Urteil vom Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 K 1236/10

Tenor

Der Bescheid über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds vom 01. Juni 2010 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 sowie der den Bescheid vom 01. Juni 2010 ändernde Bescheid vom 01. Oktober 2010 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds.

2

Mit Schreiben vom 08. April 2010 forderte der Beklagte die Klägerin im Rahmen einer Außenprüfung durch den Betriebsprüfer R. auf, die Buchführungsunterlagen und den Datenträger bis zum 15. April 2010 vorzulegen. Die erste Aufforderung sei bei Prüfungsbeginn am 01. März 2010 erfolgt. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung habe er abgelehnt. Hemmende Anträge zur Prüfung seien nicht gegeben. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung liege nach Mitteilung des Finanzgerichts nicht vor. Auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds dürfe er hinweisen.

3

Mit Schreiben vom 21. April 2010 forderte der Beklagte die Klägerin unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 08. April 2010 auf, die im Rahmen der Betriebsprüfung angeforderten Unterlagen bis zum 27. April 2010 vorzulegen. Die Mitwirkungspflichten der Klägerin ergäben sich aus § 200 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) und § 147 Abs. 6 AO. Im weiteren Text des Schreibens heißt es: „Sollten Sie die angeforderten Unterlagen nicht bis zum 27.04.2010 vorlegen, werde ich Verzögerungsgelder wie folgt festsetzen:

4

Buchführungsunterlagen

Frist 27.04.2010

2.500 EUR

Datenträger

Frist 27.04.2010

2.500 EUR“.

5

Am 31. Mai 2010 quittierte der beim Beklagten beschäftigte Betriebsprüfer R. den Erhalt einer
„Daten-CD
A. & B.
Verwaltungs GmbH 2004- 2006
A. & B.
Besitzgesellschaft GbR 2004 – 2006“.

6

Mit Bescheid vom 01. Juni 2010 setzte der Beklagte der Klägerin gegenüber ein Verzögerungsgeld i.H.v. 2.500,- € fest. Er führte aus, mit Schreiben vom 08. April 2010 habe er die Klägerin unter Hinweis auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds aufgefordert, gemäß § 200 Abs. 1 AO näher bezeichnete Unterlagen bis zum 15. April 2010 vorzulegen. Jener Aufforderung sei sie ohne Angabe von Gründen nicht nachgekommen. Durch die Möglichkeit, ein Verzögerungsgeld zu verhängen, solle der Steuerpflichtige zur zeitnahen Mitwirkung an der Außenprüfung angehalten werden. Das Verhalten der Klägerin verzögere die Außenprüfung, die derzeit wegen des Fehlens der Unterlagen nicht weiter geführt werden könne.

7

Der hiergegen gerichtete Einspruch ging beim Beklagten am 04. Juni 2010 ein. Die Klägerin führte aus, sie habe die angeforderten Unterlagen in Form einer CD an das Finanzamt (FA) gesandt. Sie habe einen Antrag auf Aussetzung der Prüfungsanordnung nach § 69 Abs. 3 FGO gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei. Die Frist für den Einspruch gegen die unter dem 07. Mai 2010 erfolgte Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch den Beklagten ende am 10. Juni 2010. Im Ablehnungsbescheid sei ihr eine vierwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden. Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds vor Ablauf beider Fristen sei rechtswidrig. Die Außenprüfung habe noch nicht begonnen.

8

Mit Schreiben vom 21. Juni 2010 forderte der Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf einen Prüfungsbeginn am 01. März 2010 auf, die Buchführungsunterlagen bis zum 29. Juni 2010 vorzulegen, wobei er erneut auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds hinwies.

9

Der Beklagte setzte mit Verfügung vom 29. Juni 2010 der Klägerin gegenüber ein Verzögerungsgeld i.H.v. 5.000,- € fest. Er führte aus, er habe sie mit Schreiben vom 21. Juni 2010 aufgefordert, gemäß § 200 Abs. 1 AO näher bezeichnete Unterlagen bis zum 29. Juni 2010 vorzulegen und dabei auf die Möglichkeit, ein Verzögerungsgeld festzusetzen, hingewiesen. Die Klägerin habe die Unterlagen nicht vorgelegt, weshalb die Außenprüfung derzeit nicht fortgeführt werden könne, wodurch sie verzögert werde. Durch das Verzögerungsgeld solle der Steuerpflichtige zur zeitnahen Mitwirkung an der Außenprüfung angehalten werden.

10

Unter dem 27. Juli 2010 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 01. Juni 2010 sowie den Einspruch gegen den Bescheid selbst als unbegründet zurück. Er führte aus, gemäß § 200 Abs. 1 AO habe der Steuerpflichtige u.a. Aufzeichnungen, Bücher und Geschäftspapiere sowie andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen. Komme er einer Aufforderung dazu nicht nach, so könne ein Verzögerungsgeld zwischen 2.500,- und 250.000,- € festgesetzt werden. Auch wenn zwischenzeitlich der Datenträger vorgelegt worden sei, so habe die Vorlage der Buchführungsunterlagen zumindest bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids ausgestanden. Ein Verzögerungsgeld könne unabhängig von einer Verlagerung der Buchführung ins Ausland festgesetzt werden. Die Betriebsprüfung könne zu einem Großteil nur dann in sinnvoller Weise durchgeführt werden, wenn die Buchführungsunterlagen vorgelegt würden; die Klägerin enthalte sie dem Beklagten trotz mehrfacher Aufforderung vor. Der Einwand der Klägerin, sie habe ausreichende Gründe vorgetragen, die die Vorlage der Unterlagen entbehrlich machten, greife nicht durch, er könne sich nur auf Rechtsmittel beziehen, die sie gegen die schriftliche Anforderung von Unterlagen erhoben habe, jene hätten jedoch bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung keinen Erfolg gehabt. Der Einwand, dass die Betriebsprüfung noch nicht begonnen habe, gehe ins Leere. § 335 AO sei auf das Verzögerungsgeld weder direkt noch analog anwendbar. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass weitere von der Klägerin gestellte Anträge, seine Ermessensentscheidung beeinflussen könnten. Er habe der Klägerin ausreichend rechtliches Gehör gewährt und ihr gegenüber erklärt, er habe keine offenen Fragen zur Sachverhaltsaufklärung. Eine Hinzuziehung nach § 360 AO sei nicht vorzunehmen. Er habe sich bei der Festsetzung des Verzögerungsgeld am gesetzlich vorgesehenen Mindestbetrag von 2.500,- € orientiert, weshalb eine weitere Begründung des Auswahlermessens nicht erforderlich sei.

11

Gleichfalls unter dem 27. Juli 2010 führte der Beklagte der Klägerin gegenüber aus, ein Einspruch sei nur gegen einen Verwaltungsakt statthaft. Die schriftliche Aufforderung durch den Prüfer, bestimmte Fragen zu beantworten und genau bezeichnete Belege, Verträge und Konten vorzulegen, bilde keinen Verwaltungsakt, sondern eine nicht auf Erzwingung von Unterlagen ausgehende nicht selbständig anfechtbare Vorbereitungshandlung. Das Schreiben vom 21. Juni 2010 bilde trotz des Hinweises auf das Verzögerungsgeld keinen Verwaltungsakt. Die konkrete Erzwingung der Vorlage einzelner Buchführungsunterlagen könne nur im Rahmen eines Zwangsmittelverfahrens i.S.d. §§ 328 ff AO erfolgen. Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds sanktioniere demgegenüber nicht nur ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten, sondern solle auch allgemein zur künftigen zeitnahen Mitwirkung anhalten. Das Schreiben bereite nicht die künftige Erzwingung der angefochtenen Unterlagen vor. Der Hinweis auf das Verzögerungsgeld besitze keinen Regelungsgehalt.

12

Ebenfalls mit Datum 27. Juli 2010 wies der Beklagte die Einsprüche vom 28. Juni 2010 gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung vom 09. Mai 2008 sowie der Schreiben vom 01. März 2010 sowie 08. und 21. April 2010 als unbegründet zurück. Er verwies auf die Bestandskraft der Prüfungsanordnung und führte aus, die Klägerin habe im Rahmen ihrer Einsprüche gegen die drei vorgenannten Schreiben jeweils die Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung beantragt, was er jeweils unter dem 07. Mai 2010 abgelehnt habe. Mit ihrem dagegen gerichteten Einspruch vom 08. Juni 2010 beantrage die Klägerin sinngemäß erneut die Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung sowie die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Schreiben.

13

Mit Verfügung vom 13. August 2010 lehnte der Beklagte die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 29. Juni 2010 ab. Er führte aus, die erneute Festsetzung eines höheren Verzögerungsgelds von 5.000,- € sei erforderlich gewesen, um die Mitwirkung der Klägerin an der Betriebsprüfung durchzusetzen. Die Festsetzung vom 01. Juni 2010 habe zu keiner Änderung des Verhaltens der Klägerin geführt. Sie habe die Buchführungsunterlagen trotz erneuter Aufforderung vom 21. Juni 2010 nicht vorgelegt. Die Betriebsprüfung könne einen Großteil der vorzunehmenden Prüfungstätigkeiten nicht sinnvoll wahrnehmen, wenn ihr die gesamten Buchführungsunterlagen für den zu prüfenden Zeitraum nach Festsetzung eines Verzögerungsgelds i.H.v. 2.500,- € und einer weiteren schriftlichen Aufforderung weiterhin vorenthalten würden. Im Rahmen seines Ermessens seien die weiteren Verzögerungshandlungen durch die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds zu sanktionieren. In Anbetracht der steuerlichen Erheblichkeit der Klägerin, die sich in den für den Prüfungszeitraum erklärten Umsätzen und Jahresergebnissen ausdrücke, sei es angemessen, die von der Klägerin beibehaltene Verzögerungshaltung mit einem um 2.500,- € höheren Verzögerungsgeld zu belegen.

14

Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 13. August 2010 mit, es fehlten noch folgende Unterlagen:

15

Kasse 

7-12/2003

Bankbelege

7-12/2003

Rechnungen

7-12/2003

Erlöse

7-12/2003

Darlehens- und Kreditunterlagen

7/03 – 12/06.

16

Zugleich forderte er die Klägerin auf, die fehlenden Unterlagen bis zum 18. Oktober 2010 vorzulegen und wies abermals auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds hin. Dem Schreiben war eine Anlage beigefügt, in der aufgeführt war, welche Unterlagen ein Mitarbeiter des steuerlichen Beraters der Klägerin am 12. August 2010 vorgelegt hatte.

17

Die Klage gegen die Festsetzung des Verzögerungsgelds vom 01. Juni 2010 ist beim Gericht am 27. August 2010 eingegangen.

18

Mit Schriftsatz vom 20. September 2010 führte der Beklagte im Verfahren 3 V 1295/10 aus, soweit die Klägerin meine, dass während eines anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens mit begehrter Aussetzung der Vollziehung die Festsetzung eines Verzögerungsgelds unzulässig sei, weil damit das Rechtsbehelfsverfahren ausgehebelt werde, verkenne sie die Rechtslage. Denn die Pflicht zur Mitwirkung an der Betriebsprüfung ergebe sich aus der Prüfungsanordnung. Jene sei bestandskräftig. Auch wenn die Klägerin gegen sämtliche Mitwirkungsverlangen der Betriebsprüfung Rechtsmittel erhebe und dazu Aussetzungsverfahren betreibe, komme es für die Frage, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds gerechtfertigt sei, im Wesentlichen darauf an, ob die Klägerin den ihr mit der Prüfungsanordnung auferlegten Mitwirkungspflichten in ausreichendem Umfang nachkomme. Das sei angesichts der zum Zeitpunkt der Festsetzung der Verzögerungsgelder bestehenden Verweigerungshaltung, insbesondere die den Prüfungszeitraum betreffende Buchführung zur Verfügung zu stellen, eindeutig nicht der Fall. Die §§ 328 ff AO seien auf das Verzögerungsgeld weder direkt noch entsprechend anwendbar. Zu Unrecht fordere die Klägerin Ermessenserwägungen des Beklagten im Hinblick auf die Möglichkeit der Festsetzung von Zwangsmitteln i.S.d. §§ 328 ff AO. Es handele sich bei jenen und der Festsetzung eines Verzögerungsgelds um voneinander völlig unabhängige Maßnahmen.

19

Mit Bescheid vom 01. Oktober 2010 hat der Beklagte den Bescheid vom 01. Juni 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 07. Juli 2010 bei ausdrücklich unveränderter Festsetzung geändert. Er hat ausgeführt, mit Schreiben vom 01. März sowie 08. und 21. April 2010 habe er in Gestalt der Betriebsprüfung die Klägerin insbesondere zur Vorlage der Buchführungsunterlagen aufgefordert. Unter dem 08. April habe er die Klägerin unter Hinweis auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 Abs. 1 AO und die Möglichkeit, ein Verzögerungsgeld festzusetzen, aufgefordert, die Buchführungsunterlagen bis zum 15. April 2010 vorzulegen. Die Klägerin sei jener Aufforderung bis zum 01. Juni 2010 nicht nachgekommen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Festsetzung eines Verzögerungsgelds seien erfüllt. Er nahm insoweit auf die Ausführungen im Bescheid vom 01. Juni 2010 und der Einspruchsentscheidung Bezug. Während die Klägerin den angeforderten Datenträger vorgelegt habe, habe sie die Vorlage der Buchführungsunterlagen auch nach jenem Hinweis verweigert. Es sei ermessensgerecht gewesen, die mit jener Weigerung eingetretene Verzögerung der Betriebsprüfung durch die Festsetzung eines Verzögerungsgelds zu sanktionieren. Die Vorlage der Buchführungsunterlagen zähle zu den in § 200 Abs. 1 AO ausdrücklich genannten Mitwirkungspflichten aufgrund einer im Streitfall bestandskräftigen Prüfungsanordnung. Die Betriebsprüfung könne einen Großteil ihrer Prüfungstätigkeiten nicht sinnvoll vornehmen, wenn ihr die gesamten Buchführungsunterlagen für den zu prüfenden Zeitraum auch nach mehrfacher schriftlicher Aufforderung vorenthalten würden. Aufgrund des mit der Mindesthöhe des Verzögerungsgelds von 2.500,- € verbundenen starken Eingriffs in das Vermögen des Mitwirkungspflichtigen müsse ein entsprechend wesentlicher Fall vorliegen. Der Ablauf der Betriebsprüfung sei mehrfach schuldhaft durch Verzögerungshandlungen der Klägerin gestört worden. Bereits mit der Prüfungsanordnung vom 09. Mai 2008 habe er die Klägerin darüber belehrt, dass sie zur Vorlage der relevanten Buchführungsunterlagen verpflichtet sei. Die Vollziehung der angefochtenen Prüfungsanordnung sei nie ausgesetzt worden. Eine Nichtzulassungsbeschwerde in jenem Zusammenhang habe keinen Erfolg gehabt. Die Klägerin nehme u.a. in einer Klageschrift vom 26. August 2010 an, sie habe der Betriebsprüfung den Zutritt zu ihren Betriebsräumen verwehrt, um sodann zu behaupten, die Buchführungsunterlagen müssten mangels Prüfungsbeginns nicht herausgegeben werden. Die Klägerin habe nicht nur vorsätzlich gegen die ihr durch die Prüfungsanordnung auferlegten besonderen Mitwirkungspflichten verstoßen, sondern erneut den Ablauf der Betriebsprüfung in erheblicher Weise schuldhaft gestört. Es könne dahinstehen, ob die Betriebsprüfung tatsächlich ihre Betriebs- bzw. Geschäftsräume betreten habe und die Prüfung formal am 01. März 2010 begonnen habe. Aus jenem Geschehensablauf lasse sich eindeutig erkennen, dass die Klägerin die Durchführung der angeordneten Betriebsprüfung behindern wolle. Zwar sei es grundsätzlich nicht verwerflich, Rechtsmittel einzulegen, zur Begründung ihrer Rechtsmittel gegen die schriftlichen Aufforderungen vom 01. März sowie 08. und 21. April 2010 aber rüge die Klägerin den ausstehenden Beginn der Betriebsprüfung, den sie selbst verhindert habe. In jenem Zusammenhang müsse berücksichtigt werden, dass sie im Rahmen der Rechtsmittelverfahren mehrfach Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung gestellt habe, welche auf Grund der Bestandskraft der Prüfungsanordnung keinerlei Erfolg hätten haben können.

20

Ein Verschulden der Klägerin entfalle nicht etwa, weil sie gegen die mehrfache Anforderung der Buchführungsunterlagen jeweils Rechtsmittel eingelegt habe. Sie habe die Fristsetzungen nicht unbeachtet lassen dürfen, was unabhängig davon gelte, ob jene Aufforderung Verwaltungsakte bildeten, die der Aussetzung der Vollziehung zugänglich seien. Denn die Aussetzung der Vollziehung sei abgelehnt worden. Die Nichtbeachtung der schriftlichen Aufforderungen zur Vorlage der Buchführungsunterlagen bilde eine weitere Verzögerung in einer Reihe von Handlungen, mit denen die Klägerin den Ablauf der Betriebsprüfung nachhaltig schuldhaft gestört habe, so dass die am 09. Mai 2008 angeordnete Betriebsprüfung nach mehr als 2 Jahren noch nicht habe abgeschlossen werden können. Aufgrund der Nachhaltigkeit der Verzögerungshandlungen sei unnötiger Verwaltungsaufwand in nicht unerheblicher Höhe entstanden. Auch im Hinblick auf die Betriebsgröße sei es ermessensgerecht, ein Verzögerungsgeld festzusetzen. Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds hänge nicht allein von der Größe des zu prüfenden Betriebs ab. Der Betrieb der Klägerin sei für den Prüfungszeitraum nicht als Großbetrieb einzustufen. Der Festsetzung des Verzögerungsgelds stehe nicht entgegen, dass es sich je nach Sichtweise um die erste oder aber zweite Anschlussprüfung handele. Zwar müsse die damit einhergehende Belastung der Klägerin beachtet werden, gerade jene Belastungen hätten jedoch im Rahmen der Rechtsmittelverfahren gegen die Prüfungsanordnung nicht zu deren Rechtswidrigkeit geführt. Es wäre widersinnig, wenn jene Belastungen die Durchsetzung der Prüfungsanordnung durch die Festsetzung eines Verzögerungsgelds über Gebühr erschweren könnten. Es sei grundsätzlich nicht erforderlich, dass das Mitwirkungsverlangen zu Steuernachforderungen führen werde. Allein die Möglichkeit der steuerlichen Relevanz reiche aus. So verhalte es sich im Hinblick auf die vorenthaltene komplette Buchführung. Die vorangegangenen Betriebsprüfungen hätten zu verschiedenen Prüfungsfeststellungen geführt. Zwar werde von der Klägerin die Höhe der Mehrergebnisse bestritten, es seien jedoch eine Reihe von Prüfungsfeststellungen getroffen worden, die zur Änderung von Steuerfestsetzungen geführt hätten. Damit könne nicht ausgeschlossen werden, dass die laufende Betriebsprüfung ebenfalls Prüfungsfeststellungen treffen werde, die zur Änderung der betreffenden Steuerfestsetzungen führten. Neben der Anfechtung verschiedener Verwaltungsakte und Prüfungshandlungen seien keine Gründe ersichtlich, die gegen das Vorlageverlangen sprechen könnten. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin durch Erfüllung des Vorlageverlangens strafrechtlich selbst belastet hätte. Angesichts des gewählten Mindestbetrags sei eine weitere Begründung des Auswahlermessens nicht erforderlich. Trotz der Schwere der Verzögerungshandlungen reiche der Betrag von 2.500,- € im Rahmen einer ersten Sanktionsmaßnahme aus.

21

Gleichfalls mit Datum vom 01. Oktober 2010 hat der Beklagte den Bescheid vom 29. Juni 2010 bei ebenfalls ausdrücklich unveränderter Festsetzung geändert. Er hat ausgeführt, mit Schreiben vom 21. Juni 2010 habe er die Klägerin insbesondere zur Vorlage von Buchführungsunterlagen bis zum 29. Juni 2010 aufgefordert. Die Frist habe die Klägerin nicht gewahrt. Die weiteren Ausführungen decken sich im Wesentlichen mit denen im Änderungsbescheid zum Bescheid vom 01. Juni 2010. Desweiteren hat der Beklagte ausgeführt, die Festsetzung eines ersten Verzögerungsgelds mit Bescheid vom 01. Juni 2010 habe nicht zur Aufgabe der Verzögerungshaltung der Klägerin geführt. Mit Schreiben vom 21. Juni 2010 habe er die Klägerin erneut unter Hinweis auf die Möglichkeit, ein Verzögerungsgeld festzusetzen, aufgefordert, die Buchführungsunterlagen vorzulegen. Da die Klägerin nach der erstmaligen Festsetzung eines Verzögerungsgelds keine Änderung in ihrem Verhalten gezeigt habe, sei es ermessensgerecht gewesen, erneut ein Verzögerungsgeld festzusetzen. Um die gebotene Mitwirkung der Klägerin durchzusetzen, sei für die erneute Verzögerung ein höheres Verzögerungsgeld festzusetzen gewesen.

22

Die Klägerin trägt nunmehr vor, der den Bescheid vom 01. Juni 2010 betreffende Bescheid vom 01. Oktober 2010 sei zum Gegenstand des Verfahrens geworden, nachdem sie zunächst vorgetragen hatte, der Bescheid sei nicht zum Gegenstand des Verfahrens geworden, weil es sich um eine Ermessensentscheidung handele. Mit dem Bescheid vom 01. Oktober 2010 habe der Beklagte nachträglich eine Begründung seiner Entscheidung gegeben. Jedoch könne die notwendige Ermessensentscheidung nicht im finanzgerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Eine Begründung der Ermessensentscheidung hätte spätestens in der Einspruchsentscheidung erfolgen müssen.

23

Maßgeblich für die Beurteilung der Ausübung des Ermessens durch die Finanzbehörde sei diejenigen Verhältnisse, die ihr im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bekannt gewesen seien oder hätten bekannt sein müssen. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Behörde könne nicht von der späteren Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse oder auch der Erkenntnisse der Behörde abhängen.

24

Im Bescheid vom 01. Oktober 2010 hätte der Beklagte auf den Bescheid vom 29. Juni 2010 Bezug nehmen müssen. Die nachträgliche Ermessensentscheidung könne sich nicht einzig auf die erstmalige im Bescheid vom 01. Juni 2010 liegende Sanktionsmaßnahme beziehen. § 146 Abs. 2b AO enthalte keine § 332 Abs. 3 AO vergleichbare Regelung.

25

Das Verzögerungsgeld stelle ein Zwangsgeld i.S.d. § 329 AO dar, da es auf die Vornahme einer Handlung bzw. Duldung des Steuerpflichtigen gerichtet sei. Der Bescheid über die Festsetzung eines „Zwangsgelds“ sei zwar durch den Prüfer erfolgt; ob er auch wie erforderlich zusätzlich vom zuständigen Außendienst-Sachgebietsleiter unterzeichnet worden sei, könne von der Klägerin nicht überprüft werden, weshalb es gerügt werde.

26

Als Zwangsgeld, das der Willensbeugung diene, könne ein Verzögerungsgeld nur natürlichen Personen gegenüber festgesetzt werden. Im Streitfall hätte es gegenüber den Gesellschaftern, den Organen der Klägerin, festgesetzt werden müssen, weil die der Gesellschaft „obliegenden Pflichten“ „nur von einem gesetzlichen Vertreter oder Geschäftsführer, von Mitgliedern oder Gesellschaftern“ erfüllt würden, weil das an sich verpflichtete Subjekt, die GmbH, nicht selbst handlungsfähig sei. Der Zwang richte sich gegen die gesetzlichen Vertreter, Geschäftsführer, Gesellschafter etc. Sie hätten als gesetzliche Vertreter etc. die Pflichten der Personengesellschaft oder der juristischen Personen zu erfüllen, so dass ihr Wille gebeugt werden müsse. Denn gegen die juristische Person könne im Falle der Uneinbringlichkeit des Zwangsgelds nicht durch Anordnung der „Ersatzzwangshaft“ vorgegangen werden. Könnten juristische Personen nicht in Haft genommen werden, so könne gegen sie auch kein Zwangsgeld festgesetzt werden.

27

Die Androhung eines Zwangsgelds bilde einen Verwaltungsakt und auch hinsichtlich der Höhe eine Ermessensentscheidung. Die Ermessenserwägungen müssten spätestens in der Einspruchsentscheidung dargelegt werden. Das Verzögerungsgeld bilde eine weitere steuerliche Nebenleistung. Der Zweck der im Ermessen der Finanzbehörde stehenden neuen Kategorie und seine Konkurrenz zum Zwangsgeld als ein in die Zukunft wirkendes Beugemittel zur Durchsetzung von Mitwirkungspflichten seien unklar. Das Verzögerungsgeld solle gemäß dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 2009 vom 02. September 2008, BTDrucks 16/10189, S. 81, den Steuerpflichtigen insbesondere zur zeitnahen Mitwirkung und zur Repatriierung seiner Finanzbuchhaltung anhalten. Daneben sie das Verzögerungsgeld auch Sanktion für die Verlagerung der Buchführung in das Ausland, wo gar keine Verzögerung, sondern allein die Missachtung des Bewilligungserfordernisses Rechtsgrund der Nebenleistung sei. Trotz Vergleichbarkeit fehle die inhaltliche und verfahrensrechtliche Verzahnung (§ 162 Abs. 4 AO). Die teleologische und systematische Offenheit des § 146 Abs. 2b AO lasse die Ermessensentscheidung des Beklagten ins Leere laufen. Die Festsetzung des Verzögerungsgelds unterliege dem Opportunitätsprinzip und damit dem Grunde wie auch der Höhe nach dem Entschließungs- und Auswahlermessen, weil die gesetzliche Determinationskraft des § 146 Abs. 2a AO fehle.

28

Sowohl der Bescheid vom 01. Juni 2010 als auch die zu jenem ergangene Einspruchsentscheidung ließen sämtliche Merkmale einer Ermessensentscheidung vermissen. Es sei weder ein Entschließungs- noch ein Auswahlermessen betätigt oder dokumentiert worden.

29

Anders als in § 152 AO fänden sich in § 146 Abs. 2b AO keine ausdrücklichen Ermessensleitlinien oder –grenzen. Das Ermessen sei nicht durch eine etwaige Erfüllung des Tatbestands vorgeprägt. Auch Verschuldensaspekte seien bereits bei der Betätigung des Entschließungsermessens zu berücksichtigen. Angesichts der Mindesthöhe des Verzögerungsgelds sei seine Festsetzung auf wesentliche Fälle zu beschränken.

30

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei widerrechtlich, vorsätzlich und wissentlich verletzt worden, weshalb die getroffene Ermessensentscheidung grob fehlerhaft sei. Die Höhe des Verzögerungsgelds sei im Kontext zur kurzfristigen Anforderung von Unterlagen (7 Tage) unangemessen und willkürlich. Der Beklagte habe eine konkrete zeitliche Verzögerung in Form einer Anzahl von Tagen nicht dargetan. Er behaupte „intergalaktisch“ die Prüfung, die nach seiner Meinung noch nicht begonnen habe, sei verzögert worden. Der Beklagte hätte der Klägerin aufgrund ihres plausiblen Vortrags eine Fristverlängerung gewähren müssen. Erst nach deren Ablauf hätte er ein Verzögerungsgeld festsetzen dürfen. Eine Frist von lediglich einer Woche entspreche nicht einem normalen Prüfungsablauf.

31

Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen Nichtvorlage von Buchführungsunterlagen nach § 146 Abs. 2b AO sei auf wesentliche Fälle zu beschränken. Das Verzögerungsgeld stelle bereits ein Mehrfaches des zuletzt festgestellten Mehrergebnisses dar. Die Klägerin führe einen Kleinbetrieb. Die Ergebnisse des Beklagten stünden in keinem Verhältnis zum Verzögerungsgeld i.H.v. 2.500,- € sowie zusätzlich 3.000,- €.

32

Die Ermessensentscheidung lasse unberücksichtigt, dass es sich um die dritte Wiederholungsprüfung bei der Klägerin handele, die ohnehin rechtswidrig sei, weshalb ein Verzögerungsgeld nicht festgesetzt werden dürfe. Die Festsetzungen der Verzögerungsgelder basierten nicht etwa auf voneinander unabhängigen Mitwirkungsverlangen. Die jeweilige Höhe sei unangemessen.

33

Das Schreiben vom 08. April 2010, mit dem der Betriebsprüfer R. im Namen des Beklagten die Buchführungsunterlagen und einen Datenträger für den Prüfungszeitraum angefordert habe, enthalte keine weiteren Angaben. Es bilde einen Verwaltungsakt, der weder eindeutig noch konkret auf einen bestimmten Zeitraum bezogen gewesen sei, für den Unterlagen angefordert worden wären. Mangels Rechtsbehelfsbelehrung habe sich die Einspruchsfrist auf ein Jahr belaufen.

34

Verzögerungshandlungen durch die Nichtvorlage von Buchführungsunterlagen habe die Klägerin nicht verursacht, weil die die Anforderung von Buchführungsunterlagen betreffenden Verwaltungsakte noch nicht rechtskräftig gewesen seien. Damit sei eine Ahndung durch die Festsetzung von Verzögerungsgeldern von vornherein ausgeschlossen. Zu beachten seien das die Prüfungsanordnung betreffende Einspruchsverfahren, das anschließende Klageverfahren sowie das darauf folgende Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Während eines anhängigen Einspruchsverfahrens mit Aussetzung der Vollziehung sei die Festsetzung eines Verzögerungsgelds unzulässig, da ansonsten das Rechtsbehelfsverfahren unterlaufen und ausgehebelt werde. Damit werde der Rechtsweg unzulässig weiter eingeschränkt und die verfassungsrechtliche Garantie des Rechtsschutzes beseitigt.

35

Bereits die Androhung eines Verzögerungsgelds nach § 146 Abs. 2b AO stelle einen Verwaltungsakt dar.

36

Für die Anforderung der Buchhaltungsunterlagen und der Daten-CD habe der Beklagte die Festsetzung eines Zwangsgelds i.H.v. jeweils 2.500,- € angedroht und ein solches auch später festgesetzt. Das sei überhöht und unangemessen. Eine unabhängige Ahndung sei auszuschließen, da sich beide Mitwirkungsverlangen – Anforderung von Buchführungsunterlagen und Vorlage der Daten-CD – auf ein und dieselbe Prüfungsanordnung bezögen.

37

Mit der Übergabe der CD am 04. Mai 2010 habe die Klägerin klar dokumentiert, dass sie ordnungsgemäß im Rahmen der Betriebsprüfung mitwirken werde. Der Bescheid vom 01. Oktober 2010, der den Bescheid vom 01. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 ändere, sei rechtswidrig gewesen, weil bei seinem Erlass die Außenprüfung bereits begonnen gehabt habe und sämtliche angeforderten und prüfungsrelevanten Unterlagen dem Beklagten bereits übergeben gewesen seien. Bereits vor dem 01. Oktober sei der Grund für die Festsetzung eines Verzögerungsgelds entfallen.

38

Es fehle an einer strafrechtlichen Relevanz, da die Besteuerungsgrundlagen stets umfassend unter Vorlage von Urkunden und Nachweisen erläutert worden seien, was der Beklagte nicht beachte, in der Außenprüfung nicht zur Kenntnis genommen habe oder ignoriere. Dem Beklagten seit Jahren bekannte Vorgänge würden wiederholt „gebetsmühlenartig“ angefordert. In der Betriebsprüfung habe der Beklagte bereits bekannte Vorgänge, Nachweise und Urkunden wie in den beiden vorangegangenen Außenprüfungen verlangt. Sie fänden sich bereits in den Steuerakten, weshalb das neuerliche Vorlageverlangen rechtswidrig sei. Angebliche Verzögerungen lägen im Unvermögen des Betriebsprüfers R., den vorliegenden Jahresabschluss und die umfassenden Erläuterungen mit Nachweisen und vorhandenen Urkunden zur Steuererklärung zur Kenntnis zu nehmen und auszuwerten, begründet.

39

Nicht jede Verletzung der Mitwirkungspflichten dürfe grundsätzlich dazu führen, dass das FA zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds komme. Auch für nicht jede Verletzung von Mitwirkungspflichten zu einem Verschulden.

40

Angesichts der Mindesthöhe des Verzögerungsgelds sei es dem FA versagt, von einer Vorprägung seines Ermessens auszugehen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schließe aus, dass das FA dem Zwangsmittel Verzögerungsgeld die Summe der Pflichtverletzungen als Bündel zugrunde lege.

41

Auch der Umfang der Auskunfts- und Vorlageverpflichtung und die im Einspruchsverfahren größtenteils erfolgte Erfüllung wie auch der Umfang der Verzögerung, insbesondere aus welchen Gründen nach Abschluss der Lohnsteueraußenprüfung die Vorlage der Daten-CD trotz (verspäteter) Einreichung der Sachkonten noch erforderlich gewesen sei und welche Verzögerungen dadurch eingetreten seien, hätte im angefochtenen Verwaltungsakt berücksichtigt werden müssen. Derartige Erwägungen hätten sowohl in der Einspruchsentscheidung als auch im Bescheid vom 01. Oktober 2010 nachgeholt werden können. Dasselbe gelte für Ausführungen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

42

Der Beklagte habe sich zuvorderst von Verschuldensaspekten leiten lassen. Es erscheine jedoch denkbar, trotz eines Verschuldens von der Festsetzung eines Verzögerungsgelds abzusehen.

43

Die Klägerin beantragt,

        
        

1.    

dass der Bescheid über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds vom 01. Juni 2010 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 sowie der den Bescheid vom 01. Juni 2010 ändernde Bescheid vom 01. Oktober 2010 ersatzlos aufgehoben werden,

        

2.    

dass die Kosten des Rechtsstreits und des Vorverfahrens der Beklagte zu tragen hat,

        

3.    

dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten, auch für das Vorverfahren, für notwendig erklärt wird,

        

4.    

dass im Falle einer abweisenden Entscheidung des Gerichts die Revision zugelassen wird,

        

5.    

dass im Fall der Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand oder der Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache, dass der Streitwert durch das Gericht festgesetzt wird,

        

6.    

dass bei Erlass des Urteils die Kosten des Verfahrens gemäß § 149 FGO i.V.m. § 139 Abs. 3 FGO und § 41 StBGebV gegen den Beklagten festgesetzt werden,

        

7.    

dass die Verzinsung der festzusetzenden Kosten mit 5 v.H. über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab Antragstellung  zugesprochen wird (§ 155 FGO i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 und § 105 Abs. 2 ZPO),

        

8.    

dass die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung festgestellt wird,

        

9.    

dass die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer notwendig zum Verfahren beigeladen werden,

        

10.     

dass das Verfahren durch Gerichtsbescheid entschieden wird.

44

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und im Falle des Obsiegens der Klägerin die Revision zuzulassen.

45

Er trägt vor, die Pflicht der Klägerin zur Mitwirkung an der Außenprüfung ergebe sich aus der bestandskräftigen Prüfungsanordnung. Jener sei sie nicht ausreichend nachgekommen, da sie im Zeitpunkt der Festsetzung der Verzögerungsgelder eine Verweigerungshaltung gezeigt, insbesondere die den Prüfungszeitraum betreffende Buchführung nicht zur Verfügung gestellt habe. Die Mitwirkungspflicht treffe die Klägerin als solche, weshalb er kein Auswahlermessen im Hinblick auf die für die Klägerin handelnden Personen zu betätigen habe. Die für Zwangsmittel i.S.d. §§ 328 ff AO geltenden Vorschriften seien auf Verzögerungsgelder nicht anwendbar. Zwangsmittel und Verzögerungsgelder seien weder voneinander abhängig noch gebe es zwischen ihnen ein Rangverhältnis.

46

Die Einsprüche vom 03. November 2010 und vom 13. Dezember 2010 gegen den Änderungsbescheid vom 01. Oktober 2010 bzw. gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Verzögerungsgeldbescheide vom 11. November 2010 seien als unbegründet zurückgewiesen bzw. als unzulässig verworfen worden. Die Klägerin habe gegen jene Entscheidungen keine weiteren Rechtsmittel eingelegt.

47

Er verweist auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BStBl II 2011, 855. Gegenstand jenes Verfahrens sei ebenfalls die Festsetzung eines Verzögerungsgelds vom 01. Oktober 2010 gewesen, bei dem mit denjenigen im vorliegenden Verfahren inhaltsgleiche Ausführungen gemacht worden seien. Der Bundesfinanzhof habe die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht beanstandet.

48

Er trägt vor, die Finanzbehörde habe bei einer Ermessensentscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Es komme jedoch nicht darauf an, dass das FA im Rahmen der im Bescheid aufgeführten Ermessenserwägungen ausdrücklich die Verhältnismäßigkeit seiner Entscheidung feststelle. Es genüge, dass seine Ermessensentscheidung insgesamt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genüge.

49

Die Ermessenserwägungen des FA seien ausschließlich auf den erstmalig verwirklichten Sachverhalt zu beziehen. Später eintretende Umstände seien auch dann nicht im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen, wenn das FA die zunächst unterlassenen Ermessenerwägungen in einem Änderungs- oder Ersetzungsbescheid zu einem späteren Zeitpunkt nachhole. Unabhängig davon, dass die Klägerin am 12. August 2010 noch nicht sämtliche zu prüfenden Unterlagen vorgelegt gehabt habe, sei es unerheblich, dass sie die Buchführungsunterlagen vor dem 01. Oktober 2010 eingereicht habe.

50

Den aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2013 gefassten Beweisbeschluss hat der Senat aufgehoben.

51

Die Beteiligten haben nunmehr auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

52

A. Aufgrund des Verzichts beider Beteiligter auf mündliche Verhandlung kann der Senat ohne diese entscheiden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)).

53

An den Antrag auf Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist er nicht gebunden.

54

B. Der den Bescheid vom 01. Juni 2010 betreffende Bescheid vom 01. Oktober 2010 ist gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Es liegen nicht etwa lediglich bloße Ergänzungen von Ermessenserwägungen i.S.d. § 102 Satz 2 FGO oder ein Nachholen der erforderlichen Begründung eines Verwaltungsakts i.S.d. § 126 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vor. Denn der Beklagte hat den Bescheid vom 01. Juni 2010 ausdrücklich „nach erneuter Überprüfung“ geändert. Er hat ebenso ausdrücklich auf die Klageschrift Bezug genommen und damit ein Verhalten der Klägerin berücksichtigt, das diese erst nach Bekanntgabe des vorangegangenen Bescheids gezeigt hat.

55

C. Die zulässige Klage ist begründet.

56

Der Bescheid vom 01. Juni 2010, die zu diesem ergangene Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 sowie der Bescheid vom 01. Oktober 2010 sind aufzuheben.

57

Es kann dahinstehen, welche der der Klägerin vom Beklagten gesetzten Fristen die maßgebliche und ob diese angemessen i.S.d. § 146 Abs. 2b AO ist, denn die genannten Entscheidungen des Beklagten sind jedenfalls aus nachfolgenden Gründen unabhängig davon, ob der Tatbestand des Vorschrift erfüllt ist, aufzuheben.

58

I. Der angefochtene Verwaltungsakt vom 01. Oktober 2010 verletzt die Klägerin in ihrem Recht auf eine fehlerfreie Ausübung des Entschließungsermessens bei der Festsetzung eines Verzögerungsgelds, weshalb er aufzuheben ist.

59

1. Die Finanzbehörde hat bei der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sowohl ihr Entschließungs- als auch ihr Auswahlermessen zu betätigen und dabei insbesondere den maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266; Loose, Ermessenserwägungen bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO, jurisPR-SteuerR 26, 2012, Anm. 3). Der durch die Ermessensentscheidung in Form eines Verwaltungsakts wie die Klägerin beschwerte Inhaltsadressat hat einen Anspruch auf die vollständige Berücksichtigung des maßgeblichen Sachverhalts.

60

2. An dieser fehlt es im Bescheid vom 01. Oktober 2010, in dem nicht berücksichtigt wird, dass die Klägerin die Unterlagen wie vom Beklagten bereits zuvor nämlich am 13. August 2010 quittiert zum Teil vorgelegt hatte.

61

3. Dass ein Verzögerungsgeld nicht lediglich wie ein Zwangsgeld präventiven (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 2009 vom 02. September 2008, BTDrucks 16/10189, S. 81) Beugecharakter (Luft, Das Verzögerungsgeld als Druckmittel eigener Art in der praktischen Anwendung, SteuK 2010, 364), sondern zugleich auch einen in der Abschöpfung von Vorteilen liegenden repressiven Charakter besitzt (Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht (FG) Urteil vom 01. Februar 2011 3 K 64/10, EFG 2011, 846; Schleswig-Holsteinisches FG Beschluss vom 03. Februar 2010 3 V 243/09, EFG 2010, 497; FG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 29. Juli 2011 1 V 1151/11, EFG 2011, 1942; FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; Märtens in Beermann/Gosch, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 66; Rätke in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 146, Rz. 48; Drüen, Aktuelle Fragen und Antworten zu Verzögerungsgeldern beim Steuervollzug, Ubg, 2011, 83, 84; Fritsch, Ermessensausübung beim Verzögerungsgeld, SteuK 2013, 107; Fumi, EFG 2011, 848, 849; Geißler, Verzögerungsgeld bei Verletzung von Mitwirkungspflichten, NWB 2009, 4076, 4077; Gosch, Verzögerungsgeld, Strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Ermessensausübung nach Grund und Höhe, HaufeIndex 3586696; Haubner, Verzögerungsgeld nach
§ 146 Abs. 2b AO in der Betriebsprüfung – Anwendbarkeit, Voraussetzungen, Rechtsfolgen und Rechtsschutzmöglichkeiten, AO-StB 2010, 187, 191; Hopp / Bruns, Aktuelle Entwicklungen beim Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO, DStR 2012, 1485, 1489; Rätke Verzögerungsgeld in der Außenprüfung, BBK 2011, 786, 787; Tormöhlen, Zur Ermessensausübung beim Verzögerungsgeld, AO-StB 2013, 72, 74; Neumann, Das Verzögerungsgeld als Pendant zum Verspätungszuschlag in der Außenprüfung, DStR 2013, 1213; Weimann, Verzögerungsgeld (§ 146 Abs. 2b AO) als neues Druckmittel der Finanzverwaltung?, UStB 2010, 256, 257; Werth, Verfassungsrechtliche Schranken für das Handeln der Finanzbehörden, DStZ 2013, 416, 418; vgl. Mack, Strafschätzungen im Steuerverfahren akzeptieren, um Steuerstrafverfahren zu vermeiden?, Stbg 2012, 116; tom Suden, § 146 Abs. 2a und 2b AO: Das trojanische Pferd im Steuerrecht, Stbg 2009, 207, 208, 209; Wulf, Das neue „Verzögerungsgeld“ als Sanktion für Unbotmäßigkeiten des Steuerpflichtigen in der steuerlichen Außenprüfung, AG 2001, 819, 820), führt dazu, dass sein Zweck nicht bereits dann und insoweit erreicht ist, als der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten erfüllt (Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264; Hessisches FG Beschluss vom 19. März 2010 12 V 396/10, nachgewiesen bei juris; vgl. auch Hruschka, Ausgewählte Aspekte der Betriebsprüfung, StbG 2012, 1; kritisch Drüen, Aktuelle Fragen und Antworten zu Verzögerungsgeldern beim Steuervollzug, Ubg 2011, 83, 84, 91). Dennoch ist die ggf. wie im Streitfall verzögerte Erfüllung des Mitwirkungsverlangens bereits im Rahmen der Betätigung ihres Entschließungsermessens von der Finanzbehörde zu berücksichtigen (FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23. Februar 2012 3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; Dißars, Anwendung des Verzögerungsgelds in der Praxis – Der Fragen-Antworten-Katalog des BMF, Stbg 2012, 433, 439; vgl. Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2 b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBP 2009, 1262, 168; Hopp/Bruns, Aktuelle Rechtsentwicklungen beim Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO, DStR 2012, 1485), selbst wenn das Verlangen wie im Streitfall lediglich teilweise erfüllt worden ist (Märtens in Beermann/Gosch, AO, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 79). Denn vom Eingang der Unterlagen hängt nicht nur die Dauer der Fristüberschreitung, sondern auch der Grad des Verschuldens ab (FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23. Februar 2012 3 V 3006/12, EFG 2012, 1225).

62

4. Dass der (zumindest teilweise) Untergang der angeforderten Unterlagen der Rechtsbehelfsstelle des Beklagten beim Erlass der jüngsten Verwaltungsentscheidung (möglicherweise) nicht bekannt war, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Es ist Sache der Finanzbehörde dafür zu sorgen, dass die in ihren Dienstbereich gelangenden Schriftstücke auch ihrer Rechtsbehelfsstelle zugeleitet werden. Jedenfalls muss sie sich ein etwaiges Organisationsverschulden zurechnen lassen (FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23. Februar 2012 3 V 3006/12, EFG 2012, 1225).

63

5. Anders als vom Beklagten angenommen ist auch im Streitfall der Zeitpunkt der jüngsten Verwaltungsentscheidung für die gerichtliche Beurteilung der Ausübung des Ermessens durch die Verwaltung maßgeblich (Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264; FG Berlin-Brandenburg Urteile vom 18. Januar 2012 12 K 12205/10, EFG 2012, 898; vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; vgl. Märtens in Beermann/Gosch, AO, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 79; unklar Luft, Das Verzögerungsgeld als Druckmittel eigener Art in der praktischen Anwendung, SteuK 2010, 364, 367).

64

Auch aus dem Beschluss des BFH vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BStBl II 2011, 855, ergibt sich nichts Anderes (a.A. Hopp/Bruns, Aktuelle Rechtsentwicklungen beim Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO, DStR 2012, 1485, 1487). Der Beschluss besagt lediglich, dass im Falle einer abermaligen Festsetzung eines Verzögerungsgelds jene von der Finanzbehörde nicht bei ihrer abschließenden Ermessensentscheidung über den Einspruch gegen eine frühere Festsetzung des Verzögerungsgelds zu berücksichtigen sei, weil die Festsetzung eines weiteren keinen Einfluss auf die vorangehende erstmalige Festsetzung eines Verzögerungsgelds haben könne, und dass dasselbe auch gelte, wenn die Finanzbehörde die frühere Festsetzung des Verzögerungsgelds nach Festsetzung eines weiteren ersetze. Die Aussage „Denn ungeachtet der zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen müssen sich die Ermessenserwägungen ausschließlich auf den Sachverhalt beziehen, der im Zeitpunkt des Erlasses des ersten Festsetzungsbescheids verwirklicht war.“ muss im Kontext der gesamten Entscheidung gesehen werden. Wollte man den BFH i.S.d. Ausführungen des Beklagten verstehen, so hätte er sich mit der Rechtsprechung, wonach für die Beurteilung einer Ermessensentscheidung der Zeitpunkt der jüngsten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist (BFH-Urteile vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266; vom 07. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; BFH-Beschluss vom 18. Mai 2004 VI B 51/01, nachgewiesen bei juris; vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VII R 29/02, BStBl II 2005, 3), auseinandersetzen müssen.

65

II. Auch der Bescheid vom 01. Juni 2010 und die zu diesem ergangene Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 sind aufzuheben.

66

1. Muss wie im Streitfall ein gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gewordener Änderungsbescheid aufgehoben werden, so ist das Gericht nicht gehindert im selben Urteil auch die Aufhebung des ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bescheids auszusprechen, soweit dem Klagebegehren mit der Aufhebung des Änderungsbescheids nicht voll Rechnung getragen würde (vgl. BFH-Urteile vom 17. September 1992 V R 17/86, BFH/NV 1993, 279, zum Ersetzungsbescheid; vom 27. Februar 1975 I R 178/73, BStBl II 1975, 514, zum Berichtigungsbescheid). Denn, dass das Gericht über die Anfechtung des ursprünglichen Bescheids entscheiden können muss, entspricht dem allgemeinen das Prozessrecht beherrschenden Gedanken, dass die mit der Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels erlangte prozessrechtliche Stellung dem Kläger nicht ohne sein maßgebliches Zutun entzogen werden darf (BFH-Urteil vom 27. Februar 1975 I R 178/73, BStBl II 1975, 514).

67

Im Streitfall ist dem klägerischen Begehren mit der bloßen Aufhebung des Änderungsbescheids vom 01. Oktober 2010 nicht voll Rechnung getragen. Denn der durch diesen Bescheid suspendierte Bescheid vom 01. Juni 2010, d.h. die seinerzeitige Festsetzung des Verzögerungsgelds würde durch die Aufhebung des Bescheids vom 01. Oktober 2010 ebenso wie die Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 wieder aufleben.

68

2. Auch der Bescheid vom 01. Juni 2010 verletzt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 die Klägerin in ihrem Recht auf eine fehlerfreie Ausübung des Entschließungsermessens bei der Festsetzung eines Verzögerungsgelds, weshalb beide aufzuheben sind.

69

a) Der Ermessenscharakter des § 146 Abs. 2b AO hat zur Folge, dass die Finanzgerichte die Festsetzung des Verzögerungsgelds nur eingeschränkt überprüfen können. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung gegeben und hat das FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt sowie seine Entscheidung hinreichend begründet (§ 121 AO, ggf. i.V.m. § 126 AO; vgl. auch § 102 Satz 2 FGO), ist der gerichtlichen Kontrolle die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen. Des Weiteren ist die Prüfung nach § 102 Satz 1 FGO auf die Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens (sog. Ermessensüberschreitung), den Gebrauch des Ermessens in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung entsprechenden Weise (sog. Ermessensfehlgebrauch), die Ausübung des der Finanzbehörde zustehendes Ermessens (sog. Ermessensunterschreitung) und die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266.)

70

b) Ein Ermessen ist sowohl hinsichtlich der Frage, ob ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden soll (Entschließungsermessen), als auch hinsichtlich der Höhe eines Verzögerungsgeldes (Auswahlermessen) eröffnet (Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167). Mit Ausnahme einer Spannbreite des Verzögerungsgeldes zwischen EUR 2.500,- und EUR 250.000,- sieht § 146 Abs. 2b AO keine ausdrücklichen Ermessensleitlinien oder -grenzen vor, so dass sich die Ermessensentscheidung nach den allgemeinen Grundsätzen (§ 5 AO) richten muss (FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, nachgewiesen bei juris; Hessisches FG Beschluss vom 08. August 2011 8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264).

71

aa) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist bereits im Rahmen der Betätigung des Entschließungsermessens zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.). AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167). – Die zweistufige Ermessensprüfung entspricht dem Willen des Gesetzgebers: Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung (zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes) einen behördlichen Ermessensspielraum nur im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds eröffnen wollte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 2009 vom 02. September 2008, BTDrucks 16/10189, S. 81), ist der letzte Halbsatz des § 146 Abs. 2b AO auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags (Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BTDrucks 16/11055, S. 82) mit dem ausdrücklichen Ziel geändert worden ("kann ... festgesetzt werden"), ein "Entschließungsermessen einzufügen" (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 16/11108, S. 47). – Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss, genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts – mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzämter – zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09. November 1976 2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106). Hiermit übereinstimmend hat auch der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des § 146 Abs. 2b AO als Ermessensvorschrift eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Handhabung der Vorschrift durch die Finanzbehörden "gewährleisten" wollen (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 2009 vom 02. September 2008, BTDrucks 16/10189, S. 81).

72

bb) Da das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500,- € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 3 V 1295/10, nachgewiesen bei juris; Dißars, Neue Entwicklungen beim Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, NWB 2012, 796, 799; Dißars, Anwendung des Verzögerungsgelds in der Praxis – Der Fragen-Antworten-Katalog des BMF, Stbg 2012, 433, 436; Gebhardt, AdV im Falle fehlerhaften Ermessens bei Verzögerungsgeld, AO-StB 2010, 332, 333; Haubner, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO in der Außenprüfung, StBP 2012, 314, 316; Loose, Ermessenserwägungen bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO, jurisPR-SteuerR 26/2102; vgl. tom Suden, § 146 Abs. 2a und Abs. 2b AO: Das trojanische Pferd im Steuerrecht, Stbg 2009, 207, 209; Finanzministerium Schleswig-Holstein VI 328-S 0316-032 vom 26. Oktober 2010, StEK AO 1977 § 146 Nr. 14), müssen dieselben Merkmale wie bei der Ausübung des Auswahlermessens bereits bei derjenigen des Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266; Märtens in Beermann/Gosch, AO, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 81 und 82; Dißars in Schwarz, AO, 153. Lfg. April 2013, § 146, Rz. 49; vgl. Neumann, Das Verzögerungsgeld als Pendant zum Verspätungszuschlag in der Außenprüfung, DStR 2013, 1213, 1215; FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23. Oktober 2012 5 V 5284/12, EFG 2013, 96; FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; FG Hamburg Beschluss vom 16. November 2011 2 V 173/11, EFG 2012, 382; Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss vom 21. November 2011 1 V 896/11, nachgewiesen bei juris; Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167).

73

Maßstab der Betätigung des Entschließungsermessens durch das FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500,- €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs.1 AO) – unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft – grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt (Dißars, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO – ein neues Sanktionsinstrument der Finanzverwaltung, Stbg 2010, 247, 249; Dißars, Neue Entwicklungen beim Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, NWB 2012, 796, 798; Kuhfus in Kühn / von Wedelstädt, AO, 20. Aufl. 2011, § 146, Rz. 14g; Matthes, EFG 2011, 1950, 1951; vgl. Drüen, Aktuelle Fragen und Antworten zu Verzögerungsgeldern beim Steuervollzug, Ubg 2011, 83, 87; Gosch, Verzögerungsgeld, Strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Ermessensausübung nach Grund und Höhe, HaufeIndex 3586696; Rätke, Erste Tendenzen beim Verzögerungsgeld, BBK 2012, 904, 906; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.). AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167; Geißler, Verzögerungsgeld bei Verletzung von Mitwirkungspflichten, NWB 2009, 4076, 4080; Haubner, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO in der Betriebsprüfung Anwendbarkeit, Voraussetzungen, Rechtsfolgen, Rechtsschutzmöglichkeiten, AO-StB 2010, 1987, 1990; unklar Luft, Das Verzögerungsgeld als Druckmittel eigener Art in der praktischen Anwendung, SteuK 2010, 364, 367); erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (vgl. Rätke in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 146, Rz. 30; Dißars in Schwarz, AO, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 30; Drüen, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 83, 87, 88; Hopp/Bruns, Aktuelle Entwicklungen beim Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO, DStR 2012, 1485, 1487; FG Schleswig-Holstein Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264; Beschluss vom 03. Februar 2010 3 V 243/09, EFG 2010, 686; FG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 23. Februar 2012 3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; vom 23. Oktober 2012 5 V 5284/12, EFG 2013, 96; FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; FG Hamburg Beschluss vom 16. November 2011 2 V 173/11, EFG 2012, 382; Hessisches FG Beschluss vom 08. August 2011 8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; a.A. BMF-Schreiben vom 28. September 2011 Referat IV A 4, Fragen und Antworten zum Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Ziffer 6; Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167 und 196; Geißler, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 4076, 4080).

74

cc) Das FA hat die Festsetzung eines Verzögerungsgelds, dessen Zweck nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 2009 vom 02. September 2008, BTDrucks 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (Haubner, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO in der Betriebsprüfung Anwendbarkeit, Voraussetzungen, Rechtsfolgen, Rechtschutzmöglichkeiten, AO-StB 2010, 187; vgl. Rätke in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 146, Rz. 25, m.w.N.; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.). AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167; einschränkend Gebhardt, Verzögerungsgeld bei Außenprüfungen? – Nicht in jedem Fall!, AO-StB 2010, 222; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, AO, 132. Lfg. Mai 2013, § 146, Rz. 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen (BMF-Schreiben vom 28. September 2011 Referat IV A 4, Fragen und Antworten zum Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Ziffer 16) und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266).

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dd) Diesen Erfordernisse genügt die Betätigung des Ermessens durch den Beklagten im Bescheid vom 01. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung nicht:

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(1) Wie der Beklagte im Bescheid vom 01. Oktober 2010 selbst in Abweichung vom Bescheid vom 01. Juni 2010 und der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 erstmals ausführt, sind auch bei der Betätigung des Entschließungsermessens Verschuldensaspekte mangels dessen Vorprägung zu berücksichtigen (Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Oktober 2012 5 V 5284/12, EFG 2013, 96; FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264, Schleswig-Holsteinisches FG Beschluss vom 03. Februar 2010 3 V 243/09, EFG 2010, 686; Rätke in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 146, Rz. 30; Haubner, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO in der Außenprüfung, StBP 2012, 314, 316; Luft, Das Verzögerungsgeld als Druckmittel eigener Art in der Betriebsprüfung, SteuK 2010, 364, 365; Plewka, Die Entwicklung des Steuerrechts, NJW 2011, 2562, 2563; vgl. Märtens in Beermann/Gosch, AO, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 81; Neumann, Das Verzögerungsgeld als Pendant zum Verspätungszuschlag in der Außenprüfung, DStR 2013, 1213; Weimann, Verzögerungsgeld (§ 146 Abs. 2b AO) als neues Druckmittel der Finanzverwaltung?, UStB 2010, 256, 257; Rätke, Erste Tendenzen beim Verzögerungsgeld, BBK 2012, 904, 906; vgl. auch Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Februar 2012 3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162 und 196; Geißler, Verzögerungsgeld bei Verletzung von Mitwirkungspflichten, NWB 2009, 4076, 4081), woran es im hier für die Prüfung des Bescheids vom 01. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, demjenigen der Einspruchsentscheidung, fehlte.

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(2) Für die Gewichtung des Verschuldens ist die Dauer der durch die Nichtvorlage der Buchführungsunterlagen eingetretenen Verzögerung der Außenprüfung mitentscheidend (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264), wie der Beklagte zutreffend, freilich wiederum erstmals im Bescheid vom 01. Oktober 2010 erkannt hat.

78

(3) Im Rahmen der Betätigung des Entschließungsermessens ist der Mindestbetrag des Verzögerungsgelds jedenfalls ins Verhältnis zur individuellen Dauer der Überschreitung der von der Finanzbehörde gesetzten Frist, den Gründen der Überschreitung und dem Verschulden des Inhaltsadressaten der Festsetzung des Verzögerungsgelds an diesen Gründen zu setzen. Der Beklagte mag dies im Bescheid vom 01. Oktober 2010 getan haben, hat es jedoch bis einschließlich zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung versäumt.

79

(4) Ferner hätte sich der Beklagte mit der Frage befassen müssen, aus welchen Gründen und in welchem Umfang die Vorlage der Buchführungsunterlagen nach der Einreichung der Daten-CD noch vor dem Hintergrund des Umfangs des Vorlageverlangens erforderlich war (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264).

80

(5) Es kann somit dahinstehen, ob der Bescheid vom 01. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 die Klägerin auch unter weiteren Gesichtspunkten in ihren Rechten verletzt.

81

III. Da die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, die Ermessensentscheidung des FA in den aufgezeigten Grenzen zu überprüfen und dem Senat hiernach auch nicht die Befugnis zusteht, sein eigenes Ermessen an die Stelle der Verwaltungsbehörde zu setzen (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.), sind die Bescheide vom 01. Juni und 01. Oktober 2010 sowie die Einspruchsentscheidung unabhängig davon aufzuheben, ob im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung die Festsetzung eines Verzögerungsgelds hätte gerechtfertigt sein können.

82

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

83

E. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 , 711 Satz 1 der Zivilprozessordung (ZPO).

84

F Die Revision ist zuzulassen.

85

Die Frage, ob im Falle einer Änderung einer Festsetzung eines Verzögerungsgelds lediglich der den bei dessen erstmaligen Festsetzung verwirklichte oder aber der auf den im Zeitpunkt der jüngsten Verwaltungsentscheidung verwirklichte Sachverhalt Gegenstand des behördlichen Ermessens sein müsse, ist von grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

86

G. Weder A. noch B., die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer, sind notwendig beizuladen. Eine notwendige Beiladung setzt voraus, dass an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, verändert oder zum Erlöschen bringt. Ein solches Verhältnis der gegenseitigen Abhängigkeit liegt im Hinblick auf das gegenüber der Personengesellschaft festgesetzte Verzögerungsgeld und die abgabenrechtliche Behandlung der Gesellschafter andererseits nicht vor.

87

H. Der Streitwert ist nicht durch das Gericht festzusetzen. Die Ermittlung und die Festsetzung des Streitwerts sind im Regelfall unselbständiger Teil des Kostenansatzverfahrens bzw. -festsetzungsverfahrens und obliegen daher in erster Linie dem Kostenbeamten (vgl. Ratschow in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, vor § 135 Rz. 111). Einem Antrag auf gerichtliche Festsetzung des Streitwerts fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich wie im Streitfall die Höhe des Streitwerts eindeutig aus den gestellten Sachanträgen sowie aus den von der Rechtsprechung zur Bemessung des Streitwerts in gleichartigen Fällen entwickelten Grundsätzen ermitteln lässt (BFH-Beschluss vom 07. März 2012 V B 131/11, BFH/NV 2012, 1154).

88

I. Eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren bildet keinen Bestandteil eines Urteils.

89

J. Eine Kostenfestsetzung hat außerhalb des Urteils zu erfolgen.


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