Beschluss vom Landesarbeitsgericht Köln - 11 TaBV 48/13
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 09.07.2013- 5 BV 1/13 G - abgeändert und der Antrag der Antragsteller zu 1) bis 4) zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Die Antragsteller zu 1) bis 4) verlangen von der zu 5) beteiligten Arbeitgeberin die Freistellung von Rechtsanwaltskosten, die ihnen in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren im Zusammenhang mit der Anfechtung der Betriebsratswahl vom 15.02.2012 entstanden sind.
4Die Beteiligten zu 1), 3) und 4) waren Mitglieder des fünfköpfigen Wahlvorstandes, der Beteiligte zu 1) Vorsitzender des Gremiums. Bei der Betriebsratswahl entfielen auf die Liste „BR-2012“ 31 Stimmen, auf die Liste „ 18 Stimmen und auf die Liste „K “ 14 Stimmen.
5Das Arbeitsgericht Siegburg hat mit Beschluss vom 02.10.2012 – 1 BV 19/12 G – den Antrag der anwaltlich vertretenen Beteiligten zu 1) bis 4) auf Feststellung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl rechtskräftig zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die genannten Beteiligten hätten trotz gerichtlicher Auflage nicht substantiiert vorgetragen, dass die streitigen Eingriffe und Behinderungen der Beteiligten zu 5) im Rahmen der Vorbereitung der Betriebsratswahl geeignet gewesen seien, das Ergebnis der Betriebsratswahl auch nur potenziell zu beeinflussen. Die Berücksichtigung von drei Briefwahlstimmen aus der Filiale B sei nicht zu beanstanden, denn der bloße Umstand, dass die Stimmzettel und die vorgedruckte Erklärung, die sich wiederum jeweils ordnungsgemäß nach § 25 WO in einem verschlossenen Umschlag befunden hätten, in einem Sammelumschlag an den Wahlvorstand versendet worden seien, stehe den gesetzlichen Vorgaben nicht entgegen. Die Teilnahme von drei Arbeitnehmern an der Wahl, die nach Auffassung der Anfechtenden leitende Angestellte seien, sei nur bezüglich der Personalleiterin offensichtlich fehlerhaft, was das Ergebnis der Betriebsratswahl aber nicht habe beeinflussen können. Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellungen und der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf den Beschluss vom 02.10.2012 Bezug genommen. Mit Beschluss vom 26.11.2012 hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das Wahlanfechtungsverfahren auf 12.000,-- € festgesetzt.
6Die Beteiligte zu 5) lehnt es ab, die Beteiligten zu 1) bis 4) von den Kosten der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts für das Wahlanfechtungsverfahren in Höhe von 2.292,42 € freizustellen.
7Mit Beschluss vom 09.07.2013 (Bl. 65 ff. d. A.) verurteilte das Arbeitsgericht Siegburg die Beteiligte zu 5) zur Freistellung der Beteiligten zu 1) bis 4) von den Anwaltskosten in der genannten Höhe. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Durchführung des Wahlanfechtungsverfahrens sei nicht aussichtlos und die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Es habe sich um eine komplexe Aufklärung des Sachverhalts nebst Klärung von Rechtsfragen gehandelt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und der Antragstellung erster Instanz sowie der näheren Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Gründe zu I. und II. der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
8Gegen den ihr am 22.07.2013 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 5) am 23.07.2013 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.
9Die Beteiligte zu 5) meint, das Wahlanfechtungsverfahren sei von Anfang an aussichtlos gewesen, so dass die entstandenen Kosten nicht erforderlich gewesen seien. Die Beteiligten zu 1) bis 4) hätten es nicht vermocht, eine Beeinflussung der Wahl substantiiert vorzutragen. Es sei mutwillig, wenn der Wahlvorstand die Stimmen der Filiale aus B nach vorherigem anwaltlichen Rat zunächst berücksichtige und sodann die Mehrheit des Wahlvorstandes die Wahl aus diesem Grund anfechte. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn trotz vorheriger Aufklärung über die Rechte und Befugnisse der umstrittenen Angestellten der Wahlvorstand diese in die Wählerliste aufnehme und sodann die Anfechtung auf deren Wahlteilnahme gestützt werde.
10Die Beteiligte zu 5) beantragt,
11den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg – Az. 5 BV 1713 G – vom 09.07.2013 aufzuheben und den Antrag abzuweisen.
12Die Beteiligten zu 1) bis 4) beantragen,
13die Beschwerde zurückzuweisen.
14Die Erschwerung der Kommunikation des Wahlvorstandes, die Aufforderung an Arbeitnehmer Briefwahl vorzunehmen und eigene Mitarbeiter zur Kandidatur zu bewegen, hätten nur als eine unrechtmäßige Beeinflussung der Wahl angesehen werden können. Jedenfalls die Berücksichtigung der drei Briefwahlstimmen aus B in Kombination mit der Teilnahme von drei leitenden Angestellten hätte das Ergebnis der Betriebsratswahl beeinflussen können.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten vom 23.07.2013, 09.08.2013, 19.08.2013 und 30.09.2013 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
16II.
171. Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden,§§ 89, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG.
182. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Sie ist nicht verpflichtet, die Beteiligten zu 1) bis 4) von den Kosten der Inanspruchnahme des Rechtsanwalts zur Anfechtung der Betriebsratswahl vom 15.02.2012 in Höhe von 2.292,42 € freizustellen.
19a) Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratswahl. Dazu gehören alle Kosten, die mit der Einleitung und der Durchführung der Wahl sowie der gerichtlichen Überprüfung des Wahlergebnisses verbunden sind. Das betrifft auch Kosten eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zur Klärung von sonst nicht behebbaren Meinungsverschiedenheiten, die im Laufe des Wahlverfahrens entstehen. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers ist allerdings auf die erforderlichen Kosten der Betriebsratswahl begrenzt. Es gelten die zu § 40 Abs. 1 BetrVG entwickelten Grundsätze entsprechend. Kosten für eine aussichtslose Rechtsverfolgung oder eine rechtsmissbräuchliche Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten hat der Arbeitgeber nicht zu tragen. Maßgebend ist vielmehr, ob die Durchführung des Beschlussverfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwalts unter Abwägung aller Umstände für erforderlich gehalten werden durfte. Dies hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Dazu gehören u.a. die sich aus dem jeweiligen Sachverhalt ergebenden rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten ebenso wie der zu erwartende Verlauf des Beschlussverfahrens (BAG, Beschl. v. 16.04.2003 – 7 ABR 29/02 – m.w.N.)
20b) Die Beteiligten zu 1) bis 4) durften nach den dargelegten Grundsätzen die Durchführung des Wahlanfechtungsverfahrens unter Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht für erforderlich halten. Es hätte ihnen bei gewissenhafter Prüfung der Sach- und Rechtslage klar sein müssen, dass das Wahlanfechtungsverfahren aussichtlos sein wird.
21aa) Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst wird.
22bb) Bereits im Anfechtungsverfahren hat das Arbeitsgericht die Beteiligten zu 1) bis 4) zutreffend darauf hingewiesen, dass sämtliche Rügen im Hinblick auf Bestellung und Arbeit des Wahlvorstandes sowie den Aufforderungen zur Kandidatur und Abstimmung mittels Briefwahl nicht haben erkennen lassen, dass die gerügten Fehler das Wahlergebnis hätten objektiv beeinflussen können. Eine potenzielle Beeinflussung hätten die Beteiligten zu 1) bis 4) auch nur hinsichtlich der Briefwahlstimmen aus Bayern und der Stimmen der vermeintlichen leitenden Angestellten behauptet. Auch im vorliegenden Freistellungsverfahren haben die Beteiligten zu 1) bis 4) keine konkreten Argumente vorgetragen, die geeignet wären, die Annahmen des Arbeitsgerichts in Frage zu stellen. Fehlte den Rügen im Hinblick auf Bestellung und Arbeit des Wahlvorstandes sowie den Aufforderungen zur Kandidatur und Abstimmung mittels Briefwahl aber jegliche Substanz, so musste ein hierauf gestütztes Anfechtungsverfahren insoweit aussichtlos erscheinen.
23cc) Die Möglichkeit der Beeinflussung der Betriebsratswahl haben die Beteiligten zu 1) bis 4) aber aufgezeigt, soweit die Anfechtungsgründe Briefwahl und Teilnahme leitender Angestellter in Rede stehen. Zwar ist aufgrund des Ausgangs der Betriebsratswahl keiner dieser beiden Gründe für sich alleine genommen ausreichend, das Wahlergebnis zu beeinflussen, jedoch sind sie kumulativ, d.h. bei anderweitiger Verteilung der sechs Stimmen auf die Listen nach Maßgabe des § 14 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, geeignet, das Ergebnis der Wahl zu ändern.
24Allerdings war die Annahme eines Verstoßes gegen das Wahlverfahren durch Berücksichtigung der drei Briefwahlstimmen aus der Filiale in Bayern fernliegend. Die Verwendung des Sammelumschlags betraf nur die Versendungsform. Die jeweilige Stimmabgabe selbst genügte den Anforderungen des § 25 WO, insbesondere erfolgte sie unter Verwendung eines jeweils separaten, verschlossenen Wahlumschlages, der Stimmzettel und die Erklärung nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 WO enthielt. Die Gefahr einer Wahlmanipulation bestand nicht. Ein Hinweis auf die Person des Wählers lag nicht vor. Die Grundsätze geheimer und unmittelbarer Wahl (§ 14 BetrVG) waren für jeden ersichtlich gewahrt.
25Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass aufgrund der Umstände des vorliegenden Falls die Beteiligten zu 1) bis 4) nach gewissenhafter Prüfung die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Durchführung eines Wahlanfechtungsverfahrens nicht für erforderlich halten durften, weil erkennbar keine hinreichenden Anfechtungsgründe vorlagen, die eine Erfolgsaussicht des Verfahrens hätten begründen können. Es kann daher dahinstehen, ob das Freistellungsbegehren bezüglich der Beteiligten zu 1), 3) und 4) unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) auch deshalb unbegründet ist, weil sie als Wahlvorstandsmitglieder die vermeintlichen Anfechtungsgründe bezogen auf die Briefwahl und die Teilnahme leitender Angestellter selbst herbeigeführt haben.
263. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
27R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
28Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
29Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf§ 92a ArbGG verwiesen.
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Referenzen
- ArbGG § 89 Einlegung 1x
- ArbGG § 87 Grundsatz 2x
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- § 25 WO 2x (nicht zugeordnet)
- BetrVG § 14 Wahlvorschriften 2x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x
- ArbGG § 92a Nichtzulassungsbeschwerde 1x
- BetrVG § 20 Wahlschutz und Wahlkosten 1x
- BetrVG § 40 Kosten und Sachaufwand des Betriebsrats 1x
- BetrVG § 19 Wahlanfechtung 1x
- § 24 Abs. 1 Nr. 4 WO 1x (nicht zugeordnet)
- 5 BV 1/13 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BV 19/12 1x (nicht zugeordnet)
- 7 ABR 29/02 1x (nicht zugeordnet)