Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 8 Sa 1080/14
Tenor
1.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.08.2014 - Az. 1 Ca 2893/14 - teilweise abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte mit dem erstinstanzlichen Urteilsausspruch zu c) zu einer Zahlung von mehr als 140,15 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.08.2014 verurteilt worden ist.
2.Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3.Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4.Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über die Zahlung von Zulagen.
3Die Beklagte erbringt an mehreren Flughäfen im Bundesgebiet Reinigungsdienstleistungen im Auftrag von Fluggesellschaften. Sie stellte den heute 57 Jahre alten Kläger (verheiratet, 2 Kinder) zum 01.11.2007 als (Flugzeug-) Innenreiniger ein. Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien, wegen dessen weiterer Einzelheiten auf Blatt 102 f. der Akte verwiesen wird, sind die jeweils aktuellen Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk Bestandteil des Vertrages. Unter Ziffer 8 auf der Rückseite des Arbeitsvertrages heißt es wie folgt:
4"8. Übertarifliches Entgelt
5Der übertarifliche Bestandteil der Entlohnung ist eine freiwillige Leistung der Firma und begründet keinen Anspruch für die Zukunft. Das gilt auch bei mehrmaliger vorbehaltsloser Gewährung. Er kann vom Arbeitgeber jederzeit widerrufen werden. Er kann auch auf den Tariflohn angerechnet werden, wenn sich dieser infolge von Tariferhöhungen oder infolge einer Umstufung des Arbeitnehmers erhöht. Im Übrigen sind übertarifliche Zulagen schriftlich zu vereinbaren."
6Die Mitarbeiter der Beklagten sind im Schichtdienst tätig. Sie reinigen Flugzeuge in Teams von drei bis vier Mitarbeitern, die von einem Vorarbeiter oder stellvertretenden Vorarbeiter geleitet werden. Eine der Aufgaben des Vorarbeiters, wegen dessen weiteren Tätigkeitsspektrums auf die Stellenbeschreibung vom 03.03.2011 (Blatt 40 der Akte) verwiesen wird, ist der Transport des Teams und der Reinigungsmittel zu den auf dem Vorfeld stehenden Flugzeugen. Dazu bedarf es des Erwerbs eines Vorfeldführerscheins. Wegen einer Knappheit an über diesen Führerschein verfügenden Fahrpersonals führte die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat im Jahre 2008 Verhandlungen. Die Beklagte teilte dem Betriebsrat in einem Schreiben vom 03.09.2008 mit, dass beabsichtigt sei, ab dem 01.09.2008 für die Mitglieder des Reinigungsteams, die ein Fahrzeug führen, eine AT-Zulage von 0,25 € brutto für die Fahrerfunktion zu zahlen. Diese Regelung solle sowohl für die Vorarbeiter als auch für die Reiniger gelten, die als Fahrer eingesetzt würden. In diesem Sinne einigten sich die Betriebsparteien in einer Jour-fix-Sitzung am 11.09.2008 auf die Gewährung einer "Fahrerzulage". Im Sitzungsprotokoll heißt es dazu:
7Nr. | Besprechungspunkt | Zu erledigen durch | Termin |
3 | Fahrerzulage | ||
Fahrer von Reinigungsteams erhalten ab 01.09.2008 eine AT-Zulage von 0,25 €/Std. als Fahrerzulage. Dies betrifft alle Mitarbeiter der WAS, die über einen Vorgeldführerschein verfügen und als Teamfahrer eingesetzt werden. Wer länger als 2 Monate nicht als Teamfahrer eingesetzt wird, verliert den Anspruch auf die Zulage. | Herr G. Herr M. | 30.09.08 |
Der Kläger, der im Besitz des Vorfeldführerscheins ist, erhielt in der Folge neben den ihm zustehenden Tariflohn durchgehend die Fahrerzulage. Mit Schreiben vom 02.04.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde mit Wirkung zum 01.04.2013 zum "festen Vorarbeiter aufgestuft". Sein Gesamtstundenlohn von 11,01 € brutto setze sich aus dem Zeitlohn für Vorarbeiter von 10,76 € sowie der "Funktionszulage Fahrer" von 0,25 € zusammen. Die dem Kläger erteilten Lohnabrechnungen erhielten eine entsprechende Aufschlüsselung. Zum 01.01.2014 erhöhte sich der Tarifstundenlohn des Klägers (Lohngruppe 4) auf 11,13 € brutto. Die Beklagte rechnete die Fahrerzulage voll umfänglich auf die Tariflohnerhöhung an. Mit Schreiben vom 12.03.2014, 25.03.2014 und 14.08.2014 machte der Kläger die für die Monate Januar bis Juni 2014 nicht gezahlte Fahrerzulage geltend.
9Nachdem die Beklagte keine Zahlung geleistet hatte, hat der Kläger seine Ansprüche mit der vorliegenden, am 12.05.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 20.08.2014 erweiterten Klage gerichtlich geltend gemacht. Er hat gemeint, die Beklagte sei zur Anrechnung der Fahrerzulage auf die Tariflohnerhöhung nicht berechtigt gewesen. Dem stehe die aus den Verhandlungen mit dem Betriebsrat ersichtliche Zweckbindung der Zulage entgegen.
10Der Kläger hat beantragt,
111. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Januar 2014 27,81 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.03.2014 zu zahlen,
122. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Februar 2014 33,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.04.2014 zu zahlen,
133. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 141,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung zu zahlen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat die Auffassung vertreten, die Fahrerzulage sei nicht anrechnungsfest. Die Beklagte habe sie freiwillig und übertariflich gezahlt. Dafür, dass die Fahrerzulage nicht angerechnet werden könne, habe der darlegungsbelastete Kläger nichts vorgetragen. Im Übrigen habe sie die Fahrertätigkeit bereits zusätzlich entlohnt, indem sie die Fahrer grundsätzlich als Vorarbeiter eingesetzt habe.
17Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 29.08.2014 statt gegeben und die Berufung zum Landesarbeitsgericht zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Fahrerzulage ergebe sich aus § 611 BGB. Die Beklagte habe die Zulage nicht mit der Tariflohnerhöhung zum 01.01.2014 verrechnen dürfen. Die Fahrerzulage sei kein bloßer übertariflicher Gehaltsbestandteil. Es handele sich vielmehr um eine separate, an besondere Voraussetzungen wie den Einsatz als Teamfahrer geknüpfte Zulage. Es gehe um den Ausgleich besonderer Kenntnisse und Belastungen. Eine zwangsläufige Verknüpfung von Fahrertätigkeit und Vorarbeitervergütung sei indes nicht ersichtlich.
18Gegen das ihr am 24.09.2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit einem am 24.10.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.12.2014 - mit einem weiteren, am 16.12.2014 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz auch begründet.
19Die Beklagte hält die Fahrerzulage nach wie vor für eine nicht anrechnungsfeste übertarifliche Zulage. In Ziffer 8 Satz 2 der AGB des Arbeitsvertrages hätten die Parteien wirksam die generelle Anrechenbarkeit übertariflicher Zulagen vereinbart. Genau um eine solche handele es sich hier. Es gebe nämlich, so die Behauptung der Beklagten, keine Reiniger, die als Fahrer eingesetzt würden. Dies gelte einzig und alleine für Vorarbeiter und stellvertretende Vorarbeiter, zu deren wesentlichen Aufgaben Fahrtätigkeiten aber originär gehörten. Für diese stelle sich die Fahrerzulage daher als ein bloßes Mehr an Grundvergütung dar. Auf die Abreden zwischen Betriebsrat und der Beklagten könne sich der Kläger im Übrigen nicht berufen.
20Die Beklagte beantragt,
21das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.08.2014 (1 Ca 2893/14) abzuändern und die Klage abzuweisen.
22Der Kläger beantragt,
23die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
24Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter ergänzender Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Die Zahlung der Fahrerzulage habe ursprünglich eine Anreizfunktion gehabt; nach ihrer praktischen Handhabung gelte sie inzwischen auch die Bereitschaft zur Ableistung von Fahrtätigkeiten ab.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zur Akte gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
27A.
28Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist wegen der vom Arbeitsgericht ausgesprochenen Zulassung gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. a ArbGG an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG.
29B.
30Die Berufung ist jedoch nur zu einem geringen Teil begründet, ansonsten hat sie keinen Erfolg.
31I.
32Soweit der Kläger für den Monat Mai 2014 die Zahlung einer "AD Funktionszulage" von 1,02 € brutto (8,5 Stunden x 0,12 €) geltend gemacht hat, ist eine Anspruchsgrundlage hierfür nicht ersichtlich. Diese Position hat nach Grund und Höhe nichts mit der zwischen den Parteien streitigen Fahrerzulage zu tun. Woraus sich der Anspruch ansonsten ergeben soll, lässt sich dem Vortrag des darlegungsbelasteten Klägers nicht entnehmen.
33II.
34Dem Kläger steht jedoch, wie das Arbeitsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung erkannt hat, ein Anspruch auf Zahlung der "Fahrerzulage" für die Monate Januar bis Juni 2014 in Höhe von 201,52 € brutto aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zu. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Zulage mit der zum 01.01.2014 erfolgten Tariflohnerhöhung im Gebäudereiniger-Handwerk zu verrechnen. In Höhe von 0,25 € pro gearbeiteter Stunde ist der Lohnanspruch des Klägers daher nicht erfüllt worden.
351.
36Ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Vergütung angerechnet werden kann, hängt von der zugrunde liegenden Vergütungsabrede ab. Haben die Arbeitsvertragsparteien dazu eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt diese. Anderenfalls ist aus den Umständen zu ermitteln, ob eine Befugnis zur Anrechnung besteht. Die Anrechnung ist grundsätzlich möglich, sofern dem Arbeitnehmer nicht vertraglich ein selbstständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist. Allein in der tatsächlichen Zahlung liegt keine vertragliche Abrede, die Zulage solle auch nach einer Tariflohnerhöhung als selbstständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn gezahlt werden. Das gilt auch, wenn die Zulage über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos gezahlt und nicht mit Tariflohnerhöhungen verrechnet worden ist. Eine neben dem Tarifentgelt gewährte übertarifliche Zulage greift nämlich künftigen Tariflohnerhöhungen vor. Da sich durch eine Anrechnung - anders als beim Widerruf der Zulage - die Gesamtgegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung nicht verringert, ist die mit einer Anrechnung verbundene Veränderung der Zulagenhöhe oder deren Aufzehrung dem Arbeitnehmer regelmäßig zumutbar (BAG, Urteile vom 16.05.2012 - 10 AZR 180/11, juris; vom 23.09.2009 - 5 AZR 973/08, EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 50). Demgegenüber kann der Ausschluss der Anrechnungsbefugnis aus dem Zweck einer übertariflichen Zulage folgen. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die Zulage für einen vom Tariflohn nicht erfassten Zweck, zB als Erschwernis-, Leistungs-, Funktions-, Familienzulage oder aus anderen eigenständigen Gründen gewährt wird. Eine derartige einvernehmliche Zweckbestimmung beinhaltet einen konkludenten Anrechnungsausschluss, der für die in Rede stehende Zulage sogar einem generell vereinbarten Anrechnungsvorbehalt vorgehen kann (vgl. BAG, Urteil vom 19.05.2004 - 5 AZR 354/03, juris).
372.
38Nach diesen Grundsätzen, denen sich die Kammer anschließt, ist von einer Anrechnungsfestigkeit der Fahrerzulage gegenüber Tariflohnerhöhungen auszugehen.
39a.
40Ohne jeden Zweifel verfolgte die Beklagte mit der Einführung der Fahrerzulage im Jahre 2008 einen über die Vorwegnahme künftiger Tariflohnerhöhungen hinausgehenden Zweck. Der Kläger hat unbestritten vorgetragen, dass es der Beklagten seinerzeit an einer hinreichenden Anzahl von Mitarbeitern mangelte, die über einen Vorfeldführerschein verfügten, um den Transport von Reinigungsteams, Arbeitsmaterialien und Müll zu bzw. von den Flugzeugen durchzuführen, und es deshalb ihr Wille war, neben Vorarbeitern und deren Stellvertretern weitere Arbeitnehmer - wie etwa den Kläger - zu motivieren, einen Vorfeldführerschein zu erwerben. Diese Anreizfunktion hat in den seinerzeitigen Verhandlungen der Beklagten mit ihrem Betriebsrat hinreichenden Niederschlag gefunden. So sollte die Zulage ausweislich des Schreibens vom 03.09.2008 auch an Reiniger gezahlt werden, zu deren Aufgabenbereich das Führen eines Fahrzeugs auf dem Vorfeld eben nicht gehört. Zudem sollte die Zahlung der Fahrerzulage nach Maßgabe des Protokolls des Treffens der Betriebsparteien vom 11.09.2008 daran geknüpft sein, dass die entsprechende Tätigkeit auch ausgeführt wurde, denn wer länger als zwei Monate nicht als Fahrer eingesetzt würde, sollte den Anspruch auf die Zulage verlieren - ihn aber immerhin solange auch behalten. Auch diese Ausgestaltung passt nicht zu einer rein übertariflichen Vergütung.
41Maßgebliche Bedeutung hat darüber hinaus, dass die Beklagte die Zulage in den vorliegenden schriftlichen Unterlagen als "AT-Zulage" bezeichnet hat. Das ist begrifflich gerade nicht dasselbe wie eine "übertarifliche Zulage". Während nämlich eine "außertarifliche" Regelung Gegenstände betrifft, die die einschlägigen tariflichen Bestimmungen überhaupt nicht vorsehen, knüpft eine "übertarifliche" Regelung an den tariflichen Gegenstand an, geht aber über die tariflich normierten Mindestbedingungen hinaus (BAG, zuletzt im Urteil vom 07.02.2007 - 5 AZR 41/06, NZA 2007, 934, Rdz. 26). Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf eine anderslautende Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz aus dem Jahre 2007 (wohl vom 31.05.2007 - 11 Sa 86/07) Bezug genommen hat, vermag diese nicht zu überzeugen, weil sie ohne jegliche Auseinandersetzung mit der (ständigen) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts außer- und übertarifliche Zulagen gleichsetzt. So ging es etwa im unter Rdz. 48 in Bezug genommenen Urteil des BAG vom 03.06.1998 (5 AZR 616/97, AP Nr. 34 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung), auf das das LAG Rheinland-Pfalz sich beruft, ausdrücklich um eine übertarifliche Zulage.
42b.
43Die Zahlung der Zulage als zweckgebundene Zusatzleistung ist Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien geworden. Ohne normativ dazu verpflichtet zu sein (eine gemäß § 77 Abs. 2 BetrVG formwirksame Betriebsvereinbarung liegt nicht vor), hat die Beklagte die Fahrerzulage dauerhaft und unter Beibehaltung der von den Betriebsparteien gewählten Bezeichnung an diejenigen Mitarbeiter gewährt, die - nach Erwerb des Vorfeldführerscheins - Fahrtätigkeiten ausgeführt haben; der Kläger ist zu diesen Bedingungen tätig geworden. Ob darin eine Gesamtzusage oder eine konkludente Individualzusage liegt, bedarf keiner näheren dogmatischen Einordnung. Dass dem Kläger der mit der Zulage verbundene Zweck verborgen geblieben ist, hat die Beklagte nicht behauptet und würde sich mit dessen Vortrag im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht in Einklang bringen lassen. Abgesehen davon wäre die mit der Fahrerzulage verbundene Anreizfunktion leergelaufen, hätte die Beklagte ihren Mitarbeitern den beabsichtigten Zweck nicht kundgetan.
44Wegen der einvernehmlichen Zweckbestimmung vermag sich die Beklagte nicht auf Ziffer 8 Satz 2 der Rückseite des Formulararbeitsvertrags zu berufen. Der in der dortigen Allgemeinen Geschäftsbedingung enthaltene Anrechnungsvorbehalt ist gegenüber der individuellen Vertragsabrede der Parteien gemäß § 305b BGB nachrangig. Er ist überdies auch tatbestandlich nicht einschlägig, weil es sich bei der Fahrerzulage - wie oben unter a. ausgeführt - eben nicht um einen "übertariflichen Bestandteil der Entlohnung", sondern um eine außertarifliche Leistung der Beklagten handelt.
45c.
46Haben die Parteien ursprünglich die Zahlung einer zweckbezogenen und damit konkludent anrechnungsfesten Zulage vereinbart, spielt es keine Rolle, dass der Kläger zwischenzeitlich zum Vorarbeiter aufgestuft worden ist und es nach Vortrag der Beklagten (inzwischen) keinen Mitarbeiter mit Fahrerzulage mehr gibt, der kein Vorarbeiter, stellvertretender Vorarbeiter oder Reiniger mit zeitlich begrenzter Vorarbeiterfunktion und entsprechender Vergütung ist - sprich jemand, zu dessen originären Aufgaben das Fahren gehört. Es kann auch dahin stehen, ob die Fahrerzulage ihre ursprüngliche motivatorische Funktion verfehlt hat (so wohl die Beklagte) oder aus Sicht der Mitarbeiter deren Fahrbereitschaft abgilt (so wohl der Kläger), und warum es zwingend gegen eine zweckgebundene Zulage sprechen soll, wenn Teile des sich aus einer Stellenbeschreibung ergebenden Aufgabenspektrums, deren Erfüllung aus Arbeitgebersicht maßgebliche Bedeutung hat, zusätzlich honoriert werden. Denn jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die Parteien ihre Vereinbarungen zur Fahrerzulage dergestalt modifiziert haben, dass aus der zuvor anrechnungsfesten eine der Anrechnung auf Tariflohnerhöhungen zugängliche Zulage gemacht worden ist. Dass und wann sich der Kläger mit einer derartigen, für ihn nachteiligen Vertragsänderung einverstanden erklärt haben sollte, ist nicht ersichtlich. Gerade bei und wegen der Beförderung des Klägers zum Vorarbeiter wäre zu erwarten gewesen, dass die Parteien eine entsprechende Abrede trafen. Ganz im Gegenteil heißt es noch im "Aufstufungsschreiben" der Beklagten vom 02.04.2013, die "Funktionszulage Fahrer" werde auch weiterhin in unveränderter Höhe gewährt. Das konnte der Kläger nach seinem maßgeblichen Empfängerhorizont nicht anders verstehen, als dass wegen der Zulagenzahlung alles beim Alten bleiben sollte - und eben bei der Zweckbindung der Fahrerzulage.
473.
48Die Höhe der danach nachzugewährenden Zulagenbeträge ist unstreitig. Die Zinsforderung des Klägers ist unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 286 Abs. 1, 2, 288 Abs. 1 satz 1 BGB begründet.
49C.
50Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Revision war mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Die Kammer hat sich an den Grundsätzen der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf Zulagen orientiert und diese wertend auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation angewendet.
51RECHTSMITTELBELEHRUNG
52Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
53Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde für die Beklagte wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
54gez. Schneider gez. Frohwein gez. Wesendonk
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Referenzen
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