Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 BN 38/11
Gründe
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Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Zu Unrecht rügt die Beschwerde einen Verstoß gegen § 93 Satz 1 VwGO, wonach das Gericht durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden kann. Zwar ist umstritten, ob die Vorschrift auch eine Verbindung mehrerer Verfahren nur zur gemeinsamen Verhandlung zulässt (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 93 Rn. 19 mit Nachweisen in Fußnote 56). Der Antragsteller trägt jedoch selbst vor, dass ein Verbindungsbeschluss nicht ergangen ist. Einer nur tatsächlich gemeinsamen Verhandlung der Streitsachen kommt die Wirkung einer rechtlichen Verfahrensverbindung nicht zu (Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 93 Rn. 4). Selbst wenn dies anders zu beurteilen sein sollte und die nicht förmliche Entscheidung, mehrere Verfahren gemeinsam zu verhandeln, wie ein Verbindungsbeschluss zu behandeln wäre, bliebe die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe sich über § 93 Satz 1 VwGO hinweggesetzt, erfolglos. Da Beschlüsse über eine Verbindung von Verfahren nach § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar sind, unterliegen sie nach § 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO nicht der revisionsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Beschluss vom 5. Juni 2000 - BVerwG 11 B 23.00 - juris).
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Durch die Prüfungsbeschränkung des § 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO wird die unanfechtbare Vorentscheidung allerdings nur als unmittelbarer Gegenstand einer Revisionsrüge ausgeschlossen. Dem Revisionsgericht nicht entzogen ist die Nachprüfung derjenigen Folgerungen, die die Vorinstanz aus der Prozesslage, die sie durch die Vorentscheidung geschaffen hat, für die mit der Revision angefochtene Endentscheidung gezogen hat (Urteil vom 17. Februar 1972 - BVerwG 8 C 84.70 - BVerwGE 39, 319 <323>). Im Zusammenhang mit einer unanfechtbaren Vorentscheidung ist die Rüge eines Verfahrensmangels daher dann zulässig, wenn sie sich nicht gegen die Vorentscheidung selbst richtet, sondern einen Mangel betrifft, der als Folge der beanstandeten Vorentscheidung dem angefochtenen Urteil anhaftet. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.
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Der Antragsteller trägt vor, infolge der gemeinsamen Verhandlung mehrerer Verfahren sei dem Oberverwaltungsgericht entgangen, dass die Anschüttungsfläche, die seinem Grundstück seewärts vorgelagert sei, nicht, wie im Urteil festgestellt (UA S. 10), zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an die Antragsgegnerin überlassen gewesen sei. Die Feststellung treffe nur für die Beteiligten der anderen Verfahren, nicht aber für ihn zu. Er habe seinen Besitz an der Anschüttungsfläche der Antragsgegnerin nicht übergeben. Der Senat geht davon aus, dass das Oberverwaltungsgericht mit der kritisierten Feststellung nicht hat zum Ausdruck bringen wollen, der Antragsteller habe der Antragsgegnerin die Anschüttungsfläche durch Einräumung des unmittelbaren Besitzes überlassen. Vielmehr hat die Vorinstanz ersichtlich nur die Feststellung aus dem Tatbestand des Urteils aufgegriffen, dass das Land Niedersachsen die gesamte Anschüttungsfläche schuldrechtlich für die Dauer von 12 Jahren ab dem 1. Oktober 2010 der Antragsgegnerin überlassen hat (UA S. 7). Die Verfahrensrüge hätte aber selbst dann keinen Erfolg, wenn das Oberverwaltungsgericht die Überlassung der Anschüttungsfläche dem Antragsteller zugeschrieben hätte und das unrichtig wäre. In diesem Fall würde das angefochtene Urteil nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen. Nach dem materiellrechtlichen Standpunkt der Vorinstanz, auf den abzustellen ist (vgl. Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183), war die Planverwirklichung abzusehen, weil das Land Niedersachsen die privatrechtliche Nutzungsvereinbarung, die es mit dem Antragsteller über die Anschüttungsfläche geschlossen hatte, fristgerecht gekündigt und der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses mitgeteilt hat, einer schuldrechtlichen Überlassung an sie stehe nichts entgegen. Mit dem Zusatz, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei die Anschüttungsfläche sogar an die Antragsgegnerin überlassen gewesen, hat das Oberverwaltungsgericht bekräftigt, dass mit einer Planverwirklichung zu rechnen sei. Entscheidungstragend ist der Zusatz nicht.
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2. Auch wegen der gerügten Verstöße gegen § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG, § 86 Abs. 3 VwGO ist die Revision nicht zuzulassen.
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Soweit sich der Antragsteller dagegen wendet, dass ihm das Oberverwaltungsgericht den Planvollzug hindernde zivilrechtliche Berechtigungen abgesprochen hat (UA S. 10), verfehlt seine Rüge den Anwendungsbereich des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Der Antragsteller hält sich für berechtigt, über die Anschüttungsfläche zu verfügen, weil das Land Niedersachsen und die Antragsgegnerin trotz der ausgesprochenen Kündigung des Mietverhältnisses keine Räumungsklage eingereicht hätten. Dahingestellt bleiben kann, ob es auf diese Frage bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans überhaupt ankommt. Mit dem Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe aus einem unstreitigen Sachverhalt eine unzutreffende Schlussfolgerung gezogen, macht er jedenfalls keinen Verfahrensmangel, sondern einen materiellrechtlichen Fehler geltend. Gleiches gilt für den Vorhalt, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht ein den Planvollzug hinderndes Wegnahmerecht an den Aufschüttungen gemäß § 539 Abs. 2 BGB verneint (UA S. 11).
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Mit der Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung beanstandet der Antragsteller, dass das Oberverwaltungsgericht nicht geklärt habe, wie es zur Eintragung des Landes Niedersachsen als Eigentümerin der Anschüttungsfläche im Grundbuch gekommen sei. Diese Rüge ist unbegründet, da angesichts der gesetzlichen Vermutung des § 891 BGB (vgl. hierzu Bassenge, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 891 Rn. 8) und des fehlenden Vorbringens des Antragstellers zum Beweis des Gegenteils für das Oberverwaltungsgericht jedenfalls kein Anlass zu weiterer Aufklärung bestand.
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Mit der Gehörsrüge kritisiert der Antragsteller, dass das Oberverwaltungsgericht nicht erkannt und demgemäß auch nicht in Erwägung gezogen habe, dass ihm gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Duldung der Inanspruchnahme der Anschüttungsfläche aus § 912 BGB zustehe. Die Rüge genügt nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil er nicht aufzeigt, das Oberverwaltungsgericht auf § 912 BGB aufmerksam gemacht zu haben. Im Übrigen gilt: Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, im Verfahren zu Wort zu kommen, namentlich sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, auf jedes Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich einzugehen. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt auch keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag des Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <311>); die Vorschrift verpflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 u.a. - BVerfGE 64, 1 <12>).
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Mit der Rüge unzureichender Sachverhaltsaufklärung moniert der Antragsteller, dass das Oberverwaltungsgericht
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- nicht der Frage nachgegangen sei, in welchem Umfang das Nordlandgelände zu Freizeitzwecken nutzbar ist;
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- ohne vorherige Augenscheinseinnahme davon ausgegangen sei, der Zugang zum Steinhuder Meer sei verbreitet verstellt;
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- die Bodenrichtwerte nicht ermittelt habe und deshalb fehlerhaft zu dem Schluss gekommen sei, das Grundstück des Antragstellers erfahre trotz des Fußwegs am Ufer keinen Wertverlust, weil das gesamte Plangebiet vom Wochenendhausgebiet zum Allgemeinen Wohngebiet hochgestuft werde;
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- nicht ermittelt habe, ob die Antragsgegnerin von der Belastung der Anschüttungsflächen mit Kampfmitteln und Asbest Kenntnis gehabt habe;
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- davon ausgegangen sei, dass der Weg am Ufer den Antragsteller nicht belaste, obwohl er direkt an seinem Schlafzimmer vorbeiführe.
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Keine der Aufklärungsrügen rechtfertigt die Zulassung der Revision.
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Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr beanstandet wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328; stRspr). Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen - lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen nicht (vgl. Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265) - zu ersetzen.
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Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie zeigt nicht auf, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht Beweisanträge des Inhalts gestellt hat, das Nordlandgelände (Aufklärungsrüge Spiegelstrich 1) und sämtliche Uferzonen des Steinhuder Meers (Aufklärungsrüge Spiegelstrich 2) in Augenschein zu nehmen sowie Bodenrichtwerte zu ermitteln (Aufklärungsrüge Spiegelstrich 3). Auch legt sie nicht dar, dass und aus welchen Gründen sich dem Oberverwaltungsgericht entsprechende Beweiserhebungen hätten aufdrängen müssen.
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Im Rahmen der Aufklärungsrüge, die die Kontaminierung der Anschüttungsfläche betrifft (Aufklärungsrüge Spiegelstrich 4), macht der Antragsteller zwar geltend, dass sich dem Oberverwaltungsgericht die Sachverhaltserforschung hätte aufdrängen müssen. Die Rüge scheitert aber daran, dass die Antwort auf die Beweisfrage aus der maßgeblichen Sicht der Vorinstanz nicht entscheidungserheblich war. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass eine Verunreinigung der Anschüttung keinen erheblichen, nur durch die Bauleitplanung zu lösenden städtebaulichen Konflikt auslöse, sondern die Konfliktlösung ggf. in die Sanierungs- und Bauphase verlagert werden dürfe (UA S. 23).
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Die Aufklärungsrüge, die sich auf die unzumutbare Beeinträchtigung der Privatsphäre des Antragstellers durch den geplanten Weg bezieht (Aufklärungsrüge Spiegelstrich 5), geht fehl, weil der Antragsteller mit ihr der Sache nach nicht ein Defizit bei der Ermittlung von Tatsachen beanstandet, sondern kritisiert, dass das Oberverwaltungsgericht aus richtigen Tatsachen eine falsche rechtliche Schlussfolgerung gezogen hat.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
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Referenzen
- VwGO § 86 2x
- 1 BvR 670/91 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 132 2x
- ZPO § 557 Umfang der Revisionsprüfung 2x
- 2 BvR 678/81 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 93 2x
- BGB § 912 Überbau; Duldungspflicht 2x
- BGB § 891 Gesetzliche Vermutung 1x
- VwGO § 108 2x
- BGB § 539 Ersatz sonstiger Aufwendungen und Wegnahmerecht des Mieters 1x
- VwGO § 133 1x
- VwGO § 173 2x
- VwGO § 146 1x