Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 637/17

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Senats für Familiensachen in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2017 wird auf Kosten der Antragsgegnerin verworfen.

Beschwerdewert: bis 500 €

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin wird von ihrer inzwischen volljährigen Tochter im Wege des Stufenantrags auf Abänderung eines Unterhaltstitels in Anspruch genommen.

2

Mit Teilbeschluss vom 3. März 2017 hat das Amtsgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge der Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Vorlage des Einkommensteuerbescheids und der Einkommensteuererklärung mit den Anlagen AUS, G, KAP, L, N, N-AUS, S und SO für das Kalenderjahr 2015 verpflichtet.

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Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht verworfen, weil der Wert der Beschwer den Betrag von 600 € nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

II.

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Die gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt die Antragsgegnerin nicht in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), welcher es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 405/15 - FamRZ 2016, 454 Rn. 6 mwN). Anders als die Rechtsbeschwerde meint, liegt auch kein entscheidungserheblicher Verstoß des Beschwerdegerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor.

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1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die in der angegriffenen Entscheidung enthaltene Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Vorlage ihrer Einkommensteuerklärung mit allen überhaupt in Betracht kommenden Anlagen sei, wenn das Gericht nicht den begründeten Anlass zu der Annahme gehabt habe, der Auskunftspflichtige habe sie sämtlich ausfüllen müssen, dahingehend auszulegen, dass nur die tatsächlich ausgefüllten Anlagen vorzulegen seien und im Übrigen die Erklärung des Auskunftspflichtigen genüge, dass er weitere Anlagen für seine Steuererklärung nicht verwendet habe. Der Wert der Beschwer erhöhe sich auch nicht im Hinblick auf die Kosten der Abwehr einer möglichen unberechtigten Zwangsvollstreckung. Im vorliegenden Fall sei die vorzulegende Steuererklärung bereits beim Finanzamt abgegeben worden. Der Antragsgegnerin stünde es daher zur Abwehr einer möglichen Zwangsvollstreckung frei, die Verpflichtung aus dem angefochtenen Beschluss durch Vorlage der Steuererklärung nebst der ausgefüllten Anlagen zu erfüllen und die im Internet zu beschaffenden anderen Anlageformulare unausgefüllt beizufügen. Dies könne jedoch dahinstehen, weil der erforderliche Beschwerdewert auch dann nicht erreicht werde, wenn die Beschwer der Antragsgegnerin um die Kosten der Abwehr einer unberechtigten Zwangsvollstreckung erhöht werde. In der Summe würden diese Kosten und eine nach Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz bemessene Vergütung für die Übermittlung der vorzulegenden Unterlagen nicht einmal 300 € erreichen.

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2. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

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a) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Wert der Beschwer eines Rechtsmittels gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung grundsätzlich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers richtet, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist hierbei auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (Senatsbeschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 278/13 - FamRZ 2014, 644 Rn. 6 mwN; BGHZ GSZ 128, 85 = FamRZ 1995, 349, 350 f.).

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Auf dieser rechtlichen Grundlage ist der Wert der Beschwer nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 3 ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmen. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Bemessung der Beschwer nur eingeschränkt darauf überprüfen, ob das Beschwerdegericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Senatsbeschluss vom 27. Juli 2016 - XII ZB 53/16 - FamRZ 2016, 1681 Rn. 7 mwN).

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b) Derartige Ermessensfehler liegen nicht vor.

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aa) Der amtsgerichtliche Beschlusstenor enthält die Verpflichtung zur Vorlage von Anlagen zur Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015, für die die Antragsgegnerin geltend gemacht hat, diese lägen nicht vor und seien auch nicht erstellt worden. Zur Bemessung der Beschwer ist daher durch Auslegung zu ermitteln, ob das Amtsgericht die Antragsgegnerin bei Nichtexistenz der Anlagen zu deren Erstellung verpflichten wollte oder ob es - gegebenenfalls irrig - von deren Existenz ausgegangen ist. Nur im ersten Fall erhöht der für die Erstellung erforderliche Aufwand an Zeit und Kosten (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 11. März 2015 - XII ZB 317/14 - FamRZ 2015, 838 Rn. 13 ff.) den Beschwerdewert. Im zweiten Fall hat er hingegen außer Betracht zu bleiben; werterhöhend kann sich dann lediglich auswirken, wenn der Verpflichtete gewärtigen muss, auf die Erfüllung der insoweit unmöglichen Leistung in Anspruch genommen zu werden und sich hiergegen zur Wehr setzen zu müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 2. September 2015 - XII ZB 132/15 - FamRZ 2015, 2142 Rn. 13 mwN).

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bb) Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des Amtsgerichts dahin ausgelegt, dass die Antragsgegnerin nicht zur Erstellung von noch nicht existenten Anlagen zur Einkommensteuererklärung des Jahres 2015, sondern nur zur Vorlage von tatsächlich ausgefüllten Anlagen verpflichtet werden sollte, und es deshalb im Übrigen zur Erfüllung der Vorlageverpflichtung die Erklärung der Antragsgegnerin genüge, dass sie keine weiteren Anlagen für ihre Steuererklärung verwendet habe. Hiergegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

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Die Rechtsbeschwerde wendet insoweit allerdings ein, diese Auslegung sei im Hinblick darauf nicht haltbar, dass das Amtsgericht im Entscheidungsausspruch die für die Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin relevanten Unterlagen ausdrücklich konkretisiert habe. Dabei verkennt sie jedoch, dass im Rahmen der Auskunfts- und Belegvorlagepflicht des Unterhaltsschuldners nach § 1605 Abs. 1 BGB die Vorlage einer bereits eingereichten Steuererklärung dem Zweck dient, auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheids das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Unterhaltsschuldners zu ermitteln. Denn in nicht seltenen Fällen reicht der Steuerbescheid allein nicht aus, um die unterhaltsrechtlich wesentlichen Einkünfte verständlich zu belegen (Senatsurteil vom 7. April 1982 - IVb ZR 678/80 - FamRZ 1982, 680, 682). Dies erhellt, dass sich die Verpflichtung zur Vorlage der Einkommensteuererklärung nebst Anlagen nur auf die Anlagen bezieht, die aufgrund der von der Antragsgegnerin erzielten Einkunftsarten der Einkommensteuererklärung beigefügt werden mussten und zum Verständnis des Einkommensteuerbescheids erforderlich sind. Welche das sind ergibt sich wiederum aus dem vorzulegenden Einkommensteuerbescheid.

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Somit ist die Antragsgegnerin durch den amtsgerichtlichen Beschluss nicht verpflichtet worden, noch nicht existente Anlagen zu der vorzulegenden Steuererklärung anzufertigen. Deshalb sind auch keine darauf bezogenen Kosten bei der Bemessung des Beschwerdewerts zu berücksichtigen. Der zusätzliche Aufwand für die Fertigung der einfachen Erklärung, keine weiteren als die vorgelegten Anlagen zu der Steuererklärung 2015 verwendet zu haben, ist zu gering, um den Wert der Beschwer soweit zu erhöhen, dass die nach § 113 Abs. 1 Satz 1, 61 Abs. 1 FamFG maßgebliche Beschwerdesumme von 600 € überschritten wird.

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cc) Zu Recht hat es das Beschwerdegericht auch abgelehnt, Kosten für die Abwehr der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Beschluss bei der Bemessung des Werts der Beschwer zu berücksichtigen. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Auslegung des Tenors der amtsgerichtlichen Entscheidung keine Zweifel aufwirft, sondern nach den vorstehenden Ausführungen eindeutig ist.

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dd) Schließlich hat es das Beschwerdegericht ebenfalls zu Recht abgelehnt, ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin werterhöhend zu berücksichtigen.

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Zwar kann ein solches im Einzelfall für die Bemessung des Rechtsmittelinteresses erheblich sein. Insoweit muss der Rechtsmittelführer dem Beschwerdegericht aber sein besonderes Interesse, bestimmte Tatsachen geheim zu halten, und den durch die Auskunftserteilung drohenden Nachteil substanziiert darlegen und erforderlichenfalls glaubhaft machen. Dazu gehört auch, dass gerade in der Person des die Auskunft Begehrenden die Gefahr begründet sein muss, dieser werde von den ihm gegenüber offenbarten Tatsachen über das Verfahren hinaus in einer Weise Gebrauch machen, welche die schützenswerten wirtschaftlichen Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährden könnte (Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2016 - XII ZB 12/16 - FamRZ 2016, 1448 Rn. 13; vom 30. Juli 2014 - XII ZB 85/14 - FamRZ 2014, 1696 Rn. 9 und vom 9. April 2014 - XII ZB 565/13 - FamRZ 2014, 1100 Rn. 11 mwN).

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Derartiges hat die Antragsgegnerin weder in den Vorinstanzen dargelegt noch mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht. Sie hat hierzu lediglich vorgetragen, dass der Vater der Antragstellerin Informationen zu einzelnen Versicherungen an seine Adresse "umgeleitet" habe und deshalb die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der vorzulegenden Steuerunterlagen und der sich daraus ergebenden Daten bestehe. Ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin, das bei der Bemessung der Beschwer werterhöhend zu berücksichtigen wäre, ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht.

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3. Für das weitere Verfahren wird die Antragstellerin auf den Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 422/15 - FamRZ 2017, 370 Rn. 39 hingewiesen.

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4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose     

      

Klinkhammer     

      

Günter

      

Nedden-Boeger     

      

Krüger     

      

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