Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 BN 4/10

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der gerügten Abweichungen des angefochtenen Normenkontrollurteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen.

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Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird.

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a) Der Antragsteller zitiert das Normenkontrollurteil mit dem Rechtssatz: "Die Kombination von Einzelhandel und Wohnen ist der Baunutzungsverordnung als 'Nutzungsmix' nicht fremd, vielmehr ist diese Kombination in Kerngebieten grundsätzlich vorgesehen, so dass sich deren - abstrakte - Verträglichkeit bereits aus den Regelungen der Baunutzungsverordnung selbst herleiten lässt". Er meint, dieser Rechtssatz kollidiere mit einem Rechtssatz im Beschluss des Senats vom 22. Juli 2004 - BVerwG 4 B 29.04 - (NVwZ-RR 2004, 815), der sinngemäß laute, die BauNVO sehe großflächigen Einzelhandel und Wohnnutzung innerhalb desselben Baugebiets nicht vor.

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Der geltend gemachte Widerspruch existiert nicht. Die Formulierung im Senatsbeschluss vom 22. Juli 2004, großflächige Einzelhandelsbetriebe sollten von den in den §§ 2 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebieten ferngehalten werden, rechtfertigt nicht den Schluss, den der Antragsteller aus ihm zieht. Wie sich aus dem Beschluss (a.a.O., 816) ergibt, ist dem Senat nicht entgangen, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe nach § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO außer in eigens für sie festgesetzten Sondergebieten auch in Kerngebieten zugelassen werden können. Wohnungen sind nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans in Kerngebieten ebenfalls zulässig (§ 7 Abs. 2 Nr. 7, Abs. 4 BauNVO). Der Verordnungsgeber der BauNVO hält mithin großflächige Einzelhandelsbetriebe und Wohnungen für miteinander gebietsverträglich. Aus welchen Gründen er den Katalog der im Kerngebiet zulässigen Nutzungen um die Wohnnutzung ergänzt hat, ist entgegen der Ansicht des Antragstellers ohne Belang.

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b) Das Normenkontrollurteil weicht ferner nicht vom Urteil des Senats vom 26. März 2009 - BVerwG 4 C 21.07 - (BVerwGE 133, 310) ab. Das Normenkontrollurteil enthält weder ausdrücklich noch konkludent einen Rechtssatz des Inhalts, auch Festsetzungen, die nicht oder nicht vollständig der Realisierung der mit der Planung verfolgten städtebaulichen Zielsetzungen dienten, seien erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB. Die These des Verwaltungsgerichtshofs, an der Erforderlichkeit der Bauleitplanung fehle es nur dann, wenn sie von keiner erkennbaren Konzeption getragen werde (UA S. 12), ist erkennbar der Aussage des Senats im Beschluss vom 11. Mai 1999 - BVerwG 4 NB 15.99 - (BRS 62 Nr. 19 S. 97) nachgebildet, nicht erforderlich seien nur solche Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehrten. In der Notwendigkeit einer positiven Planungskonzeption hat der Senat freilich nicht die einzige Voraussetzung für die Erforderlichkeit eines Bebauungsplans gesehen. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt keine gegenteilige Auffassung.

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Bei seinem Vorhalt, der Antragsteller habe nicht substantiiert belegen können, dass die von der Antragsgegnerin planerisch vorgesehenen Angebote von vornherein nicht umsetzbar sein oder unter keinen denkbaren Umständen angenommen werden (UA S. 26), geht der Verwaltungsgerichtshof ersichtlich von dem rechtlichen Ansatz aus, ein Bebauungsplan sei nicht erforderlich, wenn seiner Verwirklichung auf unübersehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen. Dieser Ansatz entspricht der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 18. März 2004 - BVerwG 4 CN 4.03 - BVerwGE 120, 239 <241>), die durch das Urteil vom 26. März 2009 (a.a.O.) nicht berührt wird.

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c) Die behauptete Divergenz zum Senatsurteil vom 24. November 2005 - BVerwG 4 C 10.04 - (BVerwGE 124, 364) besteht nicht. Der Antragsteller bemängelt, dass der Verwaltungsgerichtshof seiner Schlussfolgerung, die Größe der Lebensmittelverbrauchermärkte von maximal 1 500 m² (Verkaufsfläche) belege, dass sie nicht der Nahversorgung dienten, nicht gefolgt sei, da sie zumindest auch der Nahversorgung dienten (UA S. 13). Unabhängig davon, ob dem Normenkontrollurteil überhaupt ein Rechtssatz zur Funktion von großflächigen Lebensmittelmärkten für die Nahversorgung zu entnehmen ist, steht die Entscheidung jedenfalls nicht im Widerspruch zum Senatsurteil vom 24. November 2005. Die darin enthaltene Aussage, Einzelhandelsbetriebe mit nicht mehr als 800 m² Verkaufsfläche seien als Betriebe einzustufen, die der Nahversorgung der Bevölkerung dienten, rechtfertigt nicht den vom Antragsteller gezogenen Gegenschluss, Betriebe mit einer Verkaufsfläche von 800 m² und mehr könnten zur wohnungsnahen Versorgung der Bevölkerung nichts beitragen.

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d) Der Verwaltungsgerichtshof hat sich schließlich nicht dem Senatsbeschluss vom 20. August 1992 - BVerwG 4 NB 3.92 - (BRS 54 Nr. 21) widersetzt. Den von der Beschwerde unterstellten Rechtssatz, das Interesse am Fortbestand ursprünglich bestehender Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung auf einem Nachbargrundstück könne kein abwägungsbeachtlicher Belang eines Planbetroffenen sein, hat er nicht schon dadurch aufgestellt, dass er die Zulassung einer Bebauung mit einer Länge, für die es kein Vorbild gibt, nur unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Planung geprüft hat (UA S. 27).

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Soweit der Antragsteller bemängelt, der Verwaltungsgerichtshof habe sich nicht zu der Frage geäußert, ob die Antragsgegnerin das nachbarliche Interesse am Fortbestand der bisherigen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung rechtsfehlerfrei in ihre Abwägungsentscheidung eingestellt hat, ließe sich seinem Vorbringen eine Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs entnehmen. Sie führt freilich nicht zu einer Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Abgesehen davon, dass aus dem Schweigen der Urteilsgründe zu Einzelheiten des Parteivortrags allein noch nicht der Schluss gezogen werden kann, das Gericht habe diesen nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen (vgl. Beschluss vom 5. Februar 1999 - BVerwG 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4), hat der Antragsteller die nunmehr vermisste Prüfung der Abwägung der nachbarschaftlichen Interessen in der Vorinstanz nicht angemahnt. Im Schriftsatz vom 2. Dezember 2008, auf den er in seiner Beschwerdebegründung Bezug nimmt, hat er zwar darauf aufmerksam gemacht (S. 12 Rn. 33), dass eine zulässige Bebauung mit einer Länge von 68 m völlig aus dem Rahmen der nachbarschaftlichen Bebauung fällt, nicht jedoch geltend gemacht, dass die Planungsentscheidung deshalb an einem Abwägungsfehler leidet.

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2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zur Klärung der Frage zuzulassen, ob die Nutzung "großflächiger Einzelhandel" mit der Nutzung "Wohnen" in einem am Ortsrand gelegenen Sondergebiet "abstrakt verträglich" ist. Die Frage ist auf der Grundlage der Darlegungen des Senats im Urteil vom 28. Mai 2009 - BVerwG 4 CN 2.08 - (NVwZ 2010, 40) mit dem Verwaltungsgerichtshof (UA S. 18 f.) ohne weiteres zu bejahen. Da im Kerngebiet ein Nebeneinander von großflächigem Einzelhandel und Wohnnutzung zulässig ist, ist die Festsetzung einer solchen Nutzungskombination grundsätzlich auch in einem Sondergebiet möglich. Etwaige Nutzungskonflikte im Einzelfall können auf der Planebene durch eine Gliederung des Sondergebiets (vgl. Beschluss vom 7. September 1984 - BVerwG 4 N 3.84 - BRS 42 Nr. 55), auf der Ebene der Vorhabenzulassung mittels § 15 Abs. 1 BauNVO (Beschluss vom 6. Dezember 2000 - BVerwG 4 B 4.00 - BRS 63 Nr. 77) entschärft werden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestesetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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