Urteil vom Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Senat) - 3 K 369/17
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 4.256,00 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die am 18.September 2015 verstorbene Erblasserin, Frau A, war u. a. Eigentümerin der im Grundbuch von B, Gemarkung C, verzeichneten Grundstücke ... Diese wurden teilweise als Ackerland genutzt. Das Flurstück … ist mit Ruinen, die Flurstücke … sind mit Schuppen bzw. Ställen und die Flurstücke … sind mit Einfamilienhäusern bebaut.
- 2
Der Kläger ist der Alleinerbe der Erblasserin (Erbschein des AG D vom 17. November 2015 Az.: …). Mit Kaufvertrag vom 17. Februar 2016 (UR-Nr. … der Notarin E) veräußerte er sämtliche Grundstücke zu einem Kaufpreis i. H. v. 292.000,00 €.
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Das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt D forderte den Beklagten auf, die Grundbesitzwerte zum Todestag für Zwecke der Erbschaftsteuer festzustellen. Eine Erklärung zur Feststellung des Bedarfswertes gab der Kläger nicht ab.
- 4
Mit Bescheiden über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 18. September 2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 15. Juni 2016 stellte der Beklagte die Grundbesitzwerte für die Flächen, Grundbuch von B, Gemarkung C, verzeichneten Grundstücke … mit einer Gesamtfläche von 7.747 m² i. H. v. insgesamt 95.870,00 € fest. Die Bescheide wurden nach Aktenlage nicht angefochten.
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Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 18. September 2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 20. Juli 2016 stellte der Beklagte einen Grundbesitzwert für die landwirtschaftlich genutzten Flächen, Grundbuch von B, Gemarkung C, verzeichneten Grundstücke Flur … mit einer Gesamtfläche von 173.617 m² i. H. v. 238.668,00 € fest. Dabei behandelte der Beklagte, da die Nutzungsüberlassung am Bewertungsstichtag weniger als 15 Jahre betrug, die Grundstücke als land- und forstwirtschaftliches Vermögen und legte den vom Gutachterausschuss zuletzt festgelegten Bodenrichtwert zugrunde. Von diesem Wert nahm er einen Abschlag von 10 % für Liquidationskosten vor.
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Dagegen legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass für die Höhe des festzustellenden Grundbesitzwertes auf den erzielten Verkaufspreis abzustellen sei. Bei den streitbefangenen Flächen handele es sich um landwirtschaftliches Vermögen gemäß § 158 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG), nicht jedoch um einen landwirtschaftlichen Betrieb. Daher sei nach § 164 Abs. 2 BewG die Mindestbewertung durchzuführen. Der Mindestwert könne nicht über dem im Kaufvertrag vom 17. Februar 2016 vereinbarten Kaufpreis liegen. Unter Berücksichtigung der auf die übrigen Grundstücke entfallenden Kaufpreisanteile ergebe sich für die streitbefangenen Grundstücke ein anteiliger Kaufpreis i. H. v. 180.304,00 €. Dies ergibt für die insgesamt veräußerte Fläche von 173.617 m² einen durchschnittlichen Kaufpreis von 1,04 € je m². Der Beklagte gehe zu Unrecht von einem durchschnittlichen Kaufpreis von 1,38 € je m² aus.
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Den Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23. August 2017 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Wertfeststellung im Streitfall unabhängig von dem im Grundstückskaufvertrag vom 17. Februar 2016 erfolge. Die streitbefangenen Grundstücke seien auch nicht als sog. Stückländereien i. S. d. § 160 Abs. 7 BewG zu qualifizieren, da sie zum Bewertungsstichtag nicht mindestens 15 Jahre an einen anderen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft verpachtet worden seien.
- 8
Im Streitfall sei dem Beklagten vor der erstmaligen Feststellung des Grundbesitzwertes nach § 151 Abs.1 Nr. 1 BewG bekannt gewesen, dass die Voraussetzung zur Anwendung des Liquidationswertes gemäß § 162 Abs. 3 und 4 BewG vorliegen. Denn die streitbefangenen Flächen seien innerhalb eines Zeitraumes von 15 Jahren nach dem Bewertungsstichtag veräußert worden. Der Grund und Boden sei deshalb nach § 158 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BewG mit den zuletzt vor dem Bewertungsstichtag ermittelten Bodenrichtwerten anzusetzen. Dies sei im Streitfall erfolgt.
- 9
Dagegen richtet sich die am 21. September 2017 erhobene Klage. Der Kläger ist unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 30. Januar 2019 (II R 9/16, BFHE 263, 267, BStBl II 2019, 599) der Auffassung, dass der Beklagte § 166 BewG verfassungskonform auslegen müsse. Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes müsse im Streitfall möglich sein. Der Gesetzgeber habe nicht bedacht, dass es auch bei der Bewertung des Grundbesitzes mit den Bodenrichtwerten zu unbilligen Ergebnissen kommen könne. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes sei durch den zeitnahen Verkauf erbracht.
- 10
Unter Berücksichtigung des in dem Grundstückskaufvertrag vom 17. Februar 2016 vereinbarten Gesamtkaufpreis ergebe sich für die streitbefangenen Grundstücke ein Teilkaufpreis i. H. v. 196.130,00 €. Dieser liege somit um 69.057,00 € entsprechend 38,30 % niedriger als der vom Beklagten zugrunde gelegte Bodenrichtwert von 249.361,00 €. Der angenommene Grundbesitzwert betrage das 1,38-fache des gemeinen Wertes und sei daher nach den Grundsätzen des zitierten BFH-Urteils nicht anzuwenden.
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Der Kläger beantragt,
abweichend von dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 18. September 2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 20. Juli 2016 und der Einspruchsentscheidung vom 28. August 2017 den Grundbesitzwert i. H. v. 196.100,00 € festzustellen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
- 13
Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass auch das BFH-Urteil in BFHE 263, 267, BStBl II 2019, 599 der Klage nicht zum Erfolg verhelfe. Der vom Beklagten festgestellte Grundbesitzwert betrage 238.688,00 €, damit belaufe sich die Differenz zum Verkehrswert nur auf 42.588,00 €. Der Grundbesitzwert betrage nur das 1,217-fache des Verkehrswertes und könne nach den Grundsätzen des vorgenannten Urteils daher angesetzt werden.
- 14
Dem Gericht lagen vier Bände Grundbesitzwertakten des Beklagten vor.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Absatz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
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Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat den Grundbesitzwert in der zutreffenden Höhe festgestellt.
- 17
Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sind die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 158 bis 175 BewG zu ermitteln (§ 157 Abs. 2 BewG). Gemäß § 158 Abs. 2 Satz 1 BewG ist die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Zu den Wirtschaftsgütern, die der wirtschaftlichen Einheit „Betrieb der Land- und Forstwirtschaft“ zu dienen bestimmt sind, gehört insbesondere der Grund und Boden (§ 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BewG). Dieser beinhaltet alle land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen, die nicht ausnahmsweise als Grundvermögen zu erfassen sind.
- 18
Wird ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nach dem Bewertungsstichtag veräußert, erfolgt die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit mit dem Liquidationswert nach § 166 BewG (§ 162 Abs. 3 Satz 1 BewG). Gleiches gilt für die Bewertung einzelner wesentlicher Wirtschaftsgüter, sofern diese dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nicht mehr auf Dauer zu dienen bestimmt sind (§ 162 Abs. 4 Satz 1 BewG); wesentliche Wirtschaftsgüter in diesem Sinn sind u. a. der Grund und Boden nach § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BewG. Dies gilt nicht, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten ausschließlich im betrieblichen Interesse verwendet wird (§ 162 Abs. 4 Satz 2 BewG).
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Bei der Ermittlung des Liquidationswertes nach § 166 Abs. 1 BewG ist der Grund und Boden i. S. d. § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BewG mit den zuletzt vor dem Bewertungsstichtag ermittelten Bodenrichtwerten zu bewerten (§ 166 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BewG). Zur Berücksichtigung der Liquidationskosten ist der ermittelte Bodenwert um 10 % zu mindern (§ 166 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 BewG).
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Im Streitfall hat der Kläger den Grund und Boden ca. sechs Monate nach dem Bewertungsstichtag veräußert und den Veräußerungserlös nicht wieder in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb investiert. Die Grundstücke sind daher grundsätzlich mit dem Liquidationswert zu bewerten. Dieser beträgt wie vom Beklagten festgestellt 238.668,00 €.
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Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der kurze Zeit nach dem Erbanfall veräußerten land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen wesentlich niedriger ist als der nach § 166 BewG ermittelte Liquidationswert, kann der niedrigere gemeine Wert nach § 9 Abs. 2 BewG als Grundbesitzwert für Zwecke der Erbschaftsteuer festgestellt werden.
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Um einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Übermaßverbot zu verhindern, ist der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts bei verfassungskonformer Auslegung auch dann geboten, wenn er nach dem Wortlaut des BewG nicht vorgesehen ist. Das Übermaßverbot ist nur verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Bewertung extrem über das normale Maß hinausgehen. Dies erfordert den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes, der den festgestellten Grundstückswert so erheblich unterschreitet, dass sich der festgestellte Grundstückswert als extrem über das normale Maß hinausgehend erweist. Während der BFH in dem Urteil vom 11. Dezember 2013 (II R 22/11, BFH/NV 2014, 1086) eine Bewertungsdifferenz von 10 % als Folge der typisierenden Bewertungsmethode aufgrund der mit der Wertschätzung verbundenen Ungenauigkeit als hinnehmbar qualifiziert hat, hat er in dem Urteil in BFHE 263, 267, BStBl II 2019, 599 eine Bewertungsdifferenz von 40 % als nicht mehr hinnehmbar qualifiziert.
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Der Kläger hat einen niedrigeren gemeinen Wert i. H. v. 196.130,00 € nachgewiesen, der zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Anhaltspunkte dafür, dass der vom Kläger erzielte Kaufpreis nicht nach den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr geltenden Grundsätzen der Preisbildung durch Angebot und Nachfrage zustande gekommen ist, wurden weder vorgetragen noch sind diese ersichtlich. Der Bodenrichtwert übersteigt den vereinbarten Kaufpreis somit nur um das 1,217-fache bzw. 21,7 % und damit nicht wesentlich, so dass er der Bewertung zugrunde zu legen ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.
- 26
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
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