Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 42/15

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Zinsen und Erstattung von Verfahrenskosten.

2

Der Rechtsstreit hat folgende Vorgeschichte: Mit Ausfuhranmeldung Nr. DE ... vom 19.11.1999 wurde beim Hauptzollamt (HZA) A, Zollamt B, gefrorenes Rindfleisch zur Ausfuhr nach Russland angemeldet. Im Feld 2 war als "Versender/Ausführer" die "C" aus D eingetragen. Inhaberin der Ausfuhrlizenz, auf der die ausgeführte Ware abgeschrieben wurde, war jedoch nicht dieses Unternehmen, sondern die Klägerin, die auch in Feld 14 als "Anmelder/Vertreter" eingetragen war. Die Ware wurde ordnungsgemäß ausgeführt.

3

Den Antrag auf Zahlung von Ausfuhrerstattung vom 29.12.1999 übersandte der Beklagte mit Schreiben vom 22.05.2000 der Klägerin zurück und verwies darauf, dass eine nachträgliche Änderung der Angaben im Feld 2 der Ausfuhranmeldung gemäß Art. 65 ZK nicht zulässig sei. Mit Schreiben vom 31.05.2000 vertrat die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Auffassung, dass Art. 65 ZK Korrekturen bei offensichtlichen Schreib- oder Übertragungsfehlern nicht ausschließe.

4

Mit Bescheid vom 28.06.2000 lehnte der Beklagte die beantragte Ausfuhrerstattung ab, weil im Feld 2 als Ausführer nicht die Klägerin als Inhaberin der Ausfuhrlizenz eingetragen gewesen sei. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren verpflichtete das FG Hamburg mit Urteil vom 24.02.2004 (IV 137/01) den Beklagten zur Gewährung der Ausfuhrerstattung. Die Eintragung im Feld 2 der Ausfuhranmeldung könne gemäß Art. 65 ZK dahingehend ausgelegt werden, dass Ausführer die Klägerin und nicht die dort eingetragene Firma C sei. Der Bundesfinanzhof hob diese Entscheidung jedoch mit Urteil vom 12.12.2006 (VII R 6/05) auf und wies die Klage ab, weil die Eintragung im Feld 2 einer Auslegung nicht zugänglich sei.

5

Nachdem der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 12.07.2012 (verb. Rs. C-608/10, C-10/11 und C-23/11) entschieden hatte, dass die für die Zahlung der Ausfuhrerstattung zuständigen Behörden bei fehlerhaft ausgefüllten Ausfuhrdokumenten an eine von der Ausfuhrzollstelle vorgenommene, nachträgliche Berichtigung der Eintragungen gemäß Art. 78 ZK gebunden seien, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 19.05.2014 beim HZA A eine Korrektur der Eintragung in Feld 2 der Ausfuhranmeldung vom 19.11.1999. Daraufhin änderte das HZA A mit Bescheid vom 16.06.2014 die Eintragung in Feld 2 der Ausfuhranmeldung dahingehend, dass dort nunmehr die Klägerin genannt ist.

6

Daraufhin nahm der Beklagte das Verfahren auf Auszahlung der Ausfuhrerstattung wieder auf und gewährte mit Bescheid vom 02.10.2014 die mit Schreiben vom 29.12.1999 beantragte Ausfuhrerstattung in Höhe von 19.245,94 €, die der Klägerin am 13.10.2014 gutgeschrieben wurde.

7

Mit Schreiben vom 16.10.2014 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten 24.533,25 € für die Durchführung des Ausfuhrerstattungsverfahrens geltend. Sie begehre Zinsen auf den Erstattungsbetrag ab Rechtshängigkeit der Klage vor dem FG Hamburg zum Aktenzeichen IV 137/01 bis zum Zeitpunkt der Auszahlung des Betrags am 13.10.2014. Insoweit berufe sie sich auf § 14 Abs. 2 MOG i. V. m. § 236 AO. Darüber hinaus habe sie einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens IV 137/01 nebst der des Revisionsverfahrens in Höhe von insgesamt 9.040,27 €.

8

Mit Bescheid vom 03.12.2014 lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenerstattung ab. Kostenerstattung nebst Zinsen könnten nur aufgrund gesetzlicher Grundlage gewährt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gebe es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz auf Verzinsung rückständiger Staatsleistungen. Einen Kostenanspruch gemäß § 103 ff. ZPO habe die Klägerin nicht, weil das Urteil des FG Hamburg in der Sache IV 137/01 aufgehoben worden sei. Im Übrigen sei der Grund für die Auszahlung der Ausfuhrerstattung erst durch den Bescheid des HZA A vom 16.06.2014, mit dem die Ausfuhranmeldung berichtigt worden sei, geschaffen worden. Erst in diesem Zeitpunkt hätten die Erstattungsvoraussetzungen vorgelegen. Auch der Europäische Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 12.07.2012 (Rn. 44) festgestellt, dass der Inhaber der Ausfuhrlizenz grundsätzlich nur dann Anspruch auf Ausfuhrerstattung habe, wenn er im Feld 2 der Ausfuhranmeldung eingetragen sei. Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sei daher keine Rechtsänderung eingetreten.

9

Den hiergegen mit Schreiben vom 08.12.2014 eingelegten Einspruch begründete die Klägerin mit Schreiben vom 10.12.2014. Bereits das FG Hamburg habe entschieden, dass es dem Ausführer in bestimmten Fällen erlaubt sein müsse, eine Korrektur der Ausfuhranmeldung durchzuführen. Der Bundesfinanzhof habe - wie sich später herausgestellt habe - zu Unrecht die Entscheidung des FG Hamburg aufgehoben. Daher sei der Beklagte verpflichtet, ihr durch die Prozessführung entstandenen Kosten zu erstatten. Das Versagen der Korrekturmöglichkeit stelle einen Verstoß gegen EU-Recht dar und sei letztlich die Ursache für den eingetretenen Schaden. Dies ergebe sich aus einem Folgebeseitigungsanspruch (§ 100 FGO, § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO), weil der Beklagte zu Unrecht eine Korrekturmöglichkeit zu Gunsten der Einspruchsführerin abgelehnt habe.

10

Mit Schreiben vom 17.12.2014 teilte der Beklagte mit, dass er weiterhin keine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren sehe. Er werte das Vorbringen auch als Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen.

11

Mit Einspruchsentscheidung vom 09.02.2015 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Ein Kostenerstattungsanspruch gemäß §§ 103 ff. ZPO scheide aus, weil es keine Kostengrundentscheidung gebe. Der Bundesfinanzhof habe nämlich mit Urteil vom 12.12.2006 das zu Gunsten der Klägerin ergangene Urteil des erkennenden Senates aufgehoben. Der Europäische Gerichtshof habe in seinen Entscheidungen vom 12.07.2012 in Rn. 44 festgestellt, dass Anspruch auf Ausfuhrerstattung nur haben könne, wer in Feld 2 eingetragen sei. Damit habe er anders als das FG Hamburg entschieden, das durch Auslegung einen anderen Ausführer ermittelt habe, als im Feld 2 der Ausfuhranmeldung eingetragen gewesen sei.

12

Mit der am 09.03.2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie mache die Kosten geltend, die ihr durch die Durchführung des finanzgerichtlichen Verfahrens vor dem FG Hamburg (IV 137/01) entstanden seien, sowie den Zinsverlust. Sie stütze dies teilweise auf einen Folgenbeseitigungsanspruch und teilweise auf Prozesszinsen.

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Vom Tag der Antragsstellung bis zum Tag vor der Rechtshängigkeit der Klage IV 137/01 habe sie wegen des nicht ausgezahlten Erstattungsbetrags zusätzliche Kreditzinsen in Höhe von 2.553,12 € aufbringen müssen, weil sie ihren Kredit nicht um den ihr zustehenden Erstattungsbetrag habe zurückführen können. Ihr seien in diesem Zeitraum Kontokorrentzinsen von durchschnittlich 9 % pro Jahr berechnet worden. Für die Zeit ab Rechtshängigkeit bis zur Auszahlung des Erstattungsbetrags am 13.10.2014 mache sie Zinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat, mithin insgesamt 15.505,37 €, geltend. Die Anfechtungsklage sei zulässig, weil die ablehnende Einspruchsentscheidung anderenfalls in Rechtskraft erwachse. Hinsichtlich des Ersatzes der Kosten des gesamten Rechtsstreits vor dem FG Hamburg IV 137/01 sei die Klage als Leistungsklage zulässig. Der Beklagte habe die Korrektur der Ausfuhranmeldung nicht verweigern dürfen, weil keine Zweifel bestanden hätten, wer der Ausführer sein solle. Daher müsse er für die negativen finanziellen Folgen einstehen. Sie, die Klägerin, sei so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn der Beklagte die erforderliche Berichtigung vorgenommen hätte. Er habe die Korrektur nicht unter Hinweis auf Art. 65 ZK ablehnen dürfen. Der Europäische Gerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 12.07.2012 die Korrekturmöglichkeit der Ausfuhrerstattung ausdrücklich anerkannt. Sie müsse so gestellt werden, wie sie vor Erlass des angegriffenen Verwaltungsaktes - der Ablehnung des Erstattungsantrags vom 19.11.1999 - gestanden hätte, damit mit dem Folgenbeseitigungsanspruch die Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes verlangt werden könne. Für die Zeit ab dem 11.05.2001 - der Rechtshängigkeit der Klage IV 137/01 - habe sie einen Anspruch auf Prozesszinsen, der sich aus § 238 Abs. 1 AO i. V. m. § 291 BGB ergebe. Das OVG Lüneburg (11 LB 257/03) habe ausdrücklich Prozesszinsen in Höhe von 6 % jährlich ab Rechtshängigkeit zugesprochen. Auch das VG Saarland (3 K 46/97) habe § 291 BGB entsprechend auf einen Rückzahlungsanspruch angewandt.

14

Die Rechtsfrage der Auszahlung des Erstattungsbetrags nach Korrektur der Ausfuhranmeldung sei erkennbar nicht die entscheidende rechtliche Frage. Entscheidend sei, ob der Beklagte die Korrekturmöglichkeit habe endgültig versagen können.

15

Der Umstand, dass das Urteil des FG Hamburg vom 24.02.2004 aufgehoben worden sei, spreche nicht gegen den Zinsanspruch, denn die Entscheidung des Bundesfinanzhofs verstoße gegen Unionsrecht. Der Beklagte hätte, wenn er nicht selbst die Ausfuhranmeldung habe korrigieren wollen, den Antrag an das HZA A weiterleiten oder ihr - der Klägerin - einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen. Stattdessen habe er sich auf den Standpunkt gestellt, dass eine Korrektur nicht möglich sei.

16

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 03.12.2014 (RL ...) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.02.2015 (RL ...) zu verurteilen, 27.098,76 € an sie zu zahlen.

17

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

18

Er beruft sich auf seinen vorgerichtlichen Vortrag. Ergänzend führt er aus: Der Folgenbeseitigungsanspruch sei vorliegend nicht anwendbar und auch seine Voraussetzungen lägen nicht vor. Es sei fraglich, ob das angerufene Gericht für aus der Verwaltungsgerichtsordnung abgeleitete Ansprüche zuständig sei. In Bezug auf die begehrte Verzinsung seien gemäß § 14 Abs. 2 MOG Ansprüche auf besondere Vergünstigungen und im Rahmen von Interventionen, darunter auch die Ausfuhrerstattung, ab Rechtshändigkeiten nach Maßgabe der §§ 236, 238 f. AO zu verzinsen. Im Übrigen seien sie unverzinslich. Selbst für die Zeit ab Wiederaufgreifen des Verfahrens stünden der Klägerin keine Schadenersatz-, Erstattungs- oder Folgenbeseitigungsansprüche zu, weil § 51 VwVfG insoweit eine abschließende Regelung darstelle. Im Übrigen wäre er - der Beklagte - für die Korrektur der Ausfuhranmeldung gemäß Art. 78 ZK nicht zuständig gewesen.

19

Bei der Entscheidung hat die Sachakte des Beklagten vorgelegen. Auf den Inhalt dieser Akte wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Klage (dazu I.) hat in der Sache keinen Erfolg (dazu II.).

I.

21

Die Klage, mit der nach dem Vortrag der Klägerin vom 20.12.2016 keine Schadensersatzansprüche, sondern Zins- und Folgenbeseitigungsansprüche geltend gemacht werden, ist zulässig, insbesondere ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet.

22

Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO i. V. m. § 34 Abs. 1 Satz 1 MOG gegeben. Es handelt sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Maßnahmen zur Durchführung einer gemeinsamen Marktorganisation. Gemeinsame Marktorganisationen i. S. d. MOG sind nach § 1 Abs. 1 MOG Regelungen zur Schaffung und Durchführung der gemeinsamen Organisationen der Agrarmärkte für die in Anhang I des EG-Vertrags (EGV) oder Anhang I des Vertrags über die Arbeitsweise Europäischen Union (AEUV) aufgeführten Erzeugnisse. "Regelungen" i. S. d. MOG sind nach § 1 Abs. 2 MOG insbesondere sekundärrechtliche Rechtsakte auf der Grundlage des EGV oder des AEUV.

23

Vorliegend geht es um die Folgen einer nach Auffassung der Klägerin zu spät gewährten Ausfuhrerstattung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Abl. EG 1999 L 102/11). Diese wirtschaftlichen Folgen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bescheidung des Ausfuhrerstattungsantrags vom 29.12.1999. Daher handelt es sich bei der hier inmitten stehenden Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung von Zinsen und Rechtsverfolgungskosten hat, um eine Streitigkeit über Maßnahmen zur Durchführung einer gemeinsamen Marktorganisation. Dass die Klägerin sich auf § 113 VwGO stützt, ist unerheblich. Darin kommt nämlich nicht zum Ausdruck, dass sie den Verwaltungsrechtsweg für gegeben hält. Sie verweist vielmehr auf die nach ihrer Auffassung einschlägige Anspruchsgrundlage für den Folgenbeseitigungsanspruch.

II.

24

Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen keine Zinsansprüche zu (dazu 1.). Sie kann die geltend gemachten Zinsen und die Rechtsverfolgungskosten auch nicht auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs verlangen (dazu 2.). Sonstige Entschädigungsansprüche bestehen ebenfalls nicht (dazu 3.). Dem Europäischen Gerichtshof sind keine Vorlagefragen zu stellen (dazu 4.).

25

1. Die Klägerin hat keine Zinsansprüche.

26

1.1 Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verzinsung gemäß § 236 AO.

27

§ 236 AO ist gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz - MOG; BGBl. I 2005, 1847; 2016, 1666) anwendbar. Danach sind Ansprüche auf Vergünstigungen ab Rechtshängigkeit nach Maßgabe der §§ 236, 238 und 239 AO zu verzinsen. Die Geldleistung, deren Verzinsung die Klägerin begehrt, ist eine Vergünstigung im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 1 MOG. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a MOG, in dem Ausfuhrerstattungen unter der Überschrift des § 6 ("Vergünstigungen") ausdrücklich erwähnt sind.

28

§ 14 Abs. 2 Satz 1 MOG stellt eine Rechtsgrundverweisung auf die §§ 236, 238 und 239 AO dar, so dass die Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt sein müssen (BFH, Urt. v. 29.04.1997, VII R 91/96, juris Rn. 7). Nach § 236 Abs. 1 S. 1 AO wird, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung eine Steuervergütung gewährt wird, der zu vergütende Betrag grundsätzlich vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag verzinst.

29

Vorliegend mangelt es bereits an einer rechtskräftigen Entscheidung, mit der der Klägerin eine Steuervergütung gewährt wird. Das Urteil des FG Hamburg vom 24.02.2004 (IV 137/01), das den Beklagten zur Gewährung der hier in Rede stehenden Ausfuhrerstattung verpflichtete, wurde durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.02.2006 (VII R 6/05) gemäß § 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FGO aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Diese Entscheidung hat ex tunc-Wirkung.

30

1.2 Der Klägerin stehen auch keine anderen Zinsansprüche zu.

31

1.2.1 Andere Zinsansprüche als die nach § 236 AO sind gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 MOG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift werden Ansprüche auf Vergünstigungen nur nach § 236 AO verzinst; im Übrigen sind sie unverzinslich.

32

1.2.2 Auch unabhängig von diesem ausdrücklichen Ausschluss von Zinsansprüchen lässt sich dem Gesetz kein allgemeiner Rechtsgrundsatz auf (angemessene) Verzinsung rückständiger Staatsleistungen entnehmen. Das geltende Recht kennt nur die Verzinsung nach Maßgabe genau umschriebener Tatbestände (BFH, Urt. v. 29.04.1997, VII R 91/96, juris Rn. 8; so auch BFH, Beschl. v. 23.06.2014, VIII B 75/13, juris Rn. 15; BFH, Urt. v. 22.09.2015, VII R 32/14, juris Rn. 21). Aus diesem Grund kann sich die Klägerin auch nicht auf den von ihr angeführten § 291 BGB oder auf § 233a AO über die Verzinsung von Steuererstattungen berufen.

33

1.2.3 Die Klägerin hat auch keinen sich aus dem Unionsrecht ergebenen Zinsanspruch. Zwar hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass im Falle der Erstattung von unionsrechtswidrig erhobenen Steuern der Rückzahlungsanspruch zu verzinsen sei und zwar für den Zeitraum, in dem die Mittel nicht zur Verfügung gestanden hätten (EuGH, Urt. v. 18.04.2013, C-565/11, Irimie, Rn. 22; siehe schon EuGH, Urt. v. 19.07.2012, C-591/10, Littlewoods, Rn. 24 m. w. N.; im Anschluss hieran BFH, Urt. v. 22.09.2015, VII R 32/14, juris Rn. 23). Der Senat hält diese Rechtsprechung jedoch nicht für auf den vorliegenden Fall übertragbar, in dem es um die (behauptete) verzögerte Auszahlung einer staatlichen Begünstigung geht. Anders als bei Erstattungsansprüchen wegen diskriminierender Steuern, die Gegenstand des Falles Irimie waren, kann man bei einer Ausfuhrerstattung, die eine staatlich bzw. supranational gewährte Subvention darstellt, nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass das Unionsrecht ein subjektives Recht auf Verzinsung einer verspätet gezahlten Leistung kennt. Es ist vielmehr im Grundsatz davon auszugehen, dass das einschlägige Fachrecht eine abschließende Regelung über den Umfang der gewährten Begünstigungen enthält. Eine derartige Verzinsungspflicht findet sich weder in der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. EG 1999 L 160/21) noch in der Verordnung (EG) Nr. 800/99.

34

Auch aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 24.10.2013 (Rs. C-431/12 - SC Rafinaria Steaua Româna SA) ergibt sich keine Verzinsungspflicht. Die dort entwickelte Anspruchsgrundlage für die Verzinsung von zu spät erstatteter Steuerbeträge ergibt sich aus dem Grundsatz der Neutralität des Mehrwertsteuersystems (Rn. 23 des Urteils). Diese Erwägungen sind auf den vorliegenden Fall, in dem es um die Gewährung einer staatlichen Beihilfe geht, nicht anzuwenden.

35

2. Die Klägerin kann Zinsen oder den Ersatz von Verfahrenskosten nicht auf der Grundlage des gewohnheitsrechtlich anerkannten Folgenbeseitigungsanspruchs verlangen.

36

Ein Folgenbeseitigungsanspruch setzt voraus, dass durch hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde, der noch andauert (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 30 Rn. 7; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 373, jeweils m. w. N.; siehe auch BVerwG, Urt. v. 26.10.1967, II C 22.65, juris Rn. 2). Er richtet sich nur auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustandes; er kann jedoch mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht zu einem darüber hinausgehenden Erfolg führen (BVerwG, Urt. v. 26.10.1967, II C 22.65, juris Rn. 2).

37

2.1 Es liegt schon kein hoheitlicher Eingriff vor. Die von der Klägerin behauptete um Jahre verspätete Gewährung der Ausfuhrerstattung stellt ein Unterlassen dar, die Ausfuhrerstattung bereits im Jahr 2000 auszuzahlen. Ein solches Unterlassen kann einen Restitutionsanspruch nicht begründen, weil der Anspruch auf Wiederherstellung eines Zustandes gerichtet wäre, den der Betroffene vor dem Unterlassen, dessen Rechtswidrigkeit gerügt wird, nicht innehatte (Ossenbühl/Cornils, a. a. O., S. 378; Maurer, a. a. O., Rn. 9). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19.07.1984 (3 C 81/82, juris Rn. 33) auch das Unterlassen als anspruchsbegründendes Verhalten der Exekutive benannt. Es handelt sich hierbei jedoch um ein obiter dictum, das in der Folge nicht mehr aufgegriffen wurde. Die Anknüpfung an ein Unterlassen wäre auch systemfremd. Da der Folgenbeseitigungsanspruch auf Restitution gerichtet ist, knüpft er zwingend an Unterlassungspflichten des Staates, nicht an dessen Pflicht zum (rechtzeitigen) Handeln an (siehe Ossenbühl/Cornils, a. a. O., S. 378).

38

2.2 Darüber hinaus war die Verweigerung der Ausfuhrerstattung bis zu ihrer Gewährung durch Bescheid vom 02.10.2014 nicht rechtswidrig. Sie war nämlich gedeckt durch den bestandskräftigen Bescheid vom 28.06.2000, mit dem die beantragte Ausfuhrerstattung zunächst abgelehnt wurde. Darüber hinaus steht einem Anspruch auf Erstattung der Verfahrenskosten entgegen, dass nach dem rechtskräftigen Tenor des Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.12.2006 (VII R 6/05) die Klägerin selbst die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

39

2.3 Selbst wenn die Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs erfüllt wären, würde hieraus für die Klägerin kein Anspruch auf die begehrten Zinsen und die Erstattung der Verfahrenskosten erwachsen. Wie sich bereits aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt (BVerwG, Urt. v. 12.06.1979, II C 19.75, juris Rn. 24), ist der - ein Verschulden der Behörde nicht voraussetzende - Folgenbeseitigungsanspruch nur auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustandes gerichtet, Er kann jedoch mangels gesetzlicher Vorschriften nicht zu einem darüber hinausgehenden Erfolg führen, insbesondere auch nicht zu einem Ausgleich für die Schäden, die durch unrichtiges Verwaltungshandeln entstanden sind. Der Anspruch ist damit nicht auf Naturalrestitution im Sinne von § 249 S. 1 BGB, also dem Zustand der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, gerichtet (Ossenbühl/Cornils, a. a. O., S. 368).

40

Vorliegend liegt das von der Klägerin behauptete schädigende Ereignis im Unterlassen der Berichtigung der Ausfuhranmeldung. Da vor diesem Verhalten die Klägerin keinen Anspruch auf Ausfuhrerstattung hatte - ein solcher sollte durch die Berichtigung der Ausfuhranmeldung gerade begründet werden -, kann ein Folgenbeseitigungsanspruch nicht auf Bewilligung der Ausfuhrerstattung und noch weniger auf die mittelbaren Folgen der verspäteten Gewährung dieser Beihilfe gerichtet sein.

41

3. Soweit in der Literatur vertreten wird, dass bei einer positiven Sachentscheidung nach Wiederaufnahme des Verfahrens - neben dem Drittbetroffenen - auch der Antragsteller einen Entschädigungsanspruch gemäß § 48 Abs. 3, 49 Abs. 5 - gemeint ist wohl Abs. 6 - VwVfG analog habe (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 51 Rn. 55), folgt der Senat dem nicht. Die §§ 48 Abs. 3, 49 Abs. 6 VwVfG sind Vorschriften, die das schutzwürdige Vertrauen eines an einer Verwaltungsentscheidung nicht beteiligten Dritten sichern. Eine vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor. Die Klägerin hat gerade nicht in den Bestand einer Entscheidung vertraut, sondern im Gegenteil - aus ihrer Sicht - zu lange auf eine für sie günstige Verwaltungsentscheidung gewartet. Es fehlt damit an einem Anknüpfungspunkt, um über eine eventuelle Schutzwürdigkeit der Klägerin entscheiden zu können.

42

4. Schließlich ist der Anregung der Klägerin aus ihrem Schriftsatz vom 19.01.2017, dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, nicht nachzugehen. Die erste Vorlagefrage (Ziff. 4.1) benennt schon keine Rechtsnorm, die ausgelegt werden soll. Die übrigen beiden Vorlagefragen (Ziff. 4.2. und 4.3) befassten sich mit Art. 78 Abs. 1 und Abs. 3 ZK. Die Auslegung dieser Vorschrift ist offensichtlich für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich. Da es sich hierbei um eine zollrechtliche Norm handelt, kann sie nicht Anspruchsgrundlage für ein ausfuhrerstattungsrechtliches Begehren sein.

III.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Nach § 34 Abs. 1 S. 4 MGO findet § 139 Abs. 2 FGO in marktordnungsrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

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