Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (8. Kammer) - 8 Sa 346/11

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.3.2011 - 7 Ca 2421/09 - wird unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über mehrere Zahlungsansprüche des Klägers.

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Mit Versäumnisurteil vom 16.09.2010 wurde der Beklagte verurteilt, an den Kläger 712,25 EUR brutto sowie insgesamt 663,00 EUR netto nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen hat der Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Mit Urteil vom 10.03.2011 hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

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Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes - nebst der in erster Instanz gestellten Anträgen - wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.03.2011 (Bl. 178 bis 184 d. A.) Bezug genommen.

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Gegen das ihm am 24.05.2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20.06.2011 Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag hin wurde die Berufungsbegründungsfrist mit Beschluss vom 27.07.2011 bis einschließlich 25.08.2011 verlängert.

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Mit Telefax vom 25.08.2011, 17.26 Uhr, teilte der Beklagte mit, dass aufgrund eines bislang noch nicht nachvollziehbaren Problems der EDV seines Prozessbevollmächtigten, mitunter eines Bedienungsfehlers, die Datei des Berufungsbegründungsschriftsatzes "vom heutigen Tage" überschrieben worden sei; da diese nicht rekonstruiert, sondern aus der Erinnerung neu erstellt werden müsse, werde gebeten, die Berufungsbegründungsfrist um zwei Werktage, mithin bis um 29.08.2011 zu verlängern. Zugleich beantragte der Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

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Mit Schriftsatz vom 28.08.2011, eingegangen am 29.08.2011 begründete der Beklagte die Berufung. Mit Schreiben des Gerichts vom 29.08.2011 wurde er darauf hingewiesen, dass gemäß § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG eine nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht zulässig ist.

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Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 28.08.2011 (Bl. 236 bis 239 d. A.) Bezug genommen.

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Der Beklagte beantragt,

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ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Berufung ist unzulässig.

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Das Rechtsmittel ist zwar an sich statthaft. Sie ist auch sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt worden. Der Beklagte hat die Berufung jedoch nicht rechtzeitig, d. h. innerhalb der ihm mit Beschluss vom 27.07.2011 nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Frist begründet. Die Berufungsbegründung ist erst am 29.08.2011, und damit verspätet, beim Berufungsgericht eingegangen.

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Gegen die Fristversäumung hat der Kläger allerdings in zulässiger Weise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, insbesondere hat er den Antrag in der gebotenen Form (§ 236 Abs. 1 ZPO) und innerhalb der hierfür geltenden Frist (§ 234 ZPO) gestellt. Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch unbegründet.

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Gemäß § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand u. a. dann zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Nach § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Die Verhinderung ist nicht verschuldet, wenn der Säumige diejenige Sorgfalt aufgewendet hat, die man verständlicherweise von ihm erwarten konnte. Bei der entsprechenden Prüfung ist auf die gesamten Umstände abzustellen. Hinsichtlich des die Wiedereinsetzung ausschließenden Verschuldensgrades kann schon leichte Fahrlässigkeit genügen, da § 233 ZPO nicht nach dem Grad des Verschuldens unterscheidet. Gemäß § 236 Abs. 2 ZPO sind die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft zu machen.

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Vorliegend hat der Beklagte keine Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, welche die Annahme rechtfertigen könnten, seinen Prozessbevollmächtigten treffe kein Verschulden an der Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten, nachdem die den Berufungsbegründungsschriftsatz enthaltene Datei abhanden gekommen war, nicht mehr möglich war, noch am selben Tag den Schriftsatz neu zu fertigen und per Telefax dem Berufungsgericht zuzuleiten. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde bereits um 17.26 Uhr des betreffenden Tages gestellt. Somit verblieben dem Prozessbevollmächtigten des Klägers noch mehr als 6 Stunden zur Fertigung der zweieinhalbseitigen Berufungsbegründung. Der Vortrag des Beklagten belegt daher nicht, dass seinen Prozessbevollmächtigten kein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist trifft.

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Erschwerend kommt hinzu, dass die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG bereits auf Antrag des Beklagten verlängert worden war. Aus dem Umstand, dass der Beklagtenvertreter am Tag des Fristablaufs um eine nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nachgesucht hat, ist zu schließen, dass ihm nicht bekannt war, dass die Berufungsbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG nur einmal verlängert werden kann. Diese fahrlässige Unkenntnis der Rechtslage muss sich die Partei zurechnen lassen. Ungeachtet dessen sind die Sorgfaltspflichten zur Einhaltung einer bereits verlängerten Notfrist gegenüber der eigentlichen Notfrist deutlich erhöht. Dies folgt daraus, dass bereits einem erstmaligen Antrag auf Fristverlängerung nur aus erheblichen Gründen stattgegeben werden soll und dass eine nochmalige Fristverlängerung ausgeschlossen ist. Der Prozessbevollmächtigte hat mithin bei einer bereits verlängerten Notfrist jegliche Vorsorge zu treffen und alle Eventualitäten einer möglichen Verzögerung in Betracht zu ziehen, damit der fristgebundene Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingeht (vgl. LAG Schleswig-Holstein vom 16.11.2004 - 5 Sa 337/04 -).

II.

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Die Berufung war daher - unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages - mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.

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Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 A ArbGG), wird hingewiesen.

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