Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm - 10 Sa 1305/21
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 27. Oktober 2021 – 2 Ca 50/20 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten über das Bestehen eines Anspruchs auf Zahlung des Zusatzgelds nach § 2 des Tarifvertrags „Tarifliches Zusatzgeld für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens“ vom 14.02.2018 (im Folgenden TV-ZUG).
3Der Kläger ist seit dem 23. August 1990 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als gewerblicher Mitarbeiter, zuletzt zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 3.084,26 € beschäftigt.
4Das Arbeitsverhältnis regelte zunächst der schriftliche Arbeitsvertrag aus 1990, dessen Ziff. 2 folgenden Wortlaut hatte:
5„Die Arbeitsbedingungen richten sich nach den jeweiligen tariflichen Bestimmungen in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens. ……“
6Im Jahr 2010 verhandelte die Beklagte erfolglos mit der IG Metall über eine (weitere) Vereinbarung zur Erhöhung der Wochenarbeitszeit um 3,5 Stunden ohne Entgeltausgleich. Ein Ergebnis ließ sich jedoch nicht erzielen. Vor diesem Hintergrund kündigte die Beklagte ihre Tarifmitgliedschaft zum 31. Dezember 2010. Sie ist seitdem nur noch Mitglied im Unternehmerverband ohne Tarifbindung.
7Die angestrebte Arbeitszeiterhöhung um 3,5 Stunden ohne Lohnausgleich wollte die Beklagte ab dem 1. Januar 2011 durch Individualvereinbarungen erreichen.
8Zu diesem Zweck fand am 3. Dezember 2010 eine Betriebsversammlung bei der Beklagten statt, in der der Geschäftsführer sein künftiges Konzept erläuterte. Die konkreten Einzelheiten bezüglich der dort getätigten Äußerungen sind zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls aber erhielten sämtliche Mitarbeiter im Nachgang ein Informationsschreiben nebst Mustervereinbarung, in welchem es – soweit hier von Interesse – heißt:
9„Unser Konzept ab dem 1. Januar 2011
10…
11 Erhöhung der Wochenarbeitszeit um 3,5 Stunden ohne Entgeltausgleich für Beschäftigte in der 35-Stunden-Woche
12…
13Personalleitung und Führungskräfte der einzelnen Abteilungen werden dazu in diesem Monat mit allen tariflich Beschäftigten persönliche Gespräche führen, um diese Vertragsänderungen zu vereinbaren.
14Bei einer Zustimmungsquote und Gesamtbeteiligung von mindestens 85 % zur 38,5 Stunden-Woche sichert die Geschäftsführung der A GmbH & Co. diesen Beschäftigten eine jährliche Erfolgsbeteiligung bei positiver Umsatzrentabilität in Höhe einer Rückvergütung von bis 1,5 Stunden pro Woche zu!
15…
16Die Geschäftsleitung versichert darüber hinaus, dass bei Erreichung der notwendigen Beteiligungsquote mit Ausnahme der Regelung zur Wochenarbeitszeit alle Tarifverträge für die nordrheinwestfälische Metall- und Elektroindustrie, die mit der IG Metall abgeschlossen worden sind, weiterhin im Betrieb zur Anwendung kommen.
17Insbesondere werden künftige tarifliche Entgelterhöhungen, aber auch Urlaub, Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung (das sogenannte Weihnachtsgeld) auch in der Zukunft weiter in vollem Umfang gewährt….“
18Mehr als 90% der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer unterschrieb noch im Dezember 2010 die der Mitarbeiterinformation beigefügte Musterzusatzvereinbarung.
19Auch der hiesige Kläger unterschrieb unter dem 10. Dezember 2010 die zweiseitige „Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag“, die auszugsweise wie folgt vorformuliert war (zum vollständigen Wortlaut s. Bl. 6,7 d. A.):
20„4. Alle sonstigen Vertragsbedingungen und Vertragsbestandteile (inklusive Betriebszugehörigkeitszeiten und Kündigungsfristen) des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages bleiben unverändert bestehen.
215. Mit Ausnahme der Regelung zur Wochenarbeitszeit kommen alle Tarifverträge für die nordrhein-westfälische Metall- und Elektroindustrie, die mit der IG Metall abgeschlossen worden sind, weiterhin im Betrieb zur Anwendung. Auch zukünftige zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarte Entgelterhöhungen, werden unter Berücksichtigung der tariflichen Regelungen zum ERA ETV, in vollem Umfang an den Mitarbeiter weitergegeben.“
22Ergänzend dazu schlossen Betriebsrat und Beklagte im März 2011 eine „Betriebsvereinbarung zur Umsetzung des Bündnisses für Arbeit bei der A GmbH & Co. KG“. Ihre Präambel lautet wie folgt:
23„Betriebsrat und Geschäftsführung sind sich einig, dass die Zukunftsfähigkeit der A GmbH & Co. KG mit ihren Beschäftigten sichergestellt werden muss. Dazu sind von der Geschäftsleitung mit allen in den Tarifbereich gehörenden Beschäftigten Individualvereinbarungen abgeschlossen worden, in denen sich die Beschäftigten bereit erklären, zukünftig ihre wöchentliche Arbeitszeit um 3,5 Stunden ohne Lohnausgleich zu erhöhen. Im Gegenzug hat die Geschäftsleitung allen Beschäftigten, die diese Vereinbarung unterschreiben, zugesichert, dass mit Ausnahme zur Regelung der Wochenarbeitszeit alle derzeit gültigen Tarifverträge für die nordrheinwestfälische Metall- und Elektroindustrie, die mit der IG Metall abgeschlossen worden sind, weiterhin im Betrieb zur Anwendung und künftige tarifliche Entgelterhöhungen in vollem Umfang weitergegeben werden.
24…
25§ 1 Geltungsbereich
26Diese Betriebsvereinbarung gilt grundsätzlich für die Beschäftigten und Auszubildenden der A GmbH & Co. KG, auf die das Abkommen vom 18. Februar 2010 über die ERA Entgelte (EA) in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung findet, mit Ausnahme der Regelungen in § 3 zur Erfolgsbeteiligung. Die Vereinbarungen aus § 3 haben nur Geltung für die dort genannte Gruppe von Beschäftigten.“
27Seit Beginn ihrer OT-Mitgliedschaft gab die Beklagte die jeweils zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Entgelterhöhungen an den Kläger weiter und erhöhte entsprechend des Tabellenentgelts auch das Urlaubsgeld sowie die Sonderzahlung.
28Im Jahr 2017 setzten sich einige Mitarbeiter, die die obige Musterzusatzvereinbarung ebenfalls unterschrieben hatten, hiergegen wiederum zur Wehr und machten ihre Unwirksamkeit geltend. Mit acht von ihnen schloss die Beklagte daraufhin gerichtliche Vergleiche, mit denen die Zusatzvereinbarung aufgehoben und wiederum eine explizit dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW vereinbart wurde.
29In der Tarifrunde 2018 vereinbarten die Tarifvertragsparteien einen Abschluss rückwirkend zum 1. Januar 2018, der für März einen Pauschalbetrag in Höhe von 100,00 Euro für alle Mitarbeiter sowie ab dem 1. April 2018 eine Entgeltsteigerung um 4,3 % vorsah. Des Weiteren wurde bei dieser Tarifeinigung der Tarifvertrag tarifliches Zusatzentgelt (TV T-ZUG) beschlossen. Ab 2019 gibt es in jedem Jahr im Juli zwei Sonderzahlungen, das T-ZUG (A) mit 27,5 % des individuellen Monatsentgeltes und das T-ZUG (B) mit weiteren 400,00 Euro für 2019 sowie in den folgenden Jahren 12,3 % Grundentgelts einer definierten Entgeltgruppe. Gemäß § 3d EMTV, nunmehr § 25 MTV, können bestimmte Arbeitnehmergruppen statt des T-ZUG (A) auch die Gewährung von acht Freistellungstagen in Anspruch nehmen.
30Die Beklagte gab an den Kläger im Kalenderjahr 2018 den Pauschalbetrag von 100,00 Euro ebenso weiter wie die vereinbarte Tariflohnerhöhung um 4,3 %. Sie leistete jedoch bei Fälligkeit im Juli 2019 weder das T-ZUG (A) noch das T-ZUG (B).
31Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung im Juli 2019 verfolgt der Kläger diese Zahlungsansprüche mit der am 10. Januar 2020 beim Arbeitsgericht Herford eingegangen Klage gerichtlich weiter.
32Der Kläger hat erstinstanzlich die Rechtsansicht vertreten, auf das Arbeitsverhältnis fänden aufgrund der abgeschlossenen Zusatzvereinbarung nach wie vor alle aktuellen Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW einschließlich des TV T-ZUG Anwendung. Bei dem TV T-ZUG handele es sich auch um eine Entgelterhöhung. Die Ziffern 4. und 5. der Zusatzvereinbarung enthielten zudem keine klare und transparente Regelung hinsichtlich der Geltung von Tarifverträgen, was einen Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB darstellen würde. Der Anspruch ergäbe sich zudem aus einer Gesamtzusage der Beklagten ebenso wie aus der Betriebsvereinbarung vom 01. März 2011 und einer betrieblichen Übung.
33Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
34- 35
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ausstehende tarifliche Vergütung in Höhe von 848,17 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01. August 2019 zu zahlen.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ausstehende tarifliche Vergütung in Höhe von 400,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01. August 2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
39die Klage abzuweisen.
40Sie hat die Rechtsansicht vertreten, eine Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich. Bei den Einmalzahlungen des TV T-ZUG handele es sich nicht um eine Entgelterhöhung, sondern einen neu abgeschlossenen, andersartigen Tarifvertrag. Eine umfassende Geltung aller Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie könne nicht aus Ziffer 4 der Zusatzvereinbarung abgeleitet werden, da Ziff. 5 bezogen auf die Geltung der Tarifverträge eine klare Regelung treffe, die die statische Fortgeltung und bloße Weitergabe zukünftiger Entgelterhöhungen zusagen wollte. Die Ziff. 4,5 der Zusatzvereinbarung seien daher weder unklar noch intransparent. Andere Anspruchsgrundlagen schieden ebenfalls aus.
41Das Arbeitsgericht Herford hat mit Urteil vom 27. Oktober 2021 der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es zusammengefasst ausgeführt, der begehrte Zahlungsanspruch ergebe sich aus Ziffern 4, 5 der Zusatzvereinbarung aus Dezember 2010. Zwar handele es sich bei den geltend gemachten Zahlungsansprüchen nicht um Entgelterhöhungen im eigentlichen Sinn, die vorgenannten Klauseln seien jedoch so auszulegen, dass die Beklagte dem Kläger sämtliche finanzielle Vergünstigungen aus dem Wirkungskreis des ERA zugesichert habe.
42Gegen diese ihr am 02. November 2021 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 03. November 2021 Berufung eingelegt und diese mit einem am 26. November 2021 eingegangenen Schriftsatz begründet.
43Die Beklagte vertieft insbesondere ihren Vortrag dahingehend, dass die Auslegung angesichts der bekannten Umstände, die zum Bündnis für Arbeit geführt hätten, zu dem klaren Ergebnis führen müsste, die Beklagte hätte nur reine Entgelterhöhungen weitergeben wollen, zu denen die Zahlungen aus dem TV T-ZUG eben nicht gehörten. Für jeden im Bereich Metall tätigen Mitarbeiter handele es sich sowohl bei der „Entgelterhöhung“ als auch beim „ERA-ETV“ um feststehende Begriffe, die keiner weiteren Auslegung zugänglich seien, so dass schon kein Bedürfnis für eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung bestünde.
44Ferner sei zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht ebenso wie auch das Landesarbeitsgericht in vorherigen Entscheidungen bei der vorgenommenen Auslegung die Tarifsystematik verkannt und nicht beachtet hätte, dass in Ziffer 5 Satz 2 der Zusatzvereinbarung allein auf die Regelungen des ERA-ETV, also auf die des Einführungstarifvertrages, verwiesen worden wäre vor dem Hintergrund, dass der 5-Jahres-Zeitraum nach Einführung des ERA im Jahr 2008 noch nicht abgelaufen sei. Daher seien Reichweite und Umfang der Regelungen „zum ERA-ETV“ nicht unklar oder mehrdeutig. Etwaige weitere Zahlungszusagen hätte die Beklagte erkennbar nicht geben wollen. Die Mitarbeiterinformation stelle selbst keine allgemeine Geschäftsbedingung dar und das in ihr verwendete Adverb „insbesondere“ sei mit der Bedeutung „hauptsächlich“ gewählt worden.
45Die Beklagte beantragt,
46das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 27. Oktober 2021, 2 Ca 50/20 abzuändern und die Klage abzuweisen.
47Der Kläger beantragt,
48die Berufung zurückzuweisen.
49Der Kläger verteidigt zweitinstanzlich seine Rechtsansicht, bei den Zahlungen aus dem TV T-ZUG handele es sich ohnehin um Entgelterhöhungen. Darüber hinaus seien die Klauseln in Ziff. 4, 5 der Zusatzvereinbarung vom 10. Dezember 2010 mehrdeutig, intransparent und nähmen auch die hier geltend gemachten Zahlungen in Bezug. Abzustellen sei nicht nur auf den Verbandsaustritt der Beklagten, sondern vielmehr darauf, dass sie bis einschließlich 2018 alle Entgelterhöhungen weitergegeben habe. Gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern sei die nunmehr behauptete Erhaltung bloß des Status quo weder kommuniziert noch sonst erkennbar gewesen. Zudem habe die Beklagte – insoweit unstreitig - im Jahr 2018 mit mehreren Arbeitnehmern arbeitsgerichtliche Vergleiche geschlossen, bei denen die Zusatzvereinbarung vom 10. Dezember 2010 aufgehoben und eine dynamische Bezugnahme auf alle Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie vereinbart worden sei. Dies dokumentiere deutlich, dass die Beklagte eben nicht nur den Status quo erhalten wollte und verschaffe ihm gleichzeitig einen Anspruch unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.
50Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Terminsprotokolle Bezug genommen.
51E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
52Die Berufung hatte keinen Erfolg.
53A. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und auch fristgerecht eingelegt worden (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Ferner ist sie fristgerecht (§ 66 Abs. 1 ArbGG) sowie ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden. Sie ist damit zulässig.
54B. Sie ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der der Höhe nach unstreitigen Zusatzgelder gemäß § 2 Abs. 2 lit a),b)TV T-ZUG i.V.m. der Zusatzvereinbarung vom 10. Dezember 2010.
55I. Unstreitig folgt der Anspruch nicht aus einer unmittelbaren Anwendbarkeit des TV T-ZUG aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit, § 3 TVG. Die Beklagte ist seit dem 01. Januar 2011 lediglich OT-Mitglied in ihrem Arbeitgeberverband.
56II. Der Anspruch folgt jedoch aus Ziff. 4, 5 der Zusatzvereinbarung vom 10. Dezember 2010 i.V.m. § 2 Abs. 2 lit a),b) TV T-ZUG.
571. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ergibt sich der Anspruch jedoch nicht bereits daraus, dass die Beklagte ihm in Ziff. 5 der Zusatzvereinbarung die Weitergabe der jeweiligen Entgelterhöhungen zugesagt hat, da es sich bei den hier streitgegenständlichen Zahlungen T-ZUG (A) und T-ZUG (B) nicht um Entgelterhöhungen im eigentlichen Sinn handelt.
58Nach den neueren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, handelt es sich bei den Ansprüchen aus dem TV T-ZUG um besondere Geldleistungen jenseits der regelmäßigen Vergütung (BAG, 21.07.2021, 5 AZR 10/21, Rn.25 ff.; BAG, 20.01.2021, 4 AZR 283/20, Rn.20). Ferner hat die hier erkennende Kammer bereits in früheren Parallelverfahren ebenfalls entschieden, dass die streitgegenständlichen Zahlungen keine Entgelterhöhungen darstellen, da es sich um Zahlungen aus einem eigenständigen Tarifvertrag handelt, die zudem nicht im unmittelbaren Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stehen (ausf. LAG Hamm, 28.04.2021, 10 Sa 38/21, Rn.56 ff.)
592. Die vom Kläger unterzeichnete Zusatzvereinbarung vom 10. Dezember 2010 ist jedoch so auszulegen, dass die Beklagte den unterzeichnenden Arbeitnehmern gerade nicht nur „echte Entgelterhöhungen“, sondern jedenfalls auch die hier streitgegenständliche finanzielle Vergünstigung zusichern wollte.
60a) Bei dem Zusatzvertrag vom 10. Dezember 2010 handelt es sich um eine von der Beklagten vorgefertigte und in einer Vielzahl von Fällen verwendete Mustervereinbarung, mithin um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff. BGB. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
61Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BAG, 12.12. 2018, 5 AZR 588/17, Rn.28). Der Verwender ist demgemäß verpflichtet, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen; sie müssen so gestaltet sein, dass der nicht rechtskundige Durchschnittsarbeitnehmer die benachteiligende Wirkung ohne Einholung von Rechtsrat erkennen kann (vgl. BAG, 19.03.2008, 5 AZR 429/07, Rn.24).
62Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (vgl. BAG, 03.12.2019, 9 AZR 44/19, Rn.15). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind schließlich auch der von den Arbeitsvertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten. Allerdings ist nicht der im konkreten Fall vom Verwender verfolgte Zweck für die Auslegung maßgeblich, sondern der typischerweise von verständigen und redlichen Geschäftspartnern verfolgte Zweck (vgl. BAG, 12.06.2019, 7 AZR 428/17, Rn.17; 19.03.2009, 6 AZR 557/07, Rn.21).
63Die tatsächliche Praxis des Vollzugs einer vertraglichen Regelung durch die Arbeitsvertragsparteien kann Anhaltspunkte für den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien enthalten und somit für die Auslegung von Bedeutung sein. Der bei Vertragsschluss zum Ausdruck gebrachte objektive Gehalt der wechselseitigen Willenserklärungen kann aber durch die spätere tatsächliche Handhabung nicht mehr beeinflusst werden (vgl. BAG 11.04.2018, 4 AZR 119/17, Rn. 77; BAG 24.02.2016, 4 AZR 991/13, Rn. 33 m.w.N.).
64Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (vgl. BAG, 20.03.2019, 7 AZR 98/17, Rn.22; 21.01.2015, 10 AZR 84/14, Rn.26).
65b) Dies vorangestellt gelangt die Kammer zu der Auffassung, dass die von der Beklagten vorformulierte Gestaltung der Ziffern 4 und 5 in ihrem Zusammenspiel im Ergebnis jedenfalls dahin auszulegen sind, dass nicht nur „reine Entgelterhöhungen“, sondern auch die Zahlungen aus § 2 Abs. 2 TV T-ZUG mit unter die Zusicherung fallen (ohne dass im Ergebnis über das Vorliegen einer umfassenden dynamischen Bezugnahme entschieden werden müsste).
66aa) Ziffer 4 des Zusatzvertrages ist nicht eindeutig.
67(1) Nach dem reinen Wortlaut der Ziff. 4 der Zusatzvereinbarung sollen ausdrücklich alle bisherigen Vertragsbedingungen und -bestandteile unverändert fortbestehen.
68Dies umfasst nach dem Wortlaut daher auch die in Ziff. 2 des ursprünglichen Arbeitsvertrages vereinbarte Bezugnahmeklausel auf die Tarifverträge der Metall- und Elek-troindustrie NRW.
69Hätten die Vertragspartner in Ziff. 4 der Zusatzvereinbarung eine umfassende dynamische Bezugnahmeklausel auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW vereinbart, so würde diese auch den TV T-ZUG erfassen (vgl. dazu LAG Hamm, 26.02.2020, 4 Sa 1285/19, Rn. 69) und die geltend gemachten Zahlungsansprüche stünden dem Kläger zu.
70(2) Nun ist allerdings nicht am reinen Wortlaut der Klausel zu haften.
71Die ursprüngliche Klausel im Arbeitsvertrag von 1995 war nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der auch beide Parteien ausgehen, unstreitig lediglich als Gleichstellungsabrede auszulegen, da es sich um einen sog. Altvertrag handelte.
72Nach der auch im Jahr 2010 schon bekannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es bei einer nach dem 31. Dezember 2001 vereinbarten Änderung eines „Altvertrags“ für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für „Neu-“ oder für „Altverträge“ maßgebend sind darauf an, ob die vertragliche Bezugnahmeklausel in der nachfolgenden Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 01. Januar 2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt allerdings nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ (vgl. BAG, 20.06.2018, 4 AZR 371/15, Rn.30 ff.; BAG 30.07.2008, 10 AZR 606/07, Rn.49; LAG Düsseldorf, 17.09.2015, 13 Sa 449/15, Rn.48). Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „Altvertrages“ und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (vgl. BAG 21.10.2015, 4 AZR 649/14, Rn.36; BAG 18.11. 2009, 4 AZR 514/08, Rn.25).
73Diese Rechtsprechung übertragen auf den vorliegenden Fall könnte zu der Annahme führen, dass die Parteien in Ziff. 4 des Zusatzvertrages tatsächlich eine dynamische Bezugnahmeklausel bezogen auf alle Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW vereinbart hätten.
74Mit der Beklagten ist allerdings davon auszugehen, dass die Ziff. 4 nicht isoliert von der unstreitigen Kenntnis des Klägers von dem Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft ab 01. Januar 2011 sowie der Ziff. 5 des Zusatzvertrages betrachtet werden kann; gleichwohl ist die Reichweite der Ziffer 4 aus sich heraus nicht eindeutig, da es vorrangig um das mit den Mitarbeitern klar kommunizierte Ziel ging, die Arbeits-zeiterhöhung zu erreichen.
75bb) Auch die Ziff. 5 der Zusatzvereinbarung bedarf entgegen der Auffassung der Beklagten einer Auslegung.
76Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei fehlender Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags regelmäßig anzunehmen, der Tarifvertrag solle in seiner jeweiligen Fassung Anwendung finden, ohne dass es einer ausdrücklichen „Jeweiligkeits-Klausel“ bedürfe (vgl. BAG, 20.04.2012, 9 AZR 504/10, Rn.26 m.w.N.). Die Bezugnahme in einem Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag oder einen Teil davon ist deshalb bei Fehlen anderer eindeutiger Hinweise, die für eine statische Bezugnahme sprechen, in der Regel dynamisch zu verstehen (BAG 30.08.2017, 4 AZR 443/15, Rn.20; 12.12.2012, 4 AZR 65/11, Rn.25).
77Nun ist der Beklagten zwar zuzugeben, dass die bekannte Umwandlung in eine OT-Mitgliedschaft im Zusammenhang mit der hier zu vereinbarenden Arbeitszeiterhöhung gegen Erfolgsbeteiligung einen deutlichen Hinweis auf die statische Bezugnahme liefert und die Wortwahl „abgeschlossen sind“ sowie „weiterhin zur Anwendung“ eine Verweisung auf den bisherigen Status quo bedeuten könnte, sie also in Satz 1 eine nur deklaratorische statische Bezugnahme aufnahm. Allerdings ist gerichtsbekannt, dass etwa zum Verfahren 10 Sa 918/21 mit einem im Jahr 2010 eingetretenen Mitarbeiter noch im Jahr 2017 eine zwar statische Bezugnahme auf die Tarifverträge vereinbart wurde, jedoch nicht Stand 2010, sondern zuletzt mit Stand 20. März 2017. Somit hat sich die Beklagte dort sehr wohl verpflichtet, sämtliche Tarifvertragsänderungen auch nach Verbandsaustritt jedenfalls bis Stand 20. März 2017 weiterzugeben, auch wenn es nahe liegt, dass es sich hierbei um ein Versehen handelte. Ebenso stellt auch der Kläger zutreffend darauf ab, dass zumindest mit einigen (wohl 8) Arbeitnehmern bei Aufhebung der Zusatzvereinbarung im Jahr 2018 wiederum eine dynamische Bezugnahmeklausel im Vergleichstext vereinbart wurde. Eine konsequente Praxis der Beklagten, den Status quo 2010 einzufrieren und ausnahmslos nur echte Entgelterhöhungen weiterzugeben, lässt sich somit aber gerade nicht feststellen.
78Soweit die Beklagte in Satz 2 der Ziff. 5 ferner die Weitergabe künftiger Entgelterhöhungen zusicherte, mag mit dem Einschub „zum ERA ETV“ tatsächlich entsprechend des Wortlautes und mangels Ablauf der 5-Jahres-Frist allein der ERA-Einführungstarifvertrag gemeint gewesen sein, eindeutig ist dies jedoch keineswegs. Die Beklagte legt selbst ein Gutachten von Metall NRW vom 28. Mai 2019 vor, auf dessen Richtigkeit sie sich bezieht. In diesem wird auf Seite 4, Absatz 2) ausgeführt, dass die von der Beklagten verwendeten Bezugnahmeklauseln durch den enthaltenen Verweis auf die „Regelungen zum ERA ETV“ als Bezugnahme auf die Entwicklung der ERA-Entgelttabellen verstanden würden. Auch hier ist nicht zuletzt aus dem Verfahren 10 Sa 918/21 gerichtsbekannt, dass die Beklagte diesen Einschub quasi reflexartig weiter verwendete, ohne dass der Hinweis auf den Einführungstarifvertrag in diesem Zusammenhang noch Sinn ergeben hätte. Letztlich ist es für die Kammer aber unerheblich, ob und wie der Einschub „zum ERA ETV“ zu verstehen ist, da es hierauf nicht entscheidend ankommt.
79Selbst bei Unterstellung des Verständnisses, der Einschub sei wörtlich zu nehmen und bezöge sich tatsächlich allein auf den ERA-Einführungstarifvertrag, bringt doch die Beklagte mit Ziffer 5 Satz 2 der Zusatzvereinbarung eine Dynamik ins Spiel, die für künftige Entgelterhöhungen gelten soll. Es kommt also vorrangig darauf an, was die Parteien mit dem Begriff der „Entgelterhöhung“ im vorliegenden Mustervertrag zum Ausdruck bringen wollten.
80Ebenso wenig wie die Kammer mangels Eindeutigkeit im Rahmen der Auslegung der Ziffer 4 am bloßen Wortlaut hängen bleiben darf, gilt dies auch im Rahmen der Ziffer 5. Wollte die Beklagte hingegen stets am reinen Wortlaut festhalten, so müsste sie sich im Gegenzug das Argument gefallen lassen, dass bereits Ziffer 4 der Zusatzvereinbarung i.V.m. dem ursprünglichen Arbeitsvertrag eine dynamische Bezugnahmeklausel liefert, die zumindest in eklatantem Widerspruch zur Ziffer 5 stünde.
81Nach dem Verständnis der Kammer ist der gewählte Begriff „zukünftige Entgelterhöhungen“ aufgrund des Gesamtzusammenhangs und der Widersprüchlichkeit der Ziffern 4 und 5 eben auslegungsbedürftig, auslegungsfähig und nicht zwingend so zu verstehen, dass sich die Beklagte auf das Versprechen der Weitergabe nur „echter Entgelterhöhungen“ beschränkt.
82cc) Es kommt für die Auslegung der Ziffern 4 und 5 der Zusatzvereinbarung und deren Zusammenspiel entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist und welche Interessen letztlich verfolgt wurden.
83(1) Dazu war zunächst die von der Beklagten zur Gerichtsakte gereichte Mitarbeiterinformation heranzuziehen und auch die in den Folgejahren gelebte betriebliche Praxis zu berücksichtigen.
84Ausweislich der im Dezember 2010 an alle Mitarbeiter ausgehändigten Information sichert die Beklagte darin, weitergehend als in den späteren Zusatzvereinbarungen, zu: „insbesondere werden künftige tarifliche Entgelterhöhungen, aber auch Urlaub, Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung (das so genannte Weihnachtsgeld) auch in der Zukunft weiter in vollem Umfang gewährt“.
85Mit der Wortwahl „insbesondere“ hat die Beklagte gerade zum Ausdruck gebracht keine abschließende Aufzählung vorzunehmen, sondern sie hat nur die Art der zukünftigen Handhabung exemplarisch verdeutlicht. Es ist nicht nachvollziehbar, was die Beklagte zum Ausdruck bringen möchte, wenn sie insoweit darauf abstellt, das Adverb „insbesondere“ sei ein Synonym zu „hauptsächlich“, da daraus ebenso wenig auf eine abschließende Aufzählung geschlossen werden kann.
86Zwar handelt es sich bei dieser Mitarbeiterinformation nicht um eine Willenserklärung mit Rechtsbindungswillen, die ihrerseits selbst nach den §§ 305 ff. BGB zu beurteilen wäre, sie ist gleichwohl zur Auslegung mit heranzuziehen. Die Mitarbeiter konnten und mussten sich auf den Inhalt verlassen und durften die Zusatzvereinbarung nach der Mitarbeiterinformation aus gutem Grund so verstehen, dass ihnen – sollten sie der Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich mehrheitlich zustimmen – keine weiteren Nachteile oder Einbußen drohen, wobei unter Einbußen jegliche Form des Abgeschnittenseins von der weiteren Entgeltentwicklung zu verstehen ist.
87Die von der Beklagten gelebte Praxis spricht ebenfalls für dieses Verständnis. Sie hat – wie oben ausgeführt – keineswegs konsequent und in allen Fällen nur den Status quo 2010 fortgeschrieben. Sie hat mit einigen Mitarbeitern entweder in Neuverträgen auf den Status quo bei Vertragsabschluss abgestellt bzw. in einigen Vergleichen 2018 sogar explizit eine dynamische Bezugnahmeklausel vereinbart. Auch hat sie vom Tarifabschluss 2018 die Einmalzahlung von 100 EUR brutto an die Mitarbeiter weitergegeben; zwar handelte es sich hierbei wohl um eine Entgelterhöhung im Rechtssinne, es erscheint der Kammer aber fraglich, inwieweit diese juristische Differenzierung bei den Einmalzahlungen und Sonderzahlungen selbst für den verständigen, mit den Tarifverträgen vertrautem Arbeitnehmer, überhaupt erkennbar sein könnte.
88(2) Schließlich sprechen auch Zweck und Interessenlage der Zusatzvereinbarung für das Verständnis, dass – sollte in Ziff. 4 nicht ohnehin bereits eine umfassende dynamische Vereinbarung erfolgt sein -, jedenfalls alle zukünftigen finanziellen Vorteile weitergegeben würden.
89Die Beklagte selbst schildert eindrücklich, dass es ihr im Jahr 2010 vordringlich darum ging, die Mitarbeiter weiterhin zu verpflichten, wöchentlich 3,5 Stunden Mehrarbeit ohne Lohnausgleich zu leisten. Es ist gerade folgerichtig, wenn verständige Vertragspartner als Erklärungsempfänger die Mitteilung der Beklagten so verstehen, dass mit Ausnahme der 3,5 Stunden Wochenarbeitszeit (zum Teil kompensiert durch die Erfolgsbeteiligung), finanziell keine weitere Schlechterstellung gegenüber Arbeitnehmern mit Tarifbindung erfolgen soll. Dies gilt umso mehr, als es dem einzelnen Arbeitnehmer letztlich gar nicht darauf ankommt, wo genau die für ihn positive Entwicklung des Entgelts tariflich verortet wird, sondern nur darauf, was schlussendlich bei ihm auf dem Konto landet. Der einzelne Arbeitnehmer leistet bereits seinen Beitrag, indem er einer höheren Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zustimmt, so dass er eigentlich gar nicht damit rechnen muss, darüber hinaus weitere Einbußen hinnehmen zu müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch die Beklagte den erfolgten Austritt aus dem Arbeitgeberverband allein damit begründet, dass eine weitere Tarifeinigung mit der IG Metall über eine Arbeitszeiterhöhung nicht möglich gewesen sei und sie es deshalb auf betrieblicher Ebene versuchen wollte und musste. Andere Hintergründe für den Austritt hat sie gerade nicht vorgebracht und auch in der Mitarbeiterversammlung gegenüber ihren Arbeitnehmern nicht kommuniziert.
90Bei der so verstandenen Auslegung der Klauseln in Ziff. 4, 5 der Zusatzvereinbarung als Zusicherung jedenfalls auch der hier streitigen Ansprüche, bleibt für die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB kein Raum, wobei etwaige Unklarheiten ohnehin zu Lasten der Beklagten gingen und das für den Kläger günstigere Auslegungsergebnis herangezogen werden müsste.
91Nach alledem steht daher dem Kläger der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld T-ZUG (A) ebenso zu wie das T-ZUG (B).
923. Die Höhe der eingeklagten Beträge bemisst sich nach § 2 Abs. 2 lit a), b) TV T-ZUG und ist zwischen den Parteien unstreitig.
93Die Zinsforderung folgt aus §§ 286, 288 BGB i.V.m. § 2 Abs. 3 TV T-ZUG.
94III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
95Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Nr. 1 ArbGG zugelassen, denn diese war schon im Hinblick auf beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Parallelverfahren 4 AZR 289/21 und 4 AZR 290/21 geboten.
96RECHTSMITTELBELEHRUNG
97Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
98REVISION
99eingelegt werden.
100Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.
101Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
102Bundesarbeitsgericht
103Hugo-Preuß-Platz 1
10499084 Erfurt
105Fax: 0361 2636-2000
106eingelegt werden.
107Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
108Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 72 Abs. 6 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Revision ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
109Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten eingelegt werden. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
110- 111
1. Rechtsanwälte,
- 112
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 113
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
115Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
116Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.
117* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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- 4 AZR 283/20 1x (nicht zugeordnet)
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- ArbGG § 64 Grundsatz 3x
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