Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 615/17

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 5. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Der Betroffene wendet sich gegen die Aufrechterhaltung des für ihn angeordneten Einwilligungsvorbehalts.

2

Er leidet an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie sowie einer Störung durch multiplen Substanzgebrauch und steht seit 2008 unter rechtlicher Betreuung. Der Aufgabenkreis der Betreuerin umfasst die Bereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Vermögenssorge, Behördenangelegenheiten und Heimangelegenheiten. Auf Anregung der Betreuerin ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 8. März 2017 einen Einwilligungsvorbehalt in vermögensrechtlichen Angelegenheiten für die Dauer von zwei Jahren an. Die hiergegen vom Betroffenen eingelegte Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 1. Juni 2017 zurück.

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Mit Schreiben vom 21. September 2017 hat der Betroffene die Aufhebung des Einwilligungsvorbehalts begehrt. Er sei seit einiger Zeit "clean", habe sich fest vorgenommen, keine Drogen mehr zu nehmen, habe seine Heimkosten bezahlt und wolle sein Geld selbst einteilen. Das Amtsgericht hat die Aufhebung des Einwilligungsvorbehalts nach Einholung einer Stellungnahme der Betreuerin abgelehnt. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen ohne weitere Ermittlungen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

5

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

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Im vom Grundsatz der Amtsermittlung bestimmten Verfahren zur Prüfung der Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts könne die Durchführung weiterer Ermittlungen davon abhängig gemacht werden, ob sich aus dem Vorbringen der Verfahrensbeteiligten greifbare Anhaltspunkte für eine Veränderung der tatsächlichen Umstände ergäben, die der Entscheidung über den Einwilligungsvorbehalt zu Grunde lagen. Das Vorbringen des Betroffenen zeige keine neuen Umstände auf, durch die die Voraussetzungen des angeordneten Einwilligungsvorbehalts so in Frage gestellt würden, dass weitere Ermittlungen erforderlich seien. Der Betroffene habe in der Vergangenheit wiederholt seine Rente vollständig von seinem Konto abgehoben und unter anderem für Drogen ausgegeben, weshalb notwendige Zuzahlungen zu Heimkosten nicht hätten erbracht werden können. Auch in der neuen Einrichtung müssten Heimkosten zum Teil aus der Rente des Betroffenen gedeckt werden, weshalb schon deshalb auch gegenwärtig die Gefahr bestehe, dass der Betroffene durch unvernünftige Ausgaben seine Versorgung gefährde.

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2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Landgericht hat in rechtlich beanstandungsfreier Weise einen Wegfall der Voraussetzungen des Einwilligungsvorbehalts gemäß § 1908 d Abs. 4 iVm Abs. 1 BGB verneint und dabei insbesondere - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG verstoßen.

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a) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das Betreuungsgericht nach § 1903 Abs. 1 BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenbereich des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 1. März 2017 - XII ZB 608/15 - FamRZ 2017, 754 Rn. 13 mwN) und dabei die speziellen verfahrensrechtlichen Maßgaben der §§ 271 ff. FamFG zu beachten. Liegt nur eine der Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht mehr vor, ist die Anordnung gemäß § 1908 d Abs. 4 iVm Abs. 1 BGB aufzuheben (vgl. Senatsbeschluss vom 16. September 2015 - XII ZB 500/14 - FamRZ 2015, 2160 Rn. 12 mwN).

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b) Nach § 294 Abs. 1 FamFG gelten für die Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts die §§ 279 Abs. 1, 3 und 4, 288 Abs. 2 Satz 1 FamFG entsprechend. Dagegen verweist die Vorschrift für das Aufhebungsverfahren nicht auf die §§ 278 Abs. 1, 280 FamFG, die die Verpflichtung des Gerichts zur persönlichen Anhörung des Betroffenen und zur Einholung eines Sachverständigengutachtens enthalten. Unbeschadet dessen sind aber auch im Aufhebungsverfahren die allgemeinen Verfahrensregeln, insbesondere die Grundsätze des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und der Amtsermittlung (§ 26 FamFG), zu beachten. Gemäß § 26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Nach den Maßstäben des § 26 FamFG bestimmt sich, ob im Einzelfall auch im Aufhebungsverfahren eine persönliche Anhörung des Betroffenen durchzuführen oder ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 198/16 - FamRZ 2018, 124 Rn. 8 mwN und vom 21. September 2016 - XII ZB 606/15 - FamRZ 2016, 2090 Rn. 11 mwN).

10

Für die Durchführung weiterer tatrichterlicher Ermittlungen bedarf es greifbarer Anhaltspunkte für eine Veränderung der der Anordnung des Einwilligungsvorbehalts zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände, die - wenn sie dem Gericht nicht bereits auf anderem Wege bekannt gemacht worden sind - vom Betroffenen vorzubringen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Februar 2011 - XII ZB 467/10 - FamRZ 2011, 556 Rn. 10 f. mwN). Fehlt es an solchen Anhaltspunkten, so kann eine Anregung des Betroffenen auf Aufhebung oder Einschränkung des Einwilligungsvorbehalts, die kurz nach dem Abschluss des vorausgegangenen Prüfungsverfahrens unter im Wesentlichen unveränderter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens gestellt wird, ggf. auch ohne weitere Ermittlungen abgelehnt werden (vgl. Keidel/Budde FamFG 19. Aufl. § 294 Rn. 6; Schulte-Bunert/Weinreich/Rausch FamFG 5. Aufl. § 294 Rn. 4; vgl. auch OLG Hamm Beschluss vom 11. Januar 2001 - 15 W 425/00 - juris Rn. 9 zu § 12 FGG).

11

Über Art und Umfang der Ermittlungen entscheidet grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Daher obliegt dem Rechtsbeschwerdegericht insoweit lediglich eine Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob der Tatrichter die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat und die rechtliche Würdigung auf einer ausreichenden Sachverhaltsaufklärung beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 198/16 - FamRZ 2018, 124 Rn. 9 mwN). Auch bei Anlegung dieses Prüfungsmaßstabs kann der Tatrichter die Aufhebung des Einwilligungsvorbehalts nur dann ohne weitere Ermittlungen ablehnen, wenn die im Ausgangsverfahren getroffenen Feststellungen eine tragfähige Grundlage für die Beurteilung bilden, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 Abs. 1 BGB bei dem Betroffenen (weiterhin) vorliegen. Fehlt es hieran, müssen die notwendigen Feststellungen demgegenüber im Aufhebungsverfahren getroffen werden (Keidel/Budde FamFG 19. Aufl. § 294 Rn. 7). So hat der Senat bereits entschieden, dass das Sachverständigengutachten die aktuelle Situation noch ausreichend abbilden muss. Gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich die Sachlage nach Erstellung des Gutachtens verändert hat und diese neue Tatsachenlage für die Entscheidung nicht offensichtlich unerheblich ist, hat der Tatrichter zumindest eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen einzuholen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2016 - XII ZB 606/15 - FamRZ 2016, 2090 Rn. 12 mwN). Hat das Betreuungsgericht den Einwilligungsvorbehalt verfahrensordnungswidrig ohne ein Sachverständigengutachten angeordnet, so gebietet nach der Senatsrechtsprechung zwar nicht § 294 Abs. 2 FamFG, aber der Amtsermittlungsgrundsatz regelmäßig die Einholung eines entsprechenden Gutachtens im Aufhebungsverfahren (vgl. Senatsbeschluss vom 21. November 2012 - XII ZB 296/12 - FamRZ 2013, 285 Rn. 9 f.).

12

c) Gemessen hieran macht die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg geltend, das Landgericht habe mangels ausreichenden Sachverständigengutachtens ohne die erforderliche Tatsachengrundlage und damit unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz entschieden.

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aa) Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Sachverständigengutachten im Ausgangsverfahren sei ohne den nötigen förmlichen Beweisbeschluss eingeholt worden und der Betroffene habe keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, führen diese Umstände unabhängig davon, dass sie der Sache nach nicht zutreffen, nicht dazu, dass das Landgericht sich im Aufhebungsverfahren nicht auf das Gutachten stützen durfte. Diese Verfahrensverstöße wären mit der Beschwerde gegen die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts geltend zu machen gewesen. Das Aufhebungsverfahren hat nicht den Zweck, sämtliche im Anordnungsverfahren grundsätzlich möglichen Verfahrensrügen nach formeller Rechtskraft des Anordnungsbeschlusses erneut zu eröffnen. Maßgeblich ist im Aufhebungsverfahren vielmehr allein die Frage, ob das Sachverständigengutachten inhaltlich geeignet ist, in diesem Verfahren eine ausreichende Tatsachengrundlage für die nun zu treffende Entscheidung zu bilden. Dies kann zwar im Einzelfall auch als Folge gravierender Mängel bei der Einholung oder Verwertung des Sachverständigengutachtens zu verneinen sein. Derartiges zeigt die Rechtsbeschwerde aber weder auf noch ist es hier anderweitig ersichtlich.

14

bb) Keinen Erfolg hat die Rechtsbeschwerde auch mit ihrem Einwand, das für die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts herangezogene Sachverständigengutachten genüge nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 280 Abs. 3 FamFG. Die Rechtsbeschwerde bezieht sich insoweit auf die - in der Tat äußerst knapp protokollierte - mündliche Gutachtenserstattung durch Dr. H. im amtsgerichtlichen Anhörungstermin vom 7. März 2017. Damit verkennt sie jedoch, dass das Landgericht sich in seiner zu dieser Anordnung ergangenen Beschwerdeentscheidung vom 1. Juni 2017 zusätzlich auf die schriftlichen Sachverständigengutachten des Dr. H. vom 15. Februar 2017 und 27. März 2017, auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Dr. B. vom 26. April 2017 sowie auf die mündliche Stellungnahme der Sachverständigen S. in dem im Beschwerdeverfahren durchgeführten Anhörungstermin vom 26. April 2017 gestützt hat.

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Dass diese Ermittlungsergebnisse in ihrer Gesamtheit ungeeignet gewesen seien, um im Aufhebungsverfahren ohne neuerliche tatrichterliche Ermittlungen zu entscheiden, legt die Rechtsbeschwerde bereits nicht dar. Es ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr haben die Sachverständigen sowohl zur beim Betroffenen bestehenden Krankheit als auch zum Vorliegen eines freien Willens und zur krankheitsbedingten Vermögensgefährdung qualifiziert Stellung genommen.

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d) Schließlich begegnet auch die im Wesentlichen durch Bezugnahme auf die Beschwerdeentscheidung vom 1. Juni 2017 im Anordnungsverfahren erfolgte materiell-rechtliche Würdigung des Landgerichts, dass beim Betroffenen die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Einwilligungsvorbehalt im Bereich der Vermögensangelegenheiten (nach wie vor) vorliegen, keinen rechtlichen Bedenken. Die Rechtsbeschwerde erinnert insoweit auch nichts.

17

Das Landgericht hatte im Anordnungsverfahren auf der Grundlage der dortigen Ermittlungen sowohl das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen nach § 1896 Abs. 1, 1a und 2 BGB für eine Betreuung im Bereich der Vermögenssorge festgestellt als auch eine erhebliche Gefahr im Sinne des § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB für das Vermögen des Betroffenen und das Fehlen eines auf den Einwilligungsvorbehalt bezogenen freien Willens (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 17. Mai 2017 - XII ZB 495/16 - FamRZ 2017, 1341 Rn. 11 mwN) des Betroffenen bejaht. Dass der Betroffene krankheitsbedingt durch unkontrolliertes Ausgeben seiner Kontenguthaben die Begleichung der Kosten für seinen Heimaufenthalt in Frage stellt, bedeutet eine erhebliche Gefahr im Sinne des § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB. Anhaltspunkte dafür, dass sich an diesen Umständen binnen der wenigen Monate zwischen den Beschwerdeentscheidungen im Anordnungs- und im Aufhebungsverfahren etwas geändert haben könnte, fehlen.

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e) Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose     

        

     Schilling     

        

Nedden-Boeger

        

RiBGH Dr. Botur ist im Urlaub
und deswegen an einer
Unterschrift gehindert.

        

Guhling     

        
        

Dose   

                          

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