Beschluss vom Bundesgerichtshof (1. Zivilsenat) - I ZR 11/18

Tenor

Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 20. Dezember 2017 in Verbindung mit dem Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dresden vom 14. Juli 2017 einstweilen einzustellen, wird abgelehnt.

Gründe

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I. Die Beklagte unterhält bundesweit ein Filialnetz von Drogeriemärkten und vertreibt auch Druckereiprodukte wie Poster im Internet. Sie bot am 21. Dezember 2016 auf ihrer Internetseite unter anderem Poster mit der Preisangabe "ab 1,25 €*" an. Der Sternchenhinweis wurde in der Fußzeile wie folgt erläutert:

Unsere Preisangaben verstehen sich inklusive gesetzlicher Mehrwertsteuer und zuzüglich ggf. Versandkosten gemäß Preisliste.

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Personen, die bei der Beklagten bestellen, sind nicht gezwungen, dem Link zu den Versandkosten zu folgen. Wird ein so bepreistes Poster hochgeladen, wird im Warenkorb der Preis 1,25 €* angezeigt. Nach Betätigung der Schaltfläche "Zur Kasse" ist zunächst die Registrierung und Anmeldung erforderlich. Bei Auswahl der Option "Filialabholung" werden zusätzlich zum Produktpreis von 1,25 € "Versandkosten in die Filiale" in Höhe von 0,65 € angezeigt.

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Die Klägerin betreibt eine Druckerei. Sie hat Klage auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz erhoben. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

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Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 20. Dezember 2017 gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen und den Beschluss sowie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt; den Streitwert hat es in Übereinstimmung mit der landgerichtlichen Festsetzung auf 15.000 € festgesetzt. Den Antrag der Beklagten, den Beschluss gemäß § 716 in Verbindung mit §§ 321, 711 ZPO um eine Abwendungsbefugnis zu ergänzen, sowie den Antrag nach § 712 ZPO hat das Berufungsgericht im schriftlichen Verfahren mit Beschluss vom 7. Februar 2018 zurückgewiesen.

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Die Beklagte, die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht Beschwerde eingelegt hat, beantragt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem die Berufung zurückweisenden Beschluss des Berufungsgerichts sowie aus dem landgerichtlichen Urteil.

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II. Der zulässige Antrag ist in der Sache unbegründet.

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1. Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Revision eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und ein überwiegendes Interesse des Gläubigers nicht entgegensteht, § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Wird - wie hier - gegen die Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, ist § 719 Abs. 2 ZPO gemäß § 544 Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit § 522 Abs. 3 ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2012 - V ZR 275/11, NJW 2012, 1292 Rn. 3). Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt allerdings nicht in Betracht, wenn das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2016 - VIII ZR 26/16, juris Rn. 5 mwN). So liegt es hier.

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2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer beträgt nur 15.000 €, so dass die gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwer von mehr als 20.000 € nicht erreicht ist.

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a) Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse der Rechtsmittelklägerin an der Abänderung des Urteils. Wendet sich die beklagte Partei mit der Revision gegen die in den Vorinstanzen zu ihren Lasten titulierte Unterlassungspflicht, so richtet sich der Wert der Beschwer nach ihrem gemäß § 3 ZPO grundsätzlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessenden Interesse an der Beseitigung dieser Verpflichtung (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2015 - I ZR 151/14, MMR 2016, 413 Rn. 6). Der so zu bemessende Wert der Beschwer entspricht zwar nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem nach dem Interesse der klagenden Partei an dieser Verurteilung zu bemessenden Streitwert. Denn das Interesse der Klägerin an einer Unterlassung ist pauschalierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers, wie etwa dem Verschuldensgrad, zu bewerten (vgl. BGH, MMR 2016, 413 Rn. 7). Auf eine höhere Beschwer im Fall der Verurteilung hat deshalb die beklagte Partei schon in den Vorinstanzen hinzuweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2015 - I ZR 195/14, juris Rn. 10).

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b) Das Berufungsgericht hat den Streitwert, ebenso wie zuvor das Landgericht, in dem die Berufung zurückweisenden Beschluss auf 15.000 € festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, beim Unterlassungsbegehren sei das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an dem mit dem Verfahren erstrebten Rechtszustand maßgeblich, das von der Angriffsschwere der zu untersagenden Handlung abhänge. Verbotsantrag und Verbotsausspruch hätten sich im Berufungsverfahren auch nicht geändert. Im nachgehenden Beschluss vom 7. Februar 2018 hat es zur Beschwer der Beklagten darauf hingewiesen, es sei nicht ersichtlich, dass ausnahmsweise das grundsätzlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessende Interesse der Beklagten daran, das Unterlassungsgebot nicht befolgen zu müssen, höher zu bewerten sei als das Interesse der Klägerin an einer Unterlassung. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.

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c) Die Beklagte hat zwar nach dem Hinweis des Berufungsgerichts gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO geltend gemacht, der Streitwert sei auf 30.000 € zu erhöhen, ihre Beschwer sei sogar deutlich höher zu veranschlagen und eher mit 50.000 € zu bewerten. Es gehe nicht nur um einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Klägerin, sondern gegenüber allen Wettbewerbern. Deshalb entspreche ihre Beschwer nicht dem korrespondierenden Wettbewerbsvorteil für die Klägerin. Diesen von ihr befürchteten Wettbewerbsnachteil hat die Beklagte jedoch in keiner Weise beziffert. Die Behauptung, ihre Beschwer sei "eher mit 50.000 € zu bewerten" entbehrt jeglicher Substantiierung, worauf bereits das Berufungsgericht in seinem Beschluss vom 7. Februar 2018 hingewiesen hat.

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Auch mit ihrem streitgegenständlichen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat die Beklagte den Umfang ihrer Beschwer weder beziffert noch - wie geboten - sonst glaubhaft gemacht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - I ZR 142/11, juris Rn. 6; Beschluss vom 17. Juli 2013 - I ZR 31/13, juris Rn. 8 mwN). Der pauschale Verweis darauf, bei wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen über die Rechtmäßigkeit einer Preisgestaltung sei die Beschwer der Beklagten in der Regel höher als das Interesse der Klägerin an der Einstellung der gerügten Werbung genügt dafür genauso wenig wie der ebenfalls pauschale Hinweis auf erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Wettbewerbern.

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3. Der Antrag ist darüber hinaus auch deshalb unbegründet, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, dass die Vollstreckung für sie einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

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a) Die Interessen des Schuldners werden nach der in § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffenen gesetzlichen Wertentscheidung grundsätzlich hintangestellt, da seine Rechte durch ein in zwei Tatsacheninstanzen geführtes Erkenntnisverfahren hinreichend gewahrt erscheinen. Demgegenüber gebührt den Interessen des Gläubigers, dem das Gesetz die Vollstreckung aus einem erwirkten Titel gestattet, auch wenn dieser noch nicht rechtskräftig ist, in der Regel der Vorrang. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt hiernach nur in eng begrenzten Ausnahmefällen als letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2012 - I ZR 136/11, NJW-RR 2012, 1088 Rn. 5; Beschluss vom 20. September 2017 - XII ZR 76/17, NJW-RR 2017, 1355 Rn. 5 mwN). Dabei ergibt sich allein aus dem Umstand, dass die Vollstreckung das Prozessergebnis vorwegnehmen würde, kein unersetzlicher Nachteil im Sinne des § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. BGH, NJW-RR 2017, 1355 Rn. 5).

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b) Einen derartigen unersetzlichen Nachteil hat die Beklagte nicht gemäß § 719 Abs. 2 Satz 2 ZPO glaubhaft gemacht. Der bloße Verweis auf § 717 Abs. 3 ZPO reicht dafür nicht aus. Zwar kann § 717 Abs. 3 ZPO im Einzelfall ein Grund sein, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen (vgl. Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 719 Rn. 10; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 719 Rn. 7; Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., § 719 ZPO Rn. 15). Dafür muss der geltend gemachte Nachteil aber erhebliche, über das übliche Maß hinausgehende Einbußen mit sich bringen (vgl. Münzberg in Stein/Jonas aaO § 719 Rn. 11; Schuschke in Schuschke/Walker aaO § 719 ZPO Rn. 15 mwN). Mit der bloßen Behauptung, ihr entstünde ein Wettbewerbsnachteil, der mit mindestens 50.000 € zu beziffern sei, hat die Beklagte einen solchen unersetzlichen Nachteil jedoch nicht glaubhaft gemacht.

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