Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (5. Senat) - 5 C 36/15

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Höhe des Betrages, um den gemäß § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII derjenige Teil des Pflegegeldes gekürzt werden darf, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft.

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Die Klägerin ist Mutter eines im Juni 2005 geborenen Sohnes, der seit September 2005 im Haushalt ihrer Mutter und deren mit ihm nicht verwandten Ehemannes untergebracht ist. Der Vater des Kindes ist nicht bekannt. Seit Ende Juni 2007 wurde der Klägerin Hilfe zur Erziehung in Form der Verwandtenpflege gewährt. Der Mutter der Klägerin wurde zunächst allein der zur Abgeltung des Aufwands für die Pflege und Erziehung ihres Enkels vorgesehene Pauschalbetrag geleistet, während der Sachaufwand nicht abgegolten wurde. Mit dem angefochtenen Bescheid gewährte die Beklagte der Klägerin rückwirkend zum 1. September 2009 Leistungen zum Unterhalt des Kindes in Form monatlicher Pauschalbeträge, die sowohl die Kosten für den Sachaufwand als auch die Kosten für Pflege und Erziehung des Kindes umfassten. Die die Kosten für den Sachaufwand abgeltenden Leistungen kürzte sie unter Hinweis darauf, die Mutter der Klägerin sei ihrem Enkel gegenüber unterhaltspflichtig. Bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Mutter der Klägerin berücksichtigte sie deren Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann. Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis zum 31. Januar 2011 Pflegegeld für die Betreuung ihres Kindes im Rahmen der Vollzeitpflege ohne Kürzung um einen Unterhaltsanteil der Großmutter des Kindes zu bewilligen.

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Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII ermächtige hier nicht zu einer Kürzung desjenigen Teiles des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes betreffe. Die Mutter der Klägerin sei unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts bereits nicht in der Lage, ihrem Enkel Unterhalt zu leisten. Bei der Ermittlung ihrer Leistungsfähigkeit sei ein fiktiver familienrechtlicher Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem mit dem Pflegekind nicht verwandten Ehemann nicht zu berücksichtigen. § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII lehne sich zwar an die unterhaltsrechtliche Definition der Leistungsfähigkeit an, verlange jedoch keine konkrete Ermittlung des Unterhaltsbetrages nach Maßgabe der familienrechtlichen Vorschriften zur Unterhaltsberechnung und damit keine Berücksichtigung des Einkommens des nicht mit dem Kind verwandten Ehegatten der Pflegeperson. Das Institut der Ehe gebiete keine abweichende Betrachtung. Ebenso wenig seien die für den Elternunterhalt entwickelten unterhaltsrechtlichen Grundsätze der Berücksichtigung des Familieneinkommens auf das Verhältnis zwischen Großeltern und ihren Enkeln zu übertragen, da dieses Verhältnis anders als jenes zwischen Eltern und ihren Kindern durch eine nachrangige Ersatzhaftung geprägt sei. Den kostenbeitragsrechtlichen Bestimmungen der §§ 91 ff. SGB VIII sei das gesetzgeberische Ziel einer Entflechtung der vormalig ineinandergreifenden Bestimmungen des Sozial- und des Unterhaltsrechts zu entnehmen. Einzig eine Schlechterstellung gegenüber dem familienrechtlichen Unterhaltsrecht gelte es zu vermeiden. Dass dieses Ziel in Bezug auf § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII nicht gelten solle, sei nicht ersichtlich. Im Übrigen erweise sich die vorgenommene Kürzung des Pflegegeldes auch für den Fall, dass von der Leistungsfähigkeit der Mutter der Klägerin auszugehen sei, als rechtswidrig, da die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides kein Ermessen ausgeübt habe. Auf Grund des Umstands, dass die Mutter der Klägerin ihre Vollzeitstelle in eine halbe Stelle umgewandelt habe, um die Aufnahme des Kindes in ihren Haushalt zu ermöglichen, erscheine die ungekürzte Pflegegeldgewährung hier als einzig ermessensgerechte Entscheidung.

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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sowohl eine Verletzung von § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII und von § 113 Abs. 5 i.V.m. § 114 VwGO als auch eine Verletzung von Verfahrensrecht. Die angefochtene Entscheidung verstoße insoweit gegen Bundesrecht, als das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen sei, die Voraussetzungen für eine Kürzung des Pflegegeldes nach § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII lägen nicht vor. Die Leistungsfähigkeit der mit dem Kind in gerader Linie verwandten Pflegeperson bestimme sich unter anderem nach den Maßstäben, die in der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung zu § 1603 Abs. 1 BGB und zu dem sogenannten "Eltern-" und "Enkelunterhalt" entwickelt worden seien. Für die Bestimmung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit der mit dem Kind in gerader Linie verwandten Pflegeperson sei die Einkommenslage der Familie unter angemessener Berücksichtigung der Einzelbeiträge zum Familieneinkommen maßgeblich. Überdies verstoße das Oberverwaltungsgericht gegen § 113 Abs. 5 i.V.m. § 114 VwGO, soweit es annehme, das in § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII eingeräumte Kürzungsermessen sei hier auf Null reduziert gewesen. Das Urteil beruhe zudem auf einer Verletzung von Verfahrensrecht.

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Die Klägerin verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es beruht zum einen auf einem unzutreffenden Verständnis von § 39 Abs. 4 Satz 4 des Sozialgesetzbuches (SGB) Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), in Bezug auf den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 105 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586), Art. 12 des Gesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696) und Art. 3a des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) - SGB VIII - (1.). Zum anderen läuft die Annahme der Vorinstanz, das der Beklagten von § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII eingeräumte Ermessen sei auf Null reduziert, dem § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII zuwider (2.). Da dem Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung in der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen verwehrt ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (3.).

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1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend und in Übereinstimmung mit den Beteiligten angenommen, dass die Klägerin von der Beklagten nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII die Sicherstellung des notwendigen Unterhalts ihres Sohnes beanspruchen konnte (a). Den Erwägungen der Vorinstanz zur Höhe dieses Anspruchs ist hingegen nicht zu folgen (b).

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a) Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist unter anderem bei Hilfe nach § 33 SGB VIII der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Die Beklagte gewährte der Klägerin Hilfe zur Erziehung ihres Sohnes in Vollzeitpflege in einer anderen Familie nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 i.V.m. § 33 Satz 1 SGB VIII. "Andere Familie" ist hier ist die Familie der Mutter der Klägerin und ihres Ehemannes (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - Buchholz 436.511 § 27 KJHG/SGB VIII Nr. 3 S. 10 und vom 1. März 2012 - 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 Rn. 13). Als Personensorgeberechtigte war die Klägerin Inhaberin nicht nur des Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 Abs. 1 und 2a i.V.m. § 33 Satz 1 SGB VIII, sondern auch des Anspruchs auf Gewährung wirtschaftlicher Jugendhilfe in Gestalt des sogenannten Pflegegeldes gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 1983 - 5 C 12.82 - BVerwGE 67, 256 <257> und vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - Buchholz 436.511 § 27 KJHG/SGB VIII Nr. 3 S. 8 f. sowie Beschluss vom 13. März 2001 - 5 B 83.00 - FEVS 52, 448 f.).

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b) Soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, das Pflegegeld sei mangels Leistungsfähigkeit der Pflegeperson einer Kürzung nicht zugänglich, steht dies mit § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII nicht im Einklang.

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Der Höhe nach erfasst der Anspruch auf Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des Kindes gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII die Kosten zum einen für den Sachaufwand und zum anderen für die Pflege und Erziehung des Kindes. Die zu gewährenden Leistungen bemessen sich nach Maßgabe des § 39 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII und sollen grundsätzlich in monatlichen Pauschalbeträgen geleistet werden (§ 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII), deren Höhe hier nicht streitig ist. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann gemäß § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes betrifft, angemessen gekürzt werden. Die Voraussetzungen für eine solche Kürzung liegen hier insoweit vor, als die (auch) als Pflegeperson bestellte Mutter der Klägerin mit deren Sohn in gerader Linie verwandt und diesem zum Unterhalt verpflichtet ist (§ 1601 i.V.m. § 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB).

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aa) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die von § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII für die Kürzungsmöglichkeit vorausgesetzte Fähigkeit der Pflegeperson, dem Kind unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt zu gewähren, jedenfalls grundsätzlich genauso auszulegen wie das Merkmal der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit im Sinne des § 1603 Abs. 1 BGB.

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Dafür spricht bereits mit großem Gewicht der Wortlaut des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII. Zwar verweist die Bestimmung nicht ausdrücklich auf § 1603 Abs. 1 BGB. In der Sache liegt jedoch eine solche Bezugnahme dadurch vor, dass die Leistungsfähigkeit in beiden Bestimmungen nahezu wortidentisch umschrieben wird. Nach § 1601 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Das Gewicht dieser begrifflichen Parallelität wird nicht dadurch geschmälert, dass nach § 1603 Abs. 1 BGB die fehlende Leistungsfähigkeit als negative Tatbestandsvoraussetzung ausgestaltet ist, während dem Erfordernis der Leistungsfähigkeit in § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII rechtsbegründende Bedeutung zukommt. Dies gilt gleichermaßen für den Umstand, dass § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII in Abweichung vom familienrechtlichen Unterhaltsrecht und damit auch von § 1603 Abs. 1 BGB allein auf die Leistungsfähigkeit der mit dem Kind in gerader Linie verwandten Pflegeperson, nicht hingegen auch auf sonstige Verwandte in gerader Linie abhebt.

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Für und nicht - wie das Oberverwaltungsgericht meint - gegen die unterhaltsrechtliche Bestimmung des Begriffs der Leistungsfähigkeit sprechen in systematischer Hinsicht die Regelungen über die Kostenbeteiligung in den §§ 90 ff. SGB VIII. Nach der Novellierung des Kostenbeitragsrechts durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK) vom 8. September 2005 (BGBl. S. 2729) beurteilt sich die Heranziehung zu den Kosten der gewährten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen nach den §§ 90 ff. SGB VIII nicht mehr wie zuvor nach Unterhaltsrecht, sondern aus Gründen der Vereinfachung und Entflechtung des als "überaus kompliziert" empfundenen Zusammenspiels der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen über die Kostenheranziehung und den zivilrechtlichen Regelungen über die Unterhaltspflicht grundsätzlich nach öffentlichem Recht (BT-Drs. 15/3676 S. 28 und S. 41; vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2012 - 5 C 22.11 - BVerwGE 144, 313 Rn. 29). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber ein solches Konzept auch bei der Regelung der Kürzungsmöglichkeit des Pflegegeldes in den Fällen der Großelternpflege in § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII verfolgt hätte, sind nicht ersichtlich. Die Regelung unterscheidet sich nicht nur sprachlich von den §§ 90 ff. SGB VIII. Sie enthält anders als diese auch keine eigenständigen öffentlich-rechtlichen Maßstäbe für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit der mit dem Kind in gerader Linie verwandten Pflegeperson. Hätte sich der Gesetzgeber im Zusammenhang von § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII ebenfalls von unterhaltsrechtlichen Maßstäben lösen wollen, hätte es nahegelegen, dies in der Bestimmung zum Ausdruck zu bringen. Stattdessen hat er die Begrifflichkeit des § 1603 Abs. 1 BGB nahezu wörtlich übernommen.

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Das bisherige Auslegungsergebnis wird von Sinn und Zweck des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII bestätigt. Diese ergeben sich insbesondere aus dessen Entstehungsgeschichte. Die Bestimmung geht zurück auf das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 8. September 2005. Diesem Regelungswerk lag der Entwurf eines Tagesbetreuungsausbaugesetzes zugrunde. In dessen Begründung wird dargelegt, Großeltern hätten aufgrund ihrer engen verwandtschaftlichen Beziehung zu dem Kind und der daraus resultierenden Unterhaltspflicht eine von der Rechtsordnung anerkannte Pflichtenposition. Sie dürften daher von der staatlichen Gemeinschaft nicht ohne Weiteres dieselbe finanzielle Honorierung für ihre Betreuungs- und Erziehungsleistungen innerhalb der Verwandtschaft erwarten wie Pflegepersonen, die dem Kind nicht so eng verbunden seien (BT-Drs. 15/3676 S. 36). Anknüpfungspunkt für die Honorierung sollte die zivilrechtliche Unterhaltspflicht sein. Dies wird in der Begründung des dem § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII in seiner geltenden Fassung zugrunde liegenden Entwurfs des Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetzes - KiföG) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2403) bekräftigt. Dort wird ausgeführt, eine Kürzung komme nur in Betracht, wenn die Pflegeperson unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts dem Kind Unterhalt gewähren könne. Die gewählte Formulierung entspreche der Definition der Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht und vermeide einen Wertungswiderspruch zu diesem (BT-Drs. 16/9299 S. 17). Durch die Anlehnung an den Maßstab des angemessenen Unterhalts wird sichergestellt, dass die durch die Pflege und Erziehung des Kindes verursachte finanzielle Belastung der Pflegeperson in der Höhe nicht deren unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit übersteigt.

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bb) Ist ein Großelternteil Pflegeperson, so ist nach den zur Ermittlung seiner Leistungsfähigkeit im Sinne des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII jedenfalls grundsätzlich anzulegenden Maßstäben des § 1603 Abs. 1 BGB - entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - auch das Einkommen seines Ehegatten zu berücksichtigen.

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Eine unterhaltspflichtige Person ist leistungsfähig im Sinne des § 1603 Abs. 1 BGB, soweit ihre anrechenbaren Einkünfte und das von ihr einzusetzende Vermögen das übersteigen, was sie unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen für ihren eigenen Bedarf benötigt. Dem Unterhaltspflichtigen sollen grundsätzlich diejenigen Mittel verbleiben, die zur Deckung des seiner eigenen Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs erforderlich sind. Maßgebend ist dabei die Lebensstellung, die seinem Einkommen, Vermögen und sozialen Rang entspricht. Abzustellen ist hierbei auf den gesamten Lebensbedarf einschließlich einer angemessenen Altersversorgung. Die Höhe dieses Lebensbedarfs ist im Einzelfall zu klären. Hierbei ist nicht von einer festen Größe auszugehen, sondern etwaigen Veränderungen der individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteile vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - BGHZ 152, 217 <227> und vom 30. August 2006 - XII ZR 98/04 - BGHZ 169, 59 Rn. 19 und 21).

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(1) Geht es - wie hier - um die Inanspruchnahme von Großeltern auf Unterhalt für ihre Enkel, sind den Unterhaltspflichtigen zumindest die höheren Selbstbehaltsbeträge zuzubilligen, die auch erwachsene Kinder gegenüber ihren unterhaltsbedürftigen Eltern verteidigen können (vgl. BGH, Urteile vom 8. Juni 2005 - XII ZR 75/04 - NJW 2006, 142 Rn. 27 und vom 20. Dezember 2006 - XII ZR 137/04 - NJW-RR 2007, 433 Rn. 10). Auch Großeltern müssen in der Regel nicht damit rechnen, für den Unterhalt ihrer Enkelkinder aufkommen zu müssen. Ihre Inanspruchnahme realisiert sich zudem regelmäßig zu einem Zeitpunkt, zu dem sie sich bereits in einem höheren Lebensalter befinden, ihre Lebensverhältnisse längerfristig ihrem Einkommensniveau angepasst haben, Vorsorge für ihr eigenes Alter treffen müssen oder sogar bereits Rente beziehen. Wegen ihrer gemäß § 1607 Abs. 1 und 2 Satz 2 BGB als Ersatzhaftung ausgestalteten nachrangigen Haftung müssen sie sich finanziell im Verhältnis zu ihren Enkelkindern nicht in gleicher Weise wie Eltern im Verhältnis zu ihren minderjährigen oder noch in Ausbildung befindlichen Kindern einschränken (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2005 - XII ZR 75/04 - NJW 2006, 142 Rn. 21, 23, 25 m.w.N.). Der auf Unterhalt in Anspruch genommene Großelternteil braucht danach wie beim Elternunterhalt eine spürbare und dauerhafte Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus jedenfalls insoweit nicht hinzunehmen, als er nicht einen nach den Verhältnissen unangemessenen Aufwand betreibt. Deshalb ist es entsprechend dem Unterhaltsverhältnis zwischen Kindern und Eltern gerechtfertigt, den Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gegenüber seinen unterhaltsbedürftigen Enkeln mit einem erhöhten Betrag, wie er in den Tabellen und Leitlinien insoweit als Mindestbetrag vorgesehen ist, anzusetzen und dem Unterhaltspflichtigen zusätzlich noch etwa den hälftigen Anteil seines für den Elternunterhalt einsetzbaren bereinigten Einkommens zu belassen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2005 - XII ZR 75/04 - NJW 2006, 142 Rn. 22 unter Bezugnahme auf das Urteil vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - BGHZ 152, 217 <226>; Beschluss vom 5. Februar 2014 - XII ZB 25/13 - BGHZ 200, 157 Rn. 46).

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(2) Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen ist beim Enkelunterhalt bei der Ermittlung des über den Selbstbehalt hinaus zur Verfügung stehenden Betrages, der für die Gewährung des Unterhalts einzusetzen ist, auch das Einkommen des Ehepartners des auf Unterhalt in Anspruch genommenen Großelternteils zu berücksichtigen.

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Die aufgezeigten Gründe, aus denen den Großeltern zumindest die höheren Selbstbehaltsbeträge zuzubilligen sind, die erwachsenen Kindern gegenüber ihren unterhaltsbedürftigen Eltern zustehen, rechtfertigen es auch, bei der Ermittlung des über den Selbstbehalt den Großeltern zur Verfügung stehenden und als Unterhalt einzusetzenden Betrages die gleichen Grundsätze anzuwenden (vgl. Wönne, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 2 Rn. 1035 ff.). Deshalb ist - wie beim Elternunterhalt (vgl. dazu BGH, Urteile vom 28. Juli 2010 - XII ZR 140/07 - BGHZ 186, 350 Rn. 41 und vom 23. Juli 2014 - XII ZB 489/13 - NJW 2014, 2570 Rn. 11 f.) - die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Großelternteils nach § 1603 Abs. 1 BGB auf der Grundlage eines individuellen Familienbedarfs zu ermitteln, bei dessen Berechnung die Einkommen beider Ehegatten einfließen. Dem steht - anders als das Oberverwaltungsgericht meint - nicht entgegen, dass Großeltern im Verhältnis zu ihren Enkeln gemäß § 1607 Abs. 1 BGB nur ersatzweise haften.

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Das Einkommen des Ehegatten des auf Enkelunterhalt in Anspruch genommenen Großelternteils ist auch in dem Fall in Ansatz zu bringen, in dem dieses - wie hier - höher ist als dasjenige des Unterhaltspflichtigen. In Anbetracht der vergleichsweise schwachen Ausgestaltung von Eltern- und Enkelunterhalt kann zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit und des einzusetzenden Einkommens auch in diesen Fällen auf die Grundsätze zum Elternunterhalt zurückgegriffen werden. Die Leistungsfähigkeit des seinen Eltern gegenüber unterhaltspflichtigen Kindes ist auch dann auf der Grundlage des individuellen Familienbedarfs zu bestimmen, wenn der Unterhaltspflichtige weniger verdient als sein Ehegatte (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 - XII ZB 25/13 - BGHZ 200, 157 Rn. 17 ff., 26 ff.). So liegt es auch beim Enkelunterhalt.

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cc) Die aufgezeigten unterhaltsrechtlichen Grundsätze sind auf § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII zu übertragen. Ihnen stehen keine Besonderheiten des Jugendhilferechts entgegen.

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Der erhöhte unterhaltsrechtliche Selbstbehalt entspricht dem angemessenen Unterhalt im Sinne des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII. Die mit dem Kind in gerader Linie verwandte Pflegeperson befindet sich grundsätzlich in der gleichen Situation wie der zivilrechtlich zum Enkelunterhalt verpflichtete Großelternteil, auf den - wie dargelegt - die Grundsätze des Elternunterhalts auch insoweit zu übertragen sind. Wie dieser wird auch sie - in der Regel unerwartet und im fortgeschrittenen Lebensalter - mit der Herausforderung konfrontiert, ihrem Enkelkind die von diesem benötigte Pflege und Erziehung zuteilwerden zu lassen. Auch sie soll eine spürbare und dauerhafte Senkung ihres berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus jedenfalls dann nicht hinnehmen müssen, wenn sie nicht einen nach den Verhältnissen unangemessenen Aufwand betreibt oder ein Leben im Luxus führt. Eine Kürzung des Pflegegeldes über den angemessenen Selbstbehalt hinaus würde die Pflegeperson unangemessen belasten und liefe dem mit § 27 Abs. 2a Halbs. 1 SGB VIII verfolgten Ziel des Gesetzgebers zuwider, die Vollzeitpflege im Interesse der betroffenen Kinder und Jugendlichen unter den Voraussetzungen des § 27 SGB VIII 2011 auch für Großeltern offenzuhalten (BT-Drs. 15/3676 S. 35 f.; vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2014 - 5 C 32.13 - BVerwGE 151, 44 Rn. 28). Die Grenze des der Pflegeperson Zumutbaren wäre in der Regel überschritten, würde in dieser Situation von ihr verlangt, mehr von ihrem Einkommen und Vermögen für den Unterhalt des Enkelkindes einzusetzen, als ihr selbst verbleibt.

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Es sind keine Gründe ersichtlich, die der Übertragung der unterhaltsrechtlichen Maßstäbe auf den pflegenden Großelternteil entgegenstehen. Die Erwägungen, die für die entsprechende Anwendung des unterhaltsrechtlichen erhöhten Selbstbehalts sprechen, rechtfertigen auch die Anwendung der unterhaltsrechtlichen Grundsätze zur Berechnung des für den Enkelunterhalt einzusetzenden Betrages. Mithin ist auch bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit im Sinne des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII das Einkommen des Ehepartners der Pflegeperson zu berücksichtigen.

24

Die zutreffende Annahme des Oberverwaltungsgerichts, bei der Bemessung des Umfangs der Kürzung desjenigen Teils des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes betrifft, sei eine konkrete Ermittlung des Unterhaltsbetrages nicht geschuldet, steht einem Rückgriff auf die vorstehenden Grundsätze zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Pflegeperson nicht entgegen. Während die Fähigkeit der mit dem Kind in gerader Linie verwandten Pflegeperson, diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt zu gewähren, zentrale Voraussetzung des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII ist, sind andere Elemente des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs wie die Bedürftigkeit des Kindes oder die Leistungsfähigkeit weiterer unterhaltsverpflichteter Personen nicht Gegenstand der betreffenden Prüfung (Stähr, in: Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch SGB VIII, Stand Dezember 2015, K § 39 Rn. 23c; v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand 16. Februar 2016, § 39 Rn. 28).

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Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts widerstreitet der Übertragung der unterhaltsrechtlichen Grundsätze auf § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII 2011 auch nicht, dass dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus § 97 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII 2011 ein Auskunftsanspruch gegenüber dem mit dem Kind nicht in gerader Linie verwandten Ehegatten der Pflegeperson nicht zusteht. Gegenstand der Auskunftspflicht sind allein die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der mit dem Kind in gerader Linie verwandten Pflegeperson. Diesen ist auch der sich nach den konkreten Lebensverhältnissen zu bemessende Anspruch auf Familienunterhalt zuzurechnen. Es obliegt der Pflegeperson, dem Jugendamt Auskunft über die Höhe des von ihr zu beanspruchenden anteiligen Familienselbstbehalts zu erteilen. Zur Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen steht ihr gegenüber ihrem Ehegatten ein Informationsanspruch zu, der sich während des Zusammenlebens der Ehegatten zwar nicht aus § 1605 Abs. 1 BGB, wohl aber aus der Generalklausel des § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt. Die Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft beinhaltet die wechselseitige Pflicht, sich über die für die Höhe des Familienunterhalts und eines Taschengeldes maßgeblichen finanziellen Verhältnisse zu informieren und insoweit in einer - § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechenden - Weise Auskunft zu erteilen, die die Feststellung des Unterhaltsanspruchs ermöglicht (BGH, Urteil vom 2. Juni 2010 - XII ZR 124/08 - BGHZ 186, 13 Rn. 19 ff.).

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Der Rückgriff auf die vorstehenden unterhaltsrechtlichen Grundsätze im Rahmen des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil sie nicht im Einklang ständen mit der vom Gesetzgeber angestrebten Förderung der Verwandtenpflege auch durch Großeltern. Der Gesetzgeber hat sich - wie aufgezeigt - dafür entschieden, Großeltern aufgrund ihrer engen verwandtschaftlichen Beziehung zu dem Kind und der daraus resultierenden Unterhaltspflicht nicht dieselbe finanzielle Honorierung wie Pflegepersonen zuteilwerden zu lassen, die dem Kind nicht in gleicher Weise verbunden sind. Dies gilt auch für die hier vorliegende Fallgestaltung, in der das Kind nur mit einem Ehegatten in gerader Linie verwandt ist. Gestaltet der Gesetzgeber gleichwohl die Kürzungsoption unterhaltsrechtlich aus, so läuft die Berücksichtigung des Einkommens des mit dem Kind nicht in gerader Linie verwandten Ehegatten bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit der Pflegeperson nicht dem Gesetzeszweck zuwider.

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2. Das angefochtene Urteil beruht auch insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht, als das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung selbstständig tragend darauf stützt, das Ermessen der Beklagten sei hier auf Null reduziert gewesen.

28

a) Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte das ihr hinsichtlich der Kürzung des Pflegegeldes obliegende Ermessen nicht ausgeübt hat.

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Ist die Pflegeperson leistungsfähig, hat die Beklagte nach § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII über die angemessene Kürzung des Teiles des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, nach Ermessen zu befinden. Eine Ermessensausübung der Beklagten ergibt sich nicht aus der Begründung des Ausgangsbescheides vom 6. Juli 2010. Dort wird allein ausgeführt, die Sachaufwendungen könnten angemessen gekürzt werden, ohne dass erkennbar ist, dass von diesem Ermessen in bestimmter Weise Gebrauch gemacht wurde und auf welchen Erwägungen eine solche Entscheidung gründet. Die Begründung des Widerspruchsbescheides lässt ebenfalls nicht erkennen, dass die Beklagte von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat.

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b) Die Voraussetzungen einer Ermessenreduzierung auf Null, bei deren Vorliegen eine Betätigung des Ermessens entbehrlich gewesen wäre, lagen nicht vor.

31

Eine solche Reduzierung des Ermessens kommt nur in engen Ausnahmefällen in Betracht. Sie setzt voraus, dass nach Lage der Dinge alle denkbaren Alternativen offenkundig nur unter pflichtwidriger Vernachlässigung eines eindeutig vorrangigen Sachgesichtspunkts gewählt werden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. März 1973 - 1 WB 217.72 - BVerwGE 46, 89 <93> und Urteil vom 15. Juli 1987 - 4 C 56.83 - BVerwGE 78, 40 <46>).

32

Gemessen daran konnte auf eine Ermessensausübung nicht deshalb verzichtet werden, weil aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts die Mutter der Klägerin ihre Vollzeitstelle in eine halbe Stelle umgewandelt hatte, um die Aufnahme ihres Enkelkindes in ihrem Haushalt zu ermöglichen. Träfe dies zu, so wäre dies - auch unter dem Gesichtspunkt der vom Gesetzgeber im Interesse des Kindeswohls angestrebten Förderung der Verwandtenpflege - ein gewichtiger, gegen eine Kürzung sprechender Gesichtspunkt, der in die Abwägung einzustellen wäre. Er wäre aber nicht von solchem Gewicht, dass dahinter alle anderen denkbaren wesentlichen Abwägungsgesichtspunkte von vornherein zurücktreten müssten. So ist die Reduzierung einer Vollzeitstelle, um die Aufnahme des Kindes zu ermöglichen, auch in Bezug zu setzen zur Leistungsfähigkeit der Pflegeperson. Je höher diese ist, desto weniger Gewicht kann im Einzelfall einem solchen Verzicht zukommen.

33

3. Mangels erforderlicher hinreichender tatsächlicher Feststellungen ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Es fehlen Feststellungen zum Einkommen des Ehemannes der Mutter der Klägerin. Die Kenntnis dieses Einkommens ist aber erforderlich, um beurteilen zu können, ob die Pflegeperson ihrem Enkel ohne Gefährdung ihres eigenen Unterhalts Unterhalt gewähren konnte und ob insoweit die Voraussetzungen einer Kürzung des Pflegegeldes erfüllt waren. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), um diesem Gelegenheit zu geben, die betreffenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen.

34

Im Rahmen seiner Entscheidungsfindung wird das Oberverwaltungsgericht gegebenenfalls auch zu berücksichtigen haben, dass sich für den Fall, dass sowohl die Mutter der Klägerin als auch ihr mit dem Kind nicht in gerader Linie verwandter Ehemann zu Pflegepersonen bestellt worden sein sollten, die Kürzungsbefugnis des § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII nicht auf jenen erstreckt (Riehle, in: Krug/Riehle, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, Stand Dezember 2015, § 39 Rn. 72). Gegenstand der Kürzung wäre in diesem Fall nur der hälftige Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes betrifft.

35

4. Da die Revision aus den aufgezeigten Gründen Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung, ob die geltend gemachten Verfahrensfehler vorliegen und das angefochtene Urteil auf ihnen beruht.

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