn die gepfändete Forderung die Forderung des Gläubigers übersteigt. Werden mehrere Forderungen des Schuldners teilweise bis zur Höhe der zu vollstreckenden Schuld gepfändet, erfasst die Pfändung jede der mehreren Forderungen des Schuldners bis zur Höhe der Schuld, deretwegen die Pfändung erfolgt ist. Jede der gepfändeten Forderungen unterliegt der Pfandverstrickung in Höhe der Schuld. Der Gläubiger braucht bei der Pfändung ebenso wenig die Schuld auf die gepfändeten Forderungen zu verteilen wie in dem Fall, dass er zulässigerweise für seinen Anspruch mehrere, diesen insgesamt übersteigende Forderungen des Schuldners in voller Höhe gepfändet hat (BGH, Urteil vom 27. April 2017 - IX ZR 192/15, WM 2017, 1256 Rn. 10 mwN). Die Aufzählung, welche Ansprüche aus etwaigen Versicherungsverträgen gepfändet sein sollen, zeigt das Bemühen des Klägers, möglichst jeden pfändbaren Anspruch aus der Geschäftsverbindung des Streithelfers zu 1 bei der Beklagten zu erfassen. Grund für derart weitgehende Pfändungsbeschlüsse ist in der Regel, dass Gläubiger die Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht kennen und nicht kennen können. Gleichwohl ist auch in dieser Lage eine effektive Durchsetzung titulierter Forderungen im Wege der Forderungspfändung zu ermöglichen, ohne dabei die schutzwürdigen Belange des Drittschuldners und potenzieller weiterer Zwangsvollstreckungsgläubiger hinsichtlich der Bestimmtheit der ausgebrachten Pfändungen zu vernachlässigen; denn die Grundrechte des Gläubigers auf Schutz des Eigentums (Art. 14 GG) und effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verpflichten den Staat dazu, effektive Mittel zur Durchsetzung titulierter Forderungen bereitzustellen (BGH, Urteil vom 27. April 2017, aaO Rn. 11 mwN). Der Gläubiger pfändet regelmäßig - so auch hier - alle im Pfändungsbeschluss genannten Einzelforderungen bis zur Höhe der zu vollstreckenden Schuld. Dem Schuldner bleibt die Möglichkeit, wegen einer etwaigen Überpfändung Erinnerung nach § 766 ZPO zu erheben (BGH, Urteil vom 27. April 2017, aaO Rn. 11).

19

bb) Der Pfändungsbeschluss vom 17. August 2007 erfasst allerdings - wie sich aus seinem Inhalt hinreichend klar entnehmen lässt - keine bedingt pfändbaren Forderungen wie die des Streithelfers zu 1 aus dem Versicherungsvertrag mit der Nummer …       . Denn der dem klägerischen Antrag entsprechende Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der die gepfändete Forderung nur abstrakt-generell ohne Bezug auf einen konkreten Versicherungsvertrag bezeichnet, erstreckt sich erkennbar nicht auf Ansprüche, die nicht oder nur unter besonderen Voraussetzungen pfändbar wären. Die angeordnete Pfändung erfasst folglich nicht die nur unter den Voraussetzungen des § 850b Abs. 2 ZPO pfändbaren Ansprüche des Streithelfers zu 1 aus einer selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherung.

20

(1) Ansprüche aus einer privaten Berufsunfähigkeitsrente sind nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur bedingt pfändbar (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08, NZI 2010, 141 Rn. 8 mwN; vom 15. Juli 2010 - IX ZR 132/09, NZI 2010, 777 Rn. 41 ff; LG Köln, ZInsO 2013, 1428; MünchKomm-ZPO/Smid, 5. Aufl., § 850b Rn. 3; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, 9. Aufl. § 850b Rn. 4; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 850b Rn. 2; BeckOK-ZPO/Riedel, März 2018, § 850b Rn. 17; Stöber, aaO Rn. 1007). Renten nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO können nach Abs. 2 dieser Vorschrift nur unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise gepfändet werden. Dessen ungeachtet sind sie aber grundsätzlich unpfändbar (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1959 - IV ZR 88/59, BGHZ 31, 210, 218; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, 23. Aufl., § 850b Rn. 2; Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, 7. Aufl., § 850b Rn. 23). Pfändungsschutz besteht auch schon vor Eintritt des Versicherungsfalles, denn von § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO werden nicht nur bereits fällige, sondern auch künftige Ansprüche erfasst (BGH, Urteil vom 18. November 2009 - IV ZR 39/08, NJW 2010, 374 Rn. 22 mwN).

21

(2) Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. August 2007 trifft - was offenkundig ist - keine ausdrückliche Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen des § 850b Abs. 2 vorliegen und deswegen Renten nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ausnahmsweise gepfändet werden können. Dies ist auch nicht stillschweigend angeordnet.

22

(a) Die Entscheidung, ob ein Fall des § 850b Abs. 2 ZPO vorliegt, kann - nach Anhörung der Beteiligten - nur im Vollstreckungsverfahren erfolgen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 850b Rn. 20). Die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts ist insoweit ausschließlich (§§ 802, 828 Abs. 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich nichts anderes aus Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, wonach in bestimmten Fällen das Prozessgericht darüber zu entscheiden hat, in welchem Umfang pfändbare Ansprüche in die Insolvenzmasse fallen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - IX ZR 189/08, NJW-RR 2010, 474 Rn. 10; vom 15. Juli 2010 - IX ZR 132/09, NZI 2010, 777 Rn. 41). Denn in diesen Fällen geht es nicht um die für eine Individualvollstreckung maßgebliche Frage, welche Wirkungen die tatsächlich erfolgte Pfändung zugunsten eines Einzelgläubigers hat, sondern um den Umfang der sich aus den gesetzlichen Bestimmungen ergebenden Pfändbarkeit oder Unpfändbarkeit bestimmter Ansprüche im Zusammenhang mit einem auf gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger ausgerichteten Insolvenzverfahren (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2017 - IX ZR 40/17, NZI 2017, 892 Rn. 24).

23

(b) Eine Billigkeitspfändung nach § 850b Abs. 2 ZPO ist auch nicht stillschweigend angeordnet worden.

24

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. August 2007 entsprach ersichtlich dem Antrag des Klägers. Dieser war schon nach seinem Wortlaut nicht auf eine Prüfung der Voraussetzungen des § 850b Abs. 2 ZPO gerichtet. Er war vielmehr dem zu vermutenden Kenntnisstand des Klägers über die Vermögensverhältnisse des Streithelfers zu 1 entsprechend allgemein, gleichsam standardisiert auf (näher spezifizierte) Ansprüche aus Versicherungsverträgen des Streithelfers zu 1 bei der beklagten Lebensversicherungsgesellschaft gerichtet. Ein konkreter Bezug zu einer bestimmten Versicherung wird nicht hergestellt. Anhaltspunkte dafür, dass eine den Pfändungsbeschränkungen des § 850b Abs. 1 ZPO unterliegende Berufsunfähigkeitsversicherung erfasst werden soll, sind nicht ersichtlich. Folglich konnte das Vollstreckungsgericht über die Voraussetzungen des § 850b Abs. 2 ZPO mit seinem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17. August 2007 auch nicht entscheiden.

25

Eine stillschweigende Entscheidung könnte auch aus Rechtsgründen eine wirksame Pfändung nicht herbeiführen. Die Entscheidung des Vollstreckungsrichters ist konstitutiv (BGH, Urteil vom 31. Oktober 1969 - V ZR 138/66, NJW 1970, 282, 283, insoweit in BGHZ 53, 41 nicht abgedruckt; vom 24. September 1981 - IX ZR 80/80, NJW 1982, 515, 516). Sie ist ausdrücklich in einem Pfändungsbeschluss anzuordnen und stets zu begründen (Stein/Jonas/Würdinger, aaO § 850b Rn. 29; Zöller/Herget, aaO § 850b Rn. 16; Prütting/Gehrlein/Ahrens, aaO § 850b Rn. 28; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, 4. Aufl. § 850b Rn. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO § 850b Rn. 21; Kessal-Wulf/Lorenz in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., § 850b Rn. 6). § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO dient auch der Existenzsicherung des Schuldners und ist unabdingbar. Deshalb kann in die Forderungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht ohne ausdrückliche Gestattung im Wege der Zwangsvollstreckung eingegriffen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2011 - VII ZB 12/09, WM 2011, 1418 Rn. 18 mwN).

26

(3) Ohne eine Entscheidung nach § 850b Abs. 2 ZPO waren die Forderungen des Streithelfers zu 1 aus der Berufsunfähigkeitsversicherung für den Kläger unpfändbar (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1959 - IV ZR 88/59, BGHZ 31, 210, 217; Stein/Jonas/Würdinger, aaO § 850b Rn. 2; Gottwald/Mock, aaO § 850b Rn. 23). Die Pfändung einer nicht oder nur bedingt pfändbaren Forderung ordnet der allgemein auf "Ansprüche aus Versicherungsvertrag" gerichtete Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 17. August 2007 nicht an. Dies ist im Drittschuldnerprozess von Amts wegen zu prüfen; der Drittschuldner kann insoweit nicht auf die Möglichkeit einer Erinnerung (§ 766 ZPO) gegen den ansonsten grundsätzlich hinzunehmenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1976 - II ZR 171/74, BGHZ 66, 79, 81 f) verwiesen werden.

27

3. Der Kläger hat auch keine andere Pfändung zu seinen Gunsten und mit Vorrang gegenüber der Streithelferin zu 2 herbeigeführt.

28

a) Nach der ihm durch die Drittschuldnererklärung vermittelten Kenntnis, dass für den Streithelfer zu 1 bei der Beklagten unter der Lebens-/Rentenversicherungsnummer …        lediglich eine Versicherung geführt wird, aus der ausschließlich Leistungen für den Fall der Berufsunfähigkeit versichert sind, blieb der Kläger zunächst untätig. Vor Wirksamwerden der vom Vollstreckungsgericht angeordneten Pfändung der Forderungen aus der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitsversicherung zugunsten der Streithelferin zu 2 am 15. Mai 2014 (vgl. § 829 Abs. 3 ZPO) hat der Kläger weder eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 17. August 2007 beantragt, noch einen hiervon unabhängigen neuen Beschluss.

29

b) Der Kläger kann sein Klagebegehren nicht auf den unter dem 27. Juli 2016 erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss stützen, in dem die Pfändung betreffend die Forderung des Streithelfers zu 1 gegen die Beklagte antragsgemäß nach § 850b Abs. 2 ZPO nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften angeordnet war. Denn der beantragte und zunächst auch erlassene Beschluss konnte den nach § 804 Abs. 3 ZPO zu beachtenden Vorrang der Pfändung zugunsten der Streithelferin zu 2 nicht beseitigen.

30

4. Auch der Vortrag der Revision, der Streithelfer zu 1 und die Streithelferin zu 2 hätten ersichtlich kollusiv zusammengewirkt und der Kläger habe das vom Streithelfer zu 1 abgegebene Schuldanerkenntnis und die Pfändung der Rentenansprüche durch die Streithelferin zu 2 angefochten, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Anfechtungsansprüche würden sich gegen die Streithelferin zu 2 richten und keine Wirkungen für und gegen die Beklagte entfalten.

Kayser     

      

Gehrlein     

      

Grupp 

      

Schoppmeyer     

      

Meyberg     

      

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